Keine Antragslegitimation des Sozialhilfeträgers betreffend Rückzahlung eines Guthabens aus der Arbeitnehmerveranlagung
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, vertreten durch die ***V***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom , betreffend Zurückweisung eines Rückzahlungsantrages, zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Mit Eingabe vom beantragte das ***Bf1*** die Überweisung von 80% der Steuergutschriften aus den Arbeitnehmerveranlagungen der Jahre 2020 und 2021 betreffend ***1***, geboren am ***xx.xx.xxxx***, auf ein näher bezeichnetes Bankkonto. Es habe aus Mitteln der Mindestsicherung die nicht gedeckten Pflegekosten getragen. 80 % der festzustellenden Steuerguthaben seien nach OGH 2 Ob 128/19s gemäß § 22 iVm § 43 Abs. 1 lit. a Tiroler Mindestsicherungsgesetz für die geleistete Mindestsicherung heranzuziehen. Es werde ausdrücklich auf die gesetzlichen Bestimmungen des § 324 ASVG (Legalzession) hingewiesen.
Das Finanzamt wies den Antrag mit dem an das ***2*** adressierten Bescheid vom als unzulässig zurück und begründete dies damit, dass ein Abgabenguthaben, welches mangels bisheriger Erklärung zur Durchführung einer Arbeitnehmerveranlagung überhaupt erst aufgrund einer postmortalen Antragstellung entstehen könne, schon mangels notwendiger zeitlicher Kongruenz mit der naturgemäß nur zu Lebzeiten des Verstorbenen bezogenen Mindestsicherung nicht von der in § 324 Abs. 3 ASVG angeordneten Legalzession umfasst sein. Ein solches - erst nach entsprechender Antragstellung durch einen hierzu Ermächtigten und Durchführung der Veranlagung entstehendes - Guthaben falle somit zur Gänze unbelastet in den ruhenden Nachlass. Ein Rückzahlungsantrag im Falle des Vorliegens eines unvertretenen ruhenden Nachlasses könne nur ein dazu ermächtigter und bestellter Verlassenschaftskurator oder ein erbantrittserklärter Erbe stellen. Der Beschwerdeführer sei zur Stellung eines Rückzahlungsantrages im Sinne des § 239 Abs. 1 BAO nicht legitimiert.
Dagegen erhob das ***Bf1*** mit Eingabe vom das Rechtsmittel der Bescheidbeschwerde.
Gemäß § 324 Abs. 3 ASVG gehe für die Zeit der Pflege der Anspruch auf Rente bzw. Pension (einschließlich allfälliger Zulagen und Zuschläge) bis zur Höhe der Verpflegskosten, höchstens jedoch bis zu 80 vH, auf den Träger der Sozialhilfe über, wenn ein Renten(Pensions)berechtigter auf Kosten eines Trägers der Sozialhilfe in einem Altenheim verpflegt werde. Dies gelte nach der Rechtsprechung des OGH auch für ein nachträglich hervorgekommenes, zeitlich kongruentes Einkommensteuerguthaben. Demnach sei der Anspruch auf das Einkommensteuerguthaben bereits zu Lebzeiten im Rahmen der Legalzession nach § 324 Abs. 3 ASVG auf das ***Bf1*** als Träger der Mindestsicherung übergegangen und somit die Anwendung des § 19 BAO als verfehlt zu erachten. Der OGH habe in der ausführlich begründeten Entscheidung vom , 2 Ob 161/18t, ausgesprochen, dass ein Einkommensteuerguthaben grundsätzlich nicht als Vermögen iSd § 330a ASVG, sondern als Einkommen (dort iSd § 6 Abs 2 K-MSG) zu qualifizieren sei und der Anspruchsübergang nach der in § 324 Abs. 3 ASVG statuierten Legalzession zugunsten jenes Trägers, auf dessen Kosten der betreffende Pensions- oder Rentenberechtigte in einem Heim oder einer ähnlichen Einrichtung "verpflegt" werde, unmittelbar bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen erfolge. Er finde grundsätzlich für jeden Monat, in dem die Unterbringung bzw. Pflege erfolgt sei, statt, weil die Leistung pro Kalendermonat gebühre und zeitlich kongruente Leistungen betreffe, also solche, die von einem Träger für einen Zeitraum erbracht wurden, für den der Leistungsbezieher einen Anspruch auf Renten- oder Pensionsleistungen gehabt habe. Dem Pensionsberechtigten stehe für diese Zeit nur mehr der nicht vom Forderungsübergang erfasste Teil seines Anspruchs zu. Da im gegenständlichen Fall für den Verstorbenen die ungedeckten Heimkosten vom ***Bf1*** als Träger der Mindestsicherung getragen worden seien, sei der Anspruch auf 80% des Einkommensteuerguthabens nach der in § 324 Abs. 3 ASVG statuierten Legalzession auf das ***Bf1*** ex lege übergegangen.
Nach Rechtsprechung des OGH falle dieser im Wege der Legalzession an den Sozialhilfeträger übergegangene Teil des Steuerguthabens ebenso wie der entsprechende Anteil an den zugrundeliegenden Pensionsansprüchen selbst nicht in den Nachlass. Der Sozialhilfeträger habe vielmehr - in sinngemäßer Anwendung des § 44 IO - ein "Aussonderungsrecht". Da dieser Teil des Steuerguthabens von vornherein nicht in den Nachlass falle, könne er bei der Überlassung an Zahlungs statt nicht als Aktivum an die Gläubiger verteilt werden. Der OGH hat in seiner Entscheidung zu Zl. 2 Ob 128/19s ausgesprochen, dass Aussonderungsansprüche nicht vom Verlassenschaftsgericht zu befriedigen seien, sondern dass eine Einziehung der auf den Sozialhilfeträger übergangenen Steuerguthaben durch den Sozialhilfeträger selbst zu erfolgen habe. Die Aktivlegitimation des ***Bf1*** habe aufgrund des oben Geschilderten in gegenständlicher Angelegenheit somit vorgelegen.
Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet ab.
Dagegen wurde mit Schriftsatz vom der Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht (Vorlageantrag) gestellt.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Zu Spruchpunkt I.
Im Beschwerdefall ist der an das ***2*** adressierte angefochtene Bescheid so zu deuten, dass dieser an das ***Bf1*** ergangen ist. Zweifelhafte Angaben beim Bescheidadressaten sind nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. ) durch Auslegung zu erschließen. Im Beschwerdefall wollte das Finanzamt zweifelslos die bescheidmäßige Erledigung des als Antrag auf Rückzahlung noch zu beziffernder Steuergutschriften gewerteten Anbringens vom an das ***Bf1*** als Träger der Sozialhilfe richten. Es ist daher bloß von einem Fehler in der Bezeichnung auszugehen, zumal das ***Bf1*** selber davon ausgegangen ist Bescheidadressat zu sein und eine Beschwerde erhoben hat (vgl. hierzu auch ).
Nach dem unbestrittenen Vorbringen des Beschwerdeführers wurde der am ***xx.xxx.xxxx*** verstorbene Erblasser seit dem ***x.xx.xxxx*** im ***4*** verpflegt, wobei das ***Bf1*** die nicht gedeckten Pflegekosten aus den Mitteln der Mindestsicherung getragen hat. Das Guthaben aus der Arbeitnehmerveranlagung 2020 beträgt laut Gebarung auf dem auf die Verlassenschaft nach ***1*** lautenden Steuerkonto nur € 5,00. Für das Jahr 2021 wurde bisher noch keine Arbeitnehmerveranlagung durchgeführt.
Gemäß § 215 Abs. 4 BAO sind Guthaben, soweit diese nicht gemäß -hier nicht maßgebenden - Abs. 1 bis 3 zu verwenden sind, nach Maßgabe der Bestimmungen des § 239 zurückzuzahlen.
Gemäß § 239 Abs. 1 erster Satz BAO kann die Rückzahlung von Guthaben (§ 215 Abs. 4) auf Antrag des Abgabepflichtigen oder von Amts wegen erfolgen.
Gemäß § 77 Abs. 1 BAO ist Abgabepflichtiger im Sinne dieses Bundesgesetzes, wer nach den Abgabenvorschriften als Abgabenschuldner in Betracht kommt.
Gemäß § 19 Abs. 1 BAO gehen bei Gesamtrechtsnachfolge die sich aus den Abgabenvorschrif-ten ergebenden Rechte und Pflichten des Rechtsvorgängers auf den Rechtsnachfolger über.
Steuerrechtlich handelt es sich bei der Einkommensteuer um eine Geldleistung, die der Bund kraft öffentlichen Rechts erhebt. Der Einkommensteuer ist das Einkommen zu Grunde zu legen, das der Steuerpflichtige innerhalb eines Kalenderjahres bezogen hat. Einkommen ist der Ge-samtbetrag der Einkünfte (aus den im § 2 Abs. 3 EStG aufgezählten Einkunftsarten) nach Ausgleich mit Verlusten, die sich aus den einzelnen Einkunftsarten ergeben, und nach Abzug der Sonder-ausgaben und außergewöhnlichen Belastungen sowie der Freibeträge. Die Einkommensteuer setzt daher das Vorliegen von Einkünften voraus. Der Abgabenanspruch hat aber seine Grund-lage im Einkommensteuergesetz, das zum öffentlichen Recht zählt. Es handelt sich um nichts anderes als um negative Abgabenansprüche. Auch solche Ansprüche entstehen kraft Gesetzes. Bei der im Beschwerdefall entstandenen Einkommensteuergutschrift handelt es sich rechtlich nicht um ein Arbeitseinkommen bzw. Pensionsanspruch, sondern um einen öffentlich-rechtlichen Anspruch gegenüber dem Abgabengläubiger (vgl. zB ).
Zur Stellung eines Antrages auf Rückzahlung ist nach § 239 BAO der Abgabepflichtige berech-tigt, auf dessen Namen das Abgabenkonto lautet (vgl. ). Im Falle des Todes wird die Verlassenschaft bis zur Einantwortung der Erbschaft durch die erbserklärten Erben bzw. durch einen vom Gericht bestellen Verlassenschaftskurator vertreten. Die Verlassenschaft setzt vor der Einantwortung des Erben die Rechte und Pflichten des verstorbenen Steuerpflichtigen fort (§ 531 ABGB). Der ruhende Nachlass bzw. die Verlassenschaft ist eine juristische Person (vgl. ). Das ***Bf1*** ist nicht gesetzlicher Vertreter des ruhenden Nachlasses.
Auch die Berufung auf die in § 324 Abs. 3 ASVG normierte Legalzession vermag dem ***Bf1*** nicht zur Stellung eines Rückzahlungsantrages nach § 239 BAO zu legitimieren. Hinsichtlich der Frage, ob aufgrund des § 324 Abs. 3 ASVG das Finanzamt verpflichtet ist, 80 % des Guthabens an das ***Bf1*** zu überweisen, ist der Beschwerdeführer auf den Zivilrechtsweg zu verweisen. Für den Beschwerdefall ist lediglich maßgeblich, dass das Finanzamt ohne Rechtswidrigkeit angenommen hat, dass aufgrund der abgabenrechtlichen Bestimmungen dem ***Bf1*** keine Antragslegitimation nach § 239 BAO zukommt. Folglich war die Beschwerde gemäß § 279 BAO als unbegründet abzuweisen.
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Frage der Aktivlegitimation betreffend die Rückzahlung von Guthaben ist durch die Rechtsprechung ausreichend geklärt. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt daher nicht vor. Die (ordentliche) Revision war deshalb als unzulässig zu erklären.
Innsbruck, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 239 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 19 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 77 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 215 Abs. 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2023:RV.3100612.2022 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at