a) Ist der herangezogene Wiederaufnahmetatbestand geeignet, einen im Spruch anderslautenden Bescheid herbeizuführen? b) Ermessensübung bei Geringfügigkeit der steuerlichen Auswirkungen c) Abzugsfähigkeit eines als KESt vorgeschriebenen Betrages als Betriebsausgabe?
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin ***Ri***
in der Beschwerdesache der ***22*** und der ***23***,
betreffend die Bescheide des Finanzamtes Feldkirch vom
hinsichtlich Wiederaufnahme des Verfahrens zu den Feststellungsbescheiden Gruppenmitglied 2005, 2007 und 2008 sowie Feststellungsbescheid Gruppenmitglied 2006, Steuernummer ***BF1StNr1***,
nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am im Beisein der Schriftführerin ***21***
zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde gegen den Bescheid hinsichtlich Wiederaufnahme des Verfahrens zum Feststellungsbescheid Gruppenmitglied 2005 wird Folge gegeben. Der Wiederaufnahmebescheid wird aufgehoben.
II. Die Beschwerden gegen die Bescheide hinsichtlich Wiederaufnahme des Verfahrens zu den Feststellungsbescheiden Gruppenmitglied 2007 und 2008 sowie die Beschwerde gegen den Feststellungsbescheid Gruppenmitglied 2006 werden als unbegründet abgewiesen.
III. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Bei der beschwerdeführenden Gesellschaft fand eine Betriebsprüfung betreffend die Jahre 2005-2009 statt. Im Betriebsprüfungsbericht vom wird unter der Überschrift "Prüfungsabschluss, Abgabenart" ausgeführt, es seien betreffend Feststellungsbescheide Gruppenmitglied für den Zeitraum 2005-2008 unter den Tz 1 und 2 des Betriebsprüfungsberichtes Feststellungen getroffen worden, die eine Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 BAO erforderlich gemacht hätten.
Unter Tz 1, Korrektur Vorsteuerkürzung, wird im Wesentlichen ausgeführt: Das geprüfte Unternehmen sei umsatzsteuerliches Organ des Umsatzsteuerorganträgers ***1*** AG. Die steuerliche Vertretung habe eine Anregung zur amtswegigen Wiederaufnahme gemäß § 303 Abs. 4 BAO der Verfahren zur Festsetzung der Umsatzsteuern 2005-2008 eingebracht, da Fehler bei der Berechnung der Vorsteuerkürzungen festgestellt worden wären. Es waren in Summe in den Jahren 2005-2008 € 23.647,79 an Vorsteuerkürzungen in den Aufwand gebucht worden, die eigentlich abziehbar gewesen wären. Aus diesem Grund seien bei der ***1*** AG Vorsteuerkorrekturen durchzuführen, bei der beschwerdeführenden Gesellschaft der Gewinn entsprechend zu adaptieren gewesen.
Unter Tz2, Stornierung von fingierten Aufwendungen und außerordentlichen Erträgen nach Abschluss der Vorprüfung, wird im Wesentlichen ausgeführt: Es habe in den Jahren 2004 und 2005 bereits eine Vor-Betriebsprüfung für den Prüfungszeitraum 1999-2002 stattgefunden. In diesem Zuge sei man nach Herausarbeitung von rund 20 Prüfungsfeststellungen nach mehrmonatigen Gesprächen mit den geprüften Unternehmen übereingekommen, dass sich aus der Betriebsprüfung ein Abgabenbetrag in Höhe eines wahrscheinlichen Mehrergebnispotentials von pauschal € 2,5 Millionen ergeben werde. Der überwiegende Teil dieses Betrages sollte den vier sogenannten "Turmgesellschaften" als Kapitalertragsteuer vorgeschrieben werden, was auch so erfolgt sei. Davon sei im April 2006 ein Teilbetrag von € 1 Million auf die mitgeprüften KEG´s als Management-Fee weiterverrechnet worden. Die an die KEG´s weiterverrechnete Steuer sei bei den Kapitalgesellschaften als Ertrag erfasst worden.
Die steuerliche Vertretung habe eine "Übersicht Aufteilung BP-Ergebnisse" erstellt, aus der hervorgegangen sei, dass ein Betrag von € 50.000 als Körperschaftssteuer und ein Betrag von € 2,450.000 als Kapitalertragsteuer vorgeschrieben worden seien.
Die von der Abgabenvorschreibung betroffenen Kapitalgesellschaften hätten in der Folge ihre Körperschaftssteuer-Bemessungsgrundlagen 2005 bzw. 2006 durch außerbücherlich abgezogene Aufwendungen (Erhöhung Wareneinsatz und sonstiger Aufwand) um insgesamt € 496.000 vermindert, was zu einer Körperschaftssteuerersparnis von € 124.000 geführt habe.
Nach Wissensstand der streitgegenständlichen Betriebsprüfung, sei diese Vorgehensweise auf "Nachverhandlungen" zurückzuführen, welche Vertreter der geprüften Unternehmen nach Abschluss der oben genannten Vereinbarung mit der Vor-Außenprüfung geführt hätten.
Recherchen des Betriebsprüfers für die Jahre 2005 bis 2009 zufolge, habe die pauschale Aufteilung der vereinbarten Abgabennachforderung auf die einzelnen Gesellschaften in etwa dem entsprochen, was bei genauer Ausarbeitung der Prüfungsfeststellungen an Steuern auf die einzelnen Gesellschaften entfallen wäre, sodass keine der beteiligten Gesellschaften eine Steuerlast für die anderen Gesellschaften oder deren Gesellschafter getragen habe.
Nach Meinung der streitgegenständlichen Betriebsprüfung hätte die richtige Verbuchung der Zahlung und Weiterverrechnung der Steuer in der Weise erfolgen müssen, dass die Turmgesellschaften in Höhe des auf die KEG´s entfallenden Anteiles von € 1 Mio, eine Forderung gegenüber den KEG´s einbuchen hätte müssen. Bei Bezahlung der als Management-Fee in Rechnung gestellten Beträge wäre diese Forderung erfolgsneutral aufzulösen gewesen.
Durch die erfolgswirksame Erfassung der fakturierten Management-Fees ergäbe sich ein Ertrag, der bei richtiger Verbuchung nicht entstanden wäre. Dieser Ertrag sei zu neutralisieren. Andererseits seien aber auch die außerbücherlich abgezogenen fiktiven Aufwendungen i.H.v. insgesamt € 496.000 zu neutralisieren.
Den aufgrund der Nachtragsverhandlungen vorgenommenen außerbücherlichen Abrechnungen fehle die gesetzliche Grundlage. Sofern mit der getroffenen Vereinbarung eine Verminderung der (von der Betriebsprüfung 1999-2002 offensichtlich geschätzten) Bemessungsgrundlage beabsichtigt gewesen sei, hätte eine Erfassung der außerbücherlichen Abrechnungen jedenfalls im Prüfungszeitraum 1999-2002 erfolgen müssen, für eine Anerkennung in den Jahren 2005 bzw. 2006 fehle nach Ansicht der streitgegenständlichen Außenprüfung jegliche Grundlage.
Die von der beschwerdeführenden Gesellschaft im Jahr 2005 vorgenommene außerbücherliche Kürzung i.H.v. € 100.000,00 sei demgemäß zu korrigieren. Der dargestellte Sachverhalt sei erst im Zuge der Außenprüfung für die Jahre 2005-2009 der Behörde bekannt geworden, insbesondere durch die seitens der Betriebsprüfung abverlangten Aufstellungen über die steuerlichen Hinzurechnungen/Kürzungen sowie durch Einsicht in das Rechenwerk. Die nun neu hervorgekommenen Tatsachen hätten - wären sie bereits bekannt gewesen - gemäß § 303 Abs. 4 BAO zu einem im Spruch anderslautenden Feststellungsbescheid Gruppenmitglied 2005 geführt.
Der Gesamtbetrag der Einkünfte der beschwerdeführenden Gesellschaft betrage für 2005 nach Korrektur der Vorsteuerkürzung (Tz 1) sowie Korrektur der außerbücherlichen Kürzung gemäß Vorprüfung (Tz 2) € 985.989,17 gegenüber € 880.132,32 vor der Betriebsprüfung.
In ihrer Beschwerde gegen den Bescheid über Wiederaufnahme des Verfahrens Feststellungsbescheid Gruppenmitglied 2005 führte die beschwerdeführende Gesellschaft durch ihre steuerliche Vertretung aus:
Es handle sich gegenständlich um eine Wiederaufnahme von Amts wegen. Die seitens der BP erwähnte, mit Schriftsatz vom ergangene Anregung einer amtswegigen Wiederaufnahme sei zur Steuernummer der ***1*** AG ergangen und habe sich lediglich auf die Festsetzung der Umsatzsteuern 2005-2008 erstreckt. Weder betreffend die ***2***-GmbH noch die ***3*** GmbH seien Anregungen zur Durchführung einer Wiederaufnahme ergangen.
Der Spruch des angefochtenen Bescheides enthalte keine Angabe des herangezogenen Wiederaufnahmetatbestandes. In der Begründung des angefochtenen Bescheides werde lediglich auf die Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung, die darüber aufgenommene Niederschrift und den Prüfbericht verwiesen. Im letzten Absatz der Tz 2 des BP-Berichtes werde festgehalten, dass der Neuerungstatbestand herangezogen worden sei.
In der Tz 2 des BP-Berichtes würden die Vorgänge der Vor-Betriebsprüfung (Prüfungszeitraum 1999-2002) ausführlich geschildert. Sowohl Inhalt als auch Umstände der im Zuge der Vor-Betriebsprüfung getroffenen Vereinbarung, als auch deren bescheidmäßige und rechnerische Umsetzung, seien der Großbetriebsprüfung und damit auch der zuständigen Abgabenbehörde, die sich die Handlungen und den Kenntnisstand der Großbetriebsprüfung zurechnen lassen müsse, bekannt gewesen. Es sei daher unrichtig, dass die Sachverhaltselemente erst im Zuge der Außenprüfung (Anm.: für die Jahre 2005-2009) bekannt geworden seien. Die Arbeitspapiere der Vor-Betriebsprüfung gäben unter dem Stichwort "Steuerentlastungswirkung im Jahr 2005" Hinweise auf diesen Umstand. Es sei dabei nicht um das Ergebnis von Nachverhandlungen, vielmehr um die Rückkorrektur von im Jahr 2002 von der BP vorgenommenen Ergebnisänderungen gegangen.
Der Tatbestand gemäß § 303 Abs. 1 lit. b BAO sei daher nicht erfüllt. Sogar wenn man davon ausginge, dass der Neuerungstatbestand gemäß § 303 Abs. 1 lit. b BAO erfüllt wäre, müsse beachtet werden, dass die Verfügung einer Wiederaufnahme eine Ermessensentscheidung sei. Die Ermessensübung sei von Seiten der Abgabenbehörde zu begründen. Die Begründung des angefochtenen Bescheides genüge diesen Anforderungen nicht. Es werde darin lediglich formelhaft festgehalten, dass die Wiederaufnahme unter Abwägung von Billigkeits- und Zweckmäßigkeitsgründen verfügt worden sei. Welcher Art diese Billigkeits- und Zweckmäßigkeitsgründe seien, sei nicht dargelegt worden. Es wären im Streitfall die besonderen Umstände im Zusammenhang mit der Vor-Betriebsprüfung zu berücksichtigen gewesen. Die geprüften Unternehmungen hätten die in diesem Rahmen mit "Vergleich" ausgehandelten pauschalen Abgabenbeträge bis auf den letzten Cent bezahlt. Es sei daher ein berechtigtes Interesse der Partei, dass auch der Fiskus die im Vergleich übernommenen Verpflichtungen einhalte. Andernfalls liege Unbilligkeit vor, bzw. könne man gegenständlich zweifelsfrei von einer Verletzung von Treu und Glauben sprechen.
Als Neuerungstatbestand sei im BP-Bericht ausschließlich der Themenkomplex "fiktive Betriebsausgaben" herangezogen worden, allerdings nicht die erfolgsmäßige Erfassung von Vorsteuern. Hinsichtlich der Vorsteuern enthalte der Bescheid keine Hinweise auf einen Wiederaufnahmetatbestand.
In ihren Beschwerden gegen die Bescheide über Wiederaufnahme des Verfahrens Feststellungsbescheid Gruppenmitglied 2007-2008 führte die beschwerdeführende Gesellschaft durch ihre steuerliche Vertretung aus:
Auch hier handle es sich um eine Wiederaufnahme von Amts wegen. Die mit Schriftsatz vom erfolgte Anregung einer amtswegigen Wiederaufnahme sei zur Steuernummer der ***1*** AG ergangen und habe sich lediglich auf die Festsetzung der Umsatzsteuern 2005-2008 erstreckt. Weder betreffend die ***2***-GmbH, noch die ***3*** GmbH seien Anregungen zur Durchführung einer amtswegigen Wiederaufnahme ergangen.
Aus dem Spruch des Bescheides könne ebensowenig wie aus der Begründung erkannt werden, welcher Wiederaufnahmetatbestand tatsächlich herangezogen worden sei. Der BP- Bericht betreffend die Jahre 2006-2008 enthalte keinerlei Hinweise darauf, welcher Wiederaufnahmetatbestand tatsächlich verwirklicht sein solle.
Die angefochtenen Bescheide seien daher mangels Identifizierbarkeit des herangezogenen Wiederaufnahmegrundes rechtswidrig.
In ihrer Beschwerde gegen den Bescheid betreffend die Feststellung des Einkommens des Gruppenmitgliedes für das Jahr 2006 erläuterte die beschwerdeführende Gesellschaft durch ihre steuerliche Vertretung:
Es werde die Abänderung des angefochtenen Bescheides dahingehend begehrt, dass der Betrag von € 100.000 als zusätzliche Betriebsausgabe berücksichtigt werde und somit das Einkommen des Gruppenmitgliedes im Jahr 2006 € 1,029.043,36 betrage. Bei dem zum Abzug als Betriebsausgabe geltend gemachten Betrag handle es sich um den am auf das Abgabenkonto der Beschwerdeführerin bezahlten Betrag. Diese Zahlung sei Ausfluss der im Jahr 2006 abgeschlossenen Betriebsprüfung für die Jahre 1999-2002 (Anm.: "Vor-Betriebsprüfung").
Im Betriebsprüfungsbericht werde dieser Zahlungsbetrag als Kapitalertragsteuer tituliert. Tatsächlich sei mittlerweile klargestellt, dass es sich bei dieser Zahlung nicht um Kapitalertragsteuer handle. Es werde dazu auf die von der Großbetriebsprüfung eingebrachte ergänzende Sachverhaltsdarstellung vom verwiesen (Anm.: Sachverhaltsdarstellung durch den damaligen österreichweiten Vorstand der Großbetriebsprüfung an die Staatsanwaltschaft).
Betriebsausgaben seien gemäß § 4 Abs. 4 EStG Aufwendungen oder Ausgaben, die durch den Betrieb veranlasst seien. Eine Veranlassung durch den Betrieb könne gegenständlich nicht in Abrede gestellt werden. Da es sich nicht um eine Kapitalertragsteuer handle, könne dieser Betrag auch nicht für Dritte, z.B. Empfänger von Kapitalerträgen, geleistet worden sein. § 4 Abs. 4 EStG werde durch diverse Regeln ergänzt, welche die Abzugsfähigkeit von Aufwendungen oder Ausgaben beschränkten. Dazu gehöre auch die Bestimmung des § 20 Abs. 1 Z. 6 EStG. Zumal der Zahlung allerdings auch keine Festsetzung von Personensteuern zugrundeliege, könne es sich auch nicht um eine solche handeln, die nach der vorstehenden Bestimmung vom Betriebsausgabenabzug ausgeschlossen wäre.
Es habe ein betrieblich veranlasster Vermögensabfluss stattgefunden, der von keinem Abzugsverbot umfasst sei. Der Betrag von € 100.000 sei daher nach den allgemeinen Regeln als Betriebsausgabe zu behandeln.
Es erging eine abweisende Beschwerdevorentscheidung betreffend den Bescheid über Wiederaufnahme des Verfahrens zum Feststellungsbescheid Gruppenmitglied 2005, in welcher seitens der Abgabenbehörde ausgeführt wurde:
Im Hinblick auf die Textziffer 1 sei der steuerlichen Vertretung zuzustimmen, wenn sie ausführe, dass mit Schreiben vom eine Wiederaufnahme der Umsatzsteuerbescheide 2005-2008 bei der Umsatzsteuerorganträgerin ***1*** AG angeregt worden sei. Die steuerliche Vertretung verkenne allerdings die Rechtslage, wenn sie meine, dass die Abgabenbehörde bei der Durchführung von Wiederaufnahmen gemäß § 303 BAO auf eine Anregung der Steuerpflichtigen angewiesen sei.
Als Neuerungstatbestand sei seitens der Abgabenbehörde streitgegenständlich (von Amts wegen) der Umstand herangezogen worden, dass - bei der USt-Organträgerin abzugsfähige Vorsteuern - bei der beschwerdeführenden Gesellschaft für das Jahr 2005 i.H.v. € 5.856,85, bisher unrichtigerweise als Betriebsausgaben erfasst worden wären (ebenso für das Jahr 2006 i.H.v. € 6.159,78, für das Jahr 2007 i.H.v. € 5.427,66 und für das Jahr 2008 i.H.v. € 6.203,50). Die Richtigstellung der Höhe der abziehbaren Vorsteuern sei im Rahmen der Außenprüfung bei der Umsatzsteuerorganträgerin erfolgt.
Im Hinblick auf die Textziffer 2 führte das Finanzamt aus:
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei das Neuhervorkommen von Tatsachen und Beweismitteln nur aus der Sicht des jeweiligen Verfahrens, nicht aus anderen Verfahren, bei denen diese Tatsachen möglicherweise erkennbar waren, zu beurteilen, somit nicht aus Sicht der Abgabenbehörde als Gesamtorganisation. Das "Neuhervorkommen" von Tatsachen und Beweismitteln im Sinne des § 303 Abs. 1 lit. b BAO beziehe sich daher auf den Wissensstand des jeweiligen Veranlagungsjahres aufgrund der Abgabenerklärungen und ihrer Beilagen. Dass die Prüfungsabteilung in einem ein anderes Prüfungsjahr betreffenden Prüfungsverfahren von den maßgeblichen Tatsachen Kenntnis hatte, stehe der Wiederaufnahme nicht entgegen (die Abgabenbehörde zitierte hiezu zahlreiche höchstgerichtliche Erkenntnisse).
In Bezug auf den Wissensstand des für die Veranlagung zuständigen Veranlagungsteams sei auszuführen, dass weder aus den Inhalten der Abgabenerklärungen noch aus ihren Beilagen im Zeitpunkt der Erlassung des wiederaufgenommenen Erstbescheides ersichtlich gewesen sei, dass die beschwerdeführende Gesellschaft im Jahr 2005 fiktive Betriebsausgaben in der Höhe von € 100.000 erfolgswirksam angesetzt habe. Auch das Heranziehen des gesamten Inhaltes des Veranlagungsaktes, d. h., auch des Außenprüfungsberichtes zur ABNr. 104030/04 betreffend den Zeitraum 1999-2002 führe zu keinem anderen Ergebnis.
Die zuständige abgabenfestsetzende Stelle des Finanzamtes ***15*** habe sich erst nach der durchgeführten Außenprüfung für die Jahre 2005 bis 2009 mit dem Erhalt des Prüfungsberichtes Kenntnis über diesen Ansatz verschaffen können, auf jeden Fall erst nach Ergehen des Feststellungsbescheides Gruppenmitglied 2005 vom . Aus den genannten Gründen müsse sich die bescheiderlassende Stelle das entscheidungswesentliche Faktum, nämlich den Ansatz von fiktiven Betriebsausgaben im Jahre 2005, nicht als bekannt zurechnen lassen.
Zum Ermessenscharakter der Wiederaufnahme 2005 erläuterte die Abgabenbehörde nach allgemeinen Ausführungen:
Der Umstand, dass die beschwerdeführende Gesellschaft im Streitjahr Betriebsausgaben geltend gemacht habe, die tatsächlich nicht angefallen seien, spreche gerade für eine Wiederaufnahme des Verfahrens und nicht dagegen. Eine Ermittlung von Bemessungsgrundlagen sei nur unter Zugrundelegung eines tatsächlich eingetretenen Sachverhaltes zulässig, weshalb nicht erkennbar sei, aus welchem Grund durch die Korrektur eines fehlerhaften Ansatzes eine unbillige Belastung eingetreten sein solle.
Insgesamt sei daher zutreffend dem Prinzip der Rechtsrichtigkeit den Vorrang vor jenem der Rechtsbeständigkeit eingeräumt worden.
Im Hinblick auf die Beschwerden gegen die Wiederaufnahmebescheide 2007 und 2008 führte die Abgabenbehörde in ihrer abweisenden Beschwerdevorentscheidung aus:
Zur Begründung der Wiederaufnahmen sei auf die Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung, die darüber aufgenommene Niederschrift bzw. den Prüfungsbericht verwiesen worden. Der Punkt "Prüfungsabschluss Wiederaufnahme gemäß § 303 Abs. 1 BAO" führe dazu Näheres in den Textziffern 1 und 2 aus.
Augenscheinlich sei, dass die Textziffer 2 sich auf das Jahr 2005 beziehe und daher für die Streitjahre 2007 und 2008 unbeachtlich sei. Insoweit sei betreffend diese Jahre aus der Textziffer 1 abzuleiten, ob die Wiederaufnahmen zu Recht erfolgt seien.
Als Neuerungstatbestand sei seitens der Abgabenbehörde jeweils der Umstand herangezogen worden, dass abzugsfähige Vorsteuern, für das Jahr 2007 i.H.v. € 5.427,66, für das Jahr 2008 i.H.v. € 6.203,50 bisher unrichtigerweise als Betriebsausgaben erfasst worden wären. Die Richtigstellung der Höhe der abziehbaren Vorsteuern sei im Rahmen der Außenprüfung bei der Umsatzsteuerorganträgerin erfolgt.
Es lägen daher für die Streitjahre identifizierbar Wiederaufnahmegründe vor.
Nach allgemeinen Ausführungen zum Ermessen im Rahmen einer Wiederaufnahme erläuterte die Abgabenbehörde, dass ungeachtet des Prinzips der Vorrangigkeit der Rechtsrichtigkeit vor jenem der Rechtsbeständigkeit eine Wiederaufnahme in aller Regel dann nicht in Betracht komme, wenn die steuerlichen Auswirkungen absolut bzw. relativ bloß geringfügig wären; im Falle einer Geringfügigkeit der Auswirkungen wäre eine Unterlassung der Wiederaufnahme auch aus verwaltungsökonomischen Gründen zweckmäßig.
Die durch Abgabenbehörde dargelegten, auf die Wiederaufnahmen zurückzuführenden Änderungen, stellen sich tabellarisch wie folgt dar:
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Gewinn/Verlust (€) | Änderung durch WA (+) | |
2005 | 880.132,32 | 5.856,85 (außerdem Korrektur fiktive Betriebsausgaben: + 100.000,00) |
2006 | 1.122.883,58 | 6.159,78 |
2007 | 1.149.216,34 | 5.427,66 |
2008 | -358.516,47 | 6.203,50 |
Unter Mitberücksichtigung der sonstigen steuerlichen Änderungen im Verfahren betreffend die Gruppenträgerin ergebe sich im gegenständlichen Fall keine Geringfügigkeit im Sinne des § 303 BAO.
Es gehe aus dem Akteninhalt nichts hervor, dass die Wiederaufnahmen als unbillig erscheinen lasse, weshalb dem Prinzip der Rechtsrichtigkeit der Vorrang vor jenem der Rechtsbeständigkeit einzuräumen gewesen sei.
Im Hinblick auf das Jahr 2006 führte die Abgabenbehörde in ihrer Beschwerdevorentscheidung betreffend den Feststellungsbescheid Gruppenmitglied aus:
Betreffend die Abzugsfähigkeit eines Aufwandes sei vorerst zu überprüfen, ob dieser unter die Bestimmung des § 20 Abs. 1 Z. 6 EStG bzw. des § 12 Abs. 1 Z. 6 KStGB falle. Komme demnach eine Abzugsfähigkeit nicht in Betracht, so sei nicht weiter zu untersuchen, ob der Aufwand betrieblich oder nicht betrieblich veranlasst sei.
Für die Einstufung als Personensteuer sei es im zu beurteilenden Fall unerheblich, ob die Einzahlung der Abgabe dem Grunde und der Höhe nach rechtmäßig erfolgt sei. Es bestehe für die Überprüfung der Richtigkeit der Verbuchung der Gebarung in diesem Zusammenhang kein Raum. Da die Kapitalertragsteuer dem gesetzlichen Abzugsverbot unterliege, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.
In dem daraufhin einlangenden Vorlageantrag betreffend die Wiederaufnahme zum Feststellungsbescheid Gruppenmitglied2005 brachte die beschwerdeführende Gesellschaft durch ihre steuerliche Vertretung vor:
Der von der Abgabenbehörde als Neuerungstatbestand geltend gemachte Wiederaufnahmegrund habe sich lediglich auf die Betriebsausgaben bezogen, nicht aber auf ertragsteuerliche Auswirkungen von Vorsteuerkorrekturen. Die diesbezüglichen Ausführungen in der Beschwerdevorentscheidung seien daher lediglich der Versuch, die Ausführungen der Tz 1 des BP-Berichtes zum Wiederaufnahmegrund zu machen. Dabei handle es sich um das "Nachschieben" eines Wiederaufnahmegrundes. Der angefochtene Bescheid habe in seiner gesamten Verweiskette vom Bescheid bis zum BP-Bericht den Aspekt der Vorsteuerkorrekturen nicht geltend gemacht-dieser sei daher kein Wiederaufnahmegrund.
In Bezug auf die fiktiven Betriebsausgaben wurde im Vorlageantrag ausgeführt: Die BP befasse sich mit Agenden, die auf Ebene der Abgabenbehörde von der Veranlagungsabteilung zu bearbeiten seien. Es müsse demnach die Abgabenbehörde in Kenntnis der entscheidungsrelevanten Sachverhaltselemente gewesen sein. Die Abgabenbehörde müsse sich den Kenntnisstand der BP anrechnen lassen. Kommunikationsdefizite zwischen der Groß-BP und der Abgabenbehörde seien für den Abgabepflichtigen irrelevant.
Entsprechend der Judikatur des VwGH komme es darauf an, ob der Abgabenbehörde im wiederaufzunehmenden Verfahren der Sachverhalt so vollständig bekannt gewesen sei, dass sie schon in diesem Verfahren bei richtiger rechtlicher Subsumtion zu der nunmehr im wiederaufgenommenen Verfahren erlassenen Entscheidung hätte gelangen können. Der VwGH nehme nicht auf die "abgabenfestsetzende Stelle" Bezug, sondern auf das jeweilige Verfahren.
Der Hinweis in der Beschwerdevorentscheidung, wonach sich aus dem BP-Bericht für den Zeitraum 1999-2002 der gegenständliche Sachverhalt nicht ergäbe, gehe daher ins Leere. Es sei übrigens nicht Sache des Abgabepflichtigen, das Nicht-Vorliegen eines Wiederaufnahmegrundes nachzuweisen, sondern Aufgabe der Abgabenbehörde, die von ihr verfügte Wiederaufnahme unmissverständlich zu begründen.
In der Beschwerdevorentscheidung habe die Abgabenbehörde versucht, eine Ermessensbegründung "nachzuschieben", indem sie ausgeführt habe, dass der Ansatz fiktiver Betriebsausgaben objektiv unrichtig sei. Der Grundsatz von Treu und Glauben könne nicht verletzt worden sein, wenn auf den Fortbestand eines objektiv falschen Ergebnisses vertraut würde. Dies möge zwar richtig sein, damit sei allerdings die Frage der Billigkeit nicht beantwortet. Offen sei daher eine Überprüfung dahingehend, ob Unbilligkeit im Sinne des § 20 BAO vorliege.
Zusammenfassend sei daher zu prüfen, ob 1.) hinsichtlich des im BP-Bericht genannten Neuerungstatbestandes (Betriebsausgaben) tatsächlich eine Neuerung im Sinne des § 303 Abs. 1 lit. b BAO vorliege, 2.) der angefochtene Bescheid insbesondere im Hinblick auf die Ermessensübung vorschriftsmäßig begründet sei.
In ihren Vorlageanträgen betreffend die Wiederaufnahmebescheide zu den Feststellungsbescheiden Gruppenmitglied 2007-2008 führte die beschwerdeführende Gesellschaft durch ihre steuerliche Vertretung aus:
Wie schon in der Beschwerde vorgebracht, sei der Wiederaufnahmegrund nicht identifizierbar. Im Betriebsprüfungsbericht, auf den in der Bescheidbegründung verwiesen werde, seien lediglich formelhafte Ausführungen enthalten. Auch aus der Beschwerdevorentscheidung könne nicht erkannt werden, aus welcher Textpassage des BP-Berichts sich der tatsächlich herangezogene Wiederaufnahmetatbestand ersehen lasse. Der Umstand, dass abzugsfähige Vorsteuern bisher unrichtigerweise als Betriebsausgaben erfasst worden wären, erfülle den Neuerungstatbestand nicht. Der Spruch des angefochtenen Bescheides lasse selbst unter Einbeziehung seiner Begründung und unter Einbeziehung des BP- Berichts Mehrdeutigkeiten zu, die den Bescheid mit Rechtswidrigkeit belasteten. Daran vermöge auch nichts zu ändern, dass ein verständiger Steuerpflichtiger den intendierten Wiederaufnahmetatbestand allenfalls erraten könne.
In ihrem Vorlageantrag betreffend den Feststellungsbescheid Gruppenmitglied 2006 führte die beschwerdeführende Gesellschaft wie nachstehend aus:
§ 4 Abs. 4 EStG 1988 und § 20 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 stünden zueinander in einer lex generalis-lex specialis-Beziehung. Die in der Beschwerdevorentscheidung angeführte Prüfreihenfolge sei damit unzutreffend.
Gemäß § 4 Abs. 4 EStG 1988 seien Aufwendungen oder Ausgaben, die durch den Betrieb veranlasst würden, Betriebsausgaben. Gemäß § 20 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 seien unter anderem Steuern vom Einkommen und sonstige Personensteuern steuerlich nicht abzugsfähig. Der Tatbestand des § 20 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 sei wirtschaftlich zu verstehen. D. h., dass der wirtschaftliche Gehalt einer Zahlung entscheidend sei. Die Art der Verbuchung eines Betrages auf dem Abgabenkonto sei dabei irrelevant. Die Verwendung von Abgabensymbolen entspringe einem internen Ordnungssystem der Finanzverwaltung und habe keine materiellrechtliche Bedeutung. Hinsichtlich des wirtschaftlichen Gehaltes der in Streit stehenden Zahlung sei von der Großbetriebsprüfung unmissverständlich in einer Strafanzeige an die Staatsanwaltschaft und einer ergänzenden Sachverhaltsdarstellung festgestellt worden, dass es sich nicht um Kapitalertragsteuer handle. Dass eine andere Personensteuer vorliegen solle, sei nicht behauptet worden. Es liege also keine Zahlung vor, die dem Abzugsverbot des § 20 Abs. 1 Z. 6 EStG 1988 zuzuordnen sei, jedoch sehr wohl eine Zahlung die dem Betriebsausgabenbegriff des § 4 Abs. 4 EStG 1988 entspreche.
II. Ermittlungen durch die Richterin
Vorhalt vom an FAG:
Die Richterin übermittelte das mit "Übersicht Aufteilung BP-Ergebnisse" überschriebene Papier, welches in einer Fußzeile das Datum aufweist und in seinen letzten 4 Spalten Eintragungen mit der Überschrift "Gegenkorrektur Steuerwirkung" enthält (a) sowie das Papier "Steuerlichen Hinzurechnungen/Kürzungen 2005, Beilage IV" (b) im Vorhaltswege - mit nachstehend fett gedruckten Fragen - an das FAG.
Der mit der Vorhaltsbeantwortung betraute Teamleiter des FAG übersandte die Antworten am an das BFG, nachdem er Rücksprache mit dem unmittelbar prüfungsbefassten Betriebsprüfer für die Jahre 2005-2009 sowie der Fachdienststellenleiterin der Abgabenbehörde in ***15*** gehalten hatte.
1.) Wer hat diese Übersicht (a) erstellt? Von welchem Datum stammt sie? Wann/wie gelangte sie der Abgabenbehörde zur Kenntnis?
Laut Sachverhaltsdarstellung vom der Großbetriebsprüfung an die Staatsanwaltschaft ***15***, Seite 6, wurde die "Übersicht Aufteilung BP-Ergebnisse" von ***14*** als steuerlichem Vertreter erstellt.
Der genaue Zeitpunkt und die Umstände der Kenntniserlangung durch das damalige Finanzamt ***15*** als für die Bescheiderlassung zuständige Abgabenbehörde sind nicht bekannt. Entscheidungswesentlich darf aber festgehalten werden, dass sich die "Übersicht Aufteilung BP-Ergebnisse" zum Zeitpunkt der Erlassung der strittigen Bescheide weder im Steuerakt des Finanzamtes noch im Arbeitsbogen der Betriebsprüfung betreffend den Betriebsprüfungszeitraum 1999 -2002 befunden hat, sondern erst Jahre später der abgabenfestsetzenden Stelle zur Kenntnis gelangt ist.
Was die Großbetriebsprüfung betrifft, darf auf die Sachverhaltsdarstellung vom der Großbetriebsprüfung an die Staatsanwaltschaft ***15***, Seite 6, letzter Absatz, verwiesen werden, wonach im Rahmen der Außenprüfung betreffend die Jahre 2005-2009 von ***14*** eine Aufgliederung der außerbilanzmäßigen Abrechnung über € 134.763,60 abverlangt und diese dem Prüfer übermittelt wurde (siehe Beilage IV "Steuerliche Hinzurechnungen/Kürzungen 2005, ***5*** GmbH) und ist aus dieser ersichtlich, dass € 100.000 unter dem Titel "Baukosten Busplatz laut BP" von der Besteuerungsgrundlage abgezogen worden sind (fiktive Aufwandskürzung).
2.) Wann fanden die sogenannten "Nachverhandlungen" (nach BP 1999-2002), die das Ziel hatten, die Pauschalvereinbarung zugunsten der beschwerdeführenden Gesellschaften zu korrigieren, statt? War dies nach der Schlussbesprechung vom ?
Laut Sachverhaltsdarstellung vom der Großbetriebsprüfung an die Staatsanwaltschaft ***15***, Seite 11, ist es nach Prüfungsabschluss (Anmerkung: ABP 1999-2002) zwischen ***14*** und dem damaligen Leiter der Großbetriebsprüfung ***15*** zu Nachverhandlungen gekommen und demnach vereinbart worden, dass die im Prüfungszeitraum eingestellten Positionen in den Jahren 2005 bzw. 2006 bei den belasteten ***6***-Gesellschaften im Wege von Kürzungen in den Mehr-Weniger-Rechnungen (teilweise) neutralisiert werden können, was wiederum zu einer Reduktion der KöSt-Belastung führte. Der genaue Zeitpunkt der Nachverhandlungen ist nicht bekannt.
3.) In welchem genauen Zeitraum fand die Betriebsprüfung für die Jahre 2005-2009 statt?
Beginn der Außenprüfung war am . Der Bericht gemäß § 150 BAO über das Ergebnis der Außenprüfung wurde am erstellt.
4.) Im Zeitraum zwischen den beiden Betriebsprüfungen erging der Erstbescheid "Feststellungsbescheid Gruppenmitglied" für 2005 vom . Wurde das Papier "Steuerlichen Hinzurechnungen/Kürzungen 2005" (b) als Beilage zur Steuererklärung 2005 eingereicht?
Nach Kenntnisstand des Finanzamtes Österreich, Dienststelle Vorarlberg, erfolgte keine Einreichung der Beilage "Steuerliche Hinzurechnungen/Kürzungen 2005" zur Steuererklärung 2005, die entsprechenden Akten sind vorskartiert und können nicht mehr eingesehen werden. Im Hinblick auf die vom BFG betreffend den Fragenkatalog übermittelte Beilage "Steuerliche Hinzurechnungen/Kürzungen 2005" darf aber auf die Sachverhaltsdarstellung vom der Großbetriebsprüfung an die Staatsanwaltschaft ***15***, Seite 6, letzter Absatz, verwiesen werden, wonach im Rahmen der Außenprüfung betreffend die Jahre 2005-2009 vom steuerlichen Vertreter ***14*** eine Aufgliederung der außerbilanzmäßigen Abrechnung über € 134.763,60 abverlangt und diese dem Betriebsprüfer übermittelt wurde. Diese Mehr-Weniger-Rechnung wäre von der Großbetriebsprüfung nicht abverlangt worden, wäre diese im Veranlagungsakt, welcher nach unserem Kenntnisstand zum damaligen Zeitpunkt unskartiert der Großbetriebsprüfung vorgelegen ist, einliegend gewesen.
5.) Falls ja, erfolgte die Veranlagung entsprechend dieser Beilage?
Siehe Antwort auf die Frage 4.) Die Veranlagung erfolgte offensichtlich antragsgemäß, ohne Berücksichtigung der damals noch nicht vorliegenden Mehr-Weniger-Rechnung.
6.) Wurden die einzelnen Positionen dieser Beilage einer Überprüfung unterzogen?
Siehe Antwort auf Frage 4.) Die Veranlagung erfolgte offensichtlich antragsgemäß, ohne Berücksichtigung der damals noch nicht vorliegenden Mehr-Weniger-Rechnung, weshalb auch keine entsprechende Überprüfung vorgenommen werden konnte.
7.) Wann wurden die Steuererklärungen für die Jahre 2005-2008 eingereicht?
Tabelle in neuem Fenster öffnen
***7*** mbH | 2005 | 2006 | 2007 | 2008 |
Elektronischer Erklärungseingang | ||||
Feststellungsbescheid Gruppenmitglied | ||||
Wiederaufnahme gemäß § 303 Abs. 1 BAO | ||||
Feststellungsbescheid Gruppenmitglied |
8.) Laut Tz 2 des Betriebsprüfungsberichtes vom war der durch die erfolgswirksame Erfassung der fakturierten Management-Fees entstandene Ertrag, zu dem es bei richtiger Verbuchung nicht gekommen wäre, zu neutralisieren. Wurde eine solche Neutralisierung betreffend das Jahr 2006 im Zuge der Betriebsprüfung auch für die beschwerdeführende Gesellschaft vorgenommen (aus dem Punkt "Änderungen der Besteuerungsgrundlagen" des Betriebsprüfungsberichtes ist für 2006 eine solche Korrektur nicht erkennbar)? Falls nein, für welche Gesellschaften erfolgten entsprechende Neutralisierungen?
Für die ***3*** GmbH wurde keine "Erlöskorrektur" vorgenommen. Insgesamt wurden bei der Unternehmensgruppe aufgrund der Vorprüfung folgende Änderungen vorgenommen:
Auswirkungen der Vorprüfung (1999-2002) auf die geprüften Unternehmungen:
Stornierung von fingierten Aufwendungen und Erträgen nach Abschluss der Vorprüfung
Tabelle in neuem Fenster öffnen
StNr. | 2005 | 2006 | ||
***1*** AG | Management Fees | 98-262/8851 | -520.000,00 | |
***8*** GmbH | WES Projekte laut BP | 98-089/1154 | 200.000,00 | |
***3*** GmbH | Baukosten Busplatz laut BP | 98-303/8597 | 100.000,00 | |
***12*** GmbH | Baukosten Busplatz laut BP | 98-303/8936 | 100.000,00 | |
200.000,00 | -320.000,00 |
Es ist also ersichtlich, dass insgesamt der Gewinn des Prüfungszeitraums 2005-2006 aufgrund von die Vorprüfung betreffenden Feststellungen um € 120.000 gekürzt wurde. Letztendlich hat sich die Verkürzung von Erlösen nur auf die ***1*** AG bezogen.
9.) Wie aus der Aktenlage hervorgeht, wurde seitens der steuerlichen Vertretung bei der USt-Organträgerin ***1*** AG im Jahr 2011 eine Wiederaufnahme der USt-Bescheide 2005-2008 angeregt. Warum erfolgte die Richtigstellung der abziehbaren Vorsteuern bei der USt-Organträgerin und damit verbunden auch die Betriebsausgabenkorrektur bei der beschwerdeführenden Gesellschaft - mittels amtswegiger Wiederaufnahme - erst im Zuge der Betriebsprüfung im Jahr 2014?
Die im Zuge der Prüfung eingereichte Anregung einer amtswegigen Wiederaufnahme gemäß § 303 Abs. 4 BAO (mit Datum - vor Prüfungsbeginn) hat ausdrücklich nur die Festsetzung der Umsatzsteuer 2005-2008 bei der ***1*** AG (98-262/8851) betroffen. Es ist in der Praxis üblich, dass bei Prüfungen von Unternehmensgruppen sämtliche Abschlüsse gemeinsam am Ende der Prüfung gemacht werden. Nachdem hier - wie aus dem Akt ersichtlich - eine Vielzahl an Unternehmungen zu prüfen waren und die Prüfung nicht konfliktfrei verlief bzw. das Klima durch die Vorprüfung "belastet" war, wurde auch hier mit dem Abschluss der Prüfung und der Berichterstellung gewartet, bis sämtliche Gruppenmitglieder abgeschlossen werden konnten.
Erörterungstermin vom :
Am wurde im Bundesfinanzgericht ein Erörterungstermin abgehalten, zu welchem der steuerliche Vertreter der beschwerdeführenden Gesellschaft sowie ein Vertreter des FAG erschienen waren. Über den Erörterungstermin wurde eine Niederschrift angelegt, auf die verwiesen wird. Ausfertigungen der Niederschrift wurden dem steuerlichen Vertreter und dem Vertreter des FAG zugemittelt.
Im Zuge des Erörterungstermins überreichte der steuerliche Vertreter ***14*** der Richterin und dem Vertreter des FAG Ausdrucke eines Mail-Wechsels vom bzw. vom , den er mit dem Großbetriebsprüfer ***11*** im Zuge der Betriebsprüfung für die Jahre 1999-2002 geführt hatte. In der E-Mail vom umschreibt der Betriebsprüfer die Vorgangsweise betreffend Festsetzung der Kapitalertragsteuer, die E-Mail vom skizziert, wie eine Steuerentlastungswirkung im Jahr 2005 außerbücherlich über die Mehr-Weniger-Rechnung, unter anderem bei der ***3*** GmbH und der ***12*** GmbH erzielt werden könne.
Weiters überreichte der steuerliche Vertreter einen Aktenvermerk vom , den er über eine Besprechung mit dem Betriebsprüfer ***11*** vom angelegt hat. Unter Punkt 1. nimmt er Bezug auf die in diesem Rahmen vorgelegte "Übersicht-Aufteilung BP-Ergebnisse", welche tabellarisch die Verteilung des gesamten Vergleichs-Betrages über € 2,5 Millionen darstellt. Unter Punkt 5. wird auf eine "Gegenkorrektur" Bezug genommen, die "dort vorgenommen werden solle, wo die entsprechende steuerliche Auswirkung resultiert".
Der Vertreter des FAG brachte im Wesentlichen vor, die "Übersicht-Aufteilung BP Ergebnisse" sei erstmals im Jahr 2013, nach einer Hausdurchsuchung beim damaligen Leiter der Großbetriebsprüfung ***15***, thematisiert worden.
Vorhalt an Finanzamt vom
Im Gefolge des Erörterungstermins übermittelte die Richterin einen Vorhalt an das Finanzamt. Bei der nachstehenden Wiedergabe sind die Fragen der Richterin in Fettdruck, die durch eine Teamleiterin des Finanzamtes erstellten Antworten vom in Normaldruck dargestellt:
1.Wie sind die allgemeinen Regeln betreffend Skartierung im Finanzamt? -Wie lange müssen die Akten bis zur Skartierung aufbewahrt werden?
Es gibt keine Vorskartierungsregeln für das gesamte Finanzamt. Die letzte Vorskartierung fand im ehemaligen Team BV26 für 2009 bis 2011 statt (Zeitpunkt unbekannt). Vorskartiert wurden keine Dauerbelege und keine BP-Berichte. Vorskartiert wurden nur Bilanzen, KR-Akten und Unterlagen die unter den Jahresfahnen abgelegt wurden. Darüber wurde ein eigener Akt angelegt, mit der StNr beschriftet und anschließend in einem getrennten Archivteil das mit den vorskartierten Jahren beschriftet wurde, im Kellergeschoss abgelegt. Die vorskartierten Aktenteile bleiben mind 10 Jahre (absolute Verjährung) nach dem zuletzt vorskartierten Jahr im Archiv. Danach werden diese Aktenteile entsorgt.
2.Werden Akten (nach Zeitablauf) auch skartiert, wenn ein Rechtsmittel offen ist?
Es wird bei der Entsorgung nicht überprüft ob Aktenteile dabei sind, bei denen noch ein Rechtsmittel offen ist. Erstinstanzliche Rechtsmittel sind nach 10 Jahren evt nur offen, wenn es zu einer Aussetzung der Entscheidung aufgrund eines Vorlageantrages die Vorjahre betreffend kam. Aber entscheidungsrelevante Unterlagen wurden im Rahmen eines Vorlageantrages eingescannt und als Datei bzw früher in Papierform an UFS/BFG weitergeleitet bzw sind jederzeit aus der Direktbearbeitung ausdruckbar, sodass auch idF keine Gefahr besteht, noch benötigte Unterlagen die nicht nachbeschafft werden können irrtümlich zu entsorgen.
3.Die Beschwerden beider beschwerdeführenden Gesellschaften betreffen gegenständlich Bescheide aus dem Zeitraum 2005-2009. Wann wurden die Finanzamtsakten zu den Jahren 2005-2009 skartiert?
Die Beschwerden betreffen die Jahre 2005-2008. Im ehemaligen BV26 wurden die bis dahin im Archiv des Kellergeschosses aufbewahrten vorskartierten Aktenteile die die Jahre 2003-2008 betreffen am entsorgt.
4.Wann wurden die Finanzamtsakten betreffend die Jahre der "Vorprüfung" 1999- 2002 skartiert?
Darüber gibt es keine Aufzeichnungen.
5.Gibt es auf Akten nach Skartierung noch eine Zugriffsmöglichkeit oder werden diese im Zuge der Skartierung zerstört (Anm: Die dem BFG über Ersuchen seitens des Finanzamtes überreichten körperlichen Akten der beiden beschwerdeführenden Gesellschaften umfassen lediglich Veranlagungsjahre ab 2012 sowie Betriebsprüfungsberichte ohne weitere Details).
Auf die Akten nach der Vorskartierung gibt es solange Zugriff, bis sie endgültig entsorgt werden. Die endgültige Entsorgung erfolgt mind. 10 Jahre nach dem letzten Jahr im Vorskartierungsakt. Es wird darauf hingewiesen, dass seit 1998 die Erklärungen vom Unternehmen elektronisch eingebracht wurden und ab 2000 auch die Bescheide elektronisch ergehen und somit nicht in Papierform vorhanden sind, aber jederzeit aus der elektronischen Erfassung ausdruckbar sind.
6. Ist es üblich, dass, wenn eine Betriebsprüfung Auswirkungen über die geprüften Jahre hinaus in die Zukunft hat, diesbezüglich ein "Dauerbeleg" vorne im Finanzamtsakt aufgenommen wird bzw. eine adäquate Vorsorge im elektronischen Akt getroffen wird?
Es ist nicht üblich, dass von der Betriebsprüfung Kontrollmitteilungen bzw. Dauerbelege über Auswirkungen in zukünftigen Jahren ausgefertigt werden. Wenn mir als Teamleiterin aufgrund des BP-Berichtes auffällt, dass die Feststellungen relevante bzw. überprüfungswürdige Auswirkungen auf die Zukunft haben, dann fertige ich eine Kontrollmitteilung an und lade diese im elektronischen Akt hoch bzw. setze ein internes Kontrolljahr zwecks Überprüfung. Wie das mein Vorgänger bis 8/2018 gehandhabt hat, ist mir nicht bekannt. Angemerkt wird, dass ich bei durch den Innendienst oder Außendienst getroffenen Feststellungen mit Zukunftsauswirkung nicht grundsätzlich davon ausgehe, dass die Einhaltung durch das Unternehmen bzw. das Steuerbüro zweifelhaft ist - eine durchgängige Überprüfung der Folgejahre durch mein Team ist auch bei über 15.000 Akten nicht zu bewältigen.
7.Falls nein, wie werden in die Zukunft reichende Auswirkungen einer Betriebsprüfung im Finanzamt evident gehalten ?
Siehe Pkt 6.
Mündliche Verhandlung vom
Am fand im Bundesfinanzgericht eine mündliche Verhandlung statt, zu welcher der steuerliche Vertreter der beschwerdeführenden Gesellschaft sowie ein Vertreter des FAG erschienen. Über die mündliche Verhandlung wurde eine Niederschrift angelegt, auf die verwiesen wird. Ausfertigungen der Niederschrift wurden dem steuerlichen Vertreter und dem Vertreter des FAG übersandt.
Zeugeneinvernahme vom
Über Einladung durch die Richterin erschien am der - inzwischen pensionierte - Betriebsprüfer für die Jahre 1999-2002, ***17*** ***11***, im Bundesfinanzgericht. Über seine Befragung als Zeuge wurde durch die Richterin eine Niederschrift angelegt, die sie in der Folge an den steuerlichen Vertreter und den Vertreter des FAG übermittelte. Auf die Niederschrift wird verwiesen.
Aus der Zeugeneinvernahme geht im Wesentlichen hervor, dass die für das Jahr 2005 vereinbarten "Gegenkorrekturen" im Rahmen der Ausarbeitung der Verteilung des Pauschalergebnisses auf die Gesellschaften im Einvernehmen zwischen Prüfer(n) und steuerlichem Vertreter festgelegt wurden. Der Zeuge beschrieb die Gegenkorrekturen als Teil der Vereinbarung im Rahmen der Betriebsprüfung und gab seiner Meinung Ausdruck, dass Vereinbarungen auch eingehalten werden sollten.
Datum der Schlussbesprechung sei nicht der gewesen, vielmehr seien die Schlussbesprechung-Niederschriften erst im Dezember 2005 oder später beiderseitig unterschrieben worden.
Die Darstellung in der "ergänzenden Sachverhaltsdarstellung" vom , Seiten 6,7, wonach es "nach Prüfungsabschluss zu Nachverhandlungen gekommen sei", sei vollkommen falsch.
In einem der Richterin vorgelegten, von ihm erstellten Papier, umschreibt der Prüfer u. a. die Übersicht Aufteilung BP-Ergebnisse als "die in Zahlen gegossene Vergleichsvereinbarung".
III. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Vorgeschichte Betriebsprüfung 1999-2002:
In den Jahren 2003 bis 2006 fand eine Großbetriebsprüfung für den Prüfungszeitraum 1999-2002 bei der "historischen ***6*** Gruppe", zu der auch die beschwerdeführende Gesellschaft gehört, statt.
Die Niederschrift über die Schlussbesprechung wurde im Dezember 2005 oder später durch die Vertreter der beschwerdeführenden Gesellschaft und der Großbetriebsprüfung unterfertigt.
Der BP-Bericht stammt vom .
Als Prüfungsergebnis wurde im Einvernehmen zwischen den Parteien vorerst ein Abgabenbetrag von pauschal € 2,5 Millionen herausgearbeitet, der zum größten Teil als Kapitalertragsteuer (KESt) auf mehrere Gesellschaften verteilt vorgeschrieben werden sollte.
Die Festsetzung der KESt wird im Betriebsprüfungsbericht unter Tz 2 dargestellt.
Im Zuge der Betriebsprüfung wurde in der Folge Einvernehmen über eine Steuerermäßigung (Reduzierung der Bemessungsgrundlage für die KöSt) in der Weise erzielt, dass, verteilt auf die ***6*** Gesellschaften ***6*** ***30***, ***6*** ***31*** und ***6*** ***25***, insgesamt € 400.000,00 unter dem Titel "außerbücherliche Erhöhung Wareneinsatz" im Jahr 2005 in Abzug gebracht werden sollten.
Bei der beschwerdeführenden Gesellschaft wirkte sich diese "Gegenkorrektur Steuerwirkung" als ein Weniger von € 100.000,00 unter dem Titel "Baukosten Busplatz laut BP", d. h. ein Weniger an KöSt von € 25.000,00, aus.
Das gesamte Ergebnis der Betriebsprüfung betreffend alle Kapitalgesellschaften der ***6*** Gruppe (***6***-, ***27***-, ***28***- und ***29***-Gesellschaften) wurde durch den steuerlichen Vertreter in dem Papier "Übersicht Aufteilung BP-Ergebnisse" vom einschließlich der "Gegenkorrektur Steuerwirkung" tabellarisch dargestellt.
Der steuerliche Vertreter überreichte das Papier "Übersicht Aufteilung BP- Ergebnisse" am dem Prüfer ***17*** ***11*** in dessen Büro.
Ergänzend und auf die KEG´s bezogen, legte der steuerliche Vertreter einen Aktenvermerk vom an, der laut Verteiler auch dem Finanzamt ***15*** übermittelt wurde.
Am wurde auf dem Abgabenkonto der beschwerdeführenden Gesellschaft eine Kapitalertragsteuerschuld für 2002 in Höhe von € 100.000,00 mit dem Geschäftsfälle-Code 46, "Buchung einer Festsetzung von selbst zu berechnenden/abzuführenden Abgabenschuldigkeiten" gebucht.
Am scheint auf dem Abgabenkonto die Entrichtung dieses Betrages durch die beschwerdeführende Gesellschaft mit dem Geschäftsfälle-Code 01, "Buchung einer Selbstbemessungsabgabe mit/ohne Zahlung mit/ohne Verrechnungsweisung" auf.
Großbetriebsprüfer für 1999-2002 waren ***16*** und ***17*** ***11***.
Steuerlicher Vertreter war ***14***.
Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft:
Am und am langten eine Sachverhaltsdarstellung und eine dazu erstattete Ergänzung durch den damaligen österreichweiten Leiter der Großbetriebsprüfung zum Prüfungsverfahren "***6***-Gruppe" bei der Staatsanwaltschaft ***15*** ein.
Es wurden darin Bedenken gegen die zwischen den Vertretern der Großbetriebsprüfung und der beschwerdeführenden Gesellschaften ausgearbeitete Pauschallösung sowie der Verdacht auf Verwirklichung des Tatbestandes gemäß § 302 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 2 StGB in Bezug auf die mit der Prüfung betrauten Organe der Groß-BP sowie auf den steuerlichen Vertreter thematisiert.
Nach Einvernahmen der Betriebsprüfer als Beschuldigte und Erstattung eines Abschlussberichtes durch das Landeskriminalamt erließ die Staatsanwaltschaft ***15*** eine Mitteilung der Einstellungsgründe gemäß § 194 Abs. 2 StPO.
Vertreter der beschwerdeführenden Gesellschaften stellten einen Fortführungsantrag, zu welchem die Staatsanwaltschaft ***15*** mit Schriftsatz vom eine Stellungnahme erstattete.
Mit Beschluss des Landesgerichtes ***15*** vom , ***18***, wurde der Antrag auf Fortführung des Ermittlungsverfahrens gegen die oben genannten Großbetriebsprüfer wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs. 1 und 2 StGB abgewiesen.
Zeitraum zwischen den Betriebsprüfungen:
Für die Jahre 2005 bis 2008 erließ die Abgabenbehörde im Zeitraum zwischen den Betriebsprüfungen nachstehende Feststellungsbescheide Gruppenmitglied:
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Datum | Einkommen des Gruppenmitgliedes (Beträge in €) | |
2005 | 831.322,40 | |
2006 | 1,122.883,58 | |
2007 | 1,149.216,34 | |
2008 | -358.516,47 |
Die Steuererklärung für 2005, die zum Feststellungsbescheid Gruppenmitglied vom führte, langte am elektronisch ein.
Sie wies unter dem Titel "sonstige Abrechnungen" einen Betrag von € 134.763,60 aus.
Die Veranlagung erfolgte antragsgemäß.
Betriebsprüfung 2005-2009:
Beginn der Außenprüfung bei der beschwerdeführenden Gesellschaft betreffend die Jahre 2005 - 2009 war der , der abschließende Bericht über das Prüfungsergebnis stammt vom .
Es kam in diesem Zuge zu Wiederaufnahmen der Verfahren betreffend Feststellungsbescheide Gruppenmitglied für die Jahre 2005 bis 2008.
Als Wiederaufnahmegrund gemäß Tz 1 des Betriebsprüfungsberichtes wurden Gewinnadaptierungen geltend gemacht, die auf eine Vorsteuerkorrektur bei der Umsatzsteuerorganträgerin ***1*** AG zurückzuführen sind.
Als Wiederaufnahmegrund gemäß Tz 2 des Betriebsprüfungsberichtes wurde unter der Bezeichnung "fiktive Betriebsausgaben" die im Jahr 2005 vorgenommene außerbücherliche Kürzung i.H.v. € 100.000 (siehe oben, "außerbücherliche Erhöhung Wareneinsatz", "Baukosten Busplatz") geltend gemacht.
Gemäß Betriebsprüfungsbericht wurden diese "fiktiven Betriebsausgaben" erst im Zuge der Außenprüfung für 2005-2009 bekannt, insbesondere durch die im Prüfungsverlauf abverlangte Aufstellung über die steuerlichen Hinzurechnungen/Kürzungen (Anm: Papier b) laut Vorhalt an FAG vom ) und durch Einsicht in das Rechenwerk.
Die Aufstellung "Steuerliche Hinzurechnungen/Kürzungen 2005" weist unter der Überschrift "Steuerliche Kürzungen" aufgegliedert u. a. die Position "Baukosten Busplatz laut BP" im Betrag von € 100.000 aus.
Großbetriebsprüfer für 2005-2009 war ***19***.
Steuerlicher Vertreter war - ebenso wie schon für 1999-2002 - ***14***.
Die Beweiswürdigung und die Feststellungen zum Sachverhalt beruhen auf dem Akteninhalt sowie auf den durch die Richterin des BFG durchgeführten Ermittlungen:
Vorhalt an das FAG, Vorhalt an das Finanzamt, Abhaltung eines Erörterungstermins, Abhaltung einer mündlichen Verhandlung und Zeugeneinvernahme des Betriebsprüfers für die Jahre 1999-2002.
2. Gesetzliche Grundlagen und rechtliche Würdigung
2.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe/Abweisung)
Gemäß § 303 Abs. 1 lit. b BAO kann ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anderslautenden Bescheid herbeigeführt hätte.
Gemäß § 20 Abs. 1 Z. 6 EStG 1988 dürfen bei den einzelnen Einkünften nicht abgezogen werden Steuern vom Einkommen und sonstige Personensteuern … (vgl. gleichlautend § 12 Abs. 1 Z. 6 KStG 1988).
Gemäß § 167 Abs. 2 BAO hat die Abgabenbehörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.
Strittig ist
A) Für den Bescheid betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens zum Feststellungsbescheid Gruppenmitglied 2005: 1.) Stellt der im BP-Bericht angeführte Neuerungstatbestand (Betriebsausgaben) tatsächlich eine Neuerung im Sinne des § 303 Abs. 1 lit. b BAO dar? 2.) Wurde die Ermessensübung vorschriftsmäßig begründet?
B) Für die Bescheide betreffend Wiederaufnahme der Verfahren zu den Feststellungsbescheiden Gruppenmitglied 2007 und 2008: Liegen identifizierbare Wiederaufnahmegründe vor und erfolgten daher die Wiederaufnahmen zu Recht?
C) Für den Feststellungsbescheid Gruppenmitglied 2006: Können die als Kapitalertragsteuer vorgeschriebenen und bezahlten € 100.000,00 als Betriebsausgabe in Abzug gebracht werden?
A)Wiederaufnahme des Verfahrens zum Feststellungsbescheid Gruppenmitglied 2005:
Zweck der Wiederaufnahme wegen Neuerungen ist die Berücksichtigung von bisher unbekannten, aber entscheidungswesentlichen Sachverhaltselementen. Gemeint sind also Tatsachen, die zwar im Zeitpunkt der Bescheiderlassung "im abgeschlossenen Verfahren" bereits existierten, aber erst danach hervorgekommen sind (vgl. Ellinger/Sutter/Urtz, BAO, § 303, Rz 11-14).
Keine Wiederaufnahmegründe sind u. a. neue Erkenntnisse in Bezug auf die rechtliche Beurteilung von Sachverhaltselementen, gleichgültig, ob die späteren rechtlichen Erkenntnisse durch die Änderung der Verwaltungspraxis oder Rechtsprechung oder nach vorhergehender Fehlbeurteilung oder Unkenntnis der Gesetzeslage eigenständig gewonnen werden (Ritz, BAO6, § 303 Tz 23 mit Hinweisen auf die höchstgerichtliche Rechtsprechung).
Die Wiederaufnahme liegt im Ermessen der Abgabenbehörde (Ritz aaO, § 303 Tz 62).
Nach Lehre und Rechtsprechung ist in den Spruch des Wiederaufnahmebescheides der maßgebliche Wiederaufnahmetatbestand aufzunehmen. Zur verbreiteten Praxis, in der Begründung des Wiederaufnahmebescheides auf Ausführungen in einem Prüfungsbericht zu verweisen, bestehen grundsätzlich keine Bedenken.
Auch ein im Prüfungsbericht enthaltener weiterer Verweis auf bestimmte Textziffern des Berichtes steht einer rechtmäßig verfügten amtswegigen Wiederaufnahme nicht entgegen (vgl. Unger in UFS-Journal, "Möglichkeiten und Grenzen einer amtswegigen Wiederaufnahme", Februar 2012).
Gegenständlich verweist der Bescheid über die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Feststellungsbescheid Gruppenmitglied auf die Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung, die der darüber aufgenommenen Niederschrift bzw. dem Prüfungsbericht zu entnehmen sind.
Der Prüfungsbericht vom nennt unter der Überschrift "Prüfungsabschluss" als Fundort für jene Feststellungen, die eine Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Feststellungsbescheid Gruppenmitglied 2005-2008 indizieren, die Tz 1 und 2.
A.I.Wiederaufnahmegrund Tz 2:
Neuerungstatbestand "Fiktive Betriebsausgaben" (2005)
Vorausgeschickt wird:
Nach allen oben wiedergegebenen Ermittlungen sieht es das BFG als erwiesen an, dass die Außenprüfung für die Jahre 1999-2002 nicht mit dem im BP-Bericht aufscheinenden Schlussbesprechungsdatum beendet war. Dies geht aus den übereinstimmenden Angaben des steuerlichen Vertreters im Erörterungstermin und des Großbetriebsprüfers ***11*** bei seiner Zeugeneinvernahme hervor, wonach die Niederschrift über die Schlussbesprechung von beiden Seiten frühestens im Dezember 2005 unterfertigt wurde, ohne dass eine formelle Schlussbesprechung abgehalten worden wäre. Zudem hat der steuerliche Vertreter einen entsprechenden Mailwechsel, den er mit dem Prüfer ***11*** geführt hat, im Rahmen des Erörterungstermins dem BFG vorgelegt.
Es waren daher die in der Übersicht Aufteilung BP-Ergebnisse vom aufscheinenden Gegenkorrekturen bei drei Gesellschaften der ***6*** Gruppe in Gesamthöhe von € 400.000,00 ("außerbücherliche Erhöhung Wareneinsatz", jeweils für das Jahr 2005) - ebenso wie entsprechende Korrekturen in Gesamthöhe von € 96.000,00 bei den ***29***-, ***27***- und ***28***-Gesellschaften, Teil der Gesamtlösung, die als Ergebnis der Außenprüfung einvernehmlich gefunden wurde.
Nicht zutreffend sind insofern die Ausführungen in Tz 2, Abs. 3, des Betriebsprüfungsberichts vom betreffend die Prüfungsjahre 2005-2009, wonach es "nach Prüfungsabschluss" der Betriebsprüfung 1999-2002 zu Nachverhandlungen mit dem Ziel gekommen wäre, den vereinbarten Abgabenbetrag nachträglich zu reduzieren. Auch der Zeuge ***11*** als persönlich befasster Prüfer ist in seiner Einvernahme vor dem BFG der Darstellung, dass "es nach Prüfungsabschluss zu Nachverhandlungen gekommen sei" ausdrücklich entgegengetreten.
Der VwGH führt in seinem Erkenntnis vom , Ra 2021/13/0127, mit Verweisen auf zahlreiche andere höchstgerichtliche Judikate aus:
"Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Neuhervorkommen von Tatsachen und Beweismitteln (§ 303 Abs. 1 lit. b BAO) nur aus der Sicht der jeweiligen Verfahren derart zu beurteilen, dass es darauf ankommt, ob der Abgabenbehörde im wiederaufzunehmenden Verfahren der Sachverhalt so vollständig bekannt gewesen ist, dass sie schon in diesem Verfahren bei richtiger rechtlicher Subsumtion zu der nunmehr im wiederaufgenommenen Verfahren erlassenen Entscheidung hätte gelangen können. Das Neuhervorkommen von Tatsachen und Beweismitteln bezieht sich damit auf den Wissensstand (aufgrund der Abgabenerklärungen und ihrer Beilagen) des jeweiligen Veranlagungsjahres. Entscheidend ist, ob der abgabenfestsetzenden Stelle alle rechtserheblichen Sachverhaltselemente bekannt waren. Wenn etwa ein Prüfer den konkret relevanten Sachverhalt vor Erlassung des Bescheides der abgabenfestsetzenden Stelle (Veranlagungsabteilung) nicht mitgeteilt hatte, so steht diese Kenntnis des Prüfers der Wiederaufnahme nicht entgegen".
Soweit daher der steuerliche Vertreter in der mündlichen Verhandlung vom gerade dieses Erkenntnis zur Untermauerung seiner Rechtsmeinung, wonach sich das Finanzamt das Wissen des Prüfers zurechnen lassen müsse, nennt, kann ihm nicht gefolgt werden und ist insofern auch die anderslautende Stoll-Kommentar Meinung durch die neuere höchstgerichtliche Judikatur überholt.
Der Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung für die Jahre 1999-2002 vom ist sehr knapp gehalten und enthält keinen Hinweis auf die laut Folgeprüfung als "fiktive Betriebsausgaben" bezeichnete Gegenkorrektur (außerbücherliche Kürzung) in Höhe von € 100.000 für das Jahr 2005. Abgesehen von einer hier nicht strittigen Tz 1 verweist er unter Tz 2 auf die Festsetzung der Kapitalertragsteuer (siehe oben, SV).
Das zentrale Papier "Übersicht Aufteilung BP- Ergebnisse" wurde wohl nachweislich dem Betriebsprüfer im Dezember 2005 übergeben, befand sich aber nach allen Ermittlungen weder im Finanzamtsakt, noch im Arbeitsbogen der Betriebsprüfung.
Zweifellos kannten also die namens und auftrags des Finanzamtes tätig werdenden Organe der Großbetriebsprüfung sowie möglicherweise darüber hinaus auch dem Finanzamt angehörende Personen (so wurde etwa laut Verteiler der Aktenvermerk des steuerlichen Vertreters vom auch dem Finanzamt übermittelt und trägt dieser auf der Rückseite einen handschriftlichen Vermerk betreffend "Entlastung", der nach den Ermittlungen durch die Richterin allenfalls einer nicht festgestellten Person aus dem Finanzamt zuzurechnen ist) die Gegenkorrekturen als Teil des Gesamtprüfungsergebnisses vor der hier relevanten Bescheiderlassung vom . Es hat aber selbst der Betriebsprüfer ***11*** im Zuge seiner Zeugeneinvernahme, auf die verwiesen wird, nicht behauptet, dass der abgabenfestsetzenden Stelle bei Bescheiderlassung die Übersicht Aufteilung BP- Ergebnisse bekannt war.
Dass es der abgabenfestsetzenden Stelle - wie der Zeuge ***11*** zu Bedenken gegeben hat - ohne Weiteres möglich gewesen wäre, durch einen Ergänzungsauftrag oder Bedenkenvorhalt eine Aufgliederung des Betrages "sonstige Abrechnungen" schon vor Erlassung des Bescheides vom einzufordern, steht grundsätzlich einer Wiederaufnahme nicht entgegen, weil nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung ein allfälliges Verschulden der Behörde an der Unterlassung von Feststellungen eine amtswegige Wiederaufnahme nicht ausschließt (vgl. etwa ). Ein Verschulden der Behörde kann aber bei der Ermessensübung von Bedeutung sein.
Zur Rechtfertigung der Wiederaufnahme genügt daher a priori allein der Umstand, dass der abgabenfestsetzenden Stelle (dem Veranlagungsteam) die Zusammensetzung der Position "sonstige Abrechnungen" mit dem Teilbetrag "Baukosten Busplatz" in Höhe von € 100.000 nicht bekannt war.
Die Zulässigkeit einer Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen hängt aber entsprechend dem Tatbestand gemäß § 303 Abs. 1 lit. b BAO nicht nur von der Voraussetzung, dass Tatsachen neu hervorkommen, die im Verfahren nicht geltend gemacht worden sind, sondern auch von der weiteren Voraussetzung ab, dass die Kenntnis dieser Umstände allein oder iVm mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anderslautenden Bescheid herbeigeführt hätte ():
"Die Wiederaufnahmsgründe müssen geeignet sein, einen im Spruch anderslautenden Bescheid herbeizuführen. Ob dies der Fall ist, hat die die Wiederaufnahme verfügende Behörde zu beurteilen. Kommt sie bei der Prüfung dieser Frage zum Ergebnis, dass die Wiederaufnahmsgründe nicht geeignet sind, einen im Spruch anderslautenden Bescheid herbeizuführen, darf sie die Wiederaufnahme des Verfahrens nicht verfügen" ().
Das Bundesfinanzgericht hatte daher zu überprüfen, ob die im Zuge der Betriebsprüfung für die Jahre 2005-2009 bekannt gewordene Aufstellung "Steuerliche Hinzurechnungen/Kürzungen 2005" mit Aufgliederung der Position "Steuerliche Kürzungen", € 134.763,60, in u. a. "Baukosten Busplatz" i.H.v. € 100.000,00, die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend das Streitjahr 2005 insofern rechtfertigt, als sie einen im Spruch anderslautenden Bescheid nach sich ziehen musste.
Wie im Sachverhalt dargestellt, kam es im Zuge der Großbetriebsprüfung für die Jahre 1999-2002 zu einer pauschalen, laut vorliegendem Aktenmaterial als "Vergleich" bezeichneten Lösung, mit welcher die Betriebsprüfung im Dezember 2005/Jänner 2006 beendet wurde. Dem vorausgegangen waren ca. 20 Prüfungsfeststellungen, aus denen sich ein wahrscheinliches, alle geprüften Unternehmen umfassendes Mehrgebnispotential von pauschal € 2,5 Millionen erschließen ließ (vgl. Tz 2 des Betriebsprüfungsberichtes für 2005-2009 vom ).
Im Einvernehmen wurde diesem als KESt vorzuschreibenden Betrag durch Reduzierung der Körperschaftsteuerbemessungsgrundlagen für 2005/2006 eine Gegenkorrektur gegenübergestellt, die entsprechend der "Übersicht Aufteilung BP-Ergebnisse" vom Dezember 2005 insgesamt zu einem Weniger an KöSt i.H.v. € 124.000,00, bei der beschwerdeführenden Gesellschaft von € 25.000,00, führte (bei Beachtung des Status der Gesellschaften als Gruppenmitglieder).
Es handelte sich bei der als "Vergleich" bezeichneten Vereinbarung, die sich aus der KESt-Vorschreibung und der Gegenkorrektur betreffend KöSt zusammensetzt, dem Wesen nach um eine Schätzung, die unter federführender Mitwirkung des steuerlichen Vertreters der Gesellschaften, somit unter Wahrung des Parteiengehörs, zustandekam.
Die Umsetzung erfolgte in logischen Stufen zeitnahe zum Prüfungsabschluss:
Übersicht Aufteilung BP-Ergebnisse
BP-Bericht,
Anlastung von KESt für 2002 i. H. v. € 100.000,00 auf dem Abgabenkonto,
deren Entrichtung durch die beschwerdeführende Gesellschaft,
Eingang der elektronischen Erklärung für 2005 inklusive "Gegenkorrektur" in der Position "Steuerliche Kürzungen",
antragsgemäße Veranlagung.
Nach allem vorstehend Ausgeführten hätte die abgabenfestsetzende Stelle, wäre ihr am - also im zeitlichen Nahebereich zur abgeschlossenen Betriebsprüfung - das Papier "Steuerliche Hinzurechnungen/Kürzungen 2005" mit aufgegliederter Position "Steuerliche Kürzungen" vorgelegen, genauso antragsgemäß veranlagt, weil dieses Papier Teil des im Schätzungswege im Zuge der BP einvernehmlich erzielten Ergebnisses ist. Die Kenntnis dieses Papiers hätte also nicht zu einem im Spruch anderslautenden Bescheid geführt.
Es kommt daher der mehr als 7 Jahre nach Erlassung des Feststellungsbescheides vom vorgenommenen Wiederaufnahme für 2005 auf Grundlage der Tz 2 des Betriebsprüfungsberichts vom keine Berechtigung zu. Eine allenfalls im Zuge der Folgebetriebsprüfung für 2005-2009 geänderte rechtliche Beurteilung betreffend die Vor-Betriebsprüfung 1999-2002 kann für sich keinen Wiederaufnahmegrund darstellen.
Auf die Frage des Ermessens ist, da in zusammenfassender rechtlicher Beurteilung ein Wiederaufnahmegrund gemäß Tz 2 nicht vorliegt, nicht weiter einzugehen.
A.II. Wiederaufnahmegrund gemäß TZ 1:
"Korrektur Vorsteuerkürzung" (2005)
Auch der Neuerungstatbestand gemäß Tz 1 vermag die Wiederaufnahme für 2005 nicht zu tragen.
Die Wiederaufnahme des Verfahrens führt stets zur gänzlichen Beseitigung des früheren Bescheides, der das nunmehr wiederaufgenommene Verfahren zum Abschluss gebracht hat. Dies hat zur Folge, dass dann, wenn aufgrund irgendeiner neu hervorgekommenen Tatsache die Wiederaufnahme des Verfahrens zulässig ist, im wiederaufgenommenen Verfahren auch eine Änderung der übrigen Bescheidgrundlagen und Bescheidelemente erfolgen kann, hinsichtlich derer das Vorliegen von neuen Tatsachen und Beweismitteln nicht gegeben ist (vgl. ).
Die Auswirkung einer Wiederaufnahme ist insofern, selbst bei Überschreitung der absoluten oder relativen Geringfügigkeitsgrenzen, im Hinblick auf ihre steuerliche Gesamtauswirkung zu überprüfen. Diese muss verhältnismäßig sein. So sind die unmittelbar auf die Wiederaufnahmegründe zurückzuführenden Auswirkungen zu jenen Auswirkungen in Verhältnis zu setzen, die sich zusätzlich ohne Wiederaufnahmegrund ergeben, d. h., die bloß infolge einer Änderung aufgrund anderer rechtlicher Beurteilungen eintreten (vgl. ZSS 2022, 5, Heft 1 vom ).
Gegenständlich ergibt sich daher - bezogen auf den Neuerungstatbestand gemäß Tz 1 - eine relativ geringfügige Erhöhung des Gesamtbetrages der Einkünfte um € 5.856,85. Die Hinzurechnung der "fiktiven Betriebsausgaben" i.H.v. € 100.000 in geänderter rechtlicher Beurteilung, die, wie oben unter A. I. ausgeführt, keinen Wiederaufnahmegrund verkörpern, würde zu einem unverhältnismäßigen Ergebnis führen (vgl. ZSS aao: "Da in diesem Fall die betraglichen Auswirkungen der geänderten Rechtsauffassung ohne Wiederaufnahmegrund ein Vielfaches der Änderungen der mit dem Wiederaufnahmegrund verbundenen Nachforderungen ausmachen, fällt das rechtliche Interesse des Abgabepflichtigen an der Rechtskraft stärker ins Gewicht und es wird der Rechtsbeständigkeit Vorrang gegenüber der Rechtsrichtigkeit zu geben sein").
Die im Rahmen der Ermessensübung anzustellende Interessensabwägung verbietet bei Geringfügigkeit der neu hervorgekommenen Tatsache in der Regel den Gebrauch der Wiederaufnahmemöglichkeit ().
Die Ermessensübung muss daher für das Streitjahr 2005 zu einer Abstandnahme von der Wiederaufnahme gemäß Tz 1 des BP-Berichts führen.
Der Beschwerde gegen den Wiederaufnahmebescheid Feststellungsbescheid Gruppenmitglied 2005 war daher spruchgemäß Folge zu geben und der Wiederaufnahmebescheid war aufzuheben.
Wird der Wiederaufnahmebescheid aufgehoben, so tritt nach § 307 Abs. 3 BAO das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor seiner Wiederaufnahme befunden hat. Durch die Aufhebung des Wiederaufnahmebescheides scheidet somit ex lege der neue Sachbescheid aus dem Rechtsbestand aus, der alte Sachbescheid lebt wieder auf (Ritz, BAO6, § 308 Tz 8).
Für das Streitjahre 2005 lebt daher der alten Sachbescheide vom wieder auf.
B)Wiederaufnahme des Verfahrens zu den Feststellungsbescheiden Gruppenmitglied 2007 und 2008:
Neuerungstatbestand Tz 1, "Korrektur Vorsteuerkürzung" bzw. Betriebsausgabenerhöhung
Für die Streitjahre 2007 und 2008 ergibt sich:
Im Jahr 2011 wurde bei der Umsatzsteuerorganträgerin ***1*** AG eine Wiederaufnahme angeregt, weil Beträge, die bei dieser als Vorsteuern abzugsfähig gewesen wären, bei der beschwerdeführenden Gesellschaft als umsatzsteuerlichem Organ im gesamten Prüfungszeitraum 2005-2008 unzutreffend als Betriebsausgaben in Abzug gebracht worden waren. Die Anregung der Wiederaufnahme führte bei der ***1*** AG auch tatsächlich zur Umsetzung der angestrebten Vorsteuerkorrekturen.
Die steuerliche Vertretung hat in Beschwerde und Vorlageantrag zu 2007 und 2008 (der Wiederaufnahmebescheid Feststellungsbescheid Gruppenmitglied 2006 wurde nicht mit Beschwerde angefochten) vorgebracht, dass weder der Spruch des Bescheides noch seine Begründung Rückschlüsse auf den herangezogenen Wiederaufnahmetatbestand zuließen, ein Wiederaufnahmegrund daher nicht identifizierbar sei.
Wie schon oben zu Tz 2 ausgeführt, bestehen keine Bedenken, in einem Wiederaufnahmebescheid begründend auf Ausführungen in einem Prüfungsbericht mit dort genannten, bestimmten Textziffern zu verweisen. Sofern der Prüfungsbericht vom unter der Überschrift "Prüfungsabschluss" daher die Tz 1 und 2 nennt, wurde in der Beschwerdevorentscheidung zutreffend ausgeführt, dass die Tz 2 sich unzweifelhaft auf das Jahr 2005 bezieht. Für die Streitjahre 2007 und 2008 ist daher nur die Tz 1 als Begründung heranzuziehen (zu 2005 siehe oben).
Die zur Wiederaufnahme herangezogenen Gründe sind daher identifizierbar.
Für die beschwerdeführende, nicht von der beantragten Wiederaufnahme umfasste Gesellschaft erfolgte die Wiederaufnahme von Amts wegen (§ 303 Abs. 1 BAO idF BGBl. I Nr. 14/2013). Dem steht grundsätzlich nichts entgegen, es ist jedoch zu überprüfen, ob die "Korrektur Vorsteuerkürzung" laut Tz 1 des Betriebsprüfungsberichts streitgegenständlich einen Wiederaufnahmegrund verkörpert.
Folgt man der Verweiskette, so beschreibt der Betriebsprüfer in Tz 1, unter "Prüfungsabschluss, Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs. 1 BAO", die Wiederaufnahmegründe in der Weise, dass es aufgrund einer falschen Kontenhinterlegung zu einer Verbuchung von bei der USt-Organträgerin ***6***-Holding AG abziehbaren Vorsteuern als Aufwand bei der beschwerdeführenden Gesellschaft kam ("Bei der ***1*** AG sind die Vorsteuerkorrekturen durchzuführen, bei der ***3*** GmbH ist der Gewinn entsprechend zu adaptieren").
Die Richterin wandte sich in diesem Zusammenhang mit nachstehender Frage an das FAG:
"Auf wen geht die in Tz 1 des BP-Berichtes vom dargelegte, irrtümliche Kontenhinterlegung, die zu einem falschen Vorsteueransatz bei der USt-Organträgerin bzw. zu einem unzutreffenden Betriebsausgabenansatz bei der beschwerdeführenden Gesellschaft führte, zurück? Auf das FA oder auf die Beschwerdeführerin?"
Sie erhielt folgende Antwort:
"Es waren Fehler im Rechnungswesen der ***6***-Gruppe, welche die Korrekturen notwendig machten. Die Unternehmen regten eine amtswegige Wiederaufnahme an" (Anm.: Anregung vom ).
Es ist insofern davon auszugehen, dass der abgabenfestsetzenden Stelle im Zeitpunkt der Erlassung der Erstbescheide ( für 2007 und für 2008) die unzutreffende Kontenhinterlegung nicht bekannt war und sie aufgrund der ihr vorliegenden Erklärungen und Beilagen nicht schon a priori zur im wiederaufgenommenen Verfahren erlassenen Entscheidung hätte kommen können.
Daher ist, zumal auch die nicht absolut geringfügige Abänderung der angefochtenen Bescheide den contrarius actus zu den richtiggestellten Vorsteuerabzügen bei der USt-Organträgerin ***1*** AG darstellt, für die Streitjahre 2007 und 2008 von tauglichen Wiederaufnahmegründen auszugehen.
Die Beschwerden betreffend die Wiederaufnahmebescheide Feststellungsbescheide Gruppenmitglied 2007 und 2008 waren daher als unbegründet abzuweisen.
C)Beschwerde gegen den Bescheid betreffend die Feststellung des Einkommens des Gruppenmitgliedes für das Jahr 2006:
Entsprechend dem Beschwerdevorbringen wird begehrt, einen Betrag von € 100.000, der laut Pauschalvereinbarung im Zuge der Vor-Betriebsprüfung für die Jahre 1999-2002 als Kapitalertragsteuer 2002 zur Vorschreibung gelangte und seitens der beschwerdeführenden Gesellschaft entrichtet wurde, für das Jahr 2006 als Betriebsausgabe zu berücksichtigen.
In der mündlichen Verhandlung vom betonte der steuerliche Vertreter neuerlich, es habe sich bei dem verbuchten und entrichteten Betrag nicht um eine Kapitalertragsteuer gehandelt und wiederholte das schon bisher Vorgebrachte. Unstrittig habe ein betrieblich veranlasster Vermögensabfluss stattgefunden.
Auch wenn der steuerliche Vertreter im Weiteren, ohne dies näher zu erläutern, seiner Meinung Ausdruck gab, die Entscheidung des , habe "formal" damit nichts zu tun, verweist das BFG - um Wiederholungen zu vermeiden - auf die detaillierten Ausführungen in dieser Entscheidung zur Frage der Kapitalertragsteuer.
Es ist im Übrigen inkonsequent, wenn der steuerliche Vertreter wiederholt die Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft vom erwähnt, aus der hervorgehe, dass keine Berechtigung für die Einbehaltung von Kapitalertragsteuer gegeben gewesen sei, aber nicht erwähnt, dass dies nur die erste Stufe in einem Verfahren war, das über das LKA und die Staatsanwaltschaft (Einstellung des Ermittlungsverfahrens) ging und mit Beschluss des Landesgerichtes (Abweisung des Antrags auf Fortführung des Ermittlungsverfahrens) mit u. a. nachstehender Ausführung endete:
"Letztlich hat die Staatsanwaltschaft in Bezug auf die KESt darauf verwiesen, dass es sich um eine selbsterklärende Abgabe handle, sodass davon auszugehen sei, dass der steuerliche Vertreter sämtlicher geprüften Unternehmen, ***14***, für seine Mandanten die KESt berechnet und erklärt habe und die (durch den Beschuldigten ***17*** ***11***) erfolgte Eingabe in das EDV-System eine reine Erfassung dieser selbst erklärten Steuern darstelle … Im Übrigen mag es schon stimmen, dass es zu keinem Zeitpunkt hinsichtlich der verfahrensgegenständlichen Kapitalertragsteuer eine Selbsterklärung bzw. die Erklärung einer Selbstbemessungsabgabe gegeben hat. Der Umstand, dass die Thematik der KESt und die im Belieben des steuerlichen Vertreters ***14*** stehende Aufteilung auf die KEG´s (auch) Gegenstand der Vergleichsverhandlungen war, kommt im Ergebnis einer Erklärung gleich, sodass zumindest aus strafrechtlicher Sicht insoweit kein substantieller Unterschied zu erkennen ist. An der Tatsache, dass der Beschuldigte ***17*** ***11*** de facto lediglich vorbereitetes Zahlenmaterial zu Grunde gelegt hat, vermag das Vorbringen in der Ergänzung zum Fortführungsantrag nichts zu ändern" (vgl. , Seite 11, Abs. 4, Zitat aus Beschluss LG ***15***, ***24***).
Aus dem Erkenntnis des geht zudem hervor, dass die zwischen der Betriebsprüfung und der steuerlichen Vertretung betreffend die Jahre 1999-2002 pauschal und einvernehmlich getroffenen Vereinbarungen (Schätzung, siehe oben) wegen bereits eingetretener Verjährung keiner weiteren Überprüfung zugänglich sind. Dies gilt auch für den als Kapitalertragsteuer vorgeschriebenen und entsprechend Zug um Zug entrichteten Betrag in Höhe von € 100.000.
Ob eine Ausgabe betrieblich veranlasst ist oder nicht, ist erst dann zu untersuchen, wenn sie nicht den - gemäß § 20 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 bzw. § 12 Abs. 1 Z 6 KStG nicht abzugsfähigen - Personensteuern zuzurechnen ist. Da nach obenstehenden Ausführungen die Qualifizierung des in Streit stehenden Betrages als Personensteuer (die Kapitalertragsteuer ist den Personensteuern zuzurechnen) nicht mehr in Zweifel gezogen werden kann, muss ein betrieblicher Zusammenhang nicht weiter untersucht werden und gehen insoweit auch die Ausführungen der steuerlichen Vertretung im Vorlageantrag ins Leere.
Der mit der Beschwerde angestrebte Abzug als Betriebsausgabe kommt daher nicht in Betracht (vgl. Kofler/Wurm in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG20, § 20, Tz 139).
Insgesamt war wie im Spruch zu entscheiden.
2.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Lösungen der vorliegenden Streitpunkte finden einerseits Deckung in der höchstgerichtlichen Rechtsprechung (Wiederaufnahme) und lassen sich andererseits in klarer Weise aus dem Gesetz ableiten (Abzugsfähigkeit als Betriebsausgaben).
Darüber hinaus beruht das vorliegende Erkenntnis auf der Klärung von Sachverhaltsfragen, wie sie einer Revision nicht zugänglich sind.
Feldkirch, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 303 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 20 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 304 Abs. 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 4 Abs. 4 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 20 Abs. 1 Z 6 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 167 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 307 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 303 Abs. 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2023:RV.1100013.2017 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at