Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 24.09.2023, RV/1100360/2022

Möglichkeit der Berücksichtigung der Betriebsausgabenpauschalierung und des Gewinnfreibetrages ausschließlich bei betrieblichen Einkünften

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Dr. Bertram Schneider, Badstraße 23, 6844 Altach, über die Beschwerden vom gegen die Bescheide des ***FA*** vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2018 und 2019, Steuernummer ***StNr***, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerden werden gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide bleiben unverändert.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang und Sachverhalt

Der Beschwerdeführer (im Folgenden abgekürzt Bf.) war vom bis zum nichtselbständig als Versicherungsvertreter bei der ***1*** tätig. Seit ist der Bf. pensioniert. In den Streitjahren erhielt der Bf. von seinem ehemaligen Arbeitgeber laut übermittelter Lohnzettel Folgeprovisionen in Höhe von 7.797,59 € (2018) und 6.388,03 € (2019).

Nach erfolgter Veranlagung der Einkommensteuern der Streitjahre 2018 und 2019 mit Bescheiden vom wurden am Anträge auf Aufhebung dieser Einkommensteuerbescheide eingebracht. Begründend wurde ausgeführt, bei den versteuerten Beträgen in Höhe von 7.797,59 € im Jahr 2018 sowie in Höhe von 6.388,03 € im Jahr 2019 handle es sich um nachträglich ausbezahlte Provisionen aus der Handelsvertretertätigkeit, weshalb hierauf die Branchenpauschalierung für Handelsvertreter anzuwenden sei. Die Bescheide dieser Jahre seien entsprechend zu korrigieren.

Mit Schriftsatz vom wurde der Bf. vom Finanzamt um belegmäßigen Nachweis sowie um Erläuterung des beruflichen Zusammenhanges der geltend gemachten "sonstigen Werbungskosten" ersucht.

Im Antwortschreiben von wurde lediglich auf die bereits beantragte Branchenpauschalierung für Handelsvertreter hingewiesen.

Mit Bescheiden vom wurden die Einkommensteuerbescheide 2018 und 2019 vom aufgehoben. In den mit selben Datum neu erlassenen neuen Sachbescheiden wurde wiederum nur der Pauschbetrag für Werbungskosten in Höhe von 132,00 € berücksichtigt. Begründend wurde ausgeführt, mangels Beantwortung des Vorhalts vom hätten die geltend gemachten sonstigen Werbungskosten nicht anerkannt werden können.

In den am und damit fristgerecht eingebrachten Beschwerden wurde wiederum die Berücksichtigung des Handelsvertreterpauschale für 2018 sowie für 2019 beantragt.

Mit Beschwerdevorentscheidungen vom wurden die Beschwerden mit der Begründung abgewiesen, sowohl die Basispauschalierung gemäß § 17 EStG 1988 als auch der Gewinnfreibetrag seien bei betrieblichen Einkünften zu berücksichtigen. Der Bf. beziehe jedoch keine betrieblichen Einkünfte. Für Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit könne eine Basispauschalierung und ein Gewinnfreibetrag nicht anerkannt werden.

In den fristgerecht am eingebrachten Vorlageanträgen wurde unter Bezugnahme auf die Beschwerdevorentscheidungen ausgeführt, eine Basispauschalierung gemäß § 17 EStG 1988 sei nicht beantragt worden. Wie aus der Überschrift der den Aufhebungsanträgen sowie den Beschwerden beigefügten Anlagen entnommen werden könne, handle es sich in der Arbeitnehmerveranlagung um die Branchenpauschalierung für Handelsvertreter. Bei den nichtselbständigen Einkünften handle es sich um eine Nachzahlung aus der ehemaligen selbständigen Tätigkeit.

In seiner Stellungnahme im Vorlagebericht vom führte das Finanzamt aus, eine Betriebsausgabenpauschalierung von 12% und ein Grundfreibetrag von 13% seien keine Freibeträge, die für Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit vorgesehen seien. Die Einkünfte aus der Firma ***1*** seien als Lohnzettel übermittelt worden und somit als Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit einzustufen. Beantragt werde daher eine Abweisung der Beschwerden im Sinne der Beschwerdevorentscheidungen.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Rechtliche Beurteilung

1.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

In Streit steht, ob im Rahmen der Arbeitnehmerveranlagungen der Jahre 2018 und 2019 bezüglich der ausbezahlten Folgeprovisionen ein Betriebsausgabenpauschale für Handelsvertreter sowie ein Grundfreibetrag zu berücksichtigen ist.

Gemäß § 10 Abs. 1 EStG 1988 idF BGBl. I Nr. 118/2015, kann bei natürlichen Personen bei der Gewinnermittlung eines Betriebes ein Gewinnfreibetrag nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen gewinnmindernd geltend gemacht werden:

1. Bemessungsgrundlage für den Gewinnfreibetrag der Gewinn, ausgenommen

  1. Veräußerungsgewinne (§ 24)

  2. Einkünfte im Sinne des § 27 Abs. 2 Z 1 und 2, auf die ein besonderer Steuersatz gemäß § 27a Abs. 1 angewendet wird.

2. Der Gewinnfreibetrag beträgt:

  1. für die ersten 175 000 Euro der Bemessungsgrundlage 13%,

  2. für die nächsten 175 000 Euro der Bemessungsgrundlage 7%

  3. für die nächsten 230 000 Euro der Bemessungsgrundlage 4,5%,

  4. insgesamt somit höchstens 45 350 Euro im Veranlagungsjahr.

3. Bis zu einer Bemessungsgrundlage von 30 000 Euro, höchstens daher mit 3 900 Euro, steht der Gewinnfreibetrag dem Steuerpflichtigen gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 EStG 1988 für jedes Veranlagungsjahr einmal ohne Investitionserfordernis zu (Grundfreibetrag).

Gemäß § 25 Abs. 1 Z 1 lit. a erster Satz EStG 1988 sind Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (Arbeitslohn) Bezüge und Vorteile aus einem bestehenden oder früheren Dienstverhältnis.

Die auf Grund des § 17 Abs. 4 und 5 EStG 1988, des § 14 Abs. 1 Z 2 UStG 1994 sowie des § 184 BAO erlassene Verordnung des Bundesministers für Finanzen über die Aufstellung von Durchschnittssätzen für die Ermittlung von Betriebsausgaben und Vorsteuerbeträgen bei Handelsvertretern, BGBl. II Nr. 95/2000 (nachfolgend kurz VO BGBl. II 95/2000) lautet auszugsweise:

"§ 1. Bei einer Tätigkeit als Handelsvertreter im Sinne des Handelsvertretergesetzes 1993, BGBl. Nr. 88/1993, können im Rahmen

1. der Gewinnermittlung bestimmte Betriebsausgaben

2. der Entrichtung der Umsatzsteuer bestimmte abziehbare Vorsteuersteuerbeträge

jeweils mit Durchschnittssätzen angesetzt werden.

….."

Die auf Grund des § 17 Abs. 6 EStG 1988 erlassene Verordnung des Bundesministers für Finanzen über die Aufstellung von Durchschnittssätzen für Werbungskosten, BGBl. II Nr. 382/2001 (nachfolgend kurz VO BGBl. II 382/2001) lautet auszugsweise:

"§ 1. Für nachstehend genannte Gruppen von Steuerpflichtigen werden nach den jeweiligen Erfahrungen der Praxis anstelle des Werbungskostenpauschbetrages gemäß § 16 Abs. 3 EStG 1988 folgende Werbungskosten auf die Dauer des aufrechten Dienstverhältnisses festgelegt:

……

9. Vertreter

5% der Bemessungsgrundlage, höchstens 2 190 Euro jährlich.

Der Arbeitnehmer muss ausschließlich Vertretertätigkeit ausüben. Zur Vertretertätigkeit gehört sowohl die Tätigkeit im Außendienst als auch die für konkrete Aufträge erforderliche Tätigkeit im Innendienst. Von der Gesamtarbeitszeit muss dabei mehr als die Hälfte im Außendienst verbracht werden.

…."

Die Anwendung der VO BGBl. II 95/2000 setzt gemäß § 1 dieser Norm eine Tätigkeit als Handelsvertreter iSd HVertrG 1993 voraus. Laut § 1 Abs. 1 HVertrG 1993 ist Handelsvertreter, wer von einem anderen mit der Vermittlung oder dem Abschluss von Geschäften, ausgenommen über unbewegliche Sachen, in dessen Namen und für dessen Rechnung ständig betraut ist und diese Tätigkeit selbständig und gewerbsmäßig ausübt.

Aus den Veranlagungen der Jahre 2004 bis 2017 ist ersichtlich, dass der Bf. bis zu seiner Pensionierung nicht selbständig, sondern ausschließlich nichtselbständig als Versicherungsvertreter tätig war. Da der Bf. somit weder in den Streitjahren noch in den Vorjahren eine dem gesetzlich umschriebenen Berufsbild eines Handelsvertreters entsprechende Tätigkeit ausgeübt hat, sind die Anwendungsvoraussetzungen der VO BGBl. II 95/2000 nicht erfüllt.

Eine amtswegige Berücksichtigung des Werbungskostenpauschales gemäß § 1 Z 9 der VO BGBl. II 382/2001 kommt schon mangels eines aufrechten Dienstverhältnisses in den Streitjahren nicht in Betracht.

Der Beschwerde konnte somit nicht Folge gegeben werden.

1.1. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Dass die Anwendung der VO BGBl. II 95/2000 eine Tätigkeit als Handelsvertreter iSd HVertrG 1993 voraussetzt und das Werbungskostenpauschale gemäß § 1 Z 9 der VO BGBl. II 382/2001 nur während eines aufrechten Dienstverhältnisses zusteht, ergibt sich bereits aus den zitierten Normtexten. Eine (ordentliche) Revision ist daher nicht zulässig.

Gesamthaft ist daher spruchgemäß zu entscheiden.

Feldkirch, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 10 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 25 Abs. 1 Z 1 lit. a EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 1 Durchschnittssätze für die Gewinnermittlung - Handelsvertreter, BGBl. II Nr. 95/2000
§ 1 Z 9 Durchschnittssätze für Werbungskosten, BGBl. II Nr. 382/2001
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.1100360.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at