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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 29.09.2023, RV/7101821/2023

Keine Vorsteuerberichtigung gemäß § 12 Abs. 10 UStG 1994 ohne Änderung der Verhältnisse

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Dr. Michael Kotschnigg, Stadlauer Straße 39/1/12, 1220 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Umsatzsteuer 2007, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem Ende der Entscheidungsgründe zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Im Bericht über die Außenprüfung vom (Tz 1) über die Jahre 2007 - 2011 stellte das Finanzamt u.a. fest, dass der Beschwerdeführer (Bf), der Einkünfte aus Gewerbebetrieb aus der Vermietung von Immobilien bezieht, im Jahr 2006 ein Wohnhaus in die Bilanz aufgenommen und Vorsteuer aus dem Kauf in Abzug gebracht habe. Da es sich um das vom Bf bewohnte Einfamilienhaus handle, schied die Betriebsprüferin das Objekt zum aus dem Betriebsvermögen aus und berichtigte die Vorsteuer (geltend gemacht 77.806,20 Euro). Für das Jahr 2007 führte die Betriebsprüferin eine Vorsteuerzehntelberichtigung in Höhe von 70.025,58 Euro durch, das sind 9/10 der geltend gemachten Vorsteuer (Tz 15).

Mit Bescheiden vom nahm das Finanzamt aufgrund dieser und weiterer Feststellungen der Außenprüfung die Verfahren betreffend Einkommensteuer und Umsatzsteuer für die Jahre 2007 bis 2011 gemäß § 303 Abs. 1 BAO wieder auf und setzte Einkommensteuer und Umsatzsteuer für diese Jahre neu fest.

Die Beschwerden vom gegen diese Bescheide wies das Bundesfinanzgericht mit Erkenntnis , ab.

Der Bf erhob gegen dieses Erkenntnis zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der die Behandlung der Beschwerde abwies und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. Nach Einbringung einer Revision hob der Verwaltungsgerichtshof das angefochtene Erkenntnis betreffend Umsatzsteuer 2007 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf und wies die Revision im Übrigen als unbegründet ab ().

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt und Beweiswürdigung

Zum Sachverhalt und Beweiswürdigung wird im fortgesetzten Verfahren auf die Feststellungen im Erkenntnis , verwiesen, die - soweit für die gegenständliche Entscheidung relevant - wie folgt zusammenzufassen sind:

Der Bf bezog Einkünfte aus Gewerbebetrieb aus einer Immobilienverwaltung als Einzelunternehmer und Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als Gesellschafter-Geschäftsführer der X. GmbH; der Bf war zu 25 % an dieser Gesellschaft beteiligt.

Der Bf erwarb im Jahr 2005 eine Doppelhaushälfte in Bf1-Adr und brachte in der Folge Vorsteuer für den Kauf in Höhe von 77.806,20 Euro in Abzug. Im Jahr 2006 nahm der Bf die Immobilie in das Anlageverzeichnis des Gewerbebetriebes auf; ab März 2006 hat er dort seinen Hauptwohnsitz gemeldet. Bis zur Scheidung im Jahr 2008 hat auch die Ehegattin mit den beiden Kindern an dieser Adresse gewohnt. Das Haus mit einer verbauten Fläche von rund 46 m² umfasst ein Wohnzimmer, drei kleine Schlafzimmer, Nebenräume, Keller und ein Arbeitszimmer im Dachgeschoß.

Aus Gründen, die im angeführten Erkenntnis des BFG näher ausgeführt sind, sind die Vermietung dieses privat genutzten Einfamilienhauses an die X. GmbH und gleichzeitige Nutzung als Dienstwohnung ebenso wie die Aufnahme in das Anlageverzeichnis des Gewerbebetriebes steuerlich nicht anzuerkennen.

Im Zuge der Außenprüfung wurde für das Jahr 2007 eine Vorsteuerberichtigung in Höhe von 70.025,58 Euro (9/10 der geltend gemachten Vorsteuer für den Immobilienkauf) vorgenommen.

2. Rechtliche Beurteilung

2.1. Zu Spruchpunkt I. (Abänderung)

§ 12 Abs. 10 UStG 1994 regelt folgendes:

Ändern sich bei einem Gegenstand, den der Unternehmer in seinem Unternehmen als Anlagevermögen verwendet oder nutzt, in den auf das Jahr der erstmaligen Verwendung folgenden vier Kalenderjahren (bei Grundstücken - idF vor BGBl. 22/2012 - neun) die Verhältnisse, die im Kalenderjahr der erstmaligen Verwendung für den Vorsteuerabzug maßgebend waren, so ist für jedes Jahr der Änderung ein Ausgleich durch eine Berichtigung des Vorsteuerabzuges durchzuführen. Bei der Berichtigung, die jeweils für das Jahr der Änderung zu erfolgen hat, ist für jedes Jahr der Änderung von einem Fünftel, bei Grundstücken von einem Zehntel der gesamten auf den Gegenstand, die Aufwendungen oder Kosten entfallenden Vorsteuer auszugehen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind Verträge unter nahen Angehörigen nur bei Vorliegen folgender Kriterien anzuerkennen: Die Vereinbarung muss nach außen ausreichend zum Ausdruck kommen, einen eindeutigen, klaren und jeden Zweifel ausschließenden Inhalt haben und zwischen Fremden unter den gleichen Bedingungen abgeschlossen werden. Diese Kriterien haben ihre Bedeutung im Rahmen der Beweiswürdigung (vgl. z.B. ).

Der Verwaltungsgerichtshof () verwies im vorliegenden Fall darauf, dass die Sachverhaltskonstellation unter dem Gesichtspunkt eines Gestaltungsmissbrauches oder auch eines Scheingeschäftes zu prüfen sei. Unter Anwendung der Kriterien für die Anerkennung von Verträgen zwischen nahen Angehörigen bestätigte er die Feststellung des Bundesfinanzgerichts, dass keine steuerlich zu berücksichtigende Vereinbarung zwischen dem Bf und der X. GmbH vorliegt. Denn es fehle ein eindeutiger und klarer Inhalt. Die Mietkonstruktion, eine Nutzung des Hauses durch Familienfremde ohne schriftliche Fixierung und die mangelnde Verrechnung der vereinbarten Wertsicherung seien nicht fremdüblich.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die angefochtene Entscheidung des Bundesfinanzgerichts , daher insoweit bestätigt, als die auf die "Mietkonstruktion" bezogenen Zahlungen weder als gewerbliche Einkünfte (aus einer Vermietung des Bf) noch als Umsätze zu berücksichtigen sind und auch die damit verbundenen Ausgaben und geltend gemachten Vorsteuern in allen Streitjahren (insbesondere auch im Jahr 2007) nicht zu berücksichtigen sind (siehe , Rz 28).

Der Verwaltungsgerichthof stellte aber fest, dass aus dem Umstand, dass der Bf das gegenständliche Objekt ab März 2006 als seinen Wohnsitz nutzte, nicht abgeleitet werden könne, dass im Jahr 2007 eine Änderung der Verhältnisse gemäß § 12 Abs. 10 UStG 1994 eingetreten sei, die für dieses Jahr zu einer Vorsteuerberichtigung führen könnte. Der Verwaltungsgerichthof führte aus:

"Das Bundesfinanzgericht geht offenkundig davon aus, dass das Objekt M niemals als Betriebsvermögen des Revisionswerbers zu behandeln gewesen wäre und zu keinem Zeitpunkt ein umsatzsteuerlich zu berücksichtigendes Leistungsverhältnis dazu bestanden hatte oder beabsichtigt war. Daraus wäre aber abzuleiten, dass die für den Vorsteuerabzug maßgeblichen Verhältnisse seit dem Zeitpunkt des Leistungsbezuges sowohl in tatsächlicher als auch rechtlicher Hinsicht unverändert geblieben sind, weshalb kein Raum für eine Vorsteuerberichtigung bleibt. § 12 Abs. 10 UStG 1994 dient nämlich nicht der Korrektur fehlerhafter Entscheidungen betreffend die ursprüngliche Vorsteuerabzugsberechtigung, die aufgrund rechtskräftiger Veranlagung verfahrensrechtlich unabänderlich geworden sind und hinsichtlich derer gerade keine Änderung der für den Vorsteuerabzug maßgeblichen Verhältnisse eingetreten ist (vgl. Ra 2016/15/0084; 23., Ro 2021/15/0017)."

Die im Zuge der Außenprüfung vorgenommene Vorsteuerberichtigung in Höhe von 70.025,58 Euro (9/10 der geltend gemachten Vorsteuer für den Immobilienkauf) war daher nicht zulässig. Das Bundesfinanzgericht brachte dem steuerlichen Vertreter diese Berechnung am zur Kenntnis. Eine Stellungnahme erfolgte dazu nicht.

Im Hinblick darauf, dass der Verwaltungsgerichtshof das Erkenntnis des BFG im Übrigen bestätigt hat (iZm der "Mietkonstruktion" sind insbesondere auch im Jahr 2007 keine Umsätze oder Vorsteuern zu berücksichtigen), ist der Beschwerde betreffend Umsatzsteuer 2007 lediglich teilweise stattzugeben.

Berechnung Umsatzsteuer 2007:


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steuerpflichtige Leistungen
57.712,73
48.011,16 mit 20%
9.602,23
9.701,57 mit 10%
970,16
Summe Umsatzsteuer
10.572,39
Vorsteuern
-8.949,47
Zahllast
1.622,92

2.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das Erkenntnis folgt im fortgesetzten Verfahren der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, . Die Revision ist daher unzulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise

ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7101821.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at