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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 28.09.2023, RV/7105633/2018

Bindung gemäß § 116 Abs. 2 BAO an ein Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R. in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Mag. Beate Christina Holper, Gonzagagasse 15, 1010 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 3/6/7/11/15 Schwechat Gerasdorf vom betreffend Einkommensteuer für die Jahre 2008 bis 2013, Umsatzsteuer 2008-2014 und Anspruchszinsen 2008 bis 2013; Steuernummer ***BF1StNr1*** ; zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (Bf.) war als Einzelunternehmer im Transport- und Druckereigewerbe tätig. Im beschwerdegegenständlichen Zeitraum lag aufgrund der Höhe der Umsätze die Haupttätigkeit im Transportunternehmen. Es wurden Subunternehmer mit der Durchführung der Transporte beauftragt. Am hat das Finanzamt beim Bf. für den Zeitraum 2009-2011 eine Betriebsprüfung (§147 BAO) begonnen, die am - nunmehr auf Grundlage des § 99 Abs. 2 FinStrG - auf den Zeitraum 2008-2013 ausgeweitet wurde und für den Zeitraum Jänner 2014 bis Jänner 2015 wurde eine Umsatzsteuernachschau durchgeführt.

Im Zuge dieser Betriebsprüfung wurde festgestellt, dass sich der Bf. mehrerer Subunternehmer bediente wobei der behauptete Leistungsaustau sch mit diesen in keiner Weise nachgew iesen werden konnte.

Die Firmen (Subunternehmer des Bf.) S_GmbH (in Folge kurz S_GmbH), W_GmbH (in Folge kurz W_GmbH) sowie die A_GmbH mit Sitz in B (in Folge kurz A_GmbH) waren im Machtbereich von Rechtsanwalt C., einem Freund des Bf., gewesen. Bei den Firmen S_GmbH und W_GmbH war C. Geschäftsführer und Gesellschafter, bei der A_GmbH waren 50% der Geschäftsanteile neben der Forum M_GmbH (Geschäftsführer Steuerberater D.), der S_GmbH zuzuordnen.

C. ist am Datum in den Räumlichkeiten seiner Anwaltskanzlei verstorben. Als Todesursache wurde durch die ermittelnden Polizeibehörden Selbstmord festgestellt.

Am teilte der Bf. in der von der Betriebsprüferin durchgeführten Beschuldigteneinvernahme mit, dass bei den Eingangsrechnungen im Zusammenhang mit der S_GmbH, der W_GmbH und der A_GmbH Schein- und/bzw. Deckungsrechnungen ausgestellt wurden und in weiterer Folge aus diesen überhöhten Rechnungen ab dem Zeitpunkt 2008 bis 2014 monatlich Beträge in Höhe von ca. 2000 € bis 3000 € in bar an ihn zurückflossen. Der Bf. gab weiters an, dass es möglicherweise auch Schein- bzw. Deckungsrechnungen im Zusammenhang mit dem Einzelunternehmer Z. gab.

Der Bf. gab in seiner Beschuldigtenvernehmung vom folgende weitere Informationen preis (BP-Bericht vom , Seite 4ff bzw Tz 2):

"Nach Rücksprache mit meinem Anwalt bin ich nunmehr zur Einsicht gekommen, ein Geständnis abzulegen. Es ist tatsächlich so, dass es Schein- und/bzw. Deckungsrechnungen gegeben hat, und ich damit Ausgaben vorgetäuscht habe, die so tatsächlich nicht stattgefunden haben um Abgaben zu hinterziehen. Ich möchte aber anfügen, dass in dieser Branche ein sehr starker Preisdruck herrscht und ich teilweise vom verstorbenen C. sehr unter Druck gesetzt worden bin, nach Prüfungsbeginn nicht zu kooperieren und falsch auszusagen. Ich möchte hiermit ein reumütiges Geständnis ablegen und vor Gericht auch so gut ich kann zur Wahrheitsfindung beitragen.

Die Schein- und Deckungsrechnungen waren nicht immer gleich, im Schnitt ging es da um Beträge von ungefähr 2000 bis 3000 Euro pro Monat bei der S_GmbH. Der Zeitraum ging ca. von ungefähr Juni 2008 bis zum Schluss, das ist Sommer 2014.

Zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes gebe ich an, dass es sein kann, dass es zur Deckungs- bzw. Scheinrechnungsausstellung zur Abgabenhinterziehung auch bei der Firma Z. gekommen ist. Ich weiß den Betrag aber wirklich nicht mehr.

Bei der Sch. kann ich mich beim besten Willen - und ich versuche nun wirklich, alles zur Aufklärung beizutragen - nicht daran erinnern, dass es Schein- oder Deckungsrechnungen gegeben hat.

Die Rechnungen der A_GmbH waren auch überhöht, das gilt für die W_GmbH. Gemeinsam mit der S_GmbH hat das ein Sammelsurium an überhöhten Rechnungen ergeben. Wir haben nicht speziell einzelne Rechnungen überhöht, sondern das hat sich im Gesamten dann so ergeben. Man kann also sagen, es war ein Konglomerat an teilweise überhöhten Rechnungen.

Die Firma P. war aber wirklich in Ordnung.

Bezüglich des Vorwurfes der schwarz bezahlten Löhne und damit Hinterziehung der lohnabhängigen Abgaben möchte ich angeben:

Es ist tatsächlich zu sogenannten Schwarzzahlungen gekommen und bekommen haben der DM, EM, KM, KD, LS, NF, SR.

Bezüglich des Herrn U weiß ich ganz ehrlich nicht mehr, ob es da zu Schwarzzahlungen gekommen ist.

Ich kann mich bezüglich des Herrn V wirklich nicht mehr erinnern, ob es bei diesem zu Schwarzzahlungen gekommen ist, aber wenn der das in seiner Vernehmung so angegeben hat, kann es schon so gewesen sein."

Mit gründete die Gattin des Beschuldigten, PN, als Geschäftsführerin und Alleingesellschafterin die Firma "CTTL_GmbH" mit der FN Nummer. Auf diese Firma wurden zwei im Mai 2014 und 2015 von dem Beschuldigten ***Bf1*** als Einzelunternehmer angeschaffte PKW angemeldet. Die Betriebsprüferin schloss daraus eine Betriebsübernahme des vom Beschuldigten als Einzelunternehmer geführten Unternehmens "CT" auf die "CTTL_GmbH", da auch Fahrer und die Aufträge übernommen wurden.

Mit wurde der Beschuldigte bei der CTTL_GmbH als Arbeiter angestellt. Einen Tag danach legte er sämtliche Gewerbeberechtigungen zurück. Am **.10.2015 erfolgte am Bezirksgericht Innere Stadt der Antrag auf die Eröffnung eines Schuldenregulierungsverfahrens für den Bf. Dieses Verfahren wurde nach rechtskräftiger Einleitung des Abschöpfungsverfahrens mit Beschluss vom **.7.2019 aufgehoben.

Im Zuge der Betriebsprüfung wurde festgestellt, dass Eingangsrechnungen der Subunternehmer mangels entsprechender Leistungsbeschreibung keiner Ausgangsrechnung zuzuordnen waren. Weder aus Rechnungen noch aus Grundaufzeichnungen, aus denen Angaben zur erbrachten Leistung wie Tag, Ort, Name des Kunden sowie km-Anzahl der gefahrenen Touren hervorgehen sollten, waren Hinweise ersichtlich für welche Kunden des Beschuldigten die Leistung erfolgte (siehe Seite 14 des BP-Berichtes vom ). Vorgelegt wurden ein Standardtourenplan für Februar 2013 sowie Grundaufzeichnungen lediglich für die Firma S_GmbH, aus denen hervorging, dass der Subunternehmer S_GmbH Fahrten für die Firmen T, Ö, A, K und H_AG tätigte (Seite 17 des BP-Berichtes vom ). Die Firma H_AG stellte der Abgabenbehörde die von ***Bf1*** übermittelten und bezahlten Abrechnungen, inklusive ausgewiesenen Fahrer und Touren, für die Jahre 2009 bis 2014 in Kopien zur Verfügung. Die Abgabenbehörde hat daraus folgende Erkenntnisse gewonnen:

Der Bf. setze für seine Fahrten Personal ein, obwohl dieses bereits laut den Lohnkonten gekündigt war.

Es wurden keine Fahrtenbücher geführt, es konnten jedoch anhand der Kilometerstände, der Serviceintervalle und der Tankrechnungen die gefahrenen Kilometer ermittelt werden (siehe Seite 13 des GPLA-Berichtes vom ).

Auf den Abrechnungen fanden sich Angaben zur Dauer der Beschäftigung der Fahrer in einem weitaus größeren Ausmaß als dies den Lohnaufzeichnungen in der Buchhaltung zu entnehmen war.

Es fanden sich Hinweise zu Fremdleistungsfirmen für die jedoch in der Buchhaltung kein Aufwand verbucht wurde. Weiters schienen in den Abrechnungen Fahrer auf, die mit KfZ's fuhren, für die in der Buchhaltung keine Honorare für die Zulassungsbesitzer erfasst waren.

Hinsichtlich der von der Firma H_AG vorgenommenen Aufzeichnungen wurde der Betriebsprüferin folgende schriftliche Stellungnahme übermittelt: (Auszug aus dem BP-Bericht vom Seite 22)

"Zu den Fragen betreffend der Abrechnungen mit der H_AG sei gesagt, dass es sich bei den Blättern um Aufzeichnungen handelt, welche von den Subunternehmern angefertigt wurden um den Bedürfnissen der H_AG zu genügen. Die darin enthaltenen Namen und Fahrzeuge stimmen nur teilweise mit den tatsächlich durchgeführten Fahrern bzw. Fahrzeugen überein. Es sind immer wieder andere Fahrer und auch andere Fahrzeuge die angeführten Touren gefahren. Es war nur wichtig, der H_AG diese Listen mit irgendwelchen Namen und irgendwelchen Fahrzeugen vorzulegen. Da die Fahrer und Fahrzeuge oft gewechselt haben, hätten wir bei genauer Dokumentation viel mehr Listen herstellen müssen (für jeden Fahrer und jedes Fahrzeug). Dies wollten wir uns jedoch ersparen. Auf Grund unserer spärlichen Bürokapazitäten wurden diese Listen durch unsere Subunternehmer hergestellt. Dies ist auch der Grund warum wir die Listen nicht bei uns im Haus auf Speichermedien zur Verfügung haben."

Den Ermittlungen der Betriebsprüfung zu Folge wurden Aufzeichnungen über die für die H_AG durchgeführten Touren nach erfolgter Abrechnung durch den Beschuldigten beseitigt; die der Abgabenbehörde vorgelegten Aufzeichnungen waren zufolge eines einheitlichen Schriftbildes und mangelnder Verwertbarkeit des Standardtourenplans bzw. aufgrund des Fehlens von informativen Grundaufzeichnungen als im Nachhinein verfasst zu qualifizieren (siehe Seite 25 des BP-Berichtes).

Die aus der Betriebsprüfung gewonnenen Erkenntnisse zeigen, dass die Kassenführung nicht ordnungsgemäß geführt wurde (siehe Tz 7 des BP-Berichtes vom ); es wurden auch keine Löhne im Rechenwerk erfasst, was den Verdacht von Schwarzlöhnen hervorrief (siehe Tz 9 des BP-Berichtes). Weiters konnten auch keine mit der Realität übereinstimmenden Bilanzen und Gewinn- und Verlustrechnungen vorgelegt werden.

Der Erhalt bzw. die Auszahlung von Schwarzgeldzahlungen wurde übereinstimmend sowohl vom Beschuldigten selbst als auch von den einvernommenen Zeugen EM, LS, NF, V und KM bestätigt (siehe Seite 63f des BP-Berichtes vom ). Im Zuge der Außenprüfung wurde den Feststellungen der GPLA-Prüferin gefolgt, da weder vom Bf. noch von den einvernommenen Fahrern Aufzeichnungen bezüglich der Touren bzw der Auszahlungen von Schwarzlöhnen vorgelegt werden konnten.

Aufgrund der aufgedeckten Buchführungsmängel stand für die BP die Schätzungsberechtigung zweifelsfrei fest. (Tz 13 BP-Bericht vom ).

Unter Zuhilfenahme von Deckungsrechnungen war es möglich, Schwarzzahlungen in die Buchführung einzubringen, die den buchmäßigen Gewinn nicht minderten. Die nicht anerkannten Aufwendungen für Subunternehmer stellen daher in Höhe der von der Behörde festgestellten Schwarzzahlungen Deckungsrechnungen dar. Der Restbetrag der nicht anerkannten Aufwendungen für Rechnungen der Subunternehmer war als Scheinrechnungen zu werten. Durch diese Rechnungen wurden Betriebsausgaben fingiert, um den Gewinn und damit die Steuerlast bei der Einkommensteuer zu mindern (siehe Seite 76 des BP-Berichtes vom ).

Die nichtanerkannten Schein- und Deckungsrechnung betragen in den einzelnen Jahren in Summe (Seite 90 Tz 16 a des BP-Bericht ):


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2008
2009
2010
2011
2012
2013
2014
Nichtanerkannter Aufwand
195.806,56
242.118,50
163.000,00
184.320,00
184.080,00
168.300,00
92.000,00
davon 20 % USt
39.161,31
48.423,70
32.600,00
36.864,00
36.816,00
33.660,00
18.400,00

Genauere Hinweise zur Berechnung bzw. Schätzung der Höhe der schwarz ausbezahlten Löhne für die einzelnen Mitarbeiter finden sich auf Seite 78f des BP-Berichtes vom .

Er ergaben sich jährlich Schwarzzahlungen an Löhnen in den einzelnen Jahren lt. GPLA wie folgt (Seite 90 Tz 16 b des BP-Berichtes vom )


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2008
2009
2010
2011
2012
2013
Zusätzlicher Aufwand
34.183,06
39.008,22
40.978,53
44.557,52
50.662,77
44.749,31

Für den Zeitraum 2009-2013 wurde bei dem Bf. eine Prüfung der lohnabhängigen Abgaben durchgeführt und daraus resultiert der Prüfbericht vom (kurz GPLA-Bericht).

Dabei wurden die bei der Außenprüfung getroffenen Feststellungen in lohnsteuerlicher Hinsicht umgesetzt (Nachforderung der lohnabhängigen Abgaben resultierend aus dem verdeckten Lohnaufwand, siehe auch Seite 61ff des BP-Berichtes vom ).

Für die einzelnen Jahre ergaben sich folgende Nachforderungen laut dem GPLA- Bericht


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2009
2010
2011
2012
2013
52.330,79
53.484,60
52.750,77
59.300,34
52.613,40

Aufgrund der BP kam es somit zu folgenden Änderungen betreffend der Einkünfte aus Gewerbebetrieb (K_Gasse - Transportunternehmen):


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2008
2009
2010
2011
2012
2013
Einkünfte vor BP
8.077,62
16.511,16
13.249,79
19.474,02
18.299,48
7.318,35
Nicht anerkannte Schein- und Deckungsrechnungen
195.806,56
242.118,50
163.000,00
184.320,00
184.080,00
168.300,00
Zusätzlicher Aufwand
-34.183,06
-39.008,22
-40.978,53
-44.557,52
-50.662,77
-44.749,31
Umsatzsteuernachforderung
-39.161,31
-48.423,70
-32.600,00
-36.864,00
-36.816,00
-33.660,00
Nachforderung GPLA
-52.330,79
-53.484,60
-52.750,77
-59.300,34
-52.613,40
Einkünfte nach BP
130.539,81
118.866,95
49.186,66
69.621,73
55.600,37
44.595,64

Durch die von der BP festgestellten Einkünfte aus Gewerbebetrieb (K_Gasse) ergaben sich folgende Abgabennachforderungen hinsichtlich der Einkommensteuer in den einzelnen Jahren in folgender Höhe:


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2008
2009
2010
2011
2012
2013
57.486,09
49.150,22
15.424,00
22.581,00
16.299,00
15.531,00

Aufgrund der durch die BP berichtigten Umsatzsteuerjahresbescheide ergaben sich Nachforderungen für die Jahre in folgender Höhe:


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2008
2009
2010
2011
2012
2013
39.161,13
48.423,70
32.600
36.864
36.816
33.278,04

Die Umsatzsteuernachschau ergab für den Zeitraum 1/2014 bis 8/2014, aufgrund der für diesen Zeitraum von der Firma S_GmbH ausgestellten monatlichen pauschalen Rechnungen die mangels Leistungsaustausch nicht anerkannt wurden, nicht anzuerkennende Vorsteuerbeträge von insgesamt € 18.400,00.

Am wurden die Bescheide über die Wiederaufnahme der Verfahren gemäß § 303 Abs. 1 BAO betreffend Einkommensteuer und Umsatzsteuer für die Jahre 2008 bis 2012 erlassen und wie folgt begründet:

"Die Wiederaufnahme des Verfahrens erfolgte gem. § 303 (1) BAO aufgrund der Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung, die der darüber aufgenommenen Niederschrift bzw. dem Prüfungsbericht zu entnehmen sind. Daraus ist auch die Begründung für die Abweichungen vom bisherigen im Spruch bezeichneten Bescheid zu ersehen. Die Wiederaufnahme wurde unter Abwägung von Billigkeits- und Zweckmäßigkeitsgründen (§ 20 BAO) verfügt. Im vorliegenden Fall überwiegt das Interesse an der Rechtsrichtigkeit das Interesse auf Rechtsbeständigkeit. Die steuerlichen Auswirkungen können auch nicht als bloß geringfügig angesehen werden."

Gleichzeitig wurden auch die Einkommen- und Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2008 bis 2013 erlassen und in der Begründung darauf hingewiesen, dass die Veranlagung unter Zugrundelegung der Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung, die der darüber aufgenommenen Niederschrift bzw. dem Prüfungsbericht zu entnehmen sind, erfolgte.

Weiters wurden mit gleichem Datum Anspruchszinsenbescheide für die Jahre 2008 bis 2013 erlassen.

Am wurde der Bescheid über die Festsetzung der Umsatzsteuer für den Zeitraum 1-8/2014 erlassen.

Innerhalb der verlängerten Rechtsmittelfrist brachte die Insolvenzverwalterin am eine Beschwerde gegen die am erlassenen Bescheide betreffend Einkommensteuer 2008 bis 2013, Umsatzsteuer 2008 bis 2013, Festsetzung der Umsatzsteuer für 1-8/2014 und Festsetzung von Anspruchszinsen 2008 bis 2013 ein, in der sie darlegte, das die Schätzungsberechtigung an sich nicht bezweifelt werde, lediglich die Art und Weise wie die Prüferin die Höhe der Bemessungsgrundlagen ermittelt sei nicht nachvollziehbar. Die Feststellungen im Betriebsprüfungsbericht seien überhöht und die Vertreterin des Bf. stellte ihrerseits Berechnungen und Zuschätzungen dar. Diese Berechnungen würden nach Aussage der Insolvenzverwalterin eher den tatsächlichen Gewinn des Unternehmens widergeben.

Die Beschwerde wurde der Betriebsprüferin zur Stellung übersendet und diese führte in ihrer Stellungnahme zusammenfassend aus:

Die Schätzungsergebnisse resultieren auf zahlreichen Erhebungen und Auswertungsergebnissen wie beispielsweise Einsichtnahme in die Grundaufzeichnungen beim Großkunden der H_AG, Einvernahme des Betriebsdirektors der H_AG, Einvernahme der weiteren Subunternehmer, Beschuldigteneinvernahme des ***Bf1***, Einvernahme von Fahrern, die die Bezahlung von Schwarzlöhnen bestätigten, Auswertungen der vorgelegten Bücher und Aufzeichnungen, Auswertungen von Tankbelegen etc. Aus diesen Erhebungen und Auswertungsergebnissen geht eindeutig und zweifelsfrei hervor, dass den nicht anerkannten Fremdleistungsaufwendungen keine Leistungen gegenüberstanden und Schwarzlöhne bezahlt wurden. Da die Betriebsprüfung in Kooperation mit der GPLA Prüfung stattfand, wird bezüglich der angesetzten Schwarzlöhne auf die Ausführungen der GPLA Prüfung sowohl im Bericht als auch in der dazugehörigen Beschwerde verwiesen. Im Zuge der Beschwerde sind keine neuen Tatsachen hervorgekommen, die zu einer anderen steuerlichen Beurteilung geführt hätten.

In der Gegenäußerung der Masseverwalterin vom wurden die Ergebnisse der Betriebsprüfung als völlig absurd und nicht nachvollziehbar bezeichnet.

Am erging der Umsatzsteuerjahresbescheid für das Kalenderjahr 2014. In der Begründung zu diesem Bescheid wurde ausgeführt:

"Wegen Nichtabgabe der Steuererklärungen wurden die Besteuerungsgrundlagen gem. § 184 BAO im Schätzungswege ermittelt.

Es wird darauf hingewiesen, dass die Grundlagen sich für die Monate 01 bis 08 aus der Außenprüfung ergeben sowie für die Monate 09 bis 12 aus den abgegebenen UVA´s. Die Beschwerde gegen die Festsetzung im Zuge der Außenprüfung gilt auch gegen den nun ergehenden Jahresbescheid."

Am erließ das Finanzamt eine abweisende Beschwerdevorentscheidung hinsichtlich der in der Beschwerde vom angefochtenen Bescheide. In der Begründung führte das Finanzamt, nach einer ausführlichen Darstellung des Sachverhaltes, betreffend die einzelnen Bescheide wie folgt aus:

  1. Bescheid über die Festsetzung der Umsatzsteuer 01-08/2014:

Gemäß § 253 BAO gilt die Bescheidbeschwerde auch als gegen den späteren Bescheid gerichtet, wenn ein Bescheid an die Stelle eines mit Bescheidbeschwerde angefochtenen Bescheides, tritt. Dies gilt auch dann, wenn der frühere Bescheid einen kürzeren Zeitraum als der ihn ersetzende Bescheid umfasst. Daher gilt Beschwerde gegen den Bescheid über die Festsetzung der Umsatzsteuer 01-08/2014 auch gegen den Umsatzsteuerbescheid 2014.

  1. Fehlende Bescheidbegründungen in den Umsatzsteuer- und Einkommensteuerbescheiden für 2008-2013:

Das Finanzamt führte aus, dass Begründungsmängel im Abgabeverfahren im Rechtsmittelverfahren (zB die Begründung einer Beschwerdevorentscheidung) saniert werden können (zB ; , 2001/13/0281, 0282, ).

Es wurde auf den Betriebsprüfungsbericht (besonders auf Textziffern 5 - 10, 13 - 16 sowie 21) vom (gemeint ist wohl ) sowie auf den Bericht gem. § 150 BAO über das Ergebnis der Außenprüfung GPLA vom sowie auf die Stellungnahmen dazu verwiesen.

Die Abgabenbehörde hat gemäß § 184 Abs. 1 BAO, wenn sie die Grundlagen für die Abgabenerhebung nicht ermitteln oder berechnen kann, diese zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind. Zu schätzen ist insbesondere nach § 184 Abs. 2 BAO dann, wenn der Abgabepflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag oder weitere Auskünfte über Umstände verweigert, die für die Ermittlung der Grundlagen wesentlich sind. Zu schätzen ist ferner gemäß § 184 Abs. 3 BAO, wenn der Abgabepflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Abgabenvorschriften zu führen hat, nicht vorlegt oder wenn die Bücher oder Aufzeichnungen sachlich unrichtig sind oder solche formelle Mängel aufweisen, die geeignet sind, die sachliche Richtigkeit der Bücher oder Aufzeichnungen in Zweifel zu ziehen. Die zu führenden Bücher und Aufzeichnungen sind gemäß § 131 so zu führen, dass sie einem sachverständigen Dritten innerhalb angemessener Zeit einen Überblick über die Geschäftsvorfälle vermitteln können. Die einzelnen Geschäftsvorfälle sollen sich in ihrer Entstehung und Abwicklung verfolgen lassen.

Der Abgabepflichtige hat wie oben ausgeführt wichtige Grundaufzeichnungen trotz mehrmaliger Aufforderung nicht vorgelegt, dieser hat ferner Schein- und Deckungsrechnung im Rechenwerk und Zahlungen an die LKW Fahrer getätigt die nicht, weder im Rechenwerk noch in der Kassaführung erfasst wurden. Es wurden Belege im Nachhinein angefertigt sowie nachträglich Aufzeichnungen vernichtet. Daher liegt keine Ordnungsmäßigkeit der Buchführung vor und es ist eine Schätzungsberechtigung gemäß § 184 BAO gegeben.

Gegenstand der Schätzung sind Besteuerungsgrundlagen oder ein Teil hievon, nicht jedoch die Abgabenhöhe (). Die Schätzungsbefugnis erstreckt sich neben dem Sachverhalt der Höhe nach auf den Sachverhalt dem Grunde nach (). Dem Wesen nach ist die Schätzung ein Beweisverfahren, bei dem der Sachverhalt unter Zuhilfenahme mittelbarer Beweise (indirekte Beweisführung) ermittelt wird (). Ziel der Schätzung ist, den wahren Besteuerungsgrundlagen (den tatsächlichen Gegebenheiten) möglichst nahe zu kommen (vgl zB ; , 2009/17/0119 bis 0122; , 2007/15/0265; , 2008/15/0122), somit diejenigen Besteuerungsgrundlagen zu ermitteln, welche die größte Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit für sich haben (zB ; , 2012/13/0068). Jeder Schätzung ist eine gewisse Ungenauigkeit immanent ( ; , 97/15/0076; , 95/16/0222; , 2000/14/0166; , 2009/17/0127; , Ro 2014/13/0022). Wer zur Schätzung Anlass gibt und bei der Ermittlung der materiellen Wahrheit nicht entsprechend mitwirkt, muss die mit jeder Schätzung verbundene Ungewissheit hinnehmen (zB ; , 98/14/0026; , 96/14/0111; , 2009/17/0119 bis 0122). Die Wahl der Schätzungsmethode steht der Abgabenbehörde grundsätzlich frei (zB ; , 2000/14/0187; , 2006/13/0150;, 2009/15/0006; , 2009/15/0201; , 2012/13/0097). Es ist jene Methode (allenfalls mehrere Methoden kombiniert) zu wählen, die im Einzelfall zur Erreichung des Zieles, den tatsächlichen Gegebenheiten (der tatsächlichen Besteuerungsgrundlage) möglichst nahe zu kommen, am geeignetsten erscheint (vgl ; , 98/13/0061; , 99/13/0094; , 2004/17/0211; , 2008/15/0196; , 2008/15/0122; , 2007/15/0226). Jene Schätzungsmethode ist besser, die sich auf mehr weitgehend gesicherte Ausgangspositionen stützen kann. Die Betriebsprüfung führte die Schätzung in der Weise durch, dass die nicht anerkannten Schein- und Deckungsrechnungen der Firmen S_GmbH, A_GmbH sowie der W_GmbH und des Z. dem Gewinn zugerechnet wurden. Dies deshalb da durch zahlreiche Erhebungen festgestellt wurde, dass diesen Fremdleistungsaufwendungen keine Leistung gegenüber standen. Daher wurde bei diesen Rechnungen auch der Vorsteuerabzug versagt da kein Leistungsaustausch stattgefunden hat. Die daraus resultierenden Umsatzsteuernachforderungen wurden von der Betriebsprüfung passiviert. Für das Jahr 2014 wurden bei der Umsatzsteuer die Schein- und Deckungsrechnung der Firma S_GmbH nicht anerkannt.

Bei den Schwarzlöhnen wurde eine kalkulatorische Schätzung von der BP GPLA gewählt die daraus resultierenden Nachforderungen wurden von der BP passiviert. Das ho Finanzamt hat das Parteiengehör gewahrt und die Schätzungsmethode ausreichend und nachvollziehbar begründet. Es wird angeführt, dass vom Abgabepflichtigen keine Grundlagen/Nachweise vorgelegt wurden, aufgrund derer die schlüssigen Berechnungen des Prüfers abgeändert werden sollten, bzw die für eine dahinter steckende Leistung bei den Schein- und Deckungsrechnung gesprochen hätte. Die vorliegenden Berechnungen und Angaben des Steuerpflichtigen, das 2000 €- 3000€ an den Abgabepflichtigen zurückgeflossen und der Lohnkosten Nettosumme von 1.150 € (Anzahl von zwei sogenannten Vollfahrern), konnten durch keinen einzigen Beweis untermauert werden.

Mit dieser Begründung wurde die Einwände die in der Beschwerde vom Abgabepflichtigen gegen die Umsatzsteuerbescheide 2008-2014 sowie die Einkommensteuerbescheide 2008-2013 vorgebracht wurden als unbegründet abzuweisen.

  1. Aussetzungszinsen 2008-2013:

Die Beschwerden betreffend die Aussetzungszinsen wurden ebenfalls als unbegründet abzuweisen und ebenfalls auf den Betriebsprüfungsbericht vom (gemeint ist wohl ) sowie auf den Bericht gem. § 150 BAO über das Ergebnis der Außenprüfung GPLA vom , sowie auf die Stellungnahmen dazu verwiesen.

Am übermittelte das Finanzamt Wien 9/18/19 Klosterneuburg als Finanzstrafbehörde gemäß § 100 Abs. 2 StPO den Zwischen- und Abschussbericht an die Staatsanwaltschaft Wien beim Landesgericht für Strafsachen und diese legte am die Anklageschrift dem Landesgericht für Strafsachen Wien vor.

Am brachte die Massenverwalterin einen Antrag auf Vorlage der Beschwerde gemäß § 264 BAO an das Bundesfinanzgericht ein.

Am ist gegen den Bf. ein Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien ergangen, dessen Spruch auszugsweise wie folgt lautet:

"***Bf1*** ist schuldig, hat im Zeitraum 2008 bis 2013 im Bereich des Finanzamts Wien 9/18/19 Klosterneuburg als für die Wahrnehmung der abgabenrechtlichen Obliegenheiten verantwortlicher Einzelunternehmer vorsätzlich unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflicht eine Verkürzung von bescheidmäßig festzusetzenden Abgaben bewirkt bzw zu bewirken versucht, und zwar,

I./ durch die Abgabe inhaltlich unrichtiger Steuererklärungen betreffend Einkommensteuer und Umsatzsteuer, wobei er die Taten teils unter Verwendung falscher Beweismittel (§ 39 Abs 1 lit a FinStrG), nämlich durch die Aufnahme von Schein- und Deckungsrechnungen, die gezielt zum Zwecke der Abgabenhinterziehung produziert worden waren, in sein buchhalterisches Rechenwerk aufnahm, derweil die Leistungen tatsächlich nicht bzw nicht im ausgewiesenen Umfang stattgefunden hatten, beging, nämlich

1./ hinsichtlich Einkommensteuer

am für das Jahr 2008 EUR 57.486,09,

am für das Jahr 2009 EUR 49.150,22,

am für das Jahr 2010 EUR 15.424,-,

am für das Jahr 2011 EUR 22.581

am für das Jahr 2012 EUR 16.299,-,

am für das Jahr 2013 EUR 15.531,-,

SUMME EUR 176.471,31,

wobei es hinsichtlich des Jahres 2013 beim Versuch blieb (§ 13 FinStrG), weil aufgrund der Feststellungen der Außenprüfung von den unrichtig abgegebenen Steuererklärungen abgegangen wurde, sodass es zu keiner unrichtigen beischeidmäßigen Feststetzung kam;

2./ hinsichtlich Umsatzsteuer

am für das Jahr 2008 EUR 39.161

am für das Jahr 2009 EUR 48.423,70,

am für das Jahr 2010 EUR 32.600,-,

am für das Jahr 2011 EUR 36.864,-,

am für das Jahr 2012 EUR 36.816,-,

am 1 6.1 .2015 für das Jahr 2013 EUR 33. 278,04,

SUMME EUR 227.142,87,

wobei es hinsichtlich des Jahres 2013 beim Versuch blieb (§ 13 FinStrG), weil aufgrund der Feststellungen der Außenprüfung von den unrichtig abgegebenen Steuererklärungen abgegangen wurde, sodass es zu keiner unrichtigen beischeidmäßigen Feststetzung kam.

II./ unter Verletzung der Verpflichtung zur Führung von dem § 76 EStG entsprechenden Lohnkonten eine Verkürzung von Lohnabgaben bewirkt, wobei er dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss hielt und es ihm jeweils darauf ankam, sich durch die wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahmequelle zu verschaffen (§ 38 FinStrG idF vor BGBl. I Nr. 62/2019), und zwar

1./ Lohnsteuer für die Jahre 2009 bis 2013 spätestens am in der Höhe von insgesamt EUR 61.720,20

2J Dienstgeberbeiträge für die Jahre 2009 bis 2013 spätestens am in der Höhe von insgesamt EUR 21.498,05

3./ Zuschläge zu den Dienstgeberbeiträgen für die Jahre 2011 bis 2013 spätestens am in der Höhe von insgesamt EUR 1.126,69

wobei der strafbestimmende Wertbetrag zu Punkt I./ [Abgabenbetrug] EUR 403.614,18 und zu Punkt II./ [Abgabenhinterziehung] EUR 84.344,94 beträgt."

Der Bf. ist deshalb des Finanzverbrechens des Abgabenbetruges nach §§ 33 Abs. 1, 39 Abs. 1 lit a, 13 FinStrG idgF und des Finanzvergehens der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs. 2 lit b, 38 Abs. 2 Z 3 FinStrG idF vor BGBl. I Nr. 62/2019 für schuldig erkannt worden.

Der Bf. verzichte nach Rücksprache mit seinem Verteidiger auf ein Rechtsmittel und nahm das Strafurteil an.

Das Urteil ist am in Rechtskraft erwachsen.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Umsatzsteuer und Einkommensteuer 2008 bis 2013

Gemäß § 116 Abs. 2 BAO sind Abgabenbehörden an Entscheidungen der Gerichte insoweit gebunden, als in dem gerichtlichem Verfahren, in dem die Entscheidung ergangen ist, bei der Ermittlung des Sachverhaltes von Amts wegen vorzugehen war. Diese Bindung besteht auch für das Bundesfinanzgericht (siehe dazu § 2a BAO).

Sachverhaltsmäßig steht fest, dass das Landesgericht für Strafsachen Wien auch betragsmäßig die Sachverhaltsfeststellungen der Betriebsprüfung bestätigt hat und es als erwiesen angenommen hat, dass der Bf. die oben angeführten Taten in objektiver und subjektiver Hinsicht begangen hat.

Unstrittig ist weiters, dass das Landesgericht für Strafsachen Wien bei Ermittlung des Sachverhaltes von Amts wegen vorzugehen hatte.

Rechtlich folgt daraus:

"Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgeführt hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 2007/16/0161, mwN), entfaltet ein rechtskräftiges Strafurteil bindende Wirkung hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen, auf denen sein Schuldspruch beruht, wozu jene Tatumstände gehören, aus denen sich die jeweilige strafbare Handlung nach ihren gesetzlichen Tatbestandselementen zusammensetzt. Die Bindungswirkung erstreckt sich auf die vom Gericht festgestellten und durch den Spruch gedeckten Tatsachen." ().

Ein vom bindenden Strafurteil abweichendes Abgabenverfahren würde zu Lasten der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes einer Durchbrechung der materiellen Rechtskraft und einer unzulässigen Kontrolle der Organe der Rechtsprechung durch die Verwaltung gleichkommen.

Die Bindungswirkung von Strafurteilen geht nach Auffassung des VwGH sehr weit. Nicht nur der Urteilsspruch an sich, sondern auch die Ergebnisse des strafgerichtlichen Ermittlungsverfahrens sind von der Abgabenbehörde zu übernehmen. Die Rechtsordnung misst der Beweiskraft von Beweismitteln, die zu einer strafgerichtlichen Verurteilung führen, anders als im Abgabenverfahren, wo die größte Wahrscheinlichkeit genügt, besondere Bedeutung bei, nämlich die volle Überzeugung der Strafbehörde. Es ist daher davon auszugehen, dass in den Fällen, in denen eine Straftat mit rechtskräftigem Urteil als erwiesen angenommen wurde, keine begründeten Zweifel mehr am Tatgeschehen offen geblieben sind.

Das Landesgericht für Strafsachen Wien hat in seinem Urteil vom festgestellt, dass der Bf. die oben angeführten Taten in objektiver und subjektiver Hinsicht begangen hat, und es dabei billigend in Kauf nahm und sich damit abfand seine abgabenrechtliche Anzeige-, Offenlegungs- bzw. Wahrheitspflicht zu verletzen und damit die im Spruch des Strafurteils genannten Abgaben zu verkürzen.

Das Landesgericht für Strafsachen Wien hat die Abgabenforderungen, welche aufgrund der Feststellungen der Betriebsprüfung, hinsichtlich Einkommensteuer und Umsatzsteuer, festgesetzt wurden, bestätigt.

Der Bf. hat das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen angenommen. Das Urteil ist am in Rechtskraft erwachsen.

Somit ist auch das Bundesfinanzgericht gemäß § 116 Abs. 2 BAO an das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien gebunden.

Die Beschwerde gegen die Umsatzsteuerbescheide und Einkommensteuerbescheide 2008 bis 2013 ist daher als unbegründet abzuweisen.

Bescheid betreffend Festsetzung von Umsatzsteuer für die Monate Jänner 2014 bis August 2014

Die im Zuge der Betriebsprüfung aufgedeckten und auch in den Vorjahren laut Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien gesetzten Handlungen (Schein- und Deckungsrechnungen) wurden auch im Jahr 2014 fortgesetzt. Auf die im Zuge der Bp in Höhe von € 92.000,00 nichtanerkannten Schein- und Deckungsrechnungen, das Jahr 2014 betreffend, entfallen € 18.400,00 nichtanerkannter Vorsteuerbeträge.

Aufgrund des Geständnisses des Bf. und der Tatsache, dass der Bf. das Strafurteil für die Jahre 2008-2013 angenommen hat und es sich um die fortgesetzten Taten handelt, geht das Gericht wie im Strafurteil ausgeführt, davon aus, dass der Bf. auch im Jahr 2014 wusste, dass die ins Rechenwerk aufgenommen Eingangsrechnungen tatsächlich keine Leistungen im fakturierten Umfang zu Grunde lagen und somit die Umsatzsteuerzahllast rechtswidrig vermindert wurde.

Die Beschwerde gegen den Umsatzsteuerbescheid 2014 wird daher als unbegründet abgewiesen.

Anspruchszinsen 2008 bis 2013

Gemäß § 205 Abs. 1 BAO sind Differenzbeträge an Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, die sich aus Abgabenbescheiden unter Außerachtlassung von Anzahlungen, nach Gegenüberstellung mit Vorauszahlungen oder mit der bisher festgesetzten Abgabe ergeben, für den Zeitraum ab 1. Oktober des dem Jahr des Entstehens des Abgabenanspruchs folgenden Jahres bis zum Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Bescheide zu verzinsen.

Die Festsetzung von Anspruchszinsen ist eine sich aus dem Gesetz ergebende objektive Rechtsfolge. Dabei ist der Abgabenbehörde weder ein Ermessen eingeräumt noch kommt es auf ein Verschulden bzw. Nichtverschulden des Abgabepflichtigen am Entstehen zinsenrelevanter Nachforderungen an (vgl. ).

Anspruchszinsenbescheide sind an die Stammabgabenbescheide gebunden. Wenn sich diese nachträglich als rechtswidrig erweisen und abgeändert oder aufgehoben werden, sind neue, an die geänderten Stammabgabenbescheide gebundene Anspruchszinsenbescheide zu erlassen ().

Nachdem aus den oben angeführten Gründen die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2008 bis 2013 bestätigt wurden, erweisen sich auch die angefochtenen Anspruchszinsenbescheide als rechtmäßig, zumal ein Anspruchszinsenbescheid an die Höhe der im Spruch des zur Nachforderung oder Gutschrift führenden Bescheides gebunden ist und aufgrund dieser Bindung nicht (mit Aussicht auf Erfolg) mit der Begründung anfechtbar ist, der maßgebende Stammabgabenbescheid sei rechtswidrig (vgl. Ritz, BAO, 5. Aufl., § 205 Tz 34; ebenso , mwN). Wird der Abgabenbescheid abgeändert, hat von Amts wegen ein weiterer Zinsenbescheid zu ergehen, ohne dass eine Abänderung des ursprünglichen Zinsenbescheides zu erfolgen hat (vgl. ).

Der Beschwerde gegen die Anspruchszinsenbescheide konnte daher kein Erfolg beschieden sein.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Diese Voraussetzung liegt im Beschwerdefall nicht vor, da hinsichtlich der Bindung an strafgerichtliche Urteile eine ständige Judikatur des VwGH vorliegt (sh. zB das oben zitierte Erkenntnis ) und die Rechtmäßigkeit der Festsetzung von Aussetzungszinsen im Falle der Abweisung sich bereits aus dem Gesetz ergibt (§ 212 a Abs. 9 iVm. § 212 a Abs. 4 BAO).

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 99 Abs. 2 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958
§ 303 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 20 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 184 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 253 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 150 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 184 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 184 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 184 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 100 Abs. 2 StPO, Strafprozeßordnung 1975, BGBl. Nr. 631/1975
§ 264 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 39 Abs. 1 lit. a FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958
§ 13 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958
§ 38 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958
§ 116 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 2a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 205 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7105633.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at