Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 02.10.2023, RV/7103191/2023

Zurückweisung einer Beschwerde wegen Verspätung

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Wolfgang Pavlik in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, betreffend Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Familienbeihilfe ab Juli 2022, beschlossen:

Die Beschwerde wird als verspätet zurückgewiesen.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin (Bf) brachte am bzw. einen Antrag auf Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe ab Juli 2022 für sich selbst ein.

Das Finanzamt wies den Antrag mit Bescheid vom ab, da die Bf zum Untersuchungstermin nicht erschien.

Die Zustellung des Bescheides erfolgte über FinanzOnline am in die Databox.

Der letzte Tag der Beschwerdefrist war der .

Am wurde die Beschwerde gegen den Abweisungsbescheid beim Finanzamt eingebracht.

Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom mit folgender Begründung zurück:

"Gem. § 260 Abs. 1 Bundesabgabenordnung (BAO) in der derzeit gültigen Fassung ist eine Bescheidbeschwerde mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262) oder mit Beschluss (§ 278) zurückzuweisen, wenn sie nicht zulässig ist oder nicht fristgerecht eingebracht wurde.

Gemäß § 245 Abs. 1 Bundesabgabenordnung (BAO) beträgt die Beschwerdefrist einen Monat. Bei schriftlichen Bescheiden beginnt die Frist in der Regel am Tag von dessen Zustellung. Gem. § 17 Abs. 3 Zustellgesetz gilt die Zustellung mit dem Tag, an dem das hinterlegte Dokument erstmals zur Abholung bereitgehalten wird, als bewirkt.

Im vorliegenden Fall wurde gegen den Abweisungsbescheid vom Beschwerde erhoben, folglich ist die am eingelangte Beschwerde als verspätet zurückzuweisen."

Die Bf stellte am einen Vorlageantrag und brachte vor, dass für sie auf Grund ihrer psychischen Beeinträchtigung sowie ihrer finanziell sehr herausfordernden Situation die Zuerkennung der erhöhten Familienbeihilfe essentiell sei. Sie warte schon sehr lange auf einen positiven Bescheid, da ihre Lebenssituation stark davon abhänge, ob ihr die Beihilfe zuerkannt werde.

Feststehender Sachverhalt:

Die Bf ist FinanzOnline-Teilnehmerin.

Sie hat die Zustellung über FinanzOnline in den Grunddaten aktiviert.

Die Zustellung des Bescheides erfolgte am in die Databox der Bf.

Ein Zustellmangel ist weder der Aktenlage zu entnehmen noch wurde ein solcher von der Bf geltend gemacht.

Am wurde die Beschwerde gegen den Abweisungsbescheid beim Finanzamt eingebracht.

Beweiswürdigung:

Der Sachverhalt ergibt sich aus dem Familienbeihilfenakt, insbesondere den FinanzOnline Daten.

Auf dem Bescheid ist auf der elektronischen Signatur als Datum vermerkt: , 04:44:24 +01:00.
Das bedeutet, dass am zeitnah zu der vermerkten Uhrzeit die Zustellung in die Databox erfolgte.
Dies wurde von der Bf weder bestritten noch wurde ein Zustellmangel geltend gemacht.

Das Datum der Einbringung der Beschwerde ist aktenkundig.

Gesetzesgrundlagen:

Gemäß § 243 Bundesabgabenordnung (BAO) sind gegen Bescheide, die Abgabenbehörden erlassen, Beschwerden (Bescheidbeschwerden) an die Verwaltungsgerichte zulässig, soweit in Abgabenvorschriften nicht anderes bestimmt ist.

Nach § 245 erster Satz BAO beträgt die Beschwerdefrist einen Monat.

§ 1 Abs 1 FinanzOnline-Verordnung 2006 (kurz: FOnV) regelt automationsunterstützte Datenübertragungen in Bezug auf Anbringen (§ 86a BAO), Erledigungen (§ 97 Abs 3 BAO), Akteneinsicht (§ 90a BAO) und Entrichtung (§ 211 Abs 5 BAO), soweit nicht eigene Vorschriften bestehen.

Gemäß § 1 Abs 2 FinanzOnline-Verordnung 2006 ist die automationsunterstützte Datenübertragung nur zulässig für Funktionen, die "dem jeweiligen Teilnehmer" in FinanzOnline "zur Verfügung stehen". Das setzt - für die Zustellung von Erledigungen in die "Databox" - voraus, dass dem Empfänger die für den Zugriff darauf erforderlichen Zugangsdaten "zur Verfügung stehen".

§ 1 Abs. 3 FinanzOnline-Verordnung 2006 idgF lautet:

"Parteien und deren Vertreter, die an FinanzOnline teilnehmen und dafür von den Abgabenbehörden Zugangsdaten erhalten, haben diese, auch wenn sie selbst bestimmt wurden, sorgfältig zu verwahren, soweit zumutbar Zugriffe darauf zu verhindern und die Weitergabe der Zugangsdaten zu unterlassen. Die Ausstellung von weiteren Zugangsdaten und deren Weitergabe zum Zweck der Einräumung von Zugriffsrechten an andere Personen ist im eigenen Verantwortungsbereich des Teilnehmers nach Maßgabe der für den jeweiligen Teilnehmer zur Verfügung stehenden Funktionen (Abs. 2) zulässig, doch haben die so berechtigten Personen dieselben Sorgfaltspflichten, insbesondere dürfen die Zugangsdaten nicht weitergegeben werden. Der Teilnehmer darf Zugriffsrechte nur natürlichen Personen einräumen."

Gemäß § 5b Abs 1 der FinanzOnline-Verordnung 2006 (FOnV 2006) in der für den vorliegenden Beschwerdefall maßgeblichen Fassung des BGBl II Nr 373/2012, haben die Abgabenbehörden nach Maßgabe ihrer technischen Möglichkeiten Zustellungen an Empfänger, die Teilnehmer von FinanzOnline sind, elektronisch vorzunehmen.

§ 5b Abs 2 FOnV 2006 bestimmt, dass jede Teilnehmerin in FinanzOnline eine elektronische Adresse angeben kann, an welche sie über eine elektronische Zustellung zu informieren ist. Die Wirksamkeit der Zustellung der Erledigung selbst wird durch die Nichtangabe, durch die Angabe einer nicht der Teilnehmerin zuzurechnenden oder durch die Angabe einer unrichtigen oder ungültigen elektronischen Adresse nicht gehindert.

Nach § 5b Abs 3 FOnV 2006 in der oben genannten Fassung kann ein Teilnehmer in FinanzOnline auf die elektronische Form der Zustellung verzichten. Zu diesem Zweck ist ihm bei seinem ersten nach dem erfolgenden Einstieg in das System unmittelbar nach erfolgreichem Login die Verzichtsmöglichkeit aktiv anzubieten. Die Möglichkeit zum Verzicht ist auch nach diesem Zeitpunkt jederzeit zu gewährleisten.

§ 97 BAO lautet:

"(1) Erledigungen werden dadurch wirksam, daß sie demjenigen bekanntgegeben werden, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind. Die Bekanntgabe erfolgt

a) bei schriftlichen Erledigungen, wenn nicht in besonderen Vorschriften die öffentliche Bekanntmachung oder die Auflegung von Listen vorgesehen ist, durch Zustellung;

b) …

(2) …

(3) An Stelle der Zustellung der schriftlichen Ausfertigung einer behördlichen Erledigung kann deren Inhalt auch telegraphisch oder fernschriftlich mitgeteilt werden. Darüber hinaus kann durch Verordnung des Bundesministers für Finanzen die Mitteilung des Inhalts von Erledigungen auch im Wege automationsunterstützter Datenübertragung oder in jeder anderen technisch möglichen Weise vorgesehen werden, wobei zugelassen werden kann, daß sich die Behörde einer bestimmten geeigneten öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Übermittlungsstelle bedienen darf. In der Verordnung sind technische oder organisatorische Maßnahmen festzulegen, die gewährleisten, daß die Mitteilung in einer dem Stand der Technik entsprechenden sicheren und nachprüfbaren Weise erfolgt und den Erfordernissen des Datenschutzes genügt. Der Empfänger trägt die Verantwortung für die Datensicherheit des mitgeteilten Inhalts der Erledigung. § 96 Abs. 2 gilt sinngemäß."

§ 98 Abs 2 BAO normiert, dass elektronische Dokumente als zugestellt gelten, sobald sie in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers gelangt sind. Im Zweifel hat die Behörde die Tatsache und den Zeitpunkt des Einlangens von Amts wegen festzustellen. Die Zustellung gilt als nicht bewirkt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung mit dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag wirksam.

§ 109 BAO normiert:

Wird der Lauf einer Frist durch eine behördliche Erledigung ausgelöst, so ist für den Beginn der Frist der Tag maßgebend, an dem die Erledigung bekanntgegeben worden ist (§ 97 Abs. 1).

Gemäß § 260 Abs 1 lit b BAO ist die Bescheidbeschwerde mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262) oder mit Beschluss (§ 278) zurückzuweisen, wenn sie nicht fristgerecht eingebracht wurde.

Rechtliche Beurteilung:

Im ggstdl Fall wurde der Abweisungsbescheid der Bf über FinanzOnline in die Databox am zugestellt.

Auf das tatsächliche Einsehen der in der Databox befindlichen elektronischen Dokumente durch Öffnen, Lesen oder Ausdrucken eines Schriftstückes kommt es nicht an (vgl Ritz, BAO6, § 98 BAO, Tz 4 und die dortigen Judikaturhinweise).

Mit dem ersten Tag der Abholfrist begann daher die Beschwerdefrist von einem Monat zu laufen. Da der ein gesetzlicher Feiertag war, endete die Frist somit am .

Mit ungenütztem Ablauf der Beschwerdefrist tritt die (formelle) Rechtskraft des Bescheides ein.

Die Beschwerde wurde erst am und daher nicht fristgerecht eingebracht

Da die Beschwerde der Bf am wirksam zugestellt wurde, weil sie an diesem Tag in den elektronischen Verfügungsbereich der Bf gelangt ist und auch keinerlei relevante Gründe vorgebracht wurden, die gegen die Wirksamkeit der Zustellung sprechen würden, war die Beschwerde als verspätet zurückzuweisen.

Wird ein Rechtsmittel wegen verspäteter Einbringung zurückgewiesen, so ist Beweisthema im Rechtsmittelverfahren gegen den Zurückweisungsbescheid lediglich die Versäumung der Beschwerdefrist [Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3 § 260 E 64 (Stand , rdb.at), mit Verweis auf ].

Daher ist es im Fall einer nicht fristgerechten Einbringung einer Beschwerde dem Bundesfinanzgericht verwehrt, auf das materielle Beschwerdevorbringen einzugehen und eine Sachentscheidung zu treffen.

Zulässigkeit einer Revision:

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da sich die Rechtsfolge im Falle der Verspätung der Einbringung einer Beschwerde unmittelbar aus § 245 BAO ergibt und auf diese Rechtsfolge in der Rechtsmittelbelehrung hingewiesen wurde, liegt im konkreten Fall keine Rechtsfrage vor, der gemäß Art 133 Abs 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 97 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 98 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 109 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 243 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 245 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 260 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 1 Abs. 1 FOnV 2006, FinanzOnline-Verordnung 2006, BGBl. II Nr. 97/2006
§ 1 Abs. 2 FOnV 2006, FinanzOnline-Verordnung 2006, BGBl. II Nr. 97/2006
§ 1 Abs. 3 FOnV 2006, FinanzOnline-Verordnung 2006, BGBl. II Nr. 97/2006
§ 5b Abs. 1 FOnV 2006, FinanzOnline-Verordnung 2006, BGBl. II Nr. 97/2006
§ 5b Abs. 2 FOnV 2006, FinanzOnline-Verordnung 2006, BGBl. II Nr. 97/2006
§ 5b Abs. 3 FOnV 2006, FinanzOnline-Verordnung 2006, BGBl. II Nr. 97/2006
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7103191.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at