Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 28.09.2023, RV/7103039/2023

Hält sich ein Kind in einem Monat in zwei Haushalten auf, so gilt das Überwiegenheitsprinzip

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Wolfgang Pavlik über die Beschwerde der ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag für den Monat Mai 2022, zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin (Bf) bezog für das Kind K., geb. 2020, für den Zeitraum Februar 2022 bis Mai 2022 Familienbeihilfe, da es sich von bis in ihrer Pflege befand.

Am stellte die Pflegemutter (Bf) einen Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe für ihr Pflegekind.

Nach Überprüfung der Anspruchsvoraussetzungen forderte das Finanzamt (FA) von der Bf mit Bescheid vom die für den Monat Mai 2022 bezogene Familienbeihilfe plus Kinderabsetzbetrag gemäß § 26 Abs 1 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) iVm § 33 Abs 3 Einkommensteuergesetz 1988 (EStG 1988) mit der Begründung zurück, dass K. nicht in ihrem Haushalt lebe und sie auch nicht überwiegend die Unterhaltskosten für das Kind leiste (Verweis auf § 2 Abs 2 FLAG 1967). Da K. bereits seit nicht mehr mit der Bf im gemeinsamen Haushalt wohne, werde die Familienbeihilfe für den Monat Mai 2022 rückgefordert.

Die Bf brachte in ihrer Beschwerde vom vor, dass K. vom bis bei ihr in Pflege gewesen sei. Dementsprechend habe sie für den Zeitraum Februar 2022 - Mai 2022 Familienbeihilfe bezogen. Sie sei informiert worden, dass die Familienbeihilfe monatlich jeweils im Voraus ausbezahlt werde. Dementsprechend habe im ersten Monat (Jänner) keine Auszahlung stattgefunden, jedoch sollte für Mai eine Auszahlung stattfinden. Dieser Zeitraum sei auch in der Mitteilung über den Bezug der Familienbeihilfe vom (Verweis auf Beilage) bestätigt worden. Sie stelle daher den Antrag, dass die Rückforderung für den Monat Mai 2022 widerrufen werde.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom gab das FA der Beschwerde vollinhaltlich statt.

Mit Bescheid vom hob das FA den Bescheid (Beschwerdevorentscheidung) gemäß § 299 Bundesabgabenordnung (BAO) wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit auf und erließ mit demselben Datum eine abweisende Beschwerdevorentscheidung. Begründend wurde ausgeführt, dass Familienbeihilfe der Person zustehe, in deren Haushalt sich das Kind im gegenständlichen Monat überwiegend aufhalte (Verweis auf das Erkenntnis des ). Da sich K. im Monat Mai 2022 überwiegend bei der Kindesmutter aufgehalten habe (ab ) und somit bei der Kindesmutter überwiegend haushaltszugehörig gewesen sei, sei die Beschwerde abzuweisen.

Die Bf wiederholt im Vorlageantrag vom ihr Beschwerdevorbringen vom und bringt darüber hinaus vor, dass sie seit Jahren laufend Krisenpflegekinder in ihrer Pflege habe. Dieses Vorgehen sei bisher in allen Fällen einheitlich so umgesetzt worden.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen

Unstrittiger Sachverhalt

Die Bf hatte das mj. Kind K. vom bis in ihrer Pflege.

Die Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge wurden von Februar bis Mai 2022 von der Bf bezogen.

Seit befindet sich K. im Haushalt der Kindesmutter.

Laut ZMR-Abfrage ist K. seit mit einem Hauptwohnsitz bei der Kindesmutter gemeldet.

Rechtliche Beurteilung

§ 2 FLAG 1967 lautet auszugsweise:

"(1) Anspruch auf Familienbeihilfe haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, a) für minderjährige Kinder, ...

(2) Anspruch auf Familienbeihilfe für ein in Abs. 1 genanntes Kind hat die Person, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist.

(3) Im Sinne dieses Abschnittes sind Kinder einer Person

a) deren Nachkommen,
b) deren Wahlkinder und deren Nachkommen,
c) deren Stiefkinder,
d) deren Pflegekinder (§§ 186 und 186a des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches).

(3a) Kinder im Sinne dieses Abschnittes sind auch Kinder, die aufgrund einer akut gefährdenden Lebenssituation kurzfristig von Krisenpflegepersonen betreut werden (Krisenpflegekinder). Krisenpflegepersonen im Sinne dieses Bundesgesetzes sind Personen, die im Auftrag des zuständigen Kinder- und Jugendhilfeträgers ausgebildet und von diesem mit der vorübergehenden Pflege und Erziehung eines Kindes für die Dauer der Gefährdungsabklärung betraut wurden.

(4) …

(5) Zum Haushalt einer Person gehört ein Kind dann, wenn es bei einheitlicher Wirtschaftsführung eine Wohnung mit dieser Person teilt."

§ 2a Abs. 1 FLAG 1967 lautet:

Gehört ein Kind zum gemeinsamen Haushalt der Eltern, so geht der Anspruch des Elternteiles, der den Haushalt überwiegend führt, dem Anspruch des anderen Elternteiles vor. Bis zum Nachweis des Gegenteils wird vermutet, daß die Mutter den Haushalt überwiegend führt.

§ 10 Abs. 2 FLAG 1967 lautet:

Die Familienbeihilfe wird vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.

Gemäß § 7 FLAG 1967 wird für ein Kind Familienbeihilfe nur einer Person gewährt.

Gemäß § 10 Abs. 4 FLAG 1967 gebührt Familienbeihilfe für einen Monat nur einmal.

Wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, hat gemäß § 26 Abs 1 FLAG 1967 die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.

Die Frage, ob für einen bestimmten Zeitraum Familienbeihilfe zusteht, ist anhand der rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten im Anspruchszeitraum zu beantworten. Der gesetzlich festgelegte Anspruchszeitraum für die Familienbeihilfe ist der Monat. Das Bestehen des Familienbeihilfeanspruches für ein Kind kann somit je nach dem Eintritt von Änderungen der Sach- und oder Rechtslage von Monat zu Monat anders zu beurteilen sein ().

Die Regelung des § 10 Abs 2 FLAG 1967 nimmt keine Anspruchsreihung dahingehend vor, dass nach den Verhältnissen am Monatsbeginn zu entscheiden wäre, wem der Anspruch auf Familienbeihilfe zusteht. Der erste Satz der genannten Bestimmung trifft eine Aussage darüber, dass, selbst wenn die Anspruchsvoraussetzungen erst im Laufe des Monats eintreten (beispielsweise die Geburt des Kindes), die Familienbeihilfe trotzdem bereits ab dem 1. des Monats gebührt. Nach dem zweiten Satz gebührt hingegen für den Fall, dass die Anspruchsvoraussetzungen im Laufe des Monats wegfallen, die Familienbeihilfe trotzdem bis zum Ablauf des Monats (vgl. ).

Aus den Bestimmungen des § 2 Abs 2 FLAG 1967 ergibt sich, dass der Anspruch auf Familienbeihilfe primär an die Haushaltszugehörigkeit anknüpft.

Die Bedingungen einer Haushaltszugehörigkeit sind in § 2 Abs 5 FLAG 1967 näher umschrieben; demgemäß kommt es ausschließlich auf die einheitliche Wirtschaftsführung mit dem Kind im Rahmen einer Wohngemeinschaft (Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft, vgl. ) an.

Ein Kind kann nur einem Haushalt angehören. Einerseits wird gemäß § 7 FLAG 1967 für ein Kind Familienbeihilfe nur einer Person gewährt, andererseits gibt es unter dem Gesichtspunkt "Haushaltszugehörigkeit" keine Regelungen über eine Reihung von potentiell anspruchsberechtigten Personen, etwa nach der Dauer oder dem Grad der Intensität einer solchen Zugehörigkeit.
Lediglich dann, wenn das Kind dem gemeinsamen Haushalt beider Elternteile (hier: Pflegemutter und Kindesmutter) angehört, kennt das FLAG einen "Konkurrenzfall", der in § 2a FLAG 1967 geregelt ist (vgl. ).
Dabei stellt das Gesetz auf die überwiegende Haushaltsführung ab. Auf die im Beschwerdefall anstehende Rechtsfrage, welcher Beihilfenanspruch vorgeht, wenn das Kind innerhalb eines Monates zeitlich hintereinander unterschiedlichen Haushalten angehört, kann diese Wertungsentscheidung des Gesetzgebers per Analogie zur Anwendung gebracht werden. Der für einen Monat nur einfach gebührende Beihilfenanspruch steht daher, wenn das Kind im Kalendermonat zeitlich hintereinander zu unterschiedlichen Haushalten gehört hat, in Anwendung des Überwiegensprinzips demjenigen zu, der für den längeren Zeitraum den Haushalt geführt hat (oder nach § 2a FLAG 1967 als Haushaltsführender vermutet wird).

Da im vorliegenden Fall unstrittig ist, dass K. im Monat Mai 2022 überwiegend dem Haushalt ihrer leiblichen Mutter angehört hat, hat das FA zu Recht von der Bf die Familienbeihilfe und den Kinderabsetzbetrag für den Monat Mai 2022 zurückgefordert.

Wenn die Bf ausführt, sie sei informiert worden, dass die Familienbeihilfe monatlich jeweils im Voraus ausbezahlt werde und dementsprechend habe im ersten Monat (Jänner) keine Auszahlung stattgefunden, jedoch sollte für Mai eine Auszahlung stattfinden, so ist einerseits festzuhalten, dass beschwerdegegenständlich ausschließlich die Familienbeihilfen-Rückforderung für den Monat Mai 2022 ist.
Im Übrigen ist andererseits zu bemerken, dass die Bf auch im Jänner 2022 nach dem vorliegenden Sachverhalt keinen Anspruch auf Familienbeihilfe für K. hatte; dies deswegen, weil K. nach dem Vorbringen der Bf (erst) seit (laut ZMR Hauptwohnsitz bis bei der Kindesmutter und seit bei der Pflegemutter) bei der Bf in Pflege war, was bedeutet, dass sie im Jänner 2022 überwiegend (längerer Zeitraum) bei der Kindesmutter haushaltszugehörig war.

Zum Hinweis der Bf auf die Mitteilung über den Anspruch auf Familienbeihilfe ist auszuführen, dass eine derartige Mitteilung keinen Bescheidcharakter hat (siehe Hebenstreit in Csazsar/Lenneis/Wanke, FLAG, 2. Aufl. 2007, § 12: "Die Mitteilung über den entstandenen Anspruch auf Bezug der FB, den Wegfall der FB oder die Verständigung über die Einstellung der Auszahlung der FB ist kein Bescheid [s RV/0205-G/06 ...]").
Deshalb können aus einer "Mitteilung" über die voraussichtliche Dauer eines Beihilfenanspruchs keine Rechtsansprüche abgeleitet werden und eine derartige Mitteilung steht einer Rückforderung bezogener Familienbeihilfe nicht entgegen. Der Beihilfenanspruch endet nach § 10 Abs 2 FLAG 1967 bei Wegfall der Anspruchsvoraussetzungen und nicht durch Ablauf des auf einer Mitteilung genannten Zeitraums.

Aus § 26 Abs 1 FLAG 1967 ergibt sich eine objektive Rückzahlungspflicht desjenigen, der Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag zu Unrecht bezogen hat (vgl. ; ; ). Subjektive Momente, wie Verschulden an der (ursprünglichen oder weiteren) Auszahlung der Familienleistungen, Gutgläubigkeit des Empfangs oder Verbrauchs der Familienbeihilfe sind nach ständiger Judikatur des VwGH für die Verpflichtung zur Rückerstattung unrechtmäßiger Beihilfenbezüge unerheblich (vgl die bei Lenneis/Wanke, FLAG2, 2020, § 26, Rz 13, zitierte Rechtsprechung). Die Rückzahlungspflicht besteht daher auch dann, wenn der unrechtmäßige Bezug ausschließlich auf einer Fehlleistung der Abgabenbehörde, etwa auf irrtümlich durch das FA erfolgte Auszahlungen, beruht (vgl zB ; ; ).

Entscheidend ist lediglich, ob der Empfänger die Beträge zu Unrecht erhalten hat (; ).

Es handelt sich um eine zwingende Bestimmung (arg: "hat ... zurückzuzahlen"). Ein Ermessen, auf die Rückzahlung zu verzichten, ist der Finanzbehörde daher nicht eingeräumt.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Unzulässigkeit der Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung lag im gegenständlichen Fall nicht vor, da zum "Konkurrenzfall" und zur Rückforderung einheitliche Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes vorliegt.

Wien, am

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Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at