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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 28.09.2023, RV/7101532/2023

§ 2 Abs 1 lit d erster Fall FLAG 1967 idF der Novelle BGBl I 220/2021; Familienbeihilfenanspruch für die Zeit zwischen Reifeprüfung und Zivildienst

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/7101532/2023-RS1
§ 2 Abs 1 lit d FLAG 1967 idF BGBl I 220/2021 trat mit in Kraft (§ 55 Abs 52 FLAG 1967). Ergänzende Übergangsbestimmungen bestehen nicht. Ein Familienbeihilfenanspruch auf Basis von § 2 Abs 1 lit d erster Fall FLAG 1967 idF BGBl I 220/2021 kann daher (erstmals) für den Monat Juni 2022 bestehen (etwa bei Abschluss der Schulausbildung im Mai 2022).
RV/7101532/2023-RS2
Eine analoge Anwendung des § 2 Abs 1 lit d zweiter Fall FLAG 1967 idF BGBl I 220/2021, wonach der Anspruch auf Familienbeihilfe für den Zeitraum zwischen dem Ablauf des in § 2 Abs 1 lit d erster Fall FLAG 1967 idF BGBl I 220/2021 vorgesehenen Bezugszeitraumes von vier Monaten und dem Beginn des (verpflichtend zu absolvierenden) Zivildienstes so wie für den Zeitraum zwischen Abschluss der Schulbildung und dem Beginn einer weiteren Berufsausbildung bestünde, erscheint nicht völlig ausgeschlossen. Ein Familienbeihilfenanspruch für ein Monat, das nach Ablauf des in § 2 Abs 1 lit d erster Fall FLAG 1967 idF BGBl I 220/2021 vorgesehenen Bezugszeitraumes von vier Monaten liegt, in Analogie zu § 2 Abs 1 lit d zweiter Fall FLAG 1967 idF BGBl I 220/2021 hätte aber zur Voraussetzung, dass der Zivildienst zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach Abschluss der Schulausbildung begonnen wird.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Lisa Pucher in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen in Höhe von € 4.426,50 für den Zeitraum April 2021 bis Oktober 2022, zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Der Rückforderungsbetrag betreffend ***A R*** für den Monat Oktober 2022 beträgt:


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Familienbeihilfe
€ 165,10
Kinderabsetzbetrag
€ 58,40
Summe
223,50

Hinsichtlich der Monate April 2021 bis September 2022 erfolgt keine Rückforderung der Familienbeihilfe bzw der Kinderabsetzbeträge.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Bescheid des Finanzamtes Österreich vom wurde die Beschwerdeführerin (nachfolgend "Bf") gemäß § 26 Abs 1 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (nachfolgend "FLAG") in Verbindung mit § 33 Abs 3 EStG 1988 aufgefordert, die für ihren Sohn ***A R***, geboren am ***GebDatum***, bezogene Familienbeihilfe für den Zeitraum April 2021 bis Oktober 2022 sowie die betreffenden Kinderabsetzbeträge zurückzuzahlen. Die Bf sei vom Finanzamt dazu aufgefordert worden, Unterlagen über den erfolgreichen Abschluss der Berufsausbildung ihres Sohnes zu übermitteln. Dem sei die Bf nicht nachgekommen, weshalb im gegenständlichen Zeitraum kein Anspruch auf Familienbeihilfe bestehe.

Am erhob die Bf fristgerecht Beschwerde gegen den Rückforderungsbescheid. Sie habe bereits im Oktober 2022 das Maturazeugnis ihres Sohnes an das Finanzamt geschickt.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde der Beschwerde teilweise stattgegeben. Hinsichtlich der Monate April 2021 bis Mai 2022 erfolge aufgrund der Vorlage des Maturazeugnisses keine Rückforderung der Familienbeihilfe. Hingegen bleibe die Rückforderung für den Zeitraum Juni bis Oktober 2022 aufrecht: Der Sohn der Bf habe im Mai 2022 an einer Höheren Lehranstalt für wirtschaftliche Berufe in Wien maturiert. Gemäß § 2 Abs 1 lit d FLAG 1967 idF BGBl I 220/2021 bestehe für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für vier Monate nach Abschluss der Schulausbildung. Diese Regel basiere auf einer Gesetzesänderung, welche mit in Kraft getreten sei. Die Bestimmung gelte erst ab . Der Sohn der Bf habe seine Schulausbildung bereits im Mai 2022 abgeschlossen. Sohin habe (ab Juni 2022) kein weiterer Anspruch auf Familienbeihilfe bestanden.

Mit Eingabe vom beantragte die Bf die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht (Vorlageantrag). Die Bf führte im Wesentlichen aus, dass die in Kraft getretene Regel mit Juni 2022 gültig sei und allen SchülerInnen mit Beendigung des Schuljahres (wohl 2021/2022) zur Verfügung stehen müsse. SchülerInnen, die im Mai 2022 die Matura abgelegt haben, seien sonst benachteiligt, was gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoße. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem geänderten Gesetzestext. Überdies sei das Schuljahr nicht wie von der belangten Behörde angenommen mit Erhalt des Maturazeugnisses (mit Ende Mai) beendet gewesen, sondern erst später. Die Bf habe das Geld aufgrund der Schulbesuchsbestätigungen und der zunächst erfolgten Fortsetzung der Zahlungen im guten Glauben ihrem Sohn zur Verfügung gestellt. In der Zeit zwischen Matura und Zivildienst bestehe laut der im Internet auf der Homepage der Arbeiterkammer auffindbaren Information überdies sehr wohl ein Anspruch auf Familienbeihilfe. Diese Gründe seien für die Aufhebung des Rückforderungsbescheides vom ausreichend. Die erforderlichen Dokumente habe die Bf dem Finanzamt bereits übermittelt. Sie ersuche um "Neuberechnung / Weiterführung" der Familienbeihilfe.

Am erfolgte die Vorlage an das Bundesfinanzgericht. Es werde beantragt, der Beschwerde für Zeitraum April 2021 bis Mai 2022 stattzugeben, da das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen nachgewiesen worden sei. Die belangte Behörde verwies erneut auf das Inkrafttreten der Bestimmung mit . Der Sohn der Bf habe nachweislich im Mai 2022 maturiert. Die Berufs-/Schulausbildung sei mit Ablegung der letzten in den Ausbildungsvorschriften vorgesehenen Prüfung (hier: Reifeprüfung) abgeschlossen gewesen. Aufgrund der Beendigung der Schulausbildung bereits im Mai 2022 seien im vorliegenden Fall die Anspruchsvoraussetzungen nach der davor gültigen Rechtslage zu beurteilen gewesen (siehe § 2 Abs 1 lit d FLAG 1967 idF BGBl I 28/2020, eingeführt mit dem Bundesgesetz BGBl I Nr 156/2017: "für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, für die Zeit zwischen dem Abschluss der Schulausbildung und dem Beginn einer weiteren Berufsausbildung, wenn die weitere Berufsausbildung zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach Abschluss der Schulausbildung begonnen wird; für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, für die Zeit zwischen dem Abschluss der Schulausbildung und dem ehestmöglichen Beginn eines Freiwilligen Dienstes nach § 2 Abs. 1 lit. l sublit. aa bis dd für längstens drei Monate"). Nach dieser Rechtslage werde explizit auf eine Berufsausbildung bzw auf einen freiwilligen Dienst abgestellt, sodass für den Zeitraum zwischen Schulabschluss und Beginn des Präsenz-/Zivildienstes kein Familienbeihilfenanspruch bestehe. Verwiesen wurde dazu auf die Kommentierung zu § 2 FLAG 1967 in Lenneis/Wanke, FLAG-Kommentar, Rn 120 sowie auf das VwGH-Judikat vom , 2013/16/0153). Die Familienbeihilfe sei somit gemäß § 26 FLAG 1967 zurückzufordern gewesen.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die Bf hat ihren Wohnsitz in ***PLZ, Ort*** (Österreich). Der Sohn der Bf (***A R***) ist am ***GebDatum*** geboren. Er besuchte in den Schuljahren 2020/2021 sowie 2021/2022 die Höhere Lehranstalt für wirtschaftliche Berufe, ***Straße, PLZ Wien*** und bestand im Mai 2022 die Reifeprüfung. Seit leistet ***A R*** (noch bis ) den Zivildienst in Wien.

2. Beweiswürdigung

Die obigen Sachverhaltsfeststellungen sind allesamt aktenkundig.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abänderung)

§ 2 FLAG Abs 1 lit b 1967 lautet (auszugsweise):

"(1) Anspruch auf Familienbeihilfe haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,

b) für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. […]"

§ 2 FLAG Abs 1 lit d 1967 idF BGBl I 220/2021 regelt:

"d) für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, und volljährige Kinder, die erheblich behindert sind (§ 8 Abs. 5) und die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, für vier Monate nach Abschluss der Schulausbildung; im Anschluss daran für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, und volljährige Kinder, die erheblich behindert sind (§ 8 Abs. 5) und die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, bis zum Beginn einer weiteren Berufsausbildung, wenn die weitere Berufsausbildung zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach Abschluss der Schulausbildung begonnen wird."

Die Inkrafttretensregel zu § 2 FLAG Abs 1 lit d 1967 idF BGBl I 220/2021 (§ 55 Abs 52 FLAG 1967) sieht vor: "§§ 2 Abs. 1 lit. d und 6 Abs. 2 lit. b in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 220/2021 treten mit in Kraft."

Ausgehend von den oben zitierten Rechtsnormen sowie der Aktenlage stellt sich die Anspruchsberechtigung der Bf im Rückforderungszeitraum wie folgt dar:

April 2021 bis Mai 2022

Der Sohn der Bf stand (bis einschließlich Mai 2022) in Schulausbildung, weshalb in den Monaten April 2021 bis Mai 2022 ein Familienbeihilfenanspruch gemäß § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 gegeben ist. Mit Ende Mai 2022 ist der auf § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 gestützte Familienbeihilfenanspruch erloschen, da der Sohn der Bf in diesem Monat die Reifeprüfung bestanden hat (siehe § 10 Abs 2 Satz 2 FLAG 1967: "Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt."). Ab dem Zeitpunkt befand sich ***A R*** - im rechtlichen Sinn - nicht mehr in schulischer Ausbildung (siehe Hebenstreit/Lenneis/Reinalter in Lenneis/Wanke, FLAG2 § 2 Rn 42 mwN; siehe auch , zur Lehrabschlussprüfung und RV/0372-G/12, zur Matura).

Juni bis September 2022

§ 2 Abs 1 lit d FLAG 1967 idF BGBl I 220/2021 trat mit in Kraft (§ 55 Abs 52 FLAG 1967). Ergänzende Übergangsbestimmungen wie solche, die die Anwendung von § 2 Abs 1 lit d erster Fall FLAG 1967 idF BGBl I 220/2021 auf Kinder beschränken, die ihre Schulausbildung nach dem abgeschlossen haben, bestehen nicht (vgl auch die Aussage einer Nationalratsabgeordneten, die sich im Stenograpischen Protokoll zur Plenarsitzung des Nationalrates vom zu der Bestimmung findet: "Im Mai wurde ich von einer erstaunten, eigentlich verärgerten Mutter kontaktiert, deren Sohn […] gerade die schriftliche Matura hinter sich hatte und die die Information bekam, dass die Familienbeihilfe auslaufen würde. - Was folgte war ein bürokratischer Aufwand in Papierform. Und nun sind wir im 21. Jahrhundert angekommen und ermöglichen nicht nur mit dem System Fabian […] die elektronische Abwicklung, sondern verlängern auch die Familienbeihilfe nach Abschluss der Schulausbildung um vier Monate.").

Wenn in einem Gesetz lediglich das Datum des Inkrafttretens vorgesehen ist, ohne dass es ergänzende Übergangsbestimmungen gibt, dann ist anzunehmen, dass mit dem Inkrafttreten der zeitliche Bedingungsbereich und der zeitliche Rechtsfolgenbereich beginnen (siehe Mayer/Kucsko-Stadlmayer/Stöger, Bundesverfassungsrecht11 Rn 493). Das bedeutet, dass die Rechtsfolgen einer Bestimmung (hier: Familienbeihilfenanspruch) ab dem gesetzlich normierten Inkrafttretenszeitpunkt (hier: ab ) eintreten, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind. Ein Familienbeihilfenanspruch auf Basis von § 2 Abs 1 lit d erster Fall FLAG 1967 idF BGBl I 220/2021 kann daher (erstmals) für den Monat Juni 2022 bestehen (siehe auch die Gesetzesmaterialien zu § 2 Abs 1 lit d FLAG 1967 idF BGBl I 220/2021, Abänderungsantrag, AA-210 XXVII. GP, wonach die Regelung erstmals mit "zur Anwendung gelangen" soll).

Gemäß § 2 Abs 1 lit d erster Fall FLAG 1967 idF BGBl I 220/2021 besteht ein Familienbeihilfenanspruch für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, in Zeiträumen, die nach Abschluss der Schulausbildung gelegen sind, wobei der Bezugszeitraum mit 4 Monaten festgelegt wurde: ***A R*** hat seine Schulausbildung im Mai 2022 abgeschlossen, weshalb der Monat Juni 2022 bereits als nach Abschluss der Schulausbildung gelegener Zeitraum anzusehen ist. Er war damals bereits volljährig und hatte das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet. Die Familienbeihilfe ist daher zu Recht von Beginn des Monates Juni 2022 bis zum Ende des in § 2 Abs 1 lit d erster Fall FLAG 1967 idF BGBl I 220/2021 normierten Bezugszeitraumes von vier Monaten (daher bis Ende September 2022) an die Bf ausbezahlt worden.

Oktober 2022

Der Monat Oktober 2022 liegt in der hier vorliegenden Sachverhaltskonstellation außerhalb des in § 2 Abs 1 lit d erster Fall FLAG 1967 idF BGBl I 220/2021 vorgesehenen Bezugszeitraumes von 4 Monaten, weshalb für Oktober 2022 keine Anspruchsberechtigung nach dieser Bestimmung angenommen werden kann.

Es besteht auch kein Familienbeihilfenanspruch der Bf für Oktober 2022 nach § 2 Abs 1 lit d zweiter Fall FLAG 1967 idF BGBl I 220/2021 ("im Anschluss daran für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, und volljährige Kinder, die erheblich behindert sind (§ 8 Abs. 5) und die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, bis zum Beginn einer weiteren Berufsausbildung, wenn die weitere Berufsausbildung zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach Abschluss der Schulausbildung begonnen wird"):

§ 2 Abs 1 lit d zweiter Fall idF BGBl I 220/2021 regelt seinem Wortlaut nach den Zeitraum zwischen dem Ablauf des in § 2 Abs 1 lit d erster Fall idF BGBl I 220/2021 vorgesehenen Bezugszeitraumes von vier Monaten und dem Beginn einer weiteren Berufsausbildung. Im gegenständlichen Fall hat der Sohn der Bf im Mai 2022 maturiert. Sodann erfolgte im Monat Februar 2023 der Antritt des Zivildienstes. Nach der VwGH-Judikatur ist der Präsenz- oder Zivildienst nicht als Ausbildung anzusehen (siehe etwa ). Ein unmittelbar auf den Anspruchsgrund § 2 Abs 1 lit d zweiter Fall idF BGBl I 220/2021 gestützter Familienbeihilfenanspruch für Oktober 2022 ist aus diesem Grund abzulehnen (Anmerkung: Es wird auf das Erkenntnis des zu § 2 Abs 1 lit d FLAG 1967 idF BGBl I 111/2010 hingewiesen. § 2 Abs 1 lit d FLAG 1967 idF BGBl I 111/2010 lautete damals: "für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, für die Zeit zwischen dem Abschluss der Schulausbildung und dem Beginn einer weiteren Berufsausbildung, wenn die weitere Berufsausbildung zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach Abschluss der Schulausbildung begonnen wird"; das betreffende Erkenntnis hatte die Frage zum Gegenstand, ob zwischen Abschluss der Schulausbildung und dem Beginn des freiwilligen Sozialjahres ein Familienbeihilfenanspruch besteht; der VwGH hielt in diesem Zusammenhang auch folgendes fest: "Diese Bestimmung regelt […] nach dem eindeutigen Wortlaut den Zeitraum zwischen dem Abschluss der Schulausbildung und dem Beginn einer weiteren Berufsausbildung. Der Zeitraum zwischen dem Abschluss der Schulausbildung und dem Beginn eines Präsenz-, Ausbildungs- oder Zivildienstes ist davon ausdrücklich nicht erfasst."; vor dem Hintergrund ist ein Familienbeihilfenanspruch in diesem Zeitraum vom BFG regelmäßig abgelehnt worden, siehe ; ; ; ; ; vgl aber Hebenstreit/Lenneis/Reinalter in Lenneis/Wanke, FLAG2 § 2 Rn 120, wonach der Zeitraum zwischen Abschluss der Schulausbildung und Beginn eines Präsenz- oder Zivildienstes durch § 2 Abs 1 lit d FLAG 1967 idF vor der Novelle mit Bundesgesetz BGBl I 220/2021 dann umfasst ist, wenn eine daran anschließende weitere Berufsausbildung zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach Beendigung des Zivildienstes begonnen wird; dem folgend ; und auch schon und ).

Eine analoge Anwendung des § 2 Abs 1 lit d zweiter Fall FLAG 1967 idF BGBl I 220/2021, wonach der Anspruch auf Familienbeihilfe für den Zeitraum zwischen dem Ablauf des in § 2 Abs 1 lit d erster Fall FLAG 1967 idF BGBl I 220/2021 vorgesehenen Bezugszeitraumes von vier Monaten und dem Beginn des (verpflichtend zu absolvierenden) Zivildienstes so wie für den Zeitraum zwischen Abschluss der Schulbildung und dem Beginn einer weiteren Berufsausbildung bestünde, erscheint nicht völlig ausgeschlossen (vgl die Gesetzesmaterialien zu § 2 Abs 1 lit d FLAG 1967 idF BGBl I 220/2021, Ausschussbericht AA-210 XXVIII. GP - Abänderungsantrag: Die Prüfung der sogenannten "Zwischenzeiten" seien für die Finanzverwaltung sehr aufwändig, was auch die Bürgerinnen und Bürger belaste; durch Festlegung eines nach dem Abschluss der Schulausbildung weiterlaufenden Familienbeihilfenanspruch von vier Monaten unabhängig davon, ob nachher eine Berufsausbildung absolviert wird, soll Abhilfe geschaffen werden. Siehe auch § 2 Abs 1 lit d zweiter Fall FLAG 1967 idF vor BGBl I 220/2021, der noch einen Familienbeihilfenanspruch für die Zeit zwischen dem Abschluss der Schulausbildung und dem ehestmöglichen Beginn eines freiwilligen Dienstes vorsah und zwar für "längstens" drei Monate; zum Zeitraum zwischen dem Abschluss der Schulausbildung und dem Beginn des freiwilligen Sozialjahres siehe : "Eine planwidrige Lücke, die durch Analogie zu schließen wäre, wonach der Anspruch auf Familienbeihilfe für den Zeitraum zwischen dem Abschluss der Schulausbildung und dem Beginn des freiwilligen Sozialjahres so wie für den Zeitraum zwischen Abschluss der Schulausbildung und dem Beginn einer weiteren Berufsausbildung bestünde, besteht nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes nicht."). Ein Familienbeihilfenanspruch im Oktober (also nach Ablauf des in § 2 Abs 1 lit d erster Fall FLAG 1967 idF BGBl I 220/2021 vorgesehenen 4-monatigen Bezugszeitraumes) in Analogie zu § 2 Abs 1 lit d zweiter Fall FLAG 1967 idF BGBl I 220/2021 hätte aber nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes zur Voraussetzung, dass der Zivildienst zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach Abschluss der Schulausbildung begonnen wird. Davon kann im vorliegenden Fall nicht ausgegangen werden: Der Zivildienst ist vom Sohn der Bf erst im Februar 2023 angetreten worden. Dass es aus nicht von ***A R*** zu vertretenden Gründen zu diesem (verzögerten) Zivildienstantritt kam, ist nicht ersichtlich und wurde auch nicht vorgebracht. Nach dem Vorbringen der Bf habe ihr Sohn zunächst ein freiwilliges soziales Jahr absolvieren wollen, was sich jedoch aus mehreren Gründen nicht ergeben hat; sodann habe sich ***A R*** (aufgrund der fehlenden Corona-Impfung erfolglos) um Zivildienst-Stellen im Gesundheitsbereich (zB Rotes Kreuz) bemüht, worauf er letztendlich (erst im Februar 2023) die Zivildienst-Stelle als Bürokraft angenommen habe. Der verspätete Zivildienstantritt (und die dadurch verlängerte "Zwischenzeit") wurde somit aus subjektiven, rein in der Sphäre des Sohnes der Bf liegenden Motiven in Kauf genommen.

Zusammenfassend wird festgehalten:

Aufgrund der gegebenen Anspruchsberechtigung der Bf in den Monaten April 2021 bis September 2022 scheidet eine Rückforderung der Familienbeihilfe für diese Monate aus. Hingegen besteht für Oktober 2022 kein Familienbeihilfenanspruch, weshalb die belangte Behörde Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag für diesen Monat zu Recht zurückgefordert hat. Dass die Mittel möglicherweise an den Sohn weitergegeben wurden, ändert daran nichts, da die Eigenschaft der Bf als "Bezieherin" der Familienbeihilfe durch Weiterleitung an andere Personen (zB an Kind) nicht verloren geht.

Ergänzend wird angemerkt, dass sich der Familienbeihilfenanspruch der Bf für ihren Sohn ab November 2023 nach § 2 Abs 1 lit e FLAG 1967 richtet, wofür entscheidend ist, zu welchem Zeitpunkt ***A R*** das von ihm geplante Studium aufnimmt.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Zur Frage, ob der Tatbestand des § 2 Abs 1 lit d zweiter Fall FLAG 1967 idF BGBl I 220/2021 analog auf den Zeitraum zwischen dem Ablauf des in § 2 Abs 1 lit d erster Fall idF BGBl I 220/2021 vorgesehenen Bezugszeitraumes von vier Monaten und dem Beginn des (verpflichtend zu absolvierenden) Präsenz- oder Zivildienstes angewendet werden kann, und gegebenfalls unter welchen Voraussetzungen, liegt eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht vor. Das Erkenntnis des erging zu § 2 Abs 1 lit d FLAG 1967 idF BGBl I 111/2010 und betraf überdies den Zeitraum zwischen dem Abschluss der Schulausbildung und dem Beginn des freiwilligen Sozialjahres. Es war daher gemäß § 25a Abs 1 VwGG spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am

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