Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 05.10.2023, RV/7102256/2022

Schlüssigkeit der Gutachten des Sozialministeriumservice (dauernde Erwerbsunfähigkeit)

Beachte

Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2023/16/0132. Zurückweisung mit Beschluss v. .


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Rechtssätze
Folgerechtssätze
RV/7102256/2022-RS1
wie RV/5100585/2017-RS1
Der Gesetzgeber hat durch die Bestimmung des § 8 Abs. 6 FLAG die Frage der voraussichtlich dauernden Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, der eigenständigen Beurteilung der Familienbeihilfenbehörden entzogen und dafür ein qualifiziertes Nachweisverfahren eingeführt, bei dem eine für diese Aufgabenstellung besonders geeignete Institution eingeschaltet wird und der ärztliche Sachverstand die ausschlaggebende Rolle spielt. Es ist daher vom Bundesfinanzgericht kein eigenständiges Beweisverfahren zur Frage, wann die dauernde Erwerbsunfähigkeit des Beschwerdeführers eingetreten ist, durchzuführen. In diese Richtung zielende Beweisanträge sind für das Beschwerdeverfahren weder geeignet noch zweckdienlich iSd § 166 BAO.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Ri über die Beschwerde der ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** (vertreten durch Grama Schwaighofer Vondrak Rechtsanwälte GmbH, Schottengasse 4, 1010 Wien - als Vertreter der Rechtsanwältin Mag. Marie Christine Bugingo Cyuzuzo, Verfahrenshelferin), vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Abweisung des Antrags auf Erhöhungsbetrag wegen erheblicher Behinderung (Familienbeihilfe) ab März 2016, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am , im Beisein der Schriftführerin, zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Aus den Vorakten:

Die Mutter der nunmehrigen Beschwerdeführerin (Bf., geb. 1986) bezog von Juni 2003 bis März 2014 die Familienbeihilfe und den Erhöhungsbetrag, da der Bf. im Gutachten vom ein Grad der Behinderung von 50 vH ab und weiters eine voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit bescheinigt wurde. Die Tochter (Bf.) sei derzeit nicht in der Lage, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, unter Ausschöpfung der Therapiemaßnahmen sei dies aber durchaus möglich, daher Nachuntersuchung am .

Im Zuge der Nachuntersuchung im März 2011 wurde der Bf. erneut eine Erwerbsunfähigkeit bescheinigt. Zwecks neuerlicher Klärung der Selbsterhaltungsfähigkeit - eine weitere Stabilisierung sei möglich, wurde eine Nachuntersuchung für angemerkt.

Im Gutachten vom wurde der Bf. ein Grad der Behinderung von 40 % ab bescheinigt. Eine dauernde Erwerbsunfähigkeit wurde mit folgender Begründung nicht festgestellt: Reduktion gegenüber Letztgutachten 3/11, da keine Behandlung fachärztlich/medikamentös/psychotherapeutisch etc.) mehr vorliegend. Eine Dokumentation sei zuletzt aus 8/2010 vorliegend.

Das Finanzamt stellte in der Folge die Auszahlung der erhöhten Familienbeihilfe bei der Mutter der Bf. mit März 2014 ein.

Am stellte die Bf. einen Eigenantrag auf Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe.

Die Bf. ist zur Untersuchung im Oktober 2018 unentschuldigt nicht erschienen.

Das Finanzamt wies den Antrag der Bf. mit Bescheid vom (ab Mai 2018) ab und verwies begründend auf die Bestimmungen des § 8 Abs. 5 ff Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) idgF, wonach ein Kind als erheblich behindert gilt, bei dem nicht nur eine vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gelte ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung müsse mindestens 50 % betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handle, das voraussichtlich dauernd außerstande sei, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

Der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit sei durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen.

Eine rückwirkende Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe sei für max. fünf Jahre ab der Antragstellung möglich bzw. ab dem Monat, ab dem das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen den Grad der Behinderung festgestellt habe (Verweis auf § 10 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 in der geltenden Fassung).

Das Sozialministeriumservice habe mit kein Gutachten erstellen können, da die Bf. unentschuldigt nicht zum Untersuchungstermin erschienen sei. Der Antrag auf erhöhte Familienbeihilfe müsse daher abgewiesen werden.

Zum nunmehrigen Verfahren:

Antrag vom auf Gewährung der Familienbeihilfe und des Erhöhungsbetrages ab März 2016:

Die Bf. beantragte am die Gewährung der Familienbeihilfe und des Erhöhungsbetrages ab März 2016.

Gutachten des Sozialministeriumservice vom

Die Bf. wurde auf Grund des Antrages im Sozialministeriumservice am von Dr.in Dok1, Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie, untersucht und folgendes Gutachten erstellt:

Anamnese:
Vorliegende Vorgutachten:
aktenmäßiges ärztliches Sachverständigengutachten BASB, FLAG :
Angststörung GdB 50% ab 1/2003

Derzeit nicht in der Lage sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, unter Ausschöpfung der Therapiemaßnahmen ist dies aber durchaus möglich, daher Nachuntersuchung ärztliches Sachverständigengutachten : Angst- u. Zwangsstörung GdB 50%

Die Untersuchte ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

ärztliches Sachverständigengutachten, BASB, FLAG : Angst-Zwangsstörung GdB 40%

Reduktion gegenüber Letztgutachten 3/11, da keine Behandlung (fachärztlich/medikamentös/ psychotherapeutisch etc.) mehr vorliegend. Dokumentation zuletzt aus 8/2010 vorliegend.

In der Untersuchung stabil.

Die Untersuchte ist voraussichtlich nicht dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

psychiatrisches Sachverständigengutachten, BASB, FLAG :
Zwangshandlungen und -Gedanken mit Panikstörung und teilweise wahnhafter Erlebnisverarbeitung GdB 50% ab 08/2018

Frau ***Bf1*** ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen: NEIN

Es gab immer längere stabile psychische Phasen.

Sie ist voraussichtlich nicht dauerhaft außerstande sich den Unterhalt selbst zu verschaffen.

nervenfachärztliches Sachverständigengutachten BASB, FLAG :
Zwangshandlungen und -Gedanken, Panikstörung, teilweise wahnhafter Erlebnisverarbeitung GdB 50% seit 08/2018

Frau ***Bf1*** ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen: JA

Die Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen ist nicht vor vollendetem 18. Lebensjahr eingetreten.
Die Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen ist nicht vor vollendetem 21. Lebensjahr eingetreten.

Anmerkung bzw. Begründung betreffend die Fähigkeit bzw. voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen:
Nach der Anamnese wird der Beginn einer psychischen Erkrankung in die Jugend zurückreichend angegeben. Es liegen keine Befunde vor, die daraus eine schwerwiegende Funktionseinschränkung in einem solchen Ausmaß ableiten ließen, dass eine daraus resultierende anhaltende Selbsterhaltungsunfähigkeit vor dem 18./21. LJ eingetreten ist.

NU 3a, da mit Therapie Besserung möglich
aktuell: Neuantrag ab Eintritt der Behinderung

Seit der Pubertät an Angst und Panik leidend, Drogenkonsum

Im 14. LJ stat. an Psychiatrie Waidhofen an der Thaya für 3-4 Wochen, anamnestisch wegen Impulsivität und Weglaufen von zu Hause.

Seit ca. 2000 in psychotherapeutischer Behandlung mit Unterbrechungen. 2009 erstmalig stat. Behandlung Psychiatrie Tulln wegen V.a. unreife Persönlichkeitsstörung, rez. depressive Störung, ggw. Bf1, atyp. Bulimia nervosa, Panikstörung und Zwangsgedanken. Im Verlauf seien mehrere stat. und tagesklinische Behandlungen vorgelegen (insgesamt ca. 3 x Tagesklinik, stat. psychiatrisch ca. 8x)

Nach Geburt des Sohnes 8/2014 sei sie stabil gewesen für ca. 1 Jahr. Durch Probleme mit dem LG Verschlechterung des Zustandes 2018 wieder Beginn Psychotherapie

Zuletzt: Tagesklinik 2018
Seither ambulante Betreuung
Drogen: seit der Pubertät keine mehr
Nikotin : 30/die
Alkohol: keiner

Derzeitige Beschwerden:

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel: keine medikamentöse Therapie

Psychiater 1x/Monat beim PSD und auch sozialarbeiterische Betreuung, die letzten Wochen habe sie es oft abgesagt, weil es ihr schlecht gegangen sei. Es solle jetzt jede 2. Woche ein Kontakt stattfinden.

Psychotherapie 1x/Woche

Sozialanamnese:
VS, HS und danach 1 Jahr HBLA (Sozialfachschule ***).
Es folgten AMS -Kurse sowie mehrere kurzfristige (1-2 monatige) Anstellungen als Hilfskraft; Buchbinderlehre nach 3 Monaten abgebrochen, kurze Hilfsarbeitertätigkeiten, 4/13 über AMS bei "Soma" tätig - wegen Mobbing 10/13 in Krankenstand, dann Schwangerschaft und 8/2014 Geburt des Sohnes, 3,5 Jahre in Karenz, danach keine Anstellung mehr. Seit Sommer 2018 lebe der Sohn nicht mehr bei ihr, das Jugendamt wurde involviert, weil sich ihr Zustand verschlechtert habe. Der Sohn lebt beim Kindesvater, Sorgerecht bestehe gemeinsam. Sie sehe den Sohn unregelmäßig, so ca. 6x/Jahr. Ledig, lebt alleine in einer Wohnung, Einkünfte: Bezug Rehabgeld ab 01/2018, Wohnzuschuss, Führerschein in 18. LJ absolviert. Bei einem Autounfall mit 19 Jahren sei er ihr vom Amtsarzt abgenommen worden und sie habe ihn nicht mehr beantragt. Erwachsenenvertreter: keiner. Sie habe vor einem halben Jahr eine Betreuung von "Verein Wohnen" gehabt, da sie die Miete nicht bezahlt habe, es sei ein Finanzplan erstellt worden einmal sei die Miete bezahlt worden

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
Schreiben PSD DSA X. (Anm.: ohne Datum):
Frau Bf1 beantragt 2020 die Erhöhte Familienbeihilfe erneut und hatte bei ihrer Untersuchung der ärztlichen Sachverständigen ihre alten Befunde nicht mit, die ihre Erkrankung vor dem 21. LJ bescheinigt hätten.

Das Sachverständigengutachten bescheinigt Fr. Bf1 wieder eine gesundheitliche Behinderung von 50%, jedoch könne die Selbsterhaltungsunfähigkeit anamnestisch rückwirkend erst ab Jänner 2018 bestätigt werden.

In der Anlage finden Sie den unterzeichneten Antrag und die relevanten fachärztlichen Befunde. Vor Allem die Befunde des Krankenhauses Waidhofen a. d. Thaya von 2001 und 2003 sowie das Fachärztliche Sachverständigengutachten des Bundes Sozialamtes vom .

Kurzbrief Psychiatrie UK Tulln - :

Diagnosen:
Achse 1: F33.1 Rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode
Zwangshandlungen und Zwangsgedanken gemischt (F42.2)
Panikstörung (F41.0)
Achse 2:-
Achse 3:-
Achse 4: Dynamische soziale Beziehung
Alleinerzieherin
Achse 5:
GAF-Begutachtung: 55/100

Kurzbrief LK Tulln Psychiatrie Tagesklinik ambulant:

Diagnosen:
Achse 1: Zwangshandlungen (F42.1)
Achse 2:-
Achse 3: Schmerzen in LWS
Achse 4: Probleme in der Partnerschaft, Alleinerzieherin
Achse 5:
GAF 55/100

Befund Psychiatrie LK Tulln Tagesklinik - :

Diagnosen:
Zwangsstörung mit vorwiegend Zwangsgedanken (F42.0)
Die Patientin hat, zumindest seit 2009, rezidivierende Depressionen mit sozialem Rückzug vergesellschaftet, damals 2 x pro Woche Erbrechen im Durchschnitt - im Rahmen einer Eß-/Brechsucht, weiters damals schon Vergiftungsideen, jemand würde das Essen beispielsweise vergiften).

Die Patientin gibt hier bei der Aufnahme an der Tagesklinik an, dass die Vergiftungsideen beherrschbar wären, sie sei aber immer noch sehr zurückgezogen, viel zu Hause, in der Stimmung gedrückt und vom Antrieb her reduziert. Die Patientin gibt an, dass vor 5 bis 6 Jahren auch Panikattacken begonnen hätten, geblieben sei die Angst vor dem Tod, dass ihr etwas passieren könne, deshalb sei sie auch so zurückgezogen.

Arztbrief Psychiatrie Waidhofen/Thaya 17 09- :
ANAMNESE:
Die 2. ho. Aufnahme steht im Zusammenhang mit einer innerfamiliären Krise mit einem hohen Aggressionspotenzial. Grund dafür sind die wiederholte Nichteinhaltung von Vereinbarungen einerseits sowie ein hoher Erwartungsdruck an die Pat. ihren Verpflichtungen nachzukommen andererseits. Eskaliert ist die Situation nach dem Verlust der Buchbinderlehrstelle. Derzeit ist der Beginn eines Berufsorientierungskurses am BFI in Tulln geplant....

ENTLASSUNGSDIAGNOSE:
Pubertätskrise
Sekundärer Alkoholabusus

Befund Psychiatrie Waidhofen - Anm.: unvollständig, kein Datum:
Bf1 im Aufnahmegespräch gut kontaktfähig, teilweise selbstunsicher und teilweise einer romantisierenden Abenteuerlust verfallen. Zugleich gibt sie an, dass sie den eigentlichen Grund für ihr Weglaufen dzt. noch nicht erkennen kann.....

Familien/Sozialanamnese:
Bf1 lebt bei Adoptiveltern. Sie hat drei Geschwister, die leiblichen Kinder ihrer Adoptiveltern sind. Zu denen dürfte ein zum Teil rivalisierendes Verhältnis bestehen. Sie hat die Polytechnische Klasse der Hauptschule letzte Woche mit einigen nicht genügenden Leistungen abgeschlossen. Aus diesem Grund konnte sie dzt. nicht die von ihr angestrebte Uhrmacherlehre antreten. ….überlegt Wiederholung der Polytechn. Klasse in einer anderen Schule, um zu einem positiven Schulabschluss zu gelangen.

ENTLASSUNGSDIAGNOSE:
Anpassungsstörung
zur Untersuchung mitgebrachte Unterlagen:
Schreiben PSD an ÖGK :
Dg.: V.a. emotional instabile Persönlichkeitsstörung
Vordiagn. F19.2, F22.0, F41.0
Arztbrief Psychiatrie Waidhofen /Thaya 06 07- (siehe oben - bereits unvollständig und offensichtlich in falscher Reihenfolge gescannt im Akt vorliegend):

Entlassungsdiagnose:
Pubertätskrise
sekundärer Alkoholabusus

Kurzbrief UK Tulln Psychiatrie :
Diagnosen:
Achse 1: F33.1 Rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode
Zwangshandlungen und Zwangsgedanken gemischt (F42.2)
Panikstörung (F41.0)

GAF-Begutachtung: 55/100


Kurzbrief UK Tulln Psychiatrie Tagesklinik 01 03 - , zusammenfassend Tagesklinik
- : (siehe oben, bereits im Akt vorliegend)
Zwangsstörung mit vorwiegend Zwangsgedanken


Arztbrief Psychiatrie Waidhofen/Thaya 17 09 - (siehe oben- bereits unvollständig im Akt vorliegend): Entlassungsdiagnose: Anpassungsstörung

Kurzbrief Psychiatrie UK Tulln - : siehe oben bereits im Akt vorliegend.

Kurzbrief LK Tulln Psychiatrie Tagesklinik ambulant: siehe oben bereits im Akt vorliegend

Untersuchungsbefund:

Frau ***Bf1*** ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen: JA

Dies besteht seit: 05/2009

Anmerkung bzw. Begründung betreffend die Fähigkeit bzw. voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen:
Nach der Anamnese wird der Beginn einer psychischen Erkrankung in die Jugend zurückreichend angegeben.

Es liegen aus dieser Zeit 2 Arztbriefe (Psychiatrie Waidhofen an der Thaya 06 07 - und 17 09- ) vor, die eine psychiatrische Behandlung dokumentieren. Jedoch ist aus den Zustandsbeschreibungen und den gestellten psychiatrischen Diagnosen nicht davon auszugehen, dass daraus eine dauernde Selberhaltungsunfähigkeit resultiert hätte. Retrospektiv kann die dauernde Selbsterhaltungsunfähigkeit nach den in den Vorgutachten dokumentierten Befunden und den nun vorliegenden Befunden ab 5/2009 rückwirkend bestätigt werden.

Ab dieser Zeit ist eine behinderungsbedingte Funktionseinschränkung in einem solchen Ausmaß anzunehmen, dass keine durchgängige Selbsterhaltung mehr möglich war, bei mehrfach erforderlichen stationären und teilstationären Behandlungen."

Abweisungsbescheid des Finanzamtes vom :

Das Finanzamt (FA) wies den Antrag der Bf. vom (beim FA eingelangt am ) auf (erhöhte) Familienbeihilfe (ab März 2016) unter Zugrundelegung der in dem Gutachten getroffenen Feststellungen mit Bescheid vom mit folgender Begründung ab:

"Sie haben Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn Sie voraussichtlich dauernd erwerbsunfähigsind. Die Erwerbsunfähigkeit muss vor dem 21. Geburtstag oder während einerBerufsausbildung vor dem 25. Geburtstag eingetreten sein. Bei Ihnen trifft dies nicht zu (§ 6Abs. 2 lit. d Familienlastenausgleichsgesetz 1967).

Das Sozialministeriumservice hat mit Gutachten vom eine 50%-igeErwerbsminderung ab festgestellt. Eine dauernde Erwerbsunfähigkeitwurde erst nach Vollendung des 21. Lebensjahres bescheinigt und zwar ab ."

Beschwerde vom

Gegen den Abweisungsbescheid wurde am mit folgender Begründung Beschwerde eingebracht:

"Im Bescheid wurde der Antrag auf erhöhte Familienbeihilfe abgelehnt, weil meine festgestellte Erwerbsunfähigkeit nicht vor dem 21. Geburtstag oder während einer Berufsausbildung vor dem 25. Geburtstag eingetreten ist; Damit bin ich nicht einverstanden.

Beilage: Abweisungsbescheid vom in Kopie

Nach dem eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten des Sozialministeriumservice vom (Begutachtung/Untersuchung am ) wurde mir dauernde Erwerbsunfähigkeit erst ab bescheinigt. Das ist unrichtig. Aus meiner Krankengeschichte und den vorliegenden Befunden ergibt sich eindeutig, dass dauernde Erwerbsunfähigkeit bereits seit Langem - jedenfalls deutlich vor "dem 21. Geburtstag oder während einer Berufsausbildung vordem 25. Geburtstag" - bei mir vorliegt. In diesem Zusammenhang möchte ich insbesondere auf folgende Fakten hinweisen:

• Bereits 2001 im 15. Lebensjahr und 2003 im 17. Lebensjahr hatte ich längere stationäre Aufenthalte in der Sozialpsychiatrischen Abteilung Waidhofen a. d. Thaya. Schon damals war ich wegen meiner psychischen Erkrankung dauernd außerstande, mir den Unterhalt zu verschaffen.

Nachweis: Befunde (beiliegend in Kopie) der Sozialpsychiatrische Abteilung KH Waidhofen a. d. Thaya vom und vom

Des Weiteren hatte ich zwischen dem 17. Lebensjahr und 21. Lebensjahr insgesamt drei Berufsausbildungen begonnen, aber nach kurzer Zeit aufgrund meiner psychischen Erkrankung wieder abgebrochen. Auch konnte ich seither wegen meiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen noch nie eine reguläre Beschäftigung ausüben. Aufgrund der erfolglosen Arbeitsversuche und abgebrochenen Berufsausbildungen, die allesamt auf meine psychische Erkrankung zurückzuführen sind, ist eine dauernde Erwerbsunfähigkeit vor dem 21. Lebensjahres feststellbar.

Nachweis: SV Versicherungsdatenauszug vom

• In den Jahre 2008 bis 2014 wurde mir die Familienbeihilfe und erhöhte Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung bewilligt und ausgezahlt. Hierbei verweise ich auf das Sachverständigengutachten des Sozialministeriumservice (früher: Bundessozialamt) vom . Darin wird angeführt, dass ich voraussichtlich dauernd außerstande bin, mir selbst den Unterhalt zu verschaffen.

Aber auch bereits im Sachverständigengutachten vom des Sozialministeriumservice (früher: Bundessozialamt) wurde festgestellt, dass ich nicht in der Lage bin mir selbst den Unterhalb zu verschaffen. Diese Ausführungen finden sich auch im gegenständlichen Sachverständigengutachten vom (siehe Anamnese, Seite 1), die Vorgutachten des Sozialministeriumservice wurden aber bisher in der Entscheidung nicht entsprechend berücksichtigt.

Nachweis: Sachverständigengutachten des Sozialministeriumservice (früher: Bundessozialamt) vom .

Allein aufgrund der Tatsache, dass mir die erhöhte Familienbeihilfe in dem oben angeführten Zeitraum bereits bewilligt wurde, ergibt sich eindeutig, dass dauernde Erwerbsunfähigkeit bereits vor meinem 21. Lebensjahr oder während einer Berufsausbildung vor dem 25. Geburtstag eingetreten ist. Im Jahr 2008 war ich 22 Jahre alt, im Jahr 2014 habe ich mein 28. Lebensjahr vollendet. Ich hatte daher bereits das 21. bzw. 25. Lebensjahr vollendet und mir wurde erhöhte Familienbeihilfe zuerkannt. Wie sich auch aus dem aktuellen SV-Gutachten vom ergibt, haben sich meine Erkrankungen leider nicht verbessert. Es wird immer noch ein GdB von 50% festgestellt.

Dies ist eine Feststellung darüber, dass sich mein Zustand nicht verbessert hat.

Die Tatsache, dass die dauernde Erwerbsunfähigkeit aber bereits viel früher eingetreten ist, ergibt sich eindeutig aus den oben angeführten Fakten und Nachweisen. Allein aus dem aktuellen SV-GA vom (Seite 1 / siehe Anamnese - Vorgutachten) ergibt sich, dass mein GdB von 50% und die Erwerbsunfähigkeit bereits zumindest seit 1/2003 vorliegt und nicht erst seit 05/2009 (wie im Abweisungsbescheid auf Seite 1 ausgeführt). Die Begründung von SV Dr. Dok1 (SV-GA vom , Seite 7) wonach die Selbsterhaltungsfähigkeit erst ab 05/2009 vorliegt, ist daher nicht nachvollziehbar.

Meines Erachtens belegen die beiden Arztbriefe von und klar meine Erwerbsunfähigkeit und die Zuerkennung der erhöhten Familienbeihilfe. Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb diese nun nicht mehr als Nachweis für meine bereits lange vorliegende Selbsterhaltungsunfähigkeit gelten sollen.

Somit beantrage ich die Aufhebung sowie Korrektur des am zugegangen Bescheides und eine rückwirkende Auszahlung meiner zustehenden Leistungen."

Gutachten des Sozialministeriumservice vom

Die Bf. wurde auf Grund der Beschwerde am in der Landesstelle des Sozialministeriumservice von Dr.in Dok2, Fachärztin für Psychiatrie, untersucht und am folgendes Gutachten erstellt:

Anamnese:
Die AS kommt zur FLAG-Kontrolluntersuchung, wegen Einspruch gegen das VGA.
AS ist 36a alt.
VGA 10/2021
GdB 50vH wegen Verdacht auf emotional instabile PS, Zwangshandlungen, rez. Depressive Störung
GdB ab 08/2018
GdB 40vH ab 02/2014
GdB 50vH ab 01/2003

PSD Tulln Sozialarbeit 2-3x/Monat
Psychiater: Dr *** 1-2x/Monat
Psychotherapie: Mag. *** 1x/Woche
1.stationäre Aufnahme Psychiatrie Waidhofen 6.7-

Diagnose:
Pubertätskrise
Sekundärer Alkoholabusus

2.stationäre Aufnahme Psychiatrie Waidhofen 17.9-:
Diagnose: Anpassungsstörung

23.3- Psychiatrie Tulln
24.4- Stationäre Psychotherapie KH Tulln
stationär KH Tulln
TKL KH Tulln 1.3-

Diagnose
Zwangsstörung mit vorwiegend Zwangsgedanken

Die Patientin hat zumindest seit 2009 rezidivierende depressive Episoden mit sozialen Rückzug vergesellschaftet, damals 2x/Woche Erbrechen im Durchschnitt, weiters damals schon Vergiftungsideen.

Derzeitige Beschwerden: …

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
Psychotherapie
Keine Medikation

Sozialanamnese:

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
Aktueller Befund:
Betreuungsbestätigung PSD

Hiermit bestätige ich kurze telefonische Kontakte am 12.1, 14.1 und DSA X.

VGA 02/2014 GdB 40v.H. Angst- und Zwangsstörung: Reduktion gegenüber VGA 03/11, da keine Behandlung mehr vorliegend. Dokumentation zuletzt aus 08/2010 vorliegend. In der Untersuchung stabil.

VGA 03/2019:
GdB 50vH wegen Zwangshandlungen und -gedanken mit Panikstörung und teilweise wahnhafter Erlebnisverarbeitung

Es gab immer längere stabile psychische Phasen.

Sie ist voraussichtlich nicht dauerhaft außerstande sich den Unterhalt selbst zu verschaffen.

GdB ab 08/2018
GdB 40 liegt vor seit: 02/2014
GdB 50 liegt vor seit: 01/2003

VGA 06/2020
GdB 50vH wegen Zwangshandlungen und -Gedanken, Panikstörung, teilweise wahnhafter Erlebnisverarbeitung
GdB liegt vor seit: 08/2018 GdB 40 liegt vor seit: 02/2014 GdB 50 liegt vor seit: 01/2003

Frau ***Bf1*** ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen: JA

Nach der Anamnese wird der Beginn einer psychischen Erkrankung in die Jugend zurückreichend angegeben. Es liegen keine Befunde vor, die daraus eine schwerwiegende Funktionseinschränkung in einem solchen Ausmaß ableiten ließen, dass eine daraus resultierende anhaltende Selbsterhaltungsunfähigkeit vor dem 18./21. LJ eingetreten ist.

VGA 10/2021
Dauerzustand GdB 50vH wegen Verdacht auf emotional instabile Persönlichkeitsstörung, rezidivierende depressive Störung, Zwangshandlungen und -Gedanken, Panikstörung und teilweise wahnhafter Erlebnisverarbeitung

Keine Änderung zum Vorgutachten

GdB liegt vor seit: 08/2018 GdB 40 liegt vor seit: 02/2014 GdB 50 liegt vor seit: 01/2003
Dies besteht seit: 05/2009

Anmerkung bzw. Begründung betreffend die Fähigkeit bzw. voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen:

Nach der Anamnese wird der Beginn einer psychischen Erkrankung in die Jugend zurückreichend angegeben.

Es liegen aus dieser Zeit 2 Arztbriefe (Psychiatrie Waidhofen an der Thaya 06 07 - und 17 09- ) vor, die eine psychiatrische Behandlung dokumentieren. Jedoch ist aus den Zustandsbeschreibungen und den gestellten psychiatrischen Diagnosen nicht davon auszugehen, dass daraus eine dauernde Selberhaltungsunfähigkeit resultiert hätte. Retrospektiv kann die dauernde Selbsterhaltungsunfähigkeit nach den in den Vorgutachten dokumentierten Befunden und den nun vorliegenden Befunden ab 5/2009 rückwirkend bestätigt werden.

Ab dieser Zeit ist eine behinderungsbedingte Funktionseinschränkung in einem solchen Ausmaß anzunehmen, dass keine durchgängige Selbsterhaltung mehr möglich war, bei mehrfach erforderlichen stationären und teilstationären Behandlungen.

1.stationäre Aufnahme Psychiatrie Waidhofen 6.7-
Diagnose:
Pubertätskrise
Sekundärer Alkoholabusus

2.stationäre Aufnahme Psychiatrie Waidhofen 17.9-:
Diagnose: Anpassungsstörung
23.3- Psychiatrie Tulln
24.4- Stationäre Psychotherapie KH Tulln
stationär KH Tulln
TKL KH Tulln 1.3-

Diagnose
Zwangsstörung mit vorwiegend Zwangsgedanken

Die Patientin hat zumindest seit 2009 rezidivierende depressive Episoden mit sozialen Rückzug vergesellschaftet, damals 2x/Woche Erbrechen im Durchschnitt, weiters damals schon Vergiftungsideen.

Psychiatrie Tulln stationär 02.08-, 08.09-, 12.09-

Diagnose:
Zwangshandlungen und Zwangsgedanken ICD-10 F42.2
Panikstörung ICD-10 F41.0
Nikotinabhängigkeit
Wahnhafte Störung ICD-10 F22.0
Sie habe Angst vor sich selbst, habe Angst, dass sie Handlungen setzen könne, die sie vergiften, beispielsweise giftige Beeren essen.

Untersuchungsbefund:

Begründung - GdB liegt rückwirkend vor:

Wie schon im VGA erwähnt ist eine rückwirkende Anerkennung ab 05/2009 möglich.

Ab diesem Zeitpunkt kann aufgrund der Befunde retrospektive eine dauernde Selbsterhaltungsunfähigkeit angenommen werden.

Zwischen den ersten psychiatrischen Befunden (2001 und 2003) besteht eine Betreuungslücke bis 05/2009.

Ebenso lassen die damals (2001 und 2003) gestellten Diagnosen: Pubertätskrise und Anpassungsstörung nicht auf eine andauernde Selbsterhaltungsunfähigkeit rückschließen.

Frau ***Bf1*** ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen: JA
Dies besteht seit: 05/2009

Anmerkung bzw. Begründung betreffend die Fähigkeit bzw. voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen:
Aufgrund des psychischen Leidens ist der AS voraussichtlich dauerhaft außerstande sich den Unterhalt selbst zu verschaffen.

Beschwerdevorentscheidung vom

Das Finanzamt legte die im Gutachten getroffenen Feststellungen seiner Entscheidung zu Grunde und wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom mit folgender Begründung ab:

"Gemäß § 8 Abs. 5 ff Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) in der derzeit gültigen Fassung gilt ein Kind als erheblich behindert, bei dem nicht nur eine vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung muss mindestens 50 %

betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

Der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit ist durch eine Bescheinigung des Sozialministeriumservice auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen.

Gemäß § 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967 besteht Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Vollwaisen, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

Vom Sozialministeriumservice wurde am ein ärztliches Sachverständigengutachten mit einem Grad der Behinderung von 50 % ab festgestellt. Eine dauernde Erwerbsunfähigkeit wurde erst nach Vollendung des 21. Lebensjahres bescheinigt und zwar ab .

Mangels fehlender Voraussetzungen für einen Anspruch auf Familienbeihilfe + erhöhte Familienbeihilfe wurde der Antrag am abgewiesen.

Dagegen wurde beim Finanzamt Österreich Beschwerde eingebracht.

Somit wurde durch das Finanzamt beim Sozialministeriumservice abermals ein Begutachtungsverfahren eingeleitet.

Im neuerlichen Gutachten des Sozialministeriumservice vom wurde wieder ein Grad der Behinderung von 50 % ab und eine dauernde Erwerbsunfähigkeit ab bescheinigt.

Aufgrund der gegebenen Sach- und Rechtslage liegen die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Familienbeihilfe + erhöhte Familienbeihilfe nicht vor."


Vorlageantrag vom

Die Bf. stellte mit Schreiben vom einen Vorlageantrag (eingelangt beim Finanzamt am ) und bringt Folgendes vor:

"… Das Finanzamt begründet seine Entscheidung damit, dass ein neu eingeholtes Sachverständigengutachten vom eine dauernde Erwerbsunfähigkeit ab bescheinigt. Damit bin ich nicht einverstanden.

Seit meinem 15 Lebensjahr lebe ich mit starken psychischen Belastungen, habe mehrere Arbeitsversuche abbrechen müssen und hatte seither auch kein längeres Dienstverhältnis. Meines Erachtens belegen die beiden Arztbriefe von und klar, dass eine dauernde Erwerbsunfähigkeit bereits vor meinem 21. Lebensjahr, oder während einer Berufsausbildung vor dem 25. Geburtstag" eingetreten ist und mir die Zuerkennung der erhöhten Familienbeihilfe zusteht.

Im Gutachten vom wird von der ärztlichen Sachverständigen Dr.in Dok2 (Fachärztin für Psychiatrie) angeführt, dass zwischen den ersten psychiatrischen Befunden (2001 und 2003) eine Betreuungslücke bis 05/2009 besteht.

Dazu bringe ich vor: Es besteht hier keine Betreuungslücke, da ich im Zeitraum von 2003 - 2008 beim Arzt für Allgemeinmedizin und Psychotherapie Hr. Dr. G. und seiner Frau der Psychotherapeutin S. in P. regelmäßig Psychotherapie in Anspruch nahm. Außerdem wurden mir von Herrn Dr. G. in dieser Zeit regelmäßig Medikamente zur Einnahme verschrieben. Da sich diese beiden Ärzte gerade im Urlaub befinden, werde ich die schriftliche Bestätigung von Hr. Dr. G. sobald als möglich nachreichen.

Dr.in Dok2 führt in ihrem Gutachten außerdem an, dass die im Jahr 2001 gestellte Diagnose (Pubertätskrise) und im Jahr 2003 gestellte Diagnose (Anpassungsstörung) nicht auf eine andauernde Selbsterhaltungsfahigkeit rückschließen.

Dazu bringe ich vor: Im ärztlichen Vorgutachten des Sozialministeriumservice (vormals Bundessozialamt) aus dem Jahr 2008 wurde bereits festgestellt, dass ich voraussichtlich außerstande bin, mir selbst den Unterhalt zu verschaffen. Diagnose: Angststörung. Der Zeitpunkt der rückwirkenden Feststellung wurde dabei mit 1/2003 angegeben (vgl. SV-Gutachten vom , Seite 1/Anamnese).

Ich beantrage die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesfinanzgericht, um meine gesundheitlichen Einschränkungen und die daraus resultierende Selbsterhaltungsunfähigkeit persönlich darlegen zu können.

Beilagen (in Kopie):
• Beschwerde vom
• Arztbrief vom
• Arztbrief vom

In der am durchgeführten mündlichen Verhandlung wurde zum gegenständlichen Fall Folgendes erörtert bzw. in der Niederschrift festgehalten:

"Die Richterin trägt den Sachverhalt vor und verweist auf den folgenden Schriftsatz des Verfahrenshelfers vom :

"Vorbereitender Schriftsatz
In umseits bezeichneter Angelegenheit wurde RA Mag. Marie Christine Bugingo Cyuzuzo mit Bescheid der Rechtsanwaltskammer Wien vom zur Verfahrenshelferin der Beschwerdeführerin bestellt. Die bestellte Verfahrenshelferin hat der einschreitenden Rechtsanwaltsgesellschaft Substitutionsvollmacht erteilt. Die einschreitende Rechtsanwaltsgesellschaft beruft sich ausdrücklich auf die erteilte Vollmacht.

Zur Vorbereitung auf die für anberaumte mündliche Verhandlung vor dem Bundesfinanzgericht über die Beschwerde der Beschwerdeführerin vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom erstattet die Beschwerdeführerin nachstehenden Vorbereitenden Schriftsatz und führt diesen aus wie folgt:

I VORGESCHICHTE

Die Beschwerdeführerin wurde am 1986 geboren. Sie ist aufgrund ihrer psychischen Erkrankung seit ihrer Kindheit in ärztlicher und psychotherapeutischer Behandlung. Im Zeitraum von bis war sie bei Dr. G., Arzt für Allgemeinmedizin und Psychotherapeut, in Behandlung. In diesem Zeitraum unterzog sich die Beschwerdeführerin aufgrund verstärkter Angst- und Panikattacken insgesamt 16 ärztlich-therapeutischen Behandlungen.

Spätestens seit ihrer Pubertät leidet sie nachweislich an einer ausgeprägten psychiatrischen Angst- und Zwangsstörung. Vor diesem Hintergrund war die Beschwerdeführerin in den Jahren 2001 (15. Lebensjahr) und 2003 (17. Lebensjahr) nachweislich mehrere Wochen in stationärer Behandlung in der Sozialpsychiatrischen Abteilung des Krankenhauses Waidhofen an der Thaya. In der Zeit von bis war die Beschwerdeführerin aus diesem Grund auch nachweislich in ärztlicher und psychotherapeutischer Behandlung bei Dr. G.. Schon damals war die Beschwerdeführerin dauernd außerstande, sich den Unterhalt zu verschaffen.

Beweis:
Vorgelegter Ärztlicher Befundbericht Dr.
G. vom
Vorgelegter Befund Krankenhaus Waidhofen a.d. Thaya vom
Vorgelegter Befund Krankenhaus Waidhofen a.d. Thaya vom

Laut fachärztlichem Sachverständigengutachten vom ist die Angst- und Zwangsstörung ("ausgeprägte Symptomatik') der Beschwerdeführerin ab feststellbar. Die Beschwerdeführerin war zu diesem Zeitpunkt 16 Jahre alt. Gemäß der gutachterlichen Einschätzung (Dr. Dok1) liegt seit diesem Zeitpunkt ein Grad der Behinderung von 50 % vor. Aufgrund dieser Behinderung war die Beschwerdeführerin zu diesem Zeitpunkt voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Die Gutachterin hat eine Nachuntersuchung der Beschwerdeführerin in drei Jahren für erforderlich gehalten.

Beweis:
Vorgelegtes Sachverständigengutachten vom

Die Beschwerdeführerin ist deshalb am im Bundessozialamt Niederösterreich erneut fachärztlich untersucht worden (Dr. Petra Schuster-Rötzer). Auch mit diesem Sachverständigengutachten vom ist bei der Beschwerdeführerin eine Angst- und Zwangsstörung diagnostiziert worden. Der Grad der Behinderung beträgt 50 % für voraussichtlich mehr als drei Jahre anhaltend. Ergänzend hat die Gutachterin festgestellt, dass die Beschwerdeführerin zu diesem Zeitpunkt voraussichtlich dauernd außerstande war, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Dieses Gutachten ist inhaltsgleich mit dem Gutachten vom .

Beweis:
Vorgelegtes Sachverständigengutachten vom

Zwischen dem 17. Lebensjahr und dem 21. Lebensjahr hatte die Beschwerdeführerin insgesamt drei Berufsausbildungen begonnen. Diese musste sich jeweils nach kurzer Zeit aufgrund ihrer psychiatrischen Erkrankung wieder abbrechen. Die Beschwerdeführerin konnte seither infolge ihrer massiven gesundheitlichen Beeinträchtigung noch nicht einer regulären Beschäftigung nachgehen.

Beweis:
Vorgelegter SV-Versicherungsdatenauszug vom

Am hat Dr. Dok1, ausgerechnet dieselbe Sachverständige, die das Sachverständigengutachten vom erstellt hat, erneut ein Gutachten über den Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin erstellt. Das Sachverständigengutachten vom bescheinigt der Beschwerdeführerin wie bisher eine gesundheitliche Behinderung im Ausmaß von 50 %. Die Sachverständige führt in diesem Zusammenhang auch aus, dass die Beschwerdeführerin voraussichtlich dauernd außerstande sei, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Die Sachverständige konnte laut Gutachten vom (gemeint wahrscheinlich 2020) den Beginn der psychischen Erkrankung in der Jugend der Beschwerdeführerin nur nicht feststellen, weil die Beschwerdeführerin bei der fachärztlichen Untersuchung keine entsprechenden Befunde vorgelegt hätte. Aus diesem Grund hätte die Sachverständige die Selbsterhaltungsunfähigkeit der Beschwerdeführerin anamnestisch rückwirkend erst ab Jänner 2018 bestätigen können.

Beweis:
Vorgelegtes Sachverständigengutachten vom

2 VERFAHRENSGANG

Die Beschwerdeführerin hat am einen Antrag auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung gestellt, dies rückwirkend ab dem Zeitpunkt des Eintrittes der erheblichen Behinderung. Die Beschwerdeführerin hat dem Antrag insbesondere Befundberichte über stationäre Krankenhausaufenthalte und fachärztliche Stellungnahmen sowie eine Erklärung der Lebenssituation der Beschwerdeführerin ab 2008 beigefügt.

Aufgrund des Antrags der Beschwerdeführerin wurde am ein Sachverständigengutachten eingeholt. Darin ist der Beschwerdeführerin aus nicht nachvollziehbaren Gründen eine dauernde Erwerbsunfähigkeit erst mit , also nach Vollendung des 21. Lebensjahres der Beschwerdeführerin, bescheinigt worden. Das Gutachten ist unschlüssig und unvollständig.

Insbesondere werden die oben genannten Sachverständigengutachten vom und vom nicht miteinbezogen.

Beweis:
Vorgelegtes Sachverständigengutachten vom

Das Finanzamt Österreich hat mit Abweisungsbescheid vom (Ordnungsbegriff: 13 556 116) den Antrag der Beschwerdeführerin auf Gewährung des Erhöhungsbetrags wegen erheblicher Behinderung abgewiesen. Unter Bezugnahme auf das Gutachten vom hat das Finanzamt Österreich seine Entscheidung im Wesentlichen damit begründet, dass eine 50 %-ige Erwerbsminderung erst ab festgestellt werden konnte und daher eine dauernde Erwerbsunfähigkeit erst nach Vollendung des 21. Lebensjahres, und zwar ab , bescheinigt werden könnte. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung der erhöhten Familienbeihilfe würden nicht vorliegen (S 6 Abs 2 lit d FLAG 1967).

Gegen den ergangenen Abweisungsbescheid vom hat die Beschwerdeführerin am ordnungsgemäß und fristgerecht Beschwerde erhoben. Die Beschwerdeführerin hat darin unter Bezugnahme auf die oben angeführten Gutachten und Befunde ausführlich ihre Lebenssituation erklärt und nachvollziehbar dargelegt, warum die dauernde Erwerbsunfähigkeit - entgegen der Ansicht des Finanzamts Österreich - bereits vor dem 21. Lebensjahr eingetreten ist.

Am wurde beim Sozialministeriumsservice eine erneute Anforderung veranlasst welche mit Gutachten vom erledigt worden ist. Das Gutachten verweist bloß auf die Feststellungen des Vorgutachten vom , ohne sich wiederum mit den übrigen Vorgutachten auseinanderzusetzen. Das Gutachten verweist auf eine angebliche Betreuungslücke zwischen 2001/2003 und 2005/2009. Diese liegt tatsächlich nicht vor. So hat Dr. G. schriftlich bestätigt, dass die Beschwerdeführerin im Zeitraum von bis aufgrund ihrer verstärkten Angst-Panikattacken insgesamt 16 ärztlich-therapeutische Behandlungen bei ihm in Anspruch genommen hat. Darüber hinaus bescheinigt das vom Sozialministeriumsservice beauftragte Gutachten vom ausdrücklich eine Angst- und Zwangsstörung ("ausgeprägte Symptomatik") der Beschwerdeführerin ab . Weiters wird im Gutachten vom darauf hingewiesen, dass die im Jahr 2001 gestellte Diagnose (Pubertätskrise) und im Jahr 2003 gestellte Diagnose (Anpassungsstörung) nicht auf eine dauernde Selbsterhaltungsunfähigkeit schließen lassen würden.

Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass im ärztlichen Vorgutachten des Sozialministeriumsservices (vormals Bundessozialamt) vom schriftlich bestätigt worden ist, dass die Beschwerdeführerin voraussichtlich außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Als Diagnose wurde Angststörung angeführt. Der Zeitpunkt der rückwirkenden Feststellung wurde dabei mit angegeben.

Beweis:
Vorgelegtes Sachverständigengutachten vom
Vorgelegter Ärztlicher Befundbericht Dr.
G. vom
Vorgelegtes Sachverständigengutachten vom

Im Rahmen der Beschwerdevorentscheidung vom April 2022 führt das Finanzamt aus, dass die Beschwerde der Beschwerdeführerin unter Berücksichtigung der Gutachten vom und vom als unbegründet abgewiesen worden ist. Die dauernde Erwerbsunfähigkeit wäre nach Vollendung des 21. Lebensjahres eingetreten

3 ANSPRUCH AUF ERHÖHTE FAMILIENBEIHILFE

Gemäß S 6 Abs 2 lit d Familienlastenausgleichsgesetz 1967 besteht Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Vollwaisen, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

Gemäß S 8 Abs 6 iVm Abs 7 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 ist der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumsservice) dem Finanzamt Österreich durch eine Bescheinigung aufgrund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen.

Der Beschwerdeführerin wurde in den Jahren 2008 bis 2014 die Familienbeihilfe und die erhöhte Familienbeihilfe aufgrund der vorliegenden, nachweislich festgestellten erheblichen Behinderung bewilligt und ausgezahlt. Die Zuerkennung der Familienbeihilfe und der erhöhten Familienbeihilfe sind auf die beiden oben genannten Sachverständigengutachten vom und vom zurückzuführen. Beide Gutachten vom Sozialministeriumsservice bestätigen nachweislich das Vorliegen der für die Zuerkennung der (erhöhten) Familienbeihilfe notwendigen Voraussetzungen.

Allein aufgrund dieser Tatsache, dass der Beschwerdeführerin die erhöhte Familienbeihilfe für die oben angeführten Zeiträume bereits bewilligt worden ist, ergibt sich eindeutig, dass die dauernde Erwerbsunfähigkeit bereits vor dem 21. Lebensjahr bzw. während einer Berufsausbildung vor dem 25. Geburtstag der Beschwerdeführerin eingetreten ist. Im Jahr 2008 war die Beschwerdeführerin 22 Jahre alt, im Jahr 2014 hat die Beschwerdeführerin ihr 28. Lebensjahr vollendet. Gemäß Sachverständigengutachten vom beträgt der Grad der Behinderung 50 %. Daraus ergibt sich, dass sich der Zustand der Beschwerdeführerin seit den Begutachtungen in den Jahren 2008 und 2011 nicht verbessert hat. Allein aus dem Sachverständigengutachten vom (Seite 1) ergibt sich, dass dieser Grad der Behinderung sowie die dauernde Erwerbsunfähigkeit bereits zumindest seit vorliegen, und nicht erst seit . Die Begründung der Sachverständigen Dr. Dok1, wonach die Selbsterhaltungsunfähigkeit erst ab vorliege, ist nicht nachvollziehbar.

Das Gutachten ist unschlüssig.

An dieser Stelle wird erneut darauf hingewiesen, dass dieselbe Sachverständige (Dr. Dok1) das Gutachten vom erstattet hat.

Die Beschwerdeführerin ist nachweislich wegen einer vor Vollendung ihres 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

Der Anspruch der Beschwerdeführerin auf Zuerkennung der beantragten Leistungen gemäß dem Familienlastenausgleichsgesetz 1967 besteht somit zu Recht."

Zu der bereits vor der mündlichen Verhandlung per E-Mail an den Verfahrenshelfer gestellten Frage (an die Bf.) betreffend das Dienstverhältnis ab bringt dieser vor, dass das Dienstverhältnis am durch Kündigung beendet wurde. Grund dafür sei die psychische Belastung der Bf. gewesen. Die Bf. gibt auf Befragen an, dass sie als Hilfskraft in der Küche des Krankenhauses Tulln beschäftigt war. Die Bf. gibt als Grund an, dass sie schon einige Tage vor der Kündigung Schlafstörungen hatte sowie Panikattacken. Die Bf. wurde gekündigt. Die Arbeitgeberin sagte, dass es für die Bf. viel zu früh sei, wieder arbeiten zu gehen. Sie legte der Bf. nahe, sich wieder in psychiatrische Behandlung zu begeben.

Der Verfahrenshelfer (Rechtsanwaltsanwärter) bringt vor, dass er die Bf. vor einigen Monaten kennen gelernt habe und finde, dass sie kein Mensch sei, der etwas vorgaukle, sondern wirklich nicht arbeitsfähig sei aufgrund der gesundheitlichen Beeinträchtigung.

Bezüglich des Gutachtens vom gibt die Bf. an, dass sie damals ein Kind bekommen habe und aus diesem Grund bei der ärztlichen Befundung einen guten Zustand vorgespielt habe, aus Angst, ansonsten das Sorgerecht für das Kind zu verlieren.

Bezüglich Pkt. 1 im vorbereiteten Schriftsatz gibt der Verfahrenshelfer an, dass es sich bei dem sog. ärztlichen Befundbericht Dr. G. vom in Wirklichkeit um eine ärztliche Bestätigung handelt, um das Vorbringen des FA bezüglich der Betreuungslücke zwischen den ersten psychiatrischen Befunden (2001 und 2003) bis Mai 2009 zu entkräften.

Der Verfahrenshelfer bringt vor, dass die Bf. im Zuge ihrer Schwangerschaft und nach der Geburt ihres Kindes ärztliche Befunde weggeworfen habe, damit ihr Sohn später nichts von der psychischen Erkrankung der Bf. mitbekommen sollte. Aus diesem Grund konnte sie bei späteren Untersuchungen durch das SMS u.a. diese Unterlagen nicht vorlegen.

Auf Befragen durch die Richterin bezüglich des Sachverständigengutachtens vom , in dem festgehalten wurde, dass die Bf. voraussichtlich nicht dauerhaft außerstande sei, sich den Unterhalt selbst zu verschaffen, gibt der Verfahrenshelfer an, dass das nicht richtig sei, wie bereits vorherige Gutachten belegen würden.

Der Verfahrenshelfer plädiert dafür, die Sachverständigengutachten, die zeitlich näher dem 21. Lj. der Bf. erstellt wurden, stärker zu berücksichtigen, als die Gutachten aus den Jahren 2019-2022.

Abschließend verweist der Verfahrenshelfer auf seinen vorbereitenden Schriftsatz sowie darauf, dass die Mutter der Bf. für sie schon in den vergangenen Jahren erhöhte Familienbeihilfe bezogen habe, auf Basis der Sachverständigengutachten aus den früheren Jahren. Dies spräche dafür, dass die maßgebenden Voraussetzungen im Sinne des FLAG erfüllt seien."

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Die Bf. ist am 1986 geboren und vollendete am tt.mm.2007 das 21. Lebensjahr.

Sie war von 2003 bis 2004 Angestelltenlehrling (IBIS ACAM), 2006 Lehrling im Amt der NÖ. Landesregierung und 2007 Lehrling im Schulschiheim ***.

Die Bf. hat einen Sohn (geb. 2014, die Bf. war damals 28 J. alt) und bezog von bis pauschales Kinderbetreuungsgeld.

Vom bis bezog die Bf. Rehabgeld.

Die Bf. war vom bis geringfügig beschäftigte Arbeiterin und war laut Sozialversicherungsauszug (vom ) seit bis laufend als Arbeiterin beschäftigt. Laut Angaben der Bf. in der mündlichen Verhandlung vom erfolgte die Kündigung am .

In den im Zuge des Verfahrens vom Sozialministeriumservice erstellten Gutachten vom und vom wurde der Bf. eine voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit rückwirkend ab Mai 2009 bescheinigt.

Das Gericht geht aus den nachstehend angeführten Gründen in freier Beweiswürdigung davon aus, dass die Gutachten mit größter Wahrscheinlichkeit den Tatsachen entsprechen.

Die Gutachten sind vollständig, schlüssig und nachvollziehbar.

Beweiswürdigung

Im Gutachten vom wurde der Bf. eine Erwerbsunfähigkeit rückwirkend ab Mai 2009 bescheinigt und hierzu angemerkt, dass nach der Anamnese der Beginn einer psychischen Erkrankung in die Jugend zurückreichend angegeben werde. Es würden aus dieser Zeit zwei Arztbriefe (Psychiatrie Waidhofen an der Thaya 6.7. bis und 17.9. bis ) vorliegen, die eine psychiatrische Behandlung dokumentieren. Jedoch sei aus den Zustandsbeschreibungen und den gestellten psychiatrischen Diagnosen nicht davon auszugehen, dass daraus eine dauernde Selberhaltungsunfähigkeit resultiert hätte. Retrospektiv könne die dauernde Selbsterhaltungsunfähigkeit nach den in den Vorgutachten dokumentierten Befunden und den nun vorliegenden Befunden ab 5/2009 rückwirkend bestätigt werden. Ab dieser Zeit sei eine behinderungsbedingte Funktionseinschränkung in einem solchen Ausmaß anzunehmen, dass keine durchgängige Selbsterhaltung mehr möglich gewesen sei, bei mehrfach erforderlichen stationären und teilstationären Behandlungen.

Im Gutachten vom wurde der Bf. erneut eine voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit ab Mai 2009 bescheinigt und die rückwirkende Einschätzung damit begründet, dass ab diesem Zeitpunkt aufgrund der Befunde retrospektive eine dauernde Selbsterhaltungsunfähigkeit angenommen werden könne. Zwischen den ersten psychiatrischen Befunden (2001 und 2003) bestehe eine Betreuungslücke bis Mai 2009. Ebenso würden die damals (2001 und 2003) gestellten Diagnosen "Pubertätskrise und Anpassungsstörung" nicht auf eine andauernde Selbsterhaltungsunfähigkeit rückschließen lassen.

Es würde den Gutachten vielmehr an Schlüssigkeit fehlen, wenn die untersuchenden Sachverständigen den Beginn der Erwerbsunfähigkeit ohne Untermauerung durch entsprechende Befunde zu einem bestimmten, in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt, festgestellt hätten (vgl. zB ). Schlüssig ist vielmehr, den Beginn der Erkrankung unter Zuhilfenahme vorliegender Befunde oder anderer geeigneter Nachweise zu bestimmen.

Wenn die Sachverständigen in ihren Gutachten festgehalten haben, dass zwischen den ersten psychiatrischen Befunden (2001 und 2003) bis Mai 2009 eine Betreuungslücke besteht und daher keine Feststellung über eine voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit getroffen werden konnte, so ist diese Begründung nachvollziehbar und schlüssig.

Gesetzliche Grundlagen und rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967 in der Fassung ab gültigen Fassung haben volljährige Vollwaisen Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn auf sie die Voraussetzungen des Abs. 1 lit. a bis c zutreffen und wenn sie wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, und sich in keiner Anstaltspflege befinden.

§ 10 FLAG 1967 normiert:

(1) Die Familienbeihilfe wird, abgesehen von den Fällen des § 10a, nur auf Antrag gewährt; die Erhöhung der Familienbeihilfe für ein erheblich behindertes Kind (§ 8 Abs. 4) ist besonders zu beantragen.

(2) Die Familienbeihilfe wird vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.

(3) Die Familienbeihilfe und die erhöhte Familienbeihilfe für ein erheblich behindertes Kind (§ 8 Abs. 4) werden höchstens für fünf Jahre rückwirkend vom Beginn des Monats der Antragstellung gewährt. In Bezug auf geltend gemachte Ansprüche ist § 209 Abs. 3 der Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961, anzuwenden.

Gemäß § 8 Abs. 4 FLAG 1967 erhöht sich die Familienbeihilfe um näher angeführte Beträge monatlich für jedes Kind, das erheblich behindert ist.

Gemäß § 8 Abs. 5 FLAG 1967 gilt ein Kind als erheblich behindert, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung muss mindestens 50 vH betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

Arbeitsversuch gemäß § 8 Abs 6a FLAG 1967

Wenn bei einer Person mittels Sachverständigengutachten eine dauernde Erwerbsunfähigkeit (als Dauerzustand) festgestellt wurde und Anspruch auf erhöhte Familienbeihilfe besteht, diese Person dann einen Arbeitsversuch unternimmt, wobei in der Folge das Einkommen die im § 5 Abs 1 normierte Einkommensgrenze übersteigt, besteht für dieses Kalenderjahr kein Anspruch auf die Familienbeihilfe; fällt das Einkommen in einem nachfolgenden Kalenderjahr wieder unter die genannte Grenze, kann der Anspruch auf erhöhte Familienbeihilfe wieder aufleben. Die Partei muss einen neuen Antrag einreichen; wenn die Erwerbsunfähigkeit gemäß § 2 Abs 1 lit c als Dauerzustand festgestellt wurde, ist kein weiteres Sachverständigengutachten erforderlich.

Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind § 14 Abs 3 des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, in der jeweils geltenden Fassung, und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom , BGBl. II Nr. 261/2010, in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens nach fünf Jahren neu festzustellen, soweit nicht Art und Umfang eine Änderung ausschließen.

Voraussetzung für den Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe bei volljährigen "Kindern"

Voraussetzung für den Erhöhungsbetrag ist, dass der Grundbetrag an Familienbeihilfe zusteht (vgl FLAG Kommentar, Csaszar/Lenneis/Wanke, Rz 5 zu § 8). Dies bedeutet, dass bei volljährigen Kindern, denen nicht schon aus anderen Gründen als aus dem Titel der Behinderung der Grundbetrag an Familienbeihilfe zusteht, der Grad der Behinderung ohne jede Bedeutung ist, und würde er auch 100 % betragen. Besteht also keine vor dem 21. (25.) Lebensjahr eingetretene voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, steht weder Grund- noch Erhöhungsbetrag zu. Besteht eine derartige Unterhaltsunfähigkeit, stehen sowohl Grund- als auch Erhöhungsbetrag zu (vgl , vgl. weiters Lenneis in Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG Kommentar, Rzln 5 und 19 ff zu § 8).

Der Verwaltungsgerichtshof stellte in seinem Erkenntnis vom , 2013/16/0170, auszugsweise Folgendes fest:

"Eine Behinderung im Sinn des § 8 Abs. 5 FLAG mit einen Grad von mindestens 50 v.H. kann durchaus die Folge einer Krankheit sein, die schon seit längerem vorliegt (bei angeborenen Krankheiten oder genetischen Anomalien etwa seit Geburt), sich jedoch erst zu einem späteren Zeitpunkt manifestiert. Erst wenn diese Krankheit zu einer derart erheblichen Behinderung führt, welche einen Grad von mindestens 50 v.H. aufweist, ist der Tatbestand des § 8 Abs. 5 FLAG erfüllt. Mithin kommt es weder auf den Zeitpunkt an, zu dem sich eine Krankheit als solche äußert, noch auf den Zeitpunkt, zu welchem diese Krankheit zu (irgend) einer Behinderung führt. Maßgeblich ist der Zeitpunkt, zu dem diejenige Behinderung (als Folge der allenfalls schon länger bestehenden Krankheit) eintritt, welche einen Grad von mindestens 50 v.H. erreicht (Hinweis E , Ra 2014/16/0010)." (vgl. ; ; , sowie die Erkenntnisse des und vom , RV/7106028/2016).

Bescheinigung des Sozialministeriumservice auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat das ärztliche Zeugnis betreffend das Vorliegen einer Behinderung iSd FLAG Feststellungen über die Art und das Ausmaß des Leidens sowie auch der konkreten Auswirkungen der Behinderung auf die Erwerbsfähigkeit in schlüssiger und damit nachvollziehbarer begründeter Weise zu enthalten und bildet die Grundlage für die Entscheidung, ob die erhöhte Familienbeihilfe zusteht, sofern das Leiden und der Grad der Behinderung einwandfrei daraus hervorgehen und das/die Gutachten nicht unschlüssig sind (vgl. , , , ).

Wird für eine volljährige Person die Familienbeihilfe und der Erhöhungsbetrag beantragt bzw. stellt eine volljährige Person einen Eigenantrag auf die Familienbeihilfe und den Erhöhungsbetrag, so hat sich das nach dieser Bestimmung abzuführende qualifizierte Nachweisverfahren darauf zu erstrecken, ob diese Person wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres (oder - für den Beschwerdefall nicht relevant - während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres) eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außer Stande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen (vgl etwa , vgl. auch ).

Bindung an die Gutachten des Sozialministeriumservice - keine andere Form der Beweisführung

Zufolge § 8 Abs 6 FLAG 1967 ist der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, durch eine Bescheinigung des Sozialministeriumservice (früher Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen) auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Behörde an die der Bescheinigung des Sozialministeriumservice (früher: Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen) zugrundeliegenden Gutachten gebunden (vgl. 2007/15/0019, , ) und darf diese nur insoweit prüfen, ob sie schlüssig und vollständig sind und - im Falle mehrerer Gutachten - nicht einander widersprechen (vgl. , , , Erkenntnisse VwGH jeweils vom , 2009/16/0307 und 2009/16/0310, vgl. auch die bei Lenneis in Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 8 Rz 29 zitierte Rechtsprechung). Eine andere Form der Beweisführung ist nicht zugelassen (vgl. ).

Ist ein Gutachten unschlüssig, so ist nach der Judikatur des VwGH für deren Ergänzung zu sorgen. Sowohl eine Gutachtensergänzung als auch ein neues Gutachten stellen Beweismittel dar (; ; ).

Gegen die Einschränkung der Beweisführung des Grades der Behinderung oder der voraussichtlichen dauerhaften Unfähigkeit, sich selbst den Erwerb zu verschaffen, hat der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis vom , B 700/07, keine verfassungsrechtlichen Bedenken gesehen (vgl. ) und weiters erkannt, dass von Gutachten NUR nach "entsprechend qualifizierter Auseinandersetzung" abgegangen werden kann, wenn diese nicht schlüssig sind (vgl. ; , ).

Zusammenfassend wird festgestellt, dass der Bf. in den Gutachten keine dauernde Erwerbsunfähigkeit vor dem 21. Lebensjahr bzw. während einer schulischen Ausbildung bescheinigt wurde.

Das Bundesfinanzgericht ist an die vom Sozialministeriumservice erstellten ärztliche Gutachten de facto gebunden, es sei denn, diese wären nicht schlüssig.

Die Sachverständigengutachten wurden jedoch, wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, als schlüssig erachtet.

Überdies wird festgehalten, dass die Bf. bzw. deren Vertreter das Bundesfinanzgericht nicht von sich aus über die am erfolgte Aufnahme einer Beschäftigung der Bf. als Arbeiterin (nichtselbständig Beschäftigte) informiert haben.

Diese Tatsache wurde dem Bundesfinanzgericht erst durch eigenständige Ermittlungen (konkret: Anforderung eines SV-Datenauszugs) bekannt. Im vorbereitenden Schriftsatz der Bf. vom wurde (als Beweis) lediglich auf einen SV-Versicherungsdatenauszug vom hingewiesen. Dieser ist jedoch nicht mehr aktuell.

Mit E-Mail-Nachricht vom stellte die zuständige Richterin des BFG dem Vertreter der Bf. folgende Frage:

"Wie ist es mit der behaupteten Selbsterhaltungsunfähigkeit der Beschwerdeführerin Bf1 vereinbar, dass diese seit bis laufend als Arbeiterin beim Land Niederösterreich beschäftigt ist?

In der mündlichen Verhandlung gab die Bf. zu dieser Frage dann bekannt, dass dieses Dienstverhältnis am durch Kündigung beendet worden ist.

Unter Bezugnahme auf obige Ausführungen, wonach vom Bundesfinanzgericht (und vom Finanzamt) kein eigenständiges Beweisverfahren zur Frage, wann die dauernde Erwerbsunfähigkeit der Bf. eingetreten ist, durchzuführen ist - kann es nach Dafürhalten des Verwaltungsgerichtes - im zu beurteilenden Fall dahin gestellt bleiben, ob diese enge zeitliche Abfolge nicht auf einen Zusammenhang hindeutet.

Der Antrag der Bf. auf Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe war daher abzuweisen und spruchgemäß zu entscheiden.

Zur Zulässigkeit der Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Bei der Frage, wie hoch der Behinderungsgrad in einem bestimmten Zeitraum war bzw. ob eine voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit vorliegt, handelt es sich um eine Tatfrage. Eine über den Individualfall hinaus relevante Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt nicht vor. Da das gegenständliche Erkenntnis der geltenden Gesetzeslage sowie der höchstgerichtlichen Rechtsprechung folgt, ist die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig.

Wien, am

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