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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 05.06.2023, RV/2100466/2021

Keine Vorsteuererstattung für Telekommunikationsunternehmen aus dem Drittland für Roaminggebühren

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***,***1***, über die
1. Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** (vormals Finanzamt ***2***) vom betreffend Erstattung von Vorsteuern 1-12/2015,
2. die Beschwerden vom gegen die Bescheide des ***FA*** (vormals Finanzamt ***2***) vom betreffend
Erstattung von Vorsteuern 1-12/2011,
Erstattung von Vorsteuern 1-12/2012,
Erstattung von Vorsteuern 1-12/2013 und betreffend Erstattung von Vorsteuern 1-12/2014,
Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerden werden gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin (Bf.) ist ein Telekommunikationsunternehmen mit Sitz im Drittland (***1***).

In den beschwerdegegenständlichen Zeiträumen machte die Bf. Vorsteuern aus von österreichischen Unternehmen für Roaminggebühren in Rechnung gestellter Umsatzsteuer im Erstattungsverfahren gem. VO BGBl 279/1995 in der jeweils geltenden Fassung geltend, da die Bf. der Ansicht war, keine Umsätze in Österreich zu erzielen.

Das Finanzamt erstattete zunächst die beantragten Vorsteuerbeträge mit Erstbescheiden betreffend die Zeiträume 1-12/2011, 1-12/2012, 1-12/2013 und 1-12/2014, da die Bf. angab, keine Umsätze in Österreich zu erzielen.
Mit Bescheiden vom nahm das Finanzamt diese Verfahren wieder auf. Nach der abweisenden Beschwerdevorentscheidung vom sind diese Wiederaufnahmebescheide rechtskräftig.

Gegen die wiederaufgenommenen Sachbescheide (Vorsteuererstattung mit Null) wurden ebenso Beschwerden vom erhoben, diese sind nach Einbringung eines Vorlageantrages vom (ausschließlich) zu den Sachbescheiden verfahrensgegenständlich.

Zum Vorsteuererstattungszeitraum 1-12/2015 erging ein abweisender Erstbescheid vom , Beschwerde vom , abweisende Beschwerdevorentscheidung vom und Vorlagantrag vom .

Das Finanzamt begründete die Nichtgewährung der Vorsteuern im Vorsteuererstattungsverfahren mit der Leistungsortverlagerung der Telekommunikationsumsätze der Bf. ins Inland (Österreich) nach der VO BGBl. II 383/2003.
Der Drittlandsunternehmer habe in Österreich steuerbare und steuerpflichtige Leistungen, die das Erstattungsverfahren ausschlössen, dh die Umsätze seien im allgemeinen Umsatzsteuerveranlagungsverfahren zu erklären (§ 21 Abs. 4 UStG 1994) und bekomme er auch (nur) dort die Vorsteuern aus der Rechnung des österr. Netzbetreibers.
Art. 59a lit. b der RL 2006/112/EG räume eine Ermächtigung zur Ortsverlagerung für Telekommunikationsdienstleistungen, die ein drittländischer Steuerpflichtiger an drittländische Nichtsteuerpflichtige erbringe, ein. Art. 59a leg. cit. sei (neben Art. 59b leg. cit) die unionsrechtliche Grundlage für die Telekomverordnung BGBl. II Nr. 383/2003 idF BGBl. II Nr. 221/2009 und enthalte keine Einschränkung auf Fälle, in denen der Leistungsempfänger in einem Mitgliedstaat ansässig sei (d.h. keine EU-Widrigkeit/keine Berechtigung, sich unmittelbar auf Unionsrecht zu berufen).
Die VO BGBl. II Nr. 383/2003 idF BGBl. II Nr. 221/2009 (Telekomverordnung) gelange sohin zur Anwendung (im ggstl. Fall: keine vergleichbare Umsatzbesteuerung im Drittland). Daher seien die Umsätze der Bf. im Inland steuerbar und in weiterer Folge die Voraussetzung für die Erstattung der Vorsteuern nach der VO BGBl. Nr. 279/1995 (Vorsteuererstattungsverordnung) nicht gegeben.
Auf die Umsatzsteuerveranlagungspflicht, dh die Abgabe von Umsatzsteuererklärungen unter Berücksichtigung eines durchschnittlichen Gewinnzuschlages sowie gewährter Rabatte werde verwiesen.

Im Vorlageantrag vom , welcher die Wiederaufnahmebescheide nicht mehr enthielt, (daher sind ist diese nicht mehr beschwerdegegenständlich), verwies die Bf. auf die Beschwerde und führte ausführlich aus, dass und warum die Verordnung BGBl. II 383/2003 idF 221/2009 unionsrechtswidrig sei und dass es zu keiner Leistungsortverlagerung nach Österreich komme.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Nach der Aktenlage machte die Bf. in den beschwerdegegenständlichen Zeiträumen Vorsteuern resultierend aus von österreichischen Mobiltelefonnetzbetreibern (Providern) für Roaminggebühren in Rechnung gestellter Umsatzsteuer im Erstattungsverfahren gem. VO BGBl 279/1995 in der jeweils geltenden Fassung geltend.

Inhalt dieser Roamingleistungen ist die Zurverfügungstellung des österreichischen Mobiltelefonnetzes des jeweiligen österreichischen Providers an die Bf. zur Nutzung durch deren Kunden.
Das Finanzamt erstattete diese Umsatzsteuer im Ergebnis nicht aufgrund Vorliegens von Inlandsumsätzen.

2. Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ergibt sich aus der Aktenlage.

3. Rechtliche Beurteilung

§ 323b Abs. 1 BAO: Das ***FA*** und das Finanzamt für Großbetriebe treten für ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereich am an die Stelle des jeweils am zuständig gewesenen Finanzamtes.

Gemäß § 1 Abs. 1 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen, mit der ein eigenes Verfahren für die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern an ausländische Unternehmer geschaffen wird, BGBl. Nr. 279/1995 idF BGBl. II Nr. 158/2014, ist die Erstattung der abziehbaren Vorsteuerbeträge an nicht im Inland ansässige Unternehmer, das sind solche, die im Inland weder ihren Sitz noch eine Betriebsstätte haben, abweichend von den §§ 20 und 21 Abs. 1 bis 5 UStG 1994 nach Maßgabe der §§ 2, 3 und 3a durchzuführen, wenn der Unternehmer im Erstattungszeitraum
1. keine Umsätze im Sinne der § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 und Art. 1 UStG 1994 oder
2. nur steuerfreie Umsätze im Sinne des § 6 Abs. 1 Z 3 UStG 1994 oder
3. nur Umsätze, bei denen die Steuerschuld auf den Leistungsempfänger übergeht (§ 19 Abs. 1 zweiter Unterabsatz UStG 1994) oder
4. im Inland nur Umsätze, die unter eine Sonderregelung gemäß § 25a UStG 1994 oder eine Regelung gemäß Art. 358 bis 369k der Richtlinie 2006/112/EG in einem anderen Mitgliedstaat fallen, ausgeführt hat.

Verordnung über die Verlagerung des Ortes der sonstigen Leistung bei Telekommunikationsdiensten sowie Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen, BGBl II Nr. 383/2003 idF BGBl II 221/2009:
§ 1. Liegt bei einer in § 3a Abs. 14 Z 12 und 13 des Umsatzsteuergesetzes 1994, BGBl. Nr. 663, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 52/2009, bezeichneten Leistung der Ort der Leistung gemäß § 3a des Umsatzsteuergesetzes 1994 außerhalb des Gemeinschaftsgebietes, so wird die Leistung im Inland ausgeführt, wenn sie dort genutzt oder ausgewertet wird.

Nach § 3a Abs. 13 UStG 1994 idF BGBl. I Nr. 40/2014 werden Telekommunikationsdienstleistungen im Drittland ausgeführt, wenn der Empfänger ein Nichtunternehmer ist und er keinen Wohnsitz, Sitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Gemeinschaftsgebiet hat.

Nach § 3a Abs. 13 lit. a iVm Abs. 14 Z 12 UStG 1994 idF BGBl. I Nr. 52/2009 werden Telekommunikationsdienste im Drittland ausgeführt, wenn der Empfänger ein Nichtunternehmer ist und er keinen Wohnsitz, Sitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Gemeinschaftsgebiet hat.

Nach § 3a Abs. 16 UStG 1994 in der Fassung BGBl. I Nr. 40/2014 kann der Bundesminister für Finanzen, um Doppelbesteuerungen, Nichtbesteuerungen oder Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, durch Verordnung festlegen, dass sich bei sonstigen Leistungen, deren Leistungsort sich u.a. nach Abs. 13 UStG 1994 bestimmt, der Ort der sonstigen Leistungen danach richtet, wo die sonstige Leistung genutzt oder ausgewertet wird. Der Ort der sonstigen Leistung kann danach statt im Drittlandsgebiet als im Inland gelegen behandelt werden.

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Die Steuerpflicht der gegenständlichen Ausgangsumsätze der Bf. ist aufgrund des zwischenzeitlich ergangenen , zur Rechtssache "SK Telecom" und der ständigen Rechtsprechung des VwGH mittlerweile eindeutig geklärt.
Demnach verlagert sich die Umsatzsteuerpflicht für die Umsätze der Bf. nach Österreich und ist das Veranlagungsverfahren statt des Vorsteuererstattungsverfahrens bei der Bf. anzuwenden.
Eine Erstattung der Vorsteuern im Erstattungsverfahren ist nicht möglich.
(Vgl. dazu auch die gefestigte Rechtsprechung des ; , Ra 2019/15/0008; , Ra 2019/15/0010; , Ro 2016/15/0035; weiters die Erkenntnisse des ; , RV/2100402/2019; , RV/2100114/2020; , RV/2100386/2022).

Die umfangreichen Ausführungen der Bf. in Beschwerde und Vorlageantrag sind mittlerweile durch die ergangene, eindeutige und einheitliche Rechtsprechung hinlänglich abgehandelt und widerlegt.

Es ist höchstgerichtlich klargestellt, dass sich die entsprechenden Umsätze der Bf. nach der mit dem Unionsrecht in Einklang stehenden Verordnung BGBl II 383/2003 idF BGBl II 221/2009 in das Inland verlagern. Somit ist die Anwendung des Erstattungsverfahrens ausgeschlossen, weil die Bf. Umsätze im Inland erzielt hat.
Die angefochtenen Sachbescheide (Erstattung mit Null) entsprechen der Rechtslage.
Aufgrund der vom erfolgten Zurücklegung der Vollmacht durch den steuerlichen Vertreter ist das Erkenntnis der Bf. direkt zuzustellen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Die Rechtsfragen sind durch die oa. Rechtsprechung eindeutig geklärt.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verlagerung des Ortes der sonstigen Leistung bei Telekommunikationsdiensten sowie Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen, BGBl. II Nr. 383/2003
§ 3a Abs. 14 Z 12 und 13 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
§ 3a Abs. 13 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
Art. 59a lit. b RL 2006/112/EG, ABl. Nr. L 347 vom S. 1
§ 1 Abs. 1 Verfahren für die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern, BGBl. Nr. 279/1995
Verweise








ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.2100466.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at