Bürgschaftszahlungen als Werbungskosten nach Beendigung des Dienstverhältnisses (Geschäftsführerbezüge)
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Josef Ungericht in der Beschwerdesache des ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Winkler + Partner Wirtschaftstreuhand und Steuerberatungs GmbH & Co KG, Alpstraße 23, 6890 Lustenau, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Bregenz vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2014, zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
1. Der Beschwerdeführer (in der Folge kurz: Bf.) machte in seiner Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2014 (elektronisch eingebracht am ) Werbungskosten aus Bürgschaftsaufwendungen in Höhe von 5.818,20 Euro geltend. Ergänzend zur Abgabenerklärung wurde seitens der steuerlichen Vertretung des Bf. mit Schreiben vom vorgebracht, bei den Werbungskosten handle es sich um Zahlungen für Bürgschaftsverpflichtungen, die der Bf. als Dienstnehmer der Firma A-KG im Jahre 1998 eingegangen sei. Der Bf. sei seit ca. dem Jahr 1992/1993 Angestellter dieser Firma gewesen (vom bis gewerberechtlicher und vom bis zum unternehmensrechtlicher Geschäftsführer). Der Geschäftsgang der Firma sei in den Jahren 1994 bis 1996 schlecht gewesen, sodass Investitionen zur Produktivitätssteigerung notwendig gewesen seien. In Liegenschaften bzw. Maschinen seien mehr als 10 Mio. ATS investiert worden. Aus der vom damaligen Steuerberater angefertigten Berechnung habe sich ein Haftungsfehlbetrag in der Höhe von ATS 3.840.000,00 ergeben. In der Hoffnung auf einen zukünftig besseren Geschäftsgang habe der Bf. gemeinsam mit seiner Gattin Haftungen in der Höhe von ATS 3.000.000,00 für die Firma übernommen. Durch die damals erstellten Prognosen habe sich der Bf. erhofft, als angestellter Geschäftsführer der Firma weiterhin tätig bleiben zu können.
Diese Hoffnungen hätten sich allerdings in der Folge nicht erfüllt und so sei die Bürgschaftshaftung im Gesamtbetrag von € 218,000,00 (ATS 3.000.000,00) seitens der Bank1 am schlagend geworden.
Für den Kredit mit der Kredit-Nummer xxx seien 3.098,36 Euro und für den Kredit mit der Kredit-Nummer yyy seien 4.457,75 Euro (insgesamt 7.556,11 Euro) zurückgezahlt worden. Da der Bf. und die Ehegattin anteilig für die übernommenen Verpflichtungen haften würden, sei eine Aufteilung im Verhältnis der derzeitigen Bruttogehälter aus dem Jahre 2014 vorgenommen worden, wobei sich für den Bf. ein Anteil von rund 77 % ergäbe. Von dem im Jahr 2014 aus der übernommenen Bürgschaft insgesamt (zurück-)gezahlten Betrag (7.556,11 Euro) würden Aufwendungen im Betrag von 5.818,20 Euro (77 %) auf den Bf. entfallen und dieser Betrag als Werbungskosten beantragt.
1.1. In Beantwortung eines Ergänzungsersuchens des Finanzamtes vom betreffend Bekanntgabe bzw. Nachweiserbringung über den Verwendungszweck der beiden aufgenommenen Kredite wurde seitens der steuerlichen Vertretung mit Eingabe vom eine Bestätigung der Bank2 vom vorgelegt, wonach die beiden Kredite im August 2008 gewährt worden seien, damit die Abdeckung der Verbindlichkeiten bei der Bank1 erfolgen konnte.
2. Im Einkommensteuerbescheid 2014 vom hat das Finanzamt die geltend gemachten Werbungskosen aus den Bürgschaftsaufwendungen nicht anerkannt. Als Begründung wurde vom Finanzamt angegeben:
"Aufwendungen eines Arbeitnehmers aus einer zugunsten des Arbeitgebers übernommenen Bürgschaft können Werbungskosten sein, wenn die Übernahme der Bürgschaft beruflich veranlasst war, wie bei Bürgschaften zur Arbeitsplatzsicherung und bei allgemeinen Sanierungsmaßnahmen gegenüber dem Arbeitgeber (vgl. Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuer-Handbuch, § 16 Tz 102 Sichtwort Bürgschaft). Anders verhält es sich jedoch, wenn die Bürgschaftsübernahme durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist (z.B. bei einem Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH). Dann liegen keine Werbungskosten, sondern eine Gesellschaftereinlage vor (vgl. Doralt, EStG § 16 T2 220, Stichwort Bürgschaften). Nichts anderes kann gelten, wenn der Geschäftsführer die Haftung im Hinblick auf das zum Gesellschafter bestehende Naheverhältnis eingeht (UFS Wien vom , RV/2669-W/07).
Nach allgemeiner Lebenserfahrung ist es nicht üblich, dass ein Dienstnehmer (auch Geschäftsführer) zusammen mit seiner Gattin Haftungen zugunsten des Dienstgebers übernimmt. Anderes gilt im Falle einer gesellschaftlichen bzw. persönlichen Verbindung zwischen den Beteiligten (). Dem Umstand, dass der Schwiegervater des Steuerpflichtigen zum Zeitpunkt der Übernahme der gegenständlichen Haftung die Funktion als Alleingesellschafter der A-GmbH inne hatte, kommt eine entscheidende Bedeutung zu. Da der Steuerpflichtige keine Gründe vorgebracht hat, die eine in der familiären Nahebeziehung liegende Motivation für das Eingehen der Bürgschaft ausgeschlossen hätten, kann die Veranlassung für die Übernahme der Haftungen nur in den persönlichen Beziehungen bzw. im Verwandtschaftsverhältnis zum damaligen Alleingesellschafter seines Dienstgebers gesehen werden.
Die gegenständlichen Zahlungen sind der Privatsphäre zuzuordnen und sind daher einem Abzug als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus der Geschäftsführertätigkeit nicht zugänglich."
3. Dagegen wurde von der steuerlichen Vertretung des Bf. mit Schreiben vom fristgerecht Beschwerde erhoben und begründend ausgeführt wie folgt: "Einleitend dürfen wir auf unser Schreiben vom hinweisen, in dem wir den Sachverhalt und die Motivation von Herrn ***Bf1-Familienname*** und seiner Gattin darzustellen versuchten. Aus dieser Darstellung geht in erster Linie eine aus geschäftlichen Überlegungen resultierende Motivation hervor, was eigentlich bei Übernahmen von Haftungen in der Größenordnung von ATS 3 Mio. eher zu erwarten ist als eine private Motivation. Das Finanzamt geht in seiner Begründung davon aus, dass es "nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht üblich sei, dass Dienstnehmer (auch Geschäftsführer) zusammen mit ihrer Gattin Haftungen zu Gunsten des Dienstgebers übernehmen".
Dem ist entgegenzuhalten, dass es auch nicht üblich ist, dass Kinder bzw. Schwiegersöhne aus privaten Gründen Haftungen in der Größenordnung von ATS 3 Mio. für ihre Eltern bzw. Schwiegereltern im betrieblichen Bereich übernehmen. Schließlich hat die Schwester von Frau ***Bf1-Familienname***, die in einem noch näheren persönlichen Verhältnis zu ihrem Vater steht als der Schwiegersohn, keinerlei Haftungen für Schulden des Unternehmens übernommen. Vielmehr ist denklogisch, dass solche Haftungen nicht aus privaten Gründen übernommen werden, sondern deshalb, weil die Hoffnung auf ein zukünftiges Einkommen den Dienstnehmer bzw. Geschäftsführer einer Firma ein großes finanzielles Risiko eingehen lässt. Hier dem Steuerpflichtigen vorzuwerfen, er hätte keine Gründe vorgebracht, die eine der familiären Nahbeziehung liegende Motivation für das Eingehen der Bürgschaft ausgeschlossen hätten, bedeutet wohl, von einem Steuerpflichtigen etwas Unmögliches zu verlangen. Vielmehr hat die Behörde abzuwägen, was vor dem Hintergrund des geschilderten Sachverhaltes die wahrscheinlichere Motivation für das Eingehen dieser Bürgschaft gewesen sein wird.
Herr ***Bf1-Familienname*** war in den fraglichen Jahren eng in die geschäftlichen Agenden der Firma A-KG involviert und sah durch die Investition, die durch die neu aufgenommenen Mittel getätigt werden sollte, eine berechtigte Hoffnung in seine eigene berufliche Zukunft. Wie bereits im Schreiben vom zitiert, wurde durch den damaligen Steuerberater der Firma eine Ergebnisplanung gemacht, welche für die Jahre 1998 und folgende Hoffnung auf eine prosperierende Zukunft des Unternehmens realistisch erscheinen ließ. Die Verbesserung hätte sich dadurch ergeben, dass statt der Beschäftigung von Lohnstickern mehr eigene Produktion stattfinden sollte. Die Produktionskosten wären damit um ca. ein Drittel geringer gewesen und war deshalb, rein von der Produktionsseite her, eine Verbesserung des Ergebnisses zwingend. Dass sich in der Folge die Märkte negativ entwickelt haben, war schließlich ausschlaggebend dafür, dass letzten Endes die Bürgschaft doch schlagend wurde.
Die Finanzierung für die maschinelle Ausstattung des Unternehmens war mit mehr Haftungspotential verbunden, welches durch die Firma A-KG nicht alleine bewältigt werden konnte. Dies war ausschlaggebend dafür, dass sich der damalige Dienstnehmer und zukünftige Geschäftsführer ***Bf1*** und dessen Ehegattin sich zur Übernahme einer Bürgschaft in der Höhe von ATS 3 Mio. entschlossen haben.
Nach unserer Ansicht ist es völlig unüblich, dass Kinder bzw. Schwiegerkinder sich für betriebliche Kredite ihrer Eltern und Schwiegereltern verbürgen. Vielmehr kann die ausschlaggebende Motivation für die Übernahme der Bürgschaft nach der Lebenserfahrung nur darin erblickt werden, dass Herr ***Bf1-Familienname*** sich dadurch eine gute finanzielle Absicherung für seine Zukunft in Form der Geschäftsführung der Firma erwarten konnte. Die gegenständlichen Zahlungen sind daher keinesfalls der Privatsphäre zuzuordnen. Das Eingehen der Bürgschaft war aus rein geschäftlichen Überlegungen sinnvoll und motiviert und liegen deshalb in den Kreditrückzahlungen nachträgliche Werbungskosten vor."
4. In der abweisenden Beschwerdevorentscheidung vom wurde begründend angegeben, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Übernahme von Haftungen für Verbindlichkeiten des Dienstgebers durch Dienstnehmer der allgemeinen Lebenserfahrung widerspreche. Anderes gelte im Falle einer persönlichen bzw. gesellschaftsrechtlichen Verbindung zwischen den Beteiligten (unter Hinweis auf u.a. ; Zorn, in Hofstätter/Reichel, Kommentar zur Einkommensteuer, § 16 EStG 1988 allgemein, Tz 5.2 Werbungskosten ABC "Bürgschaft"). Das Eingehen einer Bürgschaft eines Arbeitnehmers könne in objektiver Betrachtungsweise nur im Ausnahmefall - etwa im Rahmen von allgemeinen Sanierungsmaßnahmen - als beruflich veranlasst angesehen werden. Der Bf. habe die Haftung für einen Kredit seiner Dienstgeberin nicht im Rahmen allgemeiner Sanierungsmaßnahmen übernommen. Unter "allgemeinen Sanierungsmaßnahmen" sei ein Forderungsverzicht durch alle oder den Großteil der Gläubiger (zB in einem Ausgleichsverfahren) zu verstehen. Solches habe zum damaligen Zeitpunkt nicht stattgefunden.
In der Regel sei davon auszugehen, dass die Motivation für eine Bürgschaftsübernahme durch den angestellten Geschäftsführer in außerbetrieblichen Gründen (persönlichen Beziehungen bzw. gesellschaftsrechtlichen Verbindungen) zu suchen sei. Von einer solchen persönlichen Verbindung sei auch im gegenständlichen Fall auszugehen, da der Schwiegervater des Bf. zum Zeitpunkt der Übernahme der gegenständlichen Haftung die Funktion als Alleingesellschafter der Firma A-GmbH innehatte. Es habe sohin eine enge Verflechtung zwischen natürlichen Personen (= Geschäftsführer) und juristischen Personen (= GmbH) bestanden. Dass das Verhältnis zwischen Geschäftsführern und Gesellschaft von familiären Banden getragen werde, könne nicht geleugnet werden.
Dem Bf. sei zwar zuzugestehen, dass er auch an der Erhaltung seiner Einkünfte als Geschäftsführer bei der A-GmbH interessiert gewesen sei, doch trete dieser Aspekt gegenüber der Absicht, der letztlich indirekt im Familienbesitz befindlichen Gesellschaft zu einem besseren Geschäftsgang zu verhelfen, in den Hintergrund.
Aufgrund dessen sei in erster Linie eine sich aus der persönlichen Verflechtung ergebende private Veranlassung der im Jahr 1998 erfolgten Bürgschaftsübernahme zu unterstellen, zumal es - wie bereits ausgeführt - laut Lehre und Rechtsprechung der allgemeinen Lebenserfahrung widerspreche, dass ein Arbeitnehmer (auch Geschäftsführer) Haftungen für Verbindlichkeiten des Arbeitgebers übernehme (unter Hinweis auf Jakom/Lenneis, EStG 2013, § 16 Rz 56, Stichwort "Bürgschaft") und eine entsprechende berufliche Veranlassung nur im Ausnahmefall unterstellt werden könne. Dass gegenständlich ein derartiger Ausnahmefall gegeben gewesen wäre, vermochte der Bf. durch seine Einwendungen nicht darzulegen.
Eine Anerkennung der entsprechenden Aufwendungen als nachträgliche Werbungskosten könne sohin mangels beruflicher Veranlassung nicht erfolgen.
5. Dagegen wurde seitens der steuerlichen Vertretung des Bf. mit Schreiben vom ein Vorlageantrag eingebracht, in dem unter Hinweis auf die Beschwerde vom und das Schreiben vom Folgendes vorgebracht wurde:
"Offensichtlich geht das Finanzamt in seiner Entscheidung davon aus, dass es sich bei der Firma A-GmbH zum Zeitpunkt der Bürgschaftsübernahme um ein konkursreifes Unternehmen gehandelt habe. Deshalb verweist das Finanzamt auch auf nicht vorhandene "allgemeine Sanierungsmaßnahmen". Dabei übersieht das Finanzamt, dass allgemeine Sanierungsmaßnahmen in der entscheidenden Phase gar nicht notwendig waren, vielmehr handelte es sich um eine Investitionsphase, von der man sich für die Zukunft bessere Geschäftsgänge erwartete. Das Finanzamt weist im Bescheid vom selbst darauf hin, dass Bürgschaften dann zu Werbungskosten führen können, wenn die Übernahme der Bürgschaft beruflich veranlasst war, wie bei Bürgschaften zur Arbeitsplatzsicherung und bei allgemeinen Sanierungsmaßnahmen. Wir sehen den Zweck der Übernahme der Bürgschaft und somit die Ermöglichung der Investitionen in die Firma A-GmbH vielmehr als die Sicherung des Arbeitsplatzes unseres Mandanten als eine (zu diesem Zeitpunkt noch nicht notwendige) eventuelle Sanierungsmaßnahme des Unternehmens.
Die entscheidende Motivation von Herrn ***Bf1-Familienname*** zur Übernahme der Bürgschaft war die Erhaltung seiner eigenen Einkunftsquelle und damit die Sicherung seines Arbeitsplatzes. Hätte er diese Aussicht nicht gehabt, so hätte er wahrscheinlich - verwandt oder nicht verwandt - keine Bürgschaft über ATS 3 Mio. eingegangen. Weshalb das Finanzamt davon ausgeht, dass die Bürgschaftsübernahme in persönlichen Beziehungen bzw. gesellschaftsrechtlichen Verbindungen zu suchen sei, ist der Begründung nicht zu entnehmen und erscheint auch völlig im Widerspruch zur "allgemeinen Lebenserfahrung". Es ist nämlich nach unserer Ansicht gerade nicht in Übereinstimmung mit der allgemeinen Lebenserfahrung, dass auf Grund von Verwandtschaftsverhältnissen Bürgschaften für Betriebe eingegangen werden, an denen man selbst nicht beteiligt ist. Der ausschlaggebende Grund für die Übernahme einer derart hohen Bürgschaft kann daher nur in der Hoffnung auf einen eigenen finanziellen Vorteil, nämlich den Erhalt der eigenen Einkunftsquelle erblickt werden. Alle anderen Begründungen sind reine Spekulation.
Es wird auch in der Begründung der Beschwerdevorentscheidung nichts vorgebracht, was das Überwiegen privater Motive nahelegen würde. Allein der Umstand, dass Herr ***Bf1-Familienname*** mit dem Gesellschafter der A-GmbH verschwägert war, reicht wohl für die Erklärung der Übernahme einer Bürgschaft in Höhe von ATS 3 Mio. nicht aus."
6. Der eingebrachte Vorlageantrag vom wurde dem Bundesfinanzgericht am zur Entscheidung vorgelegt.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Der Bf. war seit ca. 1992/1993 Dienstnehmer der Firma A-KG. Ab 1998 bezog der Bf. nichtselbständige Einkünfte von der A-GmbH, bei welcher er als Geschäftsführer tätig war (Geschäftsführerbestellung ab , eingetragen im Firmenbuch am ). Die A-GmbH fungierte als Komplementärin der erstangeführten Firma A-KG. Alleiniger Kommanditist der A-KG und alleiniger Gesellschafter der A-GmbH war Herr X. (Schwiegervater des Bf.), der bis zur Geschäftsführerbestellung des Bf. (ab ) auch die Geschäftsführung der A-GmbH innehatte. Der Bf. hat die Geschäftsführerfunktion bei der A-GmbH im Jahr 2004 beendet (eingetragen im Firmenbuch am ). Der Bf. und die Ehegattin des Bf. waren an den beiden Gesellschaften nicht beteiligt.
Im Jahr 1998 (/) hat die Dienstgeberin des Bf. bei der Bank1 einen Kredit in Höhe von ca. ATS 10 Mio aufgenommen. Für diese Krediteinräumung haben der Bf. und seine Ehegattin gegenüber der Kreditgeberin gemeinsam eine Bürgschaftsverpflichtung in Höhe von ATS 3.000.000,00 (= 218.000 €) übernommen, die im Jahr 2007 schlagend geworden ist. Zur Abdeckung der aus der Bürgschaftsübernahme resultierenden Verbindlichkeiten gegenüber der Bank1 haben der Bf. und seine Ehegattin im Jahr 2008 gemeinsam zwei Abstattungskredite bei der Bank2 aufgenommen. Aus dieser Bürgschaftsverpflichtung bzw. hinsichtlich der beiden Abstattungskredite haben der Bf. und seine Ehegattin im Jahr 2014 einen Betrag von 7.556,11 Euro zurückbezahlt.
2. Beweiswürdigung
Dieser Sachverhalt ergibt sich auf Grundlage der dem Bundesfinanzgericht vorliegenden Aktenlage, der ergänzenden Einsichtnahme in die elektronische Datenbank der Finanzverwaltung und der vom Bundesfinanzgericht vorgenommenen Einsichtnahme in das Firmenbuch. Dieser Sachverhalt ist auch nicht strittig.
3. Gesetzliche Grundlagen und rechtliche Würdigung
Strittig ist, ob die Aufwendungen aus der Übernahme der gegenständlichen Bürgschaft als nachträgliche Werbungskosten im Sinne des § 16 EStG 1988 anzusehen sind, die gemäß § 32 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 als negative Einkünfte aus der ehemaligen nichtselbständigen Tätigkeit zu berücksichtigen sind.
Gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen.Werbungskosten sind bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind.
Nach § 32 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 gehören zu den Einkünften im Sinne des § 2 Abs. 3 auch Einkünfte aus einer ehemaligen betrieblichen Tätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 3 Z 1 bis 3, einer ehemaligen nichtselbständigen Tätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 3 Z 4 oder einem früheren Rechtsverhältnis im Sinne des § 2 Abs. 3 Z 5 bis 7, und zwar jeweils auch beim Rechtsnachfolger.
Werbungskosten liegen vor, wenn ein Veranlassungszusammenhang der Aufwendungen mit einer außerbetieblichen Einkunftsquelle vorliegt. Bei der Veranlassung kommt es auf den "wirtschaftlichen Zusammenhang" zwischen den Aufwendungen und der zu Einkünften führenden Tätigkeit an (vgl. Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG: Kommentar, § 16 Tz 1).
§ 32 Abs 1 Z 2 1988 EStG 1988 stellt klar, dass die Steuerpflicht nicht mit der Einstellung einer zu Einkünften führenden Tätigkeit endet. Auch nachträgliche Einkünfte sind zu erfassen; sie gehören zu der Einkunftsart, zu der die aufgegebene Tätigkeit gehört hat. Einkünfte aus einer ehemaligen Tätigkeit liegen nur dann vor, wenn die nachträglich zufließenden Einnahmen in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit der aufgegebenen Tätigkeit stehen. Zu den Einkünften aus einer ehemaligen Tätigkeit zählen nicht nur nachträgliche Einnahmen, sondern auch nachträgliche Ausgaben (vgl. Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG: Kommentar, § 32 Tz 73, 76, mwN).
Im vorliegenden Fall war der Bf. bzw. in Anspruch genommene Bürge nicht Gesellschafter seiner Dienstgeberin (A-GmbH). Gesellschafter der Dienstgeberin des Bf. war im Jahr 1998, in dem der Bf. die Bürgschaftsverpflichtung gemeinsam mit seiner Ehegattin übernommen hat, der Vater seiner Ehegattin (100%iger Alleingesellschafter). Vor diesem Hintergrund ist zu entscheiden, ob die Bürgschaftsübernahme beruflich durch die Geschäftsführertätigkeit veranlasst wurde oder sich auf das Naheverhältnis zum Alleingesellschafter gründet (vgl. Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG: Kommentar, § 32 Tz 92).
Bürgschaftszahlungen eines Gesellschafter-Geschäftsführers sind nach übereinstimmender Auffassung von Lehre und Rechtsprechung grundsätzlich durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst und entziehen sich einem Abzug als Betriebsausgaben (Werbungskosten) bei den Geschäftsführereinkünften (vgl. , unter Hinweis auf Vorjudikatur und mwN).
Nach Ansicht des Finanzamtes könne nichts anderes gelten, wenn der Geschäftsführer die Haftung im Hinblick auf das zum Gesellschafter bestehende Naheverhältnis eingehe (unter Hinweis auf UFS Wien vom , RV/2669-W/07).
Weiters verweist das Finanzamt auf das VwGH-Erkenntnis , 2007/15/0040, wo der VwGH ausgesprochen hat, dass es der allgemeinen Lebenserfahrung widerspräche, dass Dienstnehmer (auch Geschäftsführer) Haftungen für Verbindlichkeiten des Dienstgebers (bei dessen Steuerberater bzw. Hausbank) übernehmen. Anderes gälte im Falle einer persönlichen bzw. gesellschaftsrechtlichen Verbindung zwischen den Beteiligten.
Seitens der steuerlichen Vertretung des Bf. wurde dem Finanzamt entgegengehalten, dass der Begründung nicht zu entnehmen sei, weshalb das Finanzamt davon ausgehe, dass die Bürgschaftsübernahme in persönlichen Beziehungen bzw. gesellschaftsrechtlichen Verbindungen zu suchen sei und erscheine dies auch völlig im Widerspruch zur "allgemeinen Lebenserfahrung". Nach Ansicht der steuerlichen Vertretung sei es nämlich "gerade nicht in Übereinstimmung mit der allgemeinen Lebenserfahrung, dass auf Grund von Verwandtschaftsverhältnissen Bürgschaften für Betriebe eingegangen werden, an denen man selbst nicht beteiligt ist. Der ausschlaggebende Grund für die Übernahme einer derart hohen Bürgschaft kann daher nur in der Hoffnung auf einen eigenen finanziellen Vorteil, nämlich den Erhalt der eigenen Einkunftsquelle erblickt werden."
Diesem Vorbringen kann seitens des Bundesfinanzgerichts insoweit zugestimmt werden, als es durchaus nicht der allgemeinen Lebenserfahrung entspricht, dass auf Grund von Verwandtschaftsverhältnissen Bürgschaften für Betriebe eingegangen werden, an denen man selbst nicht beteiligt ist. Allerdings geht es hier darum, dass in jenen Fällen, in denen Personen Bürgschaftsverpflichtungen für Unternehmen eingehen, an denen sie nicht beteiligt sind, es durchaus der allgemeinen Lebenserfahrung entspricht, dass solche Bürgschaftsverpflichtungen in aller Regel auf Grund bestehender persönlicher (freundschaftlicher) Beziehungen bzw. insbesondere auf Grund familiärer Verwandtschaftsbeziehungen eingegangen werden. Diesen Aspekt hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem o.a. Erkenntnis auch ausdrücklich ausgesprochen (vgl. ).
Diese Sichtweise wird im vorliegenden Fall auch dadurch bestätigt, als der Bf. die Bürgschaftsverpflichtung für den an seine Dienstgeberin eingeräumten Kredit gemeinsam bzw. solidarisch mit seiner Ehegattin, der Tochter des 100%igen Gesellschafters seiner Dienstgeberin, eingegangen ist, was durchaus für eine Veranlassung auf Grund der familiären Nahebeziehungen spricht.
Auszugehen ist davon, dass dem Bf. im Zeitpunkt der Bürgschaftsübernahme im Jahr 1998 die finanzielle bzw. wirtschaftliche Situation seiner Dienstgeberin im Detail bekannt war. Im Ergänzungsschreiben zur eingereichten Abgabenerklärung vom wurde ausgeführt, der Geschäftsgang der Firma sei in den Jahren 1994 bis 1996 schlecht gewesen, sodass Investitionen zur Produktivitätssteigerung notwendig gewesen seien. In Liegenschaften bzw. Maschinen seien mehr als 10 Mio. ATS investiert worden. Aus der vom damaligen Steuerberater angefertigten Berechnung habe sich ein Haftungsfehlbetrag in der Höhe von ATS 3.840.000,00 ergeben. In der Hoffnung auf einen zukünftig besseren Geschäftsgang habe der Bf. gemeinsam mit seiner Gattin Haftungen in der Höhe von ATS 3.000.000,00 für die Firma übernommen. Durch die damals erstellten Prognosen habe sich der Bf. erhofft, als angestellter Geschäftsführer der Firma weiterhin tätig bleiben zu können.
Auch wenn angenommen werden kann, dass der Bf. von einer positiven wirtschaftlichen Entwicklung seiner Dienstgeberin ausgegangen ist, wenn die Investitionen zur Produktivitätssteigerung erfolgten, ist das Bundesfinanzgerichts davon überzeugt, dass dem Bf. das Risiko der Bürgschaftsübernahme durchaus bewusst war. Eine Bürgschaftsübernahme durch den Bf. in der Höhe von ATS 3 Mio in dieser Situation der Dienstgeberin spricht wesentlich dafür, dass der Bf., gemeinsam mit seiner Ehegattin, die Bürgschaft zur Erhaltung und Absicherung des "Familienunternehmens" eingegangen ist. Dass ein Fremdgeschäftsführer eine solche Bürgschaft in Höhe von ATS 3 Mio übernommen hätte, erscheint dem Bundesfinanzgericht als nahezu ausgeschlossen, zumal der Bf. im Jahr 1998, in dem der Bf. die Bürgschaft von ATS 3 Mio übernahm, aus der Geschäftsführertätigkeit (Netto-)Einkünfte (inklusive Sonstige Bezüge) in Höhe von ca. ATS 490.000 (= 16,33 % der Bürgschaftssumme) erzielte.
Nach den vorliegenden Gegebenheiten kommt der Tatsache, dass der Alleingesellschafter der Dienstgeberin A-GmbH des Bf. der Vater seiner Ehegattin war, entscheidende Bedeutung zu, dass der Bf. im Jahr 1998 die gegenständliche Bürgschaftsverpflichtung eingegangen ist.
Auf Grundlage dieser dargestellten Umstände ist nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts davon auszugehen, dass die Veranlassung für die Bürgschaftsübernahme nicht im beruflichen Bereich des Bf., sondern in der persönlichen Nahebeziehung zwischen dem Bf. und dem Alleingesellschafter der Dienstgeberin gelegen war.
Da hinsichtlich der vom Bf. getätigten Zahlungen aus der Inanspruchnahme der Bürgschaftsverpflichtung nicht der erforderliche Veranlassungszusammenhang mit der vormaligen Geschäftsführertätigkeit des Bf. gegeben ist, sondern der Privatsphäre zuzuordnen sind, war ein Abzug als nachträgliche Werbungskosten nicht möglich.
Aus diesen Gründen war die Beschwerde spruchgemäß als unbegründet abzuweisen.
4. Zulässigkeit der Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im gegenständlichen Fall wurde von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht abgewichen bzw. ergeben sich die Rechtsfolgen unmittelbar und eindeutig aus den gesetzlichen Bestimmungen, weshalb eine Revision nicht zuzulassen war.
Insgesamt war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Feldkirch, am
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 16 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 32 Abs. 1 Z 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2023:RV.1100090.2017 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at