Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 29.09.2023, RV/7400035/2016

Haftung Kommunalsteuer

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Beste & Partner Steuerberatung GmbH, Perlhofgasse 2/2/8, 2372 Gießhübel, über die Beschwerde vom gegen den Haftungsbescheid des ***MA*** vom (MA 6/DII/R1 - 277402/13/E) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gem § 279 BAO teilweise Folge gegeben. Der Haftungsbetrag für die Kommunalsteuer (inkl Säumniszuschlag) wird auf EUR 6.039,48 und der Haftungsbetrag für die Dienstgeberabgabe wird auf EUR 760,82 reduziert. In Summe wird daher ein Haftungsbetrag von EUR 6.800,30 festgesetzt.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Haftungsbescheid vom wurde der Beschwerdeführer als Geschäftsführer der *** Ges 1*** zur Haftung für Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe samt Säumniszuschläge von EUR 31.258,13 herangezogen.

Mit Schreiben vom wurde rechtzeitig Beschwerde (vormals: Berufung) gegen den Haftungsbescheid erhoben. In der Beschwerde wird zusammengefasst vorgebracht, dass der Bescheid mit Mängeln materieller Rechtswidrigkeit und wesentlichen Verfahrensmängel belastet sei. So habe sich die belangte Behörde nicht ausreichend mit dem Verschulden des Beschwerdeführers im konkreten Sachverhalt auseinandergesetzt. Die Behörde habe nicht jene Gründe in Erwägung gezogen, die gegen eine Haftung des Beschwerdeführers sprechen würden. Der Beschwerdeführer habe weder vorsätzlich noch fahrlässig seine Pflichten als Geschäftsführer verletzt. Letztlich sei es dem Beschwerdeführer infolge des Verbots der Gläubigerbevorzugung unmittelbar vor Konkurseröffnung gar nicht mehr möglich gewesen, die von der Behörde festgesetzten Beträge zu bezahlen, weil er sich andernfalls der strafrechtlichen Verfolgung ausgesetzt hätte. Der Beschwerdeführer habe somit als Geschäftsführer seine Aufgaben, soweit es ihm persönlich nach den faktischen Gegebenheiten möglich gewesen sei, nach bestem Wissen und Gewissen mit der Sorgfalt des ordentlichen Unternehmers erfüllt. In diesem Zusammenhang habe die belangte Behörde unmittelbare Ermittlungstätigkeiten unterlassen und so sei der maßgebliche Sachverhalt mangelhaft festgestellt worden.

Mit Vorhalt vom wurde der Beschwerdeführer betreffend den vorgebrachten Einwand der Gläubigergleichbehandlung aufgefordert per Fälligkeitstag der Abgaben eine gegliederte Liquiditätsaufstellung für den Zeitraum Jänner 2008 bis Dezember 2009 sowie Jänner 2012 bis Jänner 2013 vorzulegen.

Mit Schreiben vom antwortete der damalige rechtliche Vertreter auf den Vorhalt der belangten Behörde. Dieses Schreiben enthielt lediglich allgemeine Ausführungen im Hinblick auf die Nichtentrichtung der Abgaben, für die der Beschwerdeführer in Haftung genommen wurde. Insbesondere wird ausgeführt, dass die Nichtentrichtung der Abgaben primär einer Zahlungsverzögerung von Kunden geschuldet war. Der Beschwerdeführer konnte daher nicht damit rechnen, dass die Liquidität derart schnell ausgehe.

Mit Schreiben vom wurden der belangten Behörde OP-Listen für den Zeitraum Ende 2012/Anfang 2013 übermittelt. Aus diesen Aufzeichnungen solle hervorgehen, dass alleine die Zahlungsstockungen von großen Kunden für die Liquiditätssituation der Gesellschaft verantwortlich gewesen seien. Wären die Kunden ihren Leistungsverpflichtungen termingerecht nachgekommen, hätten die Abgabenschulden rechtzeitig bezahlt werden können. Eine Liquiditätsaufstellung war dem Schreiben und den Beilagen nicht zu entnehmen.

Aus diesem Grund wurde der Beschwerdeführer mit Vorhalt vom nochmals aufgefordert eine Liquiditätsaufstellung als Beweis für die Gläubigergleichbehandlung zu übermitteln. Der Beschwerdeführer wurde in dem Schreiben auch auf seine qualifizierte Mitwirkungspflicht in diesem Zusammenhang hingewiesen.

Mit Vorhalt vom wurde der Beschwerdeführer informiert, dass der Haftungsbetrag auf EUR 19.483,00 reduziert wird. Der Grund für die Reduktion war, dass nach Ermittlungen des Magistrats die Kommunalsteuer 01/2013 von EUR 15.259,87 auf EUR 3.715,63 zu reduzieren war. Der dazugehörige Säumniszuschlag war von EUR 305,20 auf EUR 74,31 zu reduzieren. Außerdem wurde der nunmehrige Haftungsbetrag um eine 20%ige Sanierungsquote auf EUR 15.586,40 reduziert. Des Weiteren wurde der Beschwerdeführer informiert, dass er bis dato noch keine Liquiditätsaufstellung an den Magistrat übermittelt hätte.

Mit E-Mail vom wurden von der Finanzbuchhaltung der Primärschuldnerin eine Aufstellung über die Einnahmen und die Ausgaben der Gesellschaft von Dezember 2012 bis an die belangte Behörde übermittelt.

Mit E-Mail vom wurde schlussendlich eine Liquiditätsaufstellung zum Stichtag vom Beschwerdeführer übermittelt.

Mit Vorhalt vom wurde der Beschwerdeführer von der belangten Behörde informiert, dass sowohl die Aufstellung vom und vom nicht den Anforderungen der belangten Behörde entsprechen bzw nicht schlüssig seien.

Mit E-Mail vom wurden der belangten Behörde neuerlich Unterlagen übermittelt, die die Gläubigergleichbehandlung durch den Beschwerdeführer nachweisen sollen.

Im Zuge des weiteren Ermittlungsverfahrens, bei dem Unterlagen zur Liquiditätssituation der Gesellschaft zum Nachweis der Gläubigergleichbehandlung von der Steuerberaterin des Beschwerdeführers aufbereitet wurden, erging am ein neuerlicher Vorhalt an den Beschwerdeführer. Mit diesem Schreiben wurde dem Beschwerdeführer der im Ermittlungsverfahren ermittelte Haftungsbetrag mitgeteilt. Zur Berechnungsmethode führte die belangte Behörde aus, dass entsprechend der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes das Verhältnis der vom Beschwerdeführer bekannt gegebenen Verbindlichkeiten zu den ebenso bekannt gegebenen Zahlungen/liquiden Mitteln zum jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt ermittelt und die sich daraus ergebende Befriedigungsquote auf die zum jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt bestehende Abgabenforderung einschließlich der Nebengebühren angewendet wurde. Die ermittelte fiktive Quote betrug per 58,15% und per 9,69%. Die ermittelte Befriedigungsquote für einen bestimmten Monat bedeutet, dass der Abgabengläubiger bei gleichmäßiger Behandlung sämtlicher Gläubiger durch den Beschwerdeführer nicht mehr als eben diese Quote erhalten hätte. Der nach Abzug dieser Quote verbleibende Restbetrag ist jedoch bei der Ermittlung des anteiligen Haftungsbetrages zum folgenden Fälligkeitszeitpunkt mit zu berücksichtigen, da die Gesellschaft verpflichtet bleibt, Abgabenschuldigkeiten, mit deren Abfuhr bzw. Einzahlung sie in Rückstand geraten ist, zu erfüllen. Dem entsprechend wurden auch die übrigen Abgabenbeträge, die bei pflichtgemäßem Verhalten des Beschwerdeführers an den Abgabengläubiger zu entrichten gewesen wären, ermittelt. Schlussendlich ermittelte die belangte Behörde einen Haftungsbetrag von insgesamt EUR 9.179,08.

Mit Schreiben vom antwortete der damalige rechtliche Vertreter des Beschwerdeführers, dass die Berechnung der belangten Behörde nicht nachvollziehbar sei. Der maximale Haftungsbetrag sei der von der Steuerberaterin ermittelte Betrag von rund EUR 1.500,00. Generell bleibe aber der bisher vertretene Standpunkt aufrecht, dass der Beschwerdeführer gar nicht zur Haftung herangezogen werden könne, da es zu keiner Gläubigerbevorzugung gekommen sei.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde schlussendlich unter Berücksichtigung einer 20% Sanierungsquote und abzüglich einer geleisteten Nachtragsquote ein Kommunalsteuerhaftungsbetrag (inkl Säumniszuschlag) von EUR 7.262,64 und ein Dienstgeberabgabehaftungsbetrag (inkl Säumniszuschlag) von EUR 777,15 geltend gemacht.

Mit Schreiben vom stellte der Beschwerdeführer den Antrag auf Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht. Im Vorlageantrag blieb der Beschwerdeführer bei seiner Argumentation nicht schuldhaft gehandelt zu haben, da die Primärschuldnerin durch Zahlungsverweigerungen von großen Kunden in die Zahlungsunfähigkeit gedrängt worden sei. Bis zur Insolvenzanmeldung seien lediglich Zahlungen vorgenommen worden, die zur Aufrechterhaltung des Betriebes notwendig waren. Außerdem führte der Beschwerdeführer aus, dass durch seine Anstrengungen im Sanierungsverfahren der Fortbestand des Unternehmens gesichert wurde, und so ca. 160 Arbeitsplätze in Wien erhalten worden seien, die zu einem erheblichen Kommunalsteueraufkommen für die Gemeinde Wien geführt hätten. Die belangte Behörde wolle den Beschwerdeführer jetzt noch für seine Anstrengungen "bestrafen" und ihm privat eine Zahlung durch den unberechtigten Vorwurf einer Gläubigerungleichbehandlung abverlangen.

Mit Schreiben vom des Vertreters des Beschwerdeführers wurde der Antrag auf Entscheidung durch den Senat zurückgenommen.

Am fand schlussendlich eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesfinanzgericht (Einzelrichterverfahren) statt.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der Beschwerdeführer war seit **.**.1998 als Geschäftsführer der *** Ges 1*** eingetragen und dabei seit bis zur Eröffnung des Sanierungsverfahren mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom **.**.2013 alleiniger Geschäftsführer der Gesellschaft.

Ende des Jahres 2012 war die Gesellschaft in Zahlungsschwierigkeiten geraten, da sich ein großer langjähriger Kunde erstmals weigerte, seine fälligen Forderungen zu bezahlen. Nach Mahnungen und Vorkorrespondenz fand am ein Gespräch mit der Geschäftsführung eines großen Kunden statt, welche in der Zusage einer hohen Teilzahlung endete, die jedoch nicht eingehalten wurde.

Erstmalig stand der Geschäftsführer am vor dem Problem, dass die Kommunalsteuer für 12/2012 iHv EUR 13.018,27 und die Dienstgeberabgabe iHv EUR 1.641,24 nicht entrichtet werden konnte. Die Nettobezüge für sämtliche Mitarbeiter wurden allerdings ausbezahlt.

Im Jänner 2013 wurden lediglich die Gehälter, jedoch nicht die Löhne von der Gesellschaft ausbezahlt. Die Kommunalsteuer für 01/2013 iHv EUR 3.715,60 wurde nicht entrichtet.

Das Sanierungsverfahren wurde vom Beschwerdeführer als Geschäftsführer der Gesellschaft ungesäumt beantragt.

Mit Haftungsbescheid vom wurde der Beschwerdeführer für einen Abgabenbetrag von EUR 31.258,13 zur Haftung herangezogen.

Der Haftungsbetrag setzt sich wie folgt zusammen:


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Rückstand
Zeitraum
Betrag in EUR
Kommunalsteuer nach GPLA
1-12/2008
75,57
Kommunalsteuer nach GPLA
1-12/2009
248,46
Kommunalsteuer
1-12/2012
13.018,27
Säumniszuschlag
hierzu
676,70
Kommunalsteuer
1/2013
15.259,87
Säumniszuschlag
hierzu
305,20
Dienstgeberabgabe
12/2012
1.641,24
Säumniszuschlag
hierzu
32,82
Summe
31.258,13

Im Zuge des Verwaltungsverfahren vor dem Magistrat der Stadt Wien gelang dem Vertreter schlussendlich der Nachweis, dass er bei einer angenommenen Gleichbehandlung aller Gläubiger zum in der Lage gewesen wäre die fälligen Abgaben mit einer fiktiven Quote von 58,15% und zum mit einer fiktiven Quote von 9,69% zu begleichen.

2. Beweiswürdigung

Die Daten zur Geschäftsführerstellung und zum Sanierungsverfahren ergeben sich unstrittig aus dem amtlichen Firmenbuchauszug.

Der restliche Sachverhalt ergibt sich aus den Feststellungen der belangten Behörde und den Vorbringen des Beschwerdeführers. Der Sachverhalt wurde den beiden Parteien in der mündlichen Verhandlung vom zur Kenntnis gebracht und von beiden Parteien anerkannt (siehe Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom ).

Außerdem ist festzustellen, dass der Sachverhalt in den für diesen Fall entscheidungswesentlichen Punkten mit jenem Verfahren über die Lohnsteuerhaftung des Beschwerdeführers für denselben Zeitraum übereinstimmt (vgl. ).

Die Quotenberechnung für die Zeitpunkte und wurde vom Vertreter des Beschwerdeführers gemeinsam mit der belangten Behörde erstellt und dem Bundesfinanzgericht vor dem Verfahren von der belangten Behörde in aktualisierter Form zur Verfügung gestellt. In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesfinanzgericht wurde die Berechnung nochmals detailliert mit den beiden Parteien durchbesprochen. Beide Parteien haben in der mündlichen Verhandlung die Berechnung bestätigt (siehe Niederschrift zur mündlichen Verhandlung vom , insbesondere Beilage I).

Der dargestellte Sachverhalt konnte daher vom Bundesfinanzgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt werden.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

§ 6a Abs 1 Kommunalsteuergesetz bestimmt wie folgt:

"Die in den §§ 80 ff der Bundesabgabenordnung bezeichneten Vertreter haften neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffende Kommunalsteuer insoweit, als diese Abgabe infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten abgabenrechtlichen oder sonstigen Pflichten nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden kann, insbesondere im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. § 9 Abs. 2 Bundesabgabenordnung gilt sinngemäß."

§ 6a Abs 1 Dienstgeberabgabegesetz bestimmt wie folgt:

"Die in den §§ 80 ff Bundesabgabenordnung - BAO bezeichneten Vertreter haften neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffende Dienstgeberabgabe insoweit, als diese Abgabe infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten abgabenrechtlichen oder sonstigen Pflichten nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden kann, insbesondere im Fall der Konkurseröffnung. § 9 Abs. 2 Bundesabgabenordnung - BAO gilt sinngemäß."

Damit eine Person nach diesen Bestimmungen zur Haftung für eine fremde Abgabenschuld herangezogen werden kann, müssen daher die folgenden Tatbestandsmerkmale erfüllt sein:

  • 1. Persönlicher Anwendungsbereich - Vertreter iSd §§ 80ff BAO

  • 2. Bestehen einer Abgabenschuld

  • 3. Einbringung der Abgabe beim Abgabenschuldner nicht ohne Schwierigkeiten möglich

  • 4. Schuldhafte Verletzung abgabenrechtlicher oder sonstigen Pflichten durch den Vertreter

  • 5. Ursächlichkeit zwischen Pflichtverletzung und Uneinbringlichkeit der Abgabe

Persönlicher Anwendungsbereich - Vertreter iSd §§ 80ff BAO

Der Beschwerdeführer war unstrittig im Zeitpunkt der im vorliegenden Sachverhalt Geschäftsführer der Primärschuldnerin und gehört damit zu dem in § 80 Abs 1 BAO angeführten Personenkreis. Er kann daher gemäß § 6a Kommunalsteuergesetz und § 6a Dienstgeberabgabegesetz grundsätzlich zur Haftung für die Rückstände herangezogen werden.

Bestehen einer Abgabenschuld

Aus den vorgelegten Akten ergibt sich eindeutig, dass die in der Sachverhaltsdarstellung genannte Abgabenansprüche gegen die Gesellschaft zu Recht besteht und dem Beschwerdeführer auch bekannt waren.

Der Abgabenanspruch an Kommunalsteuer für 12/2012 iHv EUR 13.018,27 und die Dienstgeberabgabe 12/2012 iHv EUR 1.641,24 besteht somit zu Recht.

Der Kommunalsteueranspruch 01/2013 iHv ursprünglich EUR 15.259,87 war aufgrund von Ermittlungen des Magistrats im Verfahren zur Beschwerdevorentscheidung schlussendlich auf EUR 3.715,60 zu reduzieren.

Vom Beschwerdeführer wurden im Beschwerdeverfahren keine Einwendungen gegen die grundsätzliche Höhe des Abgabenanspruchs vorgebracht.

Einbringung der Abgabe beim Abgabenschuldner nicht ohne Schwierigkeiten möglich

Voraussetzung für die Geltendmachung der Haftung nach den oben genannten Bestimmungen ist, dass die Einbringung der Abgabe beim Abgabenschuldner nicht ohne Schwierigkeiten möglich ist.

Im Gegensatz zu § 9 BAO fordern die einschlägigen Bestimmungen daher nicht die Uneinbringlichkeit der Abgabe, sondern es reicht aus, dass die Einbringung nicht ohne Schwierigkeiten möglich ist. Es reicht somit bereits das Vorliegen eines typisierten Gefährdungstatbestandes wie etwa das im Gesetz genannte Kriterium der Eröffnung eines Insolvenzverfahren über den Vertretenen aus (Vgl. Pinetz, Haftung von Geschäftsführern und Vorstandsmitgliedern im Kommunalsteuerrecht, in Althuber Geschäftsführer- und Vorstandshaftung im österreichischen Steuerrecht, 214).

Da mit ein Sanierungsverfahren über die Primärschuldnerin eröffnet wurde, ist das Tatbestandsmerkmal der erschwerten Einbringlichkeit im vorliegenden Fall erfüllt.

Schuldhafte Verletzung abgabenrechtlicher oder sonstigen Pflichten durch den Vertreter

Gem § 80 Abs 1 BAO haben die Vertreter von juristischen Personen alle Pflichten zu erfüllen die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Es ist unstrittig, dass die streitgegenständlichen Abgaben nicht zum Fälligkeitszeitpunkt entrichtet wurden.

Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH besteht bei der Frage, ob der Vertreter schuldhaft eine Abgabenpflicht verletzt hat, eine qualifizierte Mitwirkungspflicht des Vertreters. Der Vertreter hat dabei darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten nicht möglich war. Andernfalls kann eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden (vgl zB , 2011/16/0184; , 2013/16/0166; , 2013/16/0208; , 2013/16/0016). In diesem Zusammenhang muss der Vertreter allerdings keinen negativen Beweis dafür vorbringen, dass keine schuldhafte Pflichtverletzung vorliegt, sondern lediglich eine konkrete, schlüssige Darstellung der Gründe, die einer rechtzeitigen Abgabenentrichtung im Zeitpunkt der Fälligkeit der Abgaben entgegengestanden sind (vgl zB , 89/13/0212; , 2005/17/0259)

Diese Rechtsprechung hat der VwGH auch auf die Haftungsbestimmungen für die Kommunalsteuer und die Dienstgeberabgabe übertragen (VwGH, , 2013/16/0229).

Der Zeitpunkt, ab dem zu beurteilen ist, ob die GmbH die für die Abgabenentrichtung erforderlichen Mittel zur Verfügung hatte, bestimmt sich danach, wann die Abgaben bei der Beachtung der abgabenrechtlichen Vorschriften zu entrichten gewesen wären. Bei Abgaben, die eine Gesellschaft selbst zu berechnen und abzuführen hat (wie hier die Kommunalsteuer und die Dienstgeberabgabe) ist maßgebend, wann die Abgaben bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung abzuführen gewesen wären (vgl zB ; , 91/13/0181, , 93/17/0280; , 98/16/0018; , 97/15/0191).

Im vorliegenden Fall ist daher der für die Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe 12/2012 und der für die Kommunalsteuer 1/2013 der maßgebliche Beurteilungszeitpunkt für die Beurteilung, ob der Beschwerdeführer seine Pflicht, die Abgaben rechtzeitig zu entrichten, schuldhaft verletzt hat.

Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist eine schuldhafte Verletzung der dem Vertreter auferlegten abgabenrechtlichen Pflichten ausgeschlossen, wenn dem Abgabenschuldner im Fälligkeitszeitpunkt der Abgaben die notwendigen liquiden Mittel fehlen (vgl zB , , 86/14/0077, , 95/13/0060). In einem solchen Fall trifft den Vertreter lediglich die Pflicht für die Abgabenentrichtung aus den vorhandenen Mittel der Gesellschaft zu sorgen (vgl zB ).

Der Vertreter, der Abgabenschulden bei Fälligkeit nicht vollständig entrichtet, verstößt nicht gegen die Gleichbehandlungspflicht, wenn die Mittel, die ihm zur Verfügung stehen, nicht für die Begleichung aller Verbindlichkeiten des Vertretenen ausreichen, er aber die Abgabenschulden im Vergleich zur Summe der anderen Verbindlichkeiten nicht schlechter behandelt und sie diesem Verhältnis entsprechend anteilig erfüllt (vgl ; , 92/17/0042; , 91/13/0037).

Eine Benachteiligung des Abgabengläubiger liegt vor, wenn Schuldtilgungen nur hinsichtlich anderer als der Abgabenschulden vorgenommen werden (). Nach der ständigen Judikatur des VwGH bezieht sich der Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung auch auf Zahlungen, die zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs erforderlich sind (vgl zB ; , 2004/14/0030; , 2006/15/0073; , 2006/15/0322). Gegen das Gebot der Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger kann auch verstoßen werden, wenn zB Löhne und Gehälter geleistet werden, die Abgabenschulden aber unberücksichtigt bleiben (vgl zB , 2006/15/0279).

Aus den vorliegenden Buchhaltungsunterlagen, die von der Steuerberaterin des Beschwerdeführers für die belangte Behörde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens für die Beschwerdevorentscheidung aufbereitet wurden, geht eindeutig hervor, dass der Beschwerdeführer im streitgegenständlichen Zeitraum Verbindlichkeiten anderer Gläubiger befriedigt hat, während er die Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe 12/2012 bzw 1/2013, die am bzw fällig waren, gar nicht entrichtet hat. Selbst wenn es sich bei den Zahlungen - wie vorgebracht - um ausschließlich betriebsnotwendige Zahlungen gehandelt haben sollte, hat der Beschwerdeführer dem Grunde nach im Sinne der oben im Detail dargestellten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs schuldhaft seine rechtliche Pflicht zur (teilweisen) Entrichtung der fälligen Abgaben verletzt, da er den Abgabengläubiger schlechter als andere Gläubiger behandelt hat. Der Beschwerdeführer hat somit schuldhaft gegen das Gläubigergleichbehandlungsgebot verstoßen.

Ergibt sich eine Benachteiligung des Abgabengläubigers, kann die Haftung des Vertreters dennoch begrenzt werden, wenn er nachweist, dass ihm nicht ausreichende Mittel zur Verfügung gestanden sind, um sämtliche Verbindlichkeiten der Gesellschaft zu tilgen. Im Rahmen des Ermittlungsverfahrens zur Berufungsvorentscheidung wurde von der steuerlichen Vertretung des Beschwerdeführers und der belangten Behörde eine entsprechende Berechnung ermittelt, bei der die Verbindlichkeiten zum jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt ( und ) mit den getätigten Zahlungen seit dem letzten Fälligkeitszeitpunkt (in diesem Fall gleichzusetzen mit den vorhandenen liquiden Mitteln) ins Verhältnis gesetzt wurden. Diese Berechnung hat ergeben, dass die Primärschuldnerin bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger zum 58,15% der offenen Abgaben entrichten hätte können und zum 9,69% der offenen Abgaben entrichten hätte können (konkrete Berechnung siehe Beilage 1 der Niederschrift zur mündlichen Verhandlung vom ).

Somit ergibt sich zum unter Berücksichtigung der fiktiven Quote ein Haftungsbetrag an Kommunalsteuer für 12/2012 von EUR 7.569,82 (58,15% von EUR 13.018,27) und Dienstgeberabgabe von EUR 954,34 (58,15% von EUR 1.614,24).

Zum Fälligkeitstag ergibt sich ein Haftungsbetrag an Kommunalsteuer für 01/2013 von EUR 360,13 (9,69% von EUR 3.715,63). Außerdem ist zum zusätzlich ein anteiliger Betrag an der zu diesem Zeitpunkt noch immer aushaftenden Kommunalsteuer für 12/2012 von EUR 528,08 (EUR 13.018,27*41,85%*9,69%) zu berücksichtigen.

Hinsichtlich der Dienstnehmerabgabe ist der anteilige Betrag an der zu diesem Zeitpunkt noch immer aushaftenden Dienstgeberabgabe 12/2012 von EUR 66,58 (EUR 1.641,24*41,85%*9,69%) zu berücksichtigen.

In Summe ergibt sich daher ein Haftungsbetrag an Kommunalsteuer von EUR 8.458,04 und an Dienstgeberabgabe von EUR 1.020,92.

Im Zuge der mündlichen Verhandlung wurde darüber hinaus festgestellt, dass lediglich ein Säumniszuschlag für die Kommunalsteuer 11/2012 iHv EUR 417,65 mit Bescheid vom vorgeschrieben wurde und daher im haftungsrelevanten Zeitraum fällig gewesen ist. Für diesen Säumniszuschlag kann unter Berücksichtigung der fiktiven Quote von 9,69% ein Haftungsbetrag von EUR 40,48 festgesetzt werden.

Für die anderen vorgeschriebenen Säumniszuschläge kann in diesem Fall keine Haftung geltend gemacht werden. Gem § 217a Abs 2 BAO sind Säumniszuschläge erst mit Zustellung des Bescheids fällig. Die Säumniszuschläge wurden erstmalig mit dem Haftungsbescheid geltend gemacht und wurden daher erst mit Zustellung dieses Bescheids fällig. Daher liegt das Fälligkeitsdatum der Säumniszuschläge außerhalb des streitgegenständlichen Haftungszeitraum. Ein Gläubigernachweis ist nur für bereits fällige Abgaben zu erbringen (). Ein Vertreter iSd § 80ff BAO ist nicht dazu gehalten, liquide Mittel zu reservieren, um Abgaben die zu einem späteren Zeitpunkt fällig werden tilgen zu können (Vgl Lachmayer, Einzelfragen zur Haftung gemäß § 9 BAO, RdW 2023, 682f). Da im Verfahren nachgewiesen wurde, dass die vorhandenen liquiden Mittel für die bereits fälligen Abgaben nicht ausgereicht haben, kann der Beschwerdeführer daher nicht für die in Zukunft fälligen Abgaben zur Haftung herangezogen werden.

Ursächlichkeit zwischen Pflichtverletzung und Uneinbringlichkeit der Abgabe

Die Haftungsinanspruchnahme setzt eine Kausalität zwischen der schuldhaften Pflichtverletzung und dem Abgabenausfall voraus.

Wie im Vorpunkt dargestellt, geht das Bundesfinanzgericht von einer schuldhaften Pflichtverletzung des Beschwerdeführers aus. Nach der Judikatur des VwGH spricht bei schuldhafter Pflichtverletzung die Vermutung für die Verursachung der Uneinbringlichkeit der Abgabe. (vgl zB , 2012/16/0001; , 2013/16/0016; , Ra 2020/13/0027). Es haben sich im Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht keine Anhaltspunkte ergeben, die darauf hindeuten könnten, dass die oben beschriebene Pflichtverletzung des Beschwerdeführers nicht kausal für die Uneinbringlichkeit der Abgabe gewesen ist.

Ermessen - Berücksichtigung bereits entrichteter Abgabenbeträge.

Die Inanspruchnahme zur Haftung liegt im Ermessen (§ 20 BAO). Wesentliches Ermessenskriterium ist die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalles. Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftungsnorm folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel ermessenskonform ist, wenn die betreffende Abgabe beim Primärschuldner uneinbringlich ist.

Die einschlägigen Haftungsbestimmungen zielen somit auf die Sicherung fälliger Abgaben ab.

Im Zuge der mündlichen Verhandlung bestätigte der Vertreter der belangten Behörde, dass die im ursprünglichen Haftungsbescheid vorgeschriebene Kommunalsteuer 2008 iHv EUR 75,57 und die Kommunalsteuer 2009 EUR 248,46 von der Primärschuldner entrichtet wurde. Daher ist der Haftungsbetrag um diese Beträge zu reduzieren.

Außerdem wurde von der belangten Behörde mitgeteilt, dass im Zuge des Sanierungsverfahren Quotenzahlungen geleistet wurden, um die der Haftungsbetrag zu kürzen ist. Unter Berücksichtigung dieser Quotenzahlungen ergeben sich daher schlussendliche folgende Haftungsbeträge.


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Verbleibender Kommunalsteuerhaftungsbetrag
€ 8.458,04
Säumniszuschlag Kommunalsteuer 11/2012
€ 40,48
Zwischensumme
€ 8.498,52
abzgl. 20% Sanierungsplanquote
€ 1.699,70
abzgl. Nachtragsquote
€ 759,34
Kommunalsteuerhaftungsbetrag
€ 6.039,48
Verbleibender Dienstgeberabgabehaftungsbetrag
€ 1.020,92
Säumniszuschlag hiezu
€ 0,00
Zwischensumme
€ 1.020,92
Abzüglich 20% Sanierungsplanquote:
€ 204,18
Zwischensumme
€ 816,74
Abzüglich Nachtragsquote:
€ 31,81
Abzüglich Überzahlung Masseforderung
€ 24,11
Dienstgeberabgabehaftungsbetrag
€ 760,82

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das Erkenntnis beruht auf der oben zitierten, ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes. Es liegt somit keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Landesabgaben Wien
betroffene Normen
§ 9 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 9 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7400035.2016

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at