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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 30.09.2023, RV/7102978/2023

Überzahlungen auf gerichtlich angeordnete Unterhaltszahlungen mangelt es wegen der Freiwilligkeit dieser Zahlungen an der Zwangsläufigkeit gem. § 34 Abs. 7 EStG 1988

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2022 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Der beschwerdegegenständliche im Spruch näher bezeichnete Bescheid wurde begründet wie folgt:

"Die Kosten für den halben Unterhalt der haushaltszugehörigen Kinder im Ausland wurden pro Kind mit monatlich 50,00 € geschätzt und als außergewöhnliche Belastung ohne Selbstbehalt berücksichtigt (Betrag € 600,00 im Beschwerdejahr)."

In der im Spruch näher bezeichneten Beschwerde führte der Beschwerdeführer (Bf.) folgendermaßen aus:
"Im Scheidungsurteil stünden zwar TL 1.000,00, durch Inflation und Berücksichtigung der Hälfte der Ausbildungskosten würden diese jedoch TL 4.000,00 betragen."

Die abweisende Beschwerdevorentscheidung vom wurde begründet wie folgt:
"Die Beschwerde war abzuweisen, da der halbe Unterhalt ausgehend vom gesetzlichen Unterhalt des jeweiligen Landes zu ermitteln ist und dies ist im gegenständlichen Fall das Gerichtsurteil vom , aus dem die TL 1.000 p.m. (= TL 12.000 p.a.) hervorgehen. Wenn freiwillig (ohne Verpflichtung) TL 30.450 pro Jahr bezahlt werden ist dies nicht zwangsläufig, da keine gesetzliche Verpflichtung besteht. Es war daher wie im Spruch zu entscheiden."

Im Antrag auf Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht (Vorlageantrag) vom . führte der Bf. aus wie folgt:
"Bitte lesen Sie das Scheidungsurteil! Ich muss Alimente für die Hälfte der Ausbildungskosten und 1.000 TL bezahlen, das entspricht ca. 30.000 TL (Türkische Lira) und nicht 12.000 TL. Ich bitte um nochmalige Überprüfung."

Im Bericht zur Vorlage der Beschwerde zur Entscheidung an das Bundesfinanzgericht (Vorlagebericht) vom führte das Finanzamt (kurz: FA) aus wie folgt:
"Sachverhalt: Mit wurde der Antrag auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung 2022 eingebracht. Im Rahmen der Veranlagung wurden ua der ganze Familienbonus Plus, der Unterhaltsabsetzbetrag und Unterhaltszahlungen für ein ausländisches Kind im Drittland Türkei (iHv € 4.000) geltend gemacht.

Im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens (Ersuchen um Ergänzung 1 vom ) wurde um Vorlage von Unterlagen hinsichtlich geltend gemachter Unterhaltsleistungen ersucht.
Mit Antwortschreiben vom wurden das übersetzte Scheidungsurteil des türkischen Familiengerichtes mit der festgesetzten Unterhaltsverpflichtung von monatlich TRY 1.000 sowie Überweisungsbelege übermittelt.
Mit Einkommensteuerbescheid vom erfolgte die Veranlagung abweichend zur Erklärung, indem außergewöhnliche Belastungen ohne Selbstbehalt in Höhe von € 600 berücksichtigt wurden. Begründend wurde ausgeführt, dass die Kosten für den halben Unterhalt der haushaltszugehörigen Kinder im Ausland pro Kind mit monatlich 50 € geschätzt und als außergewöhnliche Belastung ohne Selbstbehalt berücksichtigt worden wären.
Mit Schreiben vom wurde gegen den Einkommensteuerbescheid Beschwerde erhoben. Begründend wurde ausgeführt, dass um die Berücksichtigung des Unterhaltsabsetzbetrages ersucht werde auf Grund der Zahlungen laut Scheidungsurteil.
Im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens (Ersuchen um Ergänzung 2 vom ) wurde ersucht bekannt zu geben, auf Grund welcher Basis der tatsächliche Unterhalt vom gerichtlich festgelegten abweichen würde und falls vorhanden eine gerichtliche Änderung zu übermitteln.
Mit Schreiben vom wurde bekanntgegeben, dass eine eigenständige Inflationsanpassung erfolgt wäre.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde abgewiesen. Begründend wurde angeführt, dass die verpflichtende Unterhaltsleistung laut Gerichtsurteil TRY 12.000 p.a. betragen würde und eine freiwillige Zahlung von TRY 30.450 mangels Verpflichtung nicht zwangsläufig wäre.
Mit Schreiben vom wurde Beschwerde gegen die Beschwerdevorentscheidung erhoben, welche seitens der Abgabenbehörde als Vorlageantrag gewertet wird. In der Beschwerde wird auf die Verpflichtung zur Tragung der halben Ausbildungskosten laut Gerichtsurteil hingewiesen.
Im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens (Ersuchen um Ergänzung 3 vom , Erinnerung vom ) wurde um Nachweis der getragenen Schulkosten ersucht.
Mit Schreiben vom wurden Überweisungsbelege hinsichtlich der Schultransportkosten für die Monate Oktober bis Dezember übermittelt.
Beweismittel: Als Beweismittel dienen die vorgelegten Aktenbestandteile insbesondere die im Rahmen der Beantwortungen der Ersuchen um Ergänzung übermittelten Unterlagen. Stellungnahme: Gemäß § 34 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 muss eine außergewöhnliche Belastung zwangsläufig erwachsen.
Gemäß § 34 Abs. 3 EStG 1988 erwächst die Belastung dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.
Gemäß § 34 Abs. 7 EStG 1988 gilt für Unterhaltsleistungen folgendes:
1. Unterhaltsleistungen für ein Kind sind durch die Familienbeihilfe, den Familienbonus Plus gemäß § 33 Abs. 3a, den Kindermehrbetrag gemäß § 33 Abs. 7 sowie gegebenenfalls den Kinderabsetzbetrag gemäß § 33 Abs. 3 abgegolten, und zwar auch dann, wenn nicht der Steuerpflichtige selbst, sondern sein mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebender (Ehe)Partner (§ 106 Abs. 3) Anspruch auf diese Beträge hat.
2. Leistungen des gesetzlichen Unterhalts für ein Kind sind bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 33 Abs. 4 Z 3 durch den Unterhaltsabsetzbetrag abgegolten.
4. Darüber hinaus sind Unterhaltsleistungen nur insoweit abzugsfähig, als sie zur Deckung von Aufwendungen gewährt werden, die beim Unterhaltsberechtigten selbst eine außergewöhnliche Belastung darstellen würden. Ein Selbstbehalt (Abs. 4) auf Grund eigener Einkünfte des Unterhaltsberechtigten ist nicht zu berücksichtigen.
5. Unterhaltsleistungen an volljährige Kinder, für die keine Familienbeihilfe ausbezahlt wird, sind außer in den Fällen und im Ausmaß der Z 4 weder im Wege eines Kinder- oder Unterhaltsabsetzbetrages noch einer außergewöhnlichen Belastung zu berücksichtigen.
Unterhaltsleistungen für Kinder werden grundsätzlich - je nach Voraussetzungen (§ 34 Abs. 7 Z 1 und 2 EStG 1988) - durch die Familienbeihilfe und den Kinderabsetzbetrag sowie den Unterhaltsabsetzbetrag abgegolten.
Die Unterhaltsleistungen für ein nicht haushaltszugehöriges in einem EU-Staat, EWR-Staat bzw. der Schweiz lebendes Kind sind ebenfalls mit dem Unterhaltsabsetzbetrag abgegolten.
Unterhaltsleistungen für haushaltszugehörige Kinder in einem Staat außerhalb des EU-Raumes, EWR-Raumes oder der Schweiz, bei denen der Anspruch auf Familienbeihilfe nach § 2 Abs. 5 FLAG 1967 ausgeschlossen ist, sind hingegen als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen ().
Unterhaltsleistungen von in Österreich beschäftigten Steuerpflichtigen für deren nicht haushaltszugehörige Kinder, die sich ständig in einem Staat außerhalb des EU-Raumes, EWR-Raumes oder der Schweiz aufhalten, sind ebenfalls als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen (vgl. ; ). In beiden Fällen kann der halbe Unterhalt (, G 285/96; ) ohne Abzug eines Selbstbehaltes als außergewöhnliche Belastung geltend gemacht werden.
Nach der Verwaltungspraxis der österreichischen Finanzverwaltung (dargelegt in Rz 866 der LStR 2002) orientiert sich das individuelle Ausmaß der zu berücksichtigenden Unterhaltspflicht des Steuerpflichtigen unter anderem am jeweiligen angemessenen Unterhalt im Ausland und den eventuellen ausländischen Familienleistungen. Es bestehen keine Bedenken, diese außergewöhnliche Belastung mit € 50 pro Monat und Kind - ohne Abzug eines Selbstbehaltes - zu schätzen.
Im gegenständlichen Fall ergibt sich die Unterhaltspflicht auf Grund des Urteils des türkischen Familiengerichts vom (AZ 2021/392). Lt. Punkt 4 des Urteils ist der Vater verpflichtet monatlich einen Betrag von TRY 1.000 (TRY 12.000 p.a.) als Unterhalt zu leisten. Weiters ist der Vater lt. Punkt 5 des Urteils verpflichtet die Schulkosten gemeinsam mit der Kindesmutter zu tragen. Sonstige Unterhaltsverpflichtungen sind dem Urteil ebenso wenig zu entnehmen, wie eine Valorisierungsklausel der Unterhaltsbeträge.
Die in einem Gerichtsurteil oder einem gerichtlichen, behördlichen oder außerbehördlichen Vergleich festgelegte Höhe des zu leistenden gesetzlichen Unterhalts ist so lange bindend, als sie nicht durch eine neue Festsetzung geändert wird oder nur deswegen ein geringerer Unterhalt geleistet wird, weil eine (teilweise) Anrechnung der Familienbeihilfe vorgenommen wurde (, und G 7/02, sowie ).
Einer eigenständige Überzahlung des Unterhaltes mangelt es abgesehen von der nicht vorliegenden Bindung an das Gerichtsurteil auf Grund des Kriteriums der Freiwilligkeit an der Zwangsläufigkeit gemäß § 34 Abs. 1 Z 2 iVm Abs. 3 EStG 1988.
Laut Antwortschreiben vom wurden Schultransportkosten für die Monate Oktober (TRY 1.950), November (TRY 2.600) und Dezember (TRY 2.600) nachgewiesen. Die gesamten nachgewiesenen Schultransportkosten belaufen sich auf TRY 7.150.
Insgesamt ergibt sich somit eine Unterhaltsverpflichtung von TRY 19.150. Unter Anwendung des durchschnittlichen Jahreswechselkurses lt. Formular L17b in Höhe von 0,056581 ergibt sich ein Betrag von € 1.083,53. Nach der Rechtsprechung des VfGH ist der halbe Unterhalt ohne Abzug eines Selbstbehaltes als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen. Dies entspräche einem Betrag von € 541,77. In Anwendung der Verwaltungspraxis wurde seitens der Abgabenbehörde pauschal ein monatlicher Betrag von € 50,33 sohin ein Unterhalt von € 600 als außergewöhnliche Belastung ohne Selbstbehalt berücksichtigt.
Die Abgabenbehörde beantragt daher die Beschwerde als unbegründet abzuweisen."

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Das Gericht bezieht sich mangels widerstreitender Sachverhaltselemente auf das wiedergegebene verwaltungsbehördliche Geschehen.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I.

§ 33 Abs. 4 Z 3 Einkommensteuergesetz (EStG) 1988 id im Beschwerdezeitraum geltenden Fassung (idgF) lautet:
Steuerpflichtigen, die für ein Kind den gesetzlichen Unterhalt leisten, steht ein Unterhaltsabsetzbetrag von 31 Euro (Anm 11) monatlich zu. Dabei gilt:
a) Der Unterhaltsabsetzbetrag steht zu, wenn das Kind nicht dem Haushalt des Steuerpflichtigen zugehört (§ 2 Abs. 5 Familienlastenausgleichsgesetz 1967) und weder ihm noch seinem von ihm nicht dauernd getrennt lebenden (Ehe-)Partner Familienbeihilfe für das Kind gewährt wird.

§ 34 Abs. 7 EStG 1988 idgF:
Für Unterhaltsleistungen gilt folgendes:
1. Unterhaltsleistungen für ein Kind sind durch die Familienbeihilfe, den Familienbonus Plus gemäß § 33 Abs. 3a, den Kindermehrbetrag gemäß § 33 Abs. 7 sowie gegebenenfalls den Kinderabsetzbetrag gemäß § 33 Abs. 3 abgegolten, und zwar auch dann, wenn nicht der Steuerpflichtige selbst, sondern sein mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebender (Ehe)Partner (§ 106 Abs. 3) Anspruch auf diese Beträge hat.
2. Leistungen des gesetzlichen Unterhalts für ein Kind sind bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 33 Abs. 4 Z 3 durch den Unterhaltsabsetzbetrag abgegolten.
(Anm.: Z 3 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 111/2010)
4. Darüber hinaus sind Unterhaltsleistungen nur insoweit abzugsfähig, als sie zur Deckung von Aufwendungen gewährt werden, die beim Unterhaltsberechtigten selbst eine außergewöhnliche Belastung darstellen würden. Ein Selbstbehalt (Abs. 4) auf Grund eigener Einkünfte des Unterhaltsberechtigten ist nicht zu berücksichtigen.

Laut Antwortschreiben vom wurden Schultransportkosten für die Monate Oktober (TRY 1.950), November (TRY 2.600) und Dezember (TRY 2.600) nachgewiesen. Die gesamten nachgewiesenen Schultransportkosten belaufen sich auf TRY 7.150.
Insgesamt ergibt sich somit eine Unterhaltsverpflichtung von TRY 19.150. Unter Anwendung des durchschnittlichen Jahreswechselkurses lt. Formular L17b in Höhe von 0,056581 ergibt sich ein Betrag von € 1.083,53. Nach der Rechtsprechung des VfGH ist der halbe Unterhalt ohne Abzug eines Selbstbehaltes als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen. Dies entspräche einem Betrag von € 541,77. In Anwendung der Verwaltungspraxis wurde seitens der Abgabenbehörde pauschal ein monatlicher Betrag von € 50,33, sohin ein Unterhalt von € 600,00 im Beschwerdejahr als außergewöhnliche Belastung ohne Selbstbehalt berücksichtigt.

Sonstige Unterhaltsverpflichtungen wurden im Scheidungsurteil nicht aufgetragen, ebenso wurde das Anwenden von Valorisierungsklauseln für die Unterhaltsbeträge im Scheidungsurteil nicht angeordnet.

Einer eigenständigen Überzahlung betreffend den Unterhalt (über die aus dem o.a. Scheidungsurteil hervorgehende Verpflichtung hinausgehend) mangelt es auf Grund des Kriteriums der Freiwilligkeit an der Zwangsläufigkeit gemäß § 34 Abs. 1 Z 2 iVm Abs. 3 EStG 1988.

Darüber hinaus wird auf die Begründung des Finanzamtes in der o.a. BVE sowie die ausführliche Begründung im Vorlagebericht im Zuge der Vorlage der Beschwerde zur Entscheidung an das Bundesfinanzgericht (BFG) hingewiesen, und diese Begründungen sind auch ausdrücklich Teil der Begründung des gegenständlichen Erkenntnisses des Bundesfinanzgerichts.

Insgesamt ist daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt II. (Nichtzulassen der Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Da das gegenständliche Erkenntnis der Gesetzeslage sowie der hL und hRspr folgt, ist die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig. Eine über den Individualfall hinaus relevante Rechtsfrage liegt nicht vor.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7102978.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at