Heilfastenkur im Gesundheitshotel ohne vorherige ärztliche Verschreibung keine außergewöhnliche Belastung
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Senatsvorsitzende***SenV***, die Richterin Mag. Irene Kohler sowie die fachkundigen Laienrichter ***SenLR1*** und ***SenLR2*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Mag. Manfred Wildgatsch, Am See 42, 2203 Putzing, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Gänserndorf Mistelbach vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2019, Steuernummer ***BF1StNr1***, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am in Anwesenheit der Schriftführerin ***SF*** zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird im Sinne der Beschwerdevorentscheidung vom abgeändert.
Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind der Beschwerdevorentscheidung zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Die Beschwerdeführerin machte in ihrem Antrag auf Arbeitnehmerveranlagung für 2019 Krankheitskosten von 5.862,95 Euro als außergewöhnliche Belastung geltend. In der Beilage gab die Beschwerdeführerin bekannt, dass die hohen Kosten durch Hautveränderungen an den Füßen bedingt seien, die ihre Mobilität immer stärker einschränken. Wegen der starken Schmerzen beim Gehen habe ihr die Arbeitsunfähigkeit gedroht. Um den Arbeitsplatz zu erhalten, habe sie langwierige Therapien machen müssen.
Im Einkommensteuerbescheid für 2019 vom berücksichtigte das Finanzamt außergewöhnliche Belastungen i.H.v. 4.561,96 Euro, wovon ein Selbstbehalt von 3.177,61 Euro in Abzug gebracht wurde.
Anerkannt wurde u.a. eine Fastenkur, nicht aber eine Behandlung bei der Allgemeinmedizinerin Dr. A1. In der Begründung führte das Finanzamt zu den Krankheitskosten aus, dass bei den Kur- und Krankenhausaufenthalten eine Haushaltsersparnis von 5,23 Euro täglich in Abzug gebracht worden sei.
Die Aufwendungen für die Mundhygiene seien als Kosten der Gesundheitsvorsorge nicht absetzbar.
Es seien nur die typischerweise mit einer Heilbehandlung verbundenen Kosten als zwangsläufig anerkannt worden. Aufwendungen, die lediglich auf eine Verbesserung des Allgemeinzustandes abzielen, seien davon nicht erfasst, selbst wenn sich die betreffende Maßnahme auf den Verlauf einer konkreten Krankheit positiv auswirken könne. Auch bloße Wünsche und Vorstellungen des Betroffenen über medizinische Auswirkungen würden keine ausreichende Grundlage für den Nachweis der Zwangsläufigkeit eines Aufwandes bieten.
Kosten für Mittel bzw. Behandlungsformen aus dem Bereich der Alternativmedizin können Kosten der Heilbehandlung und damit eine außergewöhnliche Belastung darstellen, wenn diese Aufwendungen medizinisch indiziert seien. Es sei jedoch zu beachten, dass nicht jede auf ärztliches Anraten und aus medizinischen Gründen empfohlene Einnahme von Vitaminpräparaten bzw. Nahrungsergänzungsmitteln zu einer außergewöhnlichen Belastung führe. Hierbei müsse auch die Voraussetzung der Zwangsläufigkeit dieser Aufwendungen nachgewiesen werden. Daher seien die Aufwendungen für Nahrungsergänzungsmittel wie Omni Biotic etc. nicht berücksichtigt worden.
Die Beschwerdeführerin machte in ihrer Beschwerde vom bezüglich der abgelehnten Krankheitskosten von 2.710,53 Euro für die Behandlung von Dr. A1 geltend, dass diese Behandlungen nicht empfohlen gewesen, sondern vorgeschrieben worden seien. Diese Therapie sei entsprechend aufwendig gewesen und beinhalte insgesamt zwölf Sitzungen in der Ordination. Den entsprechenden Auszug aus dem Behandlungsprogramm lege sie bei. Es habe sich eine entsprechende Besserung eingestellt, sodass vorerst keine weitere Behandlung notwendig sei. Sonderausgaben von 2.388,79 Euro seien versehentlich nicht in die Steuererklärung eingetragen worden.
Die Abgabenbehörde berücksichtigte mit Beschwerdevorentscheidung vom 13. Jänner2021 die beantragten Sonderausgaben, jedoch nach einer neuerlichen Überprüfung lediglich außergewöhnliche Belastungen von 3.792,36 Euro. Die Behandlung bei Dr. A1 wurde nunmehr anerkannt, nicht aber die Fastenkur (und weitere nicht strittige Kosten).
Dazu erläuterte das Finanzamt, dass Krankheit im Sinne des allgemeinen Sprachverständnisses eine gesundheitliche Beeinträchtigung sei, die eine Heilbehandlung bzw. eine Heilbetreuung erfordere. Nicht jede Behandlung oder Betreuung einer Krankheit stelle jedoch eine Heilbehandlung dar, die einer Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung zugänglich sei. Maßnahmen der Krankheitsprävention zählen zwar zu den Tätigkeiten eines Arztes (§ 2 Ärztegesetz), dennoch seien im Rahmen des § 34 EStG Aufwendungen zur Vorbeugung von Krankheiten oder zur Erhaltung der Gesundheit nicht als Krankheitskosten zu berücksichtigen. Es fehle nämlich an der Verursachung durch eine Krankheit und damit an der Zwangsläufigkeit. Der VwGH erkenne in seiner Judikatur ausdrücklich nur die typischerweise mit einer Heilbehandlung verbundenen Kosten als zwangsläufig erwachsen an. Aufwendungen, die lediglich auf eine Verbesserung des Allgemeinzustandes abzielen, seien davon nicht erfasst, selbst wenn sich die betreffende Maßnahme auf den Verlauf einer konkreten Krankheit positiv auswirken können.
Rechnungen B. Apotheke:
Sämtliche erworbenen Produkte seien keine Medikamente im Sinne des Arzneimittelgesetzes und seien die Kosten daher keine typischerweise mit einer Heilbehandlung verbundenen Kosten. Vitaminpräparate und Nahrungsergänzungsmittel, die auf ärztliches Anraten bzw. aus medizinischen Gründen empfohlen wurden, führen zu keiner außergewöhnlichen Belastung, außer die medizinische Notwendigkeit werde nachgewiesen. Den Nahrungsergänzungsmitteln Omni Biotic werde daher die Absetzbarkeit aus dem Titel der Heilbehandlung zugebilligt (insgesamt € 390,55 abzüglich Rabatte).
Fasten-/ Gesundheitswoche im Gesundheitshotel C. GmbH:
Kurkosten können als außergewöhnliche Belastung im Sinne der angeführten gesetzlichen Bestimmung anerkannt werden, wenn der Kuraufenthalt in direkten Zusammenhang mit einer Krankheit stehe, aus medizinischen Gründen erforderlich sei und ein bestimmtes, unter ärztlicher Aufsicht und Betreuung durchgeführtes Heilverfahren Anwendung finde. Wesentlich für eine Kur sei somit vor allem das Vorliegen eines speziell auf den Patienten abgestimmten Behandlungs- bzw. Therapieplanes.
Die vorgelegte Rechnung als Fastenpaket inkludiere auch die Abrechnung von Einzelbehandlungen (Lymphdrainage, Reinigungsbehandlung). Daraus lasse sich ableiten, dass das Pauschalangebot durch zusätzliche Leistungen, die zusätzlich zu bezahlen seien, ergänzt werden könne. Das Programm stehe jedermann offen, d. h. für jeden Teilnehmer dieser Woche - unabhängig von seiner gesundheitlichen Beeinträchtigung - im Prinzip gleich sei. Auch spreche die kurze Dauer dafür, dass ein bloßer Erholungsaufenthalt vorgelegen sei.
Das Absolvieren von (Heil-)Fastenkuren sei in der heutigen Wohlstandsgesellschaft üblich und geradezu eine Massenerscheinung. Die Kosten für die Fastenwoche seien nicht als außerordentliche Belastung absetzbar.
E-Card Gebühr:
Das Serviceentgelt für die e-Card sei ein Pflichtbeitrag gemäß § 16 Abs. 1 Z. 4 EStG und mindere die Lohnsteuerbemessungsgrundlage des laufenden Bezuges. Die Einhebung und Abfuhr erfolge seitens des Arbeitgebers nach dem ASVG an den Krankenversicherungsträger.
Im Vorlageantrag vom entgegnete der steuerliche Vertreter, dass es sich bei dem gegenständlichen Kuraufenthalt entgegen der Auffassung des Finanzamtes nicht um eine Maßnahme der Prävention handle, sondern sei der Kuraufenthalt medizinisch indiziert gewesen. Mögliche Ursachen für die aufgetretenen Hautrisse und -veränderungen sei eine Stoffwechselstörung bzw. eine falsch besiedelte Darmflora. Ein diesbezügliches Foto sowie der Arztbrief von Frau Dr. A2 werde beigelegt.
Im beiliegenden Arztbrief vom von Dr. A2, Ärztin für Allgemeinmedizin, wird bestätigt, dass bei der Beschwerdeführerin eine chronische Erkrankung bestehe, bei der bisher eine medizinische Therapie zu keiner Besserung führe. Jedoch bringe die jährliche zehntägige Kur mit Heilfasten eine deutliche Besserung des Leidens und eine signifikante Schmerzlinderung. Diese Heilfastenkur sei medizinisch angebracht und sollte bei den Kosten aus Krankheitsgründen von Finanzamt berücksichtigt werden.
Nach einem Ergänzungsersuchen des Finanzamtes vom antwortete die Beschwerdeführerin am , es handle sich um eine - wenn auch noch weitgehend unerforschte - Krankheit. Sie verweise auf die bereits vorliegenden Unterlagen, insbesondere den Arztbrief von Dr. A2 und die Unterlagen betreffend Dr. A1. Bei einer von Dr. A2 bei einem deutschen Speziallabor veranlassten Untersuchung seien Hinweise auf eine Stoffwechselstörung gefunden worden. Es liege somit eindeutig eine chronische Erkrankung vor, bei welcher derzeit offenbar nur alternative Methoden wirksam seien. Ohne die strittigen Behandlungen würde sie ihren stehenden Beruf längst nicht mehr ausüben können. Es liege Zwangsläufigkeit vor.
Das Finanzamt legte die Beschwerde samt den Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.
Das Bundesfinanzgericht hielt der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom vor, dass der geltend gemachte Fastenaufenthalt den in Literatur und Rechtsprechung geforderten Voraussetzungen für die Anerkennung von Kuraufenthalten als außergewöhnliche Belastung nicht gerecht werde. Ein vor Antritt der Kur ausgestelltes ärztliches Zeugnis liege nicht vor, ebenso keine Zuschüsse der gesetzlichen Sozialversicherung. Es fehle auch ein individuelles Kurprogramm auf Grundlage einer kurärztlichen Untersuchung.
Der steuerliche Vertreter wiederholte im Antwortschreiben vom , dass es sich um eine noch wenig erforschte chronische Krankheit handle, für die es (noch) kein schulmedizinisches Heilverfahren gebe. Die gegenständliche Heil- und Fastenkur sei Voraussetzung gewesen, dass Frau Dr. A1 ihre Behandlung (Neueinrichtung der Darmflora) durchführen habe können.
Mittlerweile habe Dr. A3 weitere Untersuchungen durchgeführt und Medikamente versucht, leider ohne große neue Erkenntnisse. Einzig die Ernährungs- und Heilmethoden im Gesundheitshotel C. würden zumindest vorübergehend - im günstigsten Fall ein Jahr - Heilung bringen. Eine wesentliche Rolle spiele die Entgiftung.
Es liege eine Heilbehandlung und nicht eine Kur im herkömmlichen Sinn vor.
Da die Krankheit in schulmedizinscher Hinsicht noch nicht ausreichend erforscht sei, können die geforderten ärztlichen Zeugnisse nicht vorgelegt werden. Die Krankheit sei aber da. Es sei unverständlich, dass unerforschte Krankheiten, für die es keinen schulmedizinischen "Fahrplan" gebe, anders zu behandeln seien als Krankheiten, bei denen bereits "alles klar" sei.
Der VwGH habe zu einem ähnlichen Thema festgestellt, dass dem Umstand, dass sich die Operationsmethode erst im Erprobungsstadium befinde, nicht deshalb die Zwangsläufigkeit abgesprochen werden könne (). Ebenso sei unerheblich, ob die Krankenkasse die nicht schulmedizinischen Kosten übernehme.
In der mündlichen Verhandlung am führte der Ehegatte der Beschwerdeführerin ergänzend aus, dass die gegenständlichen Beschwerden seiner Frau seit 2016 oder 2017 bestehen. Sie habe bei der Fa. D. als Verkäuferin gearbeitet und musste Trachtenschuhe tragen. Das hat Schmerzen und Blutungen verursacht. Sie habe mehrere Hautärzte und auch das AKH aufgesucht. Es habe sich aber keine Besserung eingestellt. Auch die Behandlung gegen eine Stoffwechselstörung bei Frau Dr. A1 habe keine nachhaltige Verbesserung gebracht. Seine Frau sei schon vor 2019 auch bei Frau Dr. A2 in Behandlung gewesen. Bis heute habe keine Ursache für die Beschwerden festgestellt werden können.
Die einzige Verbesserung habe die Fastenwoche gebracht, die seine Frau immer wieder durchführe. Auch die Zusatzbehandlungen in der Fastenwoche, die Lymphdrainage und die Reinigungsbehandlung, seien im Zusammenhang mit den Hautveränderungen an den Fersen gestanden, weil seine Frau keine anderen Beschwerden gehabt habe.
Die Vertreterin des Finanzamtes betonte, dass die Zwangsläufigkeit der Fastenwoche steuerlich zu beurteilen sei. Die Beschwerdeführerin habe keine medizinische Verordnung für das Heilfasten gehabt. Es gebe auch Angebote für Heilfasten bei einem Arzt, die Beschwerdeführerin habe die Behandlung aber privat im Gesundheitshotel durchgeführt. Auch die Sozialversicherung biete Kuren für Stoffwechselerkrankungen an, in deren Rahmen Fastenkuren durchgeführt werden. Nach Ansicht des Finanzamtes liege mangels ärztlicher Verordnung keine außergewöhnliche Belastung vor.
Es sei auch darauf hinzuweisen, dass Frau Dr. A3 in ihrem Arztbrief nicht direkt die Wirksamkeit der Fastenkur bestätige, sie schreibe lediglich "laut Angaben von Frau ***Bf1*** helfe nur Heilfasten".
Dem entgegnete der Ehegatte der Beschwerdeführein, dass Frau Dr. A3 keine alternative Behandlungsmöglichkeit gewusst habe.
Seine Frau habe kein Pflegegeld bezogen. Sie sei Mitte 2020 in Pension gegangen. Derzeit seien die Beschwerden verbessert, weil sie nicht mehr so viel stehen müsse und sie sich das Schuhwerk aussuchen könne.
Der steuerliche Vertreter ergänzte, dass es keine Zuschüsse der Krankenkasse gegeben habe, weil von den Ärzten keine Ursache und keine Diagnose der Beschwerden festgestellt werden konnte. Die Krankenkasse stütze sich genauso wie die meisten Ärzte auf die Schulmedizin.
Auf den Einwand der Vertreterin des Finanzamtes, dass bei einer von einem Arzt durchgeführten Heilbehandlung die Zwangsläufigkeit steuerlich anerkannt werde, entgegnete der steuerliche Vertreter, dass es jetzt Angebote für Stoffwechselstörungen geben mag. Es gehe aber hier um das Jahr 2019. Festzuhalten sei, dass die Beschwerdeführerin auch das AKH aufgesucht habe, aber von dort ohne Behandlung weggeschickt worden sei.
Der Ehegatte merkte an, dass es für seine Frau keine andere Empfehlung für eine Behandlung gegeben habe, daher habe sie die Fastenkur ausprobiert.
Die Vertreterin des Finanzamtes hielt abschließend fest, dass alle von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Behandlungen bei einem Arzt steuerlich anerkannt worden seien.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Die Beschwerdeführerin machte im Jahr 2019 verschiedenste Krankheitskosten iHv insgesamt 5.862,95 Euro als außergewöhnliche Belastung geltend, wie etwa für einen Fastenaufenthalt im Gesundheitshotel C., Arztkosten, Fahrtkosten, Medikamente, Nahrungsergänzungsmittel etc., die im angefochtenen Einkommensteuerbescheid 2019 nur mit einem Betrag von 4.561,96 Euro (vor Abzug des Selbstbehaltes) berücksichtigt wurden. Die Beschwerdeführerin wendet sich in ihrer Beschwerde gegen die Nichtanerkennung der Behandlungskosten der Ärztin und Psychotherapeutin Dr. A1 in Höhe von 2.710,53 Euro. Diese Arzthonorare für Dr. A1 hat die Abgabenbehörde in der Beschwerdevorentscheidung anerkannt, nicht aber die Aufwendungen für einen 10-tägigen Fastenaufenthalt im Gesundheitshotel C.. Zwischen den Verfahrensparteien sind nur mehr die Aufwendungen für den Fastenaufenthalt strittig.
Die Aufwendungen für das Fastenpaket sowie die Kurtaxe für 9 Tage, eine Lymphdrainage und eine Reinigungsbehandlung im Zeitraum - beliefen sich auf einen Betrag von 1.148,90 Euro. Dazu kommen diesbezügliche Fahrtkosten von 121,80 Euro.
Den Fastenaufenthalt hat die Beschwerdeführerin - nach ihrem glaubhaften Vorbringen - absolviert, um eine Verbesserung ihrer schmerzhaften Hautrisse an beiden Fersen zu erreichen. Die Besserung hat sich auch eingestellt. Die nachfolgenden Behandlungen bei Dr. A1 bezogen auf eine Stoffwechselstörung (12 Behandlungen im Zeitraum März - Juni 2019) sind ebenfalls im Zusammenhang mit der Hautveränderung an den Füßen gestanden.
Mit einem Arztbrief vom von Dr. A2, Ärztin für Allgemeinmedizin, wird eine chronische Erkrankung der Beschwerdeführerin bestätigt, bei der bisher eine medizinische Therapie zu keiner Besserung führe. Jedoch bringe die jährliche zehntägige Kur mit Heilfasten eine deutliche Besserung des Leidens und eine signifikante Schmerzlinderung. Diese Heilfastenkur sei medizinisch angebracht.
Ein weiteres ärztliches Attest von Dr. A3, Ärztin für Allgemeinmedizin, vom stellt eine übermäßige Verhornung und schmerzhafte Rissbildung an beiden Fersen fest. Nach diversen Untersuchungen und Medikamenten habe die Ursache nicht ergründet werden können. Nach Angabe der Beschwerdeführerin helfe nur Heilfasten.
Eine vor Antritt des Fastenaufenthaltes () ausgestellte ärztliche Verschreibung, aus der sich die medizinische Notwendigkeit einer Fastentherapie ergibt, liegt nicht vor. Auch Zuschüsse der gesetzlichen Sozialversicherung wurden nicht geleistet.
2. Beweiswürdigung
Heilfasten kann nicht nur präventiv, sondern auch zur Therapie von bestimmten Krankheiten angewendet werden (siehe Wikipedia und deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V., www.dge.de).
Festzustellen ist aber, dass im Gesundheitshotel C., wo die Beschwerdeführerin die Fastentage absolviert hat, Heilfasten zur Gesundheitsvorsorge angewendet wird.
Der Homepage des Gesundheitshotels C. lässt sich entnehmen, dass
- die Aufenthalte ohne ärztliche Betreuung (aber mit "professioneller Fastenbegleitung") erfolgen,
- der Inhalt des "Fastenpakets" nicht individuell abgestimmt auf die Bedürfnisse des Einzelnen zusammengestellt wird, sondern für jeden das gleiche Pauschalprogramm zur Verfügung steht,
- Freizeitgestaltungen/Rahmenprogramme im Fastenpaket inkludiert sind,
- es sich um "Fasten für Gesunde" handelt und die ganzheitliche Gesundheitsvorsorge betont wird.
Die ärztliche Bestätigung von Dr. A2 wurde erst zwei Jahre nach dem Fastenaufenthalt ausgestellt und ist sehr allgemein gehalten. Eine Bezugnahme auf die von der Beschwerdeführerin geschilderten Hautveränderungen fehlen. Eine Zwangsläufigkeit des Fastenaufenthaltes im Gesundheitshotel zur Linderung der Krankheit lässt sich aus dem Arztbrief nicht ableiten. Ebenso wenig ist die ärztliche Bestätigung von Dr. A3 vom , dass "nach Angabe der Bf nur Heilfasten helfe", geeignet, eine medizinische Notwendigkeit der im Jahr 2019 absolvierten Fastenkur nachzuweisen.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I.
§ 34 EStG 1988 bestimmt:
(1) Bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen sind nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss folgende Voraussetzungen erfüllen:
1. Sie muss außergewöhnlich sein (Abs. 2).
2. Sie muss zwangsläufig erwachsen (Abs. 3).
3. Sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4).
Kurkosten können nach einhelliger Rechtsansicht von Lehre und Judikatur als außergewöhnliche Belastung im Sinne der angeführten gesetzlichen Bestimmung anerkannt werden, wenn der Kuraufenthalt
• in direktem Zusammenhang mit einer Krankheit steht,
• aus medizinischen Gründen erforderlich ist und
• ein bestimmtes, unter ärztlicher Aufsicht und Betreuung durchgeführtes Heilverfahren Anwendung findet (Doralt, EStG, Tz 78 zu § 34, Stichwort "Kurkosten"; ).
Nicht jeder auf ärztliches Anraten und aus medizinischen Gründen durchgeführte Kuraufenthalt führt also zu einer außergewöhnlichen Belastung. Der Begriff "Kur" erfordert vielmehr ein bestimmtes, unter ärztlicher Aufsicht und Betreuung durchgeführtes Heilverfahren.
Die Aufwendungen für den Kuraufenthalt müssen zwangsläufig erwachsen, wobei an den Nachweis des Vorliegens der Zwangsläufigkeit wegen der im Allgemeinen schwierigen Abgrenzung solcher Reisen von den ebenfalls der Gesundheit und Erhaltung der Arbeitskraft dienenden Erholungsreisen strenge Anforderungen gestellt werden (; ).
Erforderlich ist die Vorlage eines vor Antritt der Kur ausgestellten ärztlichen Zeugnisses (; eine nachträgliche Bestätigung des Hausarztes reicht nicht aus, ), aus dem sich die Notwendigkeit und die Dauer der Reise sowie das Reiseziel ergeben ().
Einem ärztlichen Gutachten kann es gleichgehalten werden, wenn zu einem Kuraufenthalt von einem Träger der gesetzlichen Sozialversicherung oder auf Grund beihilfenrechtlicher Bestimmungen Zuschüsse geleistet werden, da zur Erlangung dieser Zuschüsse ebenfalls in der Regel ein ärztliches Gutachten vorgelegt werden muss ().
Wesentlich ist, dass die Reise nach ihrem Gesamtcharakter ein Kuraufenthalt ist, dh eine nachweislich kurmäßig geregelte Tages- und Freizeitgestaltung aufweist und nicht bloß einen Erholungsaufenthalt darstellt ().
Für das Vorliegen der Voraussetzungen ist der Steuerpflichtige nachweispflichtig ().
Der gegenständliche Sachverhalt erfüllt diese Voraussetzungen nicht.
Nach Vorhalt der dargestellten Judikatur änderte der steuerliche Vertreter daher das Vorbringen dahingehend, dass der Fastenaufenthalt nicht als Kur im herkömmlichen Sinn, sondern als Heilbehandlung zu qualifizieren sei.
Krankheitskosten im Allgemeinen stellen eine außergewöhnliche Belastung dar, wenn sie nachweislich durch eine Krankheit des Steuerpflichtigen verursacht werden, in direktem Zusammenhang mit dieser Krankheit stehen und eine taugliche Maßnahme zur Linderung oder Heilung der Krankheit sind. Aufwendungen, die durch eine Krankheit des Steuerpflichtigen verursacht werden, sind außergewöhnlich und sie erwachsen aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig ().
Nicht jede auf ärztliches Anraten und aus medizinischen Gründen durchgeführte Gesundheitsmaßnahme führt zu einer außergewöhnlichen Belastung. Die Aufwendungen müssen vielmehr zwangsläufig erwachsen, womit es erforderlich ist, dass die Maßnahmen zur Heilung und Linderung einer Krankheit nachweislich notwendig sind (vgl zB , VwSlg 8934/F, zum Besuch eines Fitnessstudios).
Liegt eine Krankheit vor, sind abzugsfähig (siehe Wiesner/Grabner/Knechtl/Wanke, EStG, § 34 ABC der außergewöhnlichen Belastungen):
• Arzthonorare und Krankenhausgebühren, sowohl betreffend "schulmedizinische" als auch "komplementärmedizinische" Behandlungen, einschließlich Psychotherapie (vgl UFS Feldkirch , RV/0211-F/09).
• Aufwendungen für Behandlungsleistungen durch nichtärztliches medizinisches Personal, wenn diese Leistungen ärztlich verschrieben oder die Kosten teilweise von der Sozialversicherung ersetzt werden.
Im vorliegenden Fall ist im Rahmen der strittigen Fastentage keine ärztliche Behandlung erfolgt - das Gesundheitshotel bietet keine ärztliche Betreuung an. Es ist daher die vom steuerlichen Vertreter zitierte Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes (, betreffend eine von zugelassenen Ärzten angewandte - erst im Erprobungsstadium befindliche - Operationsmethode) auf eine Fastentherapie in einem Gesundheitshotel nicht anwendbar.
Behandlungen durch nichtärztliches Personal wie im vorliegenden Fall sind aber idR nur anzuerkennen, wenn diese Leistungen ärztlich verschrieben oder die Kosten teilweise von der Sozialversicherung ersetzt werden. Zum Erfordernis einer ärztlichen Verschreibung hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen:
Die Kosten ohne konkreter ärztlicher Verordnung eingenommener Vitaminpräparate und anderer Nahrungsergänzungsmittel bilden keine außergewöhnliche Belastung (vgl ).
Werden Aufwendungen ihrer Natur nach nicht ausschließlich von Kranken, sondern mitunter auch von Gesunden getätigt, um ihre Gesundheit zu erhalten, ihr Wohlbefinden zu steigern oder ihre Freizeit sinnvoll zu gestalten, ist nach dem zum Besuch eines Fitnessstudios ergangenen Erkenntnis , ein sogenanntes "vorfeldweises" ärztliches Gutachten erforderlich, um die Zwangsläufigkeit dieser Kosten zu begründen.
Eine vor Absolvierung des strittigen Fastenaufenthaltes ausgestellte ärztliche Verschreibung konnte die Bf. nicht vorweisen. Sie hat auch keinen Zuschuss der Sozialversicherung erhalten.
Wenngleich Fastenkuren auch zu Therapiezwecken absolviert werden können, richtet sich das Angebot des Gesundheitshotels C. ausdrücklich an "Gesunde" und dient der Gesundheitsvorsorge und zur Steigerung des Wohlbefindens. Aufwendungen zur Gesundheitsvorsorge stellen aber keine außergewöhnlichen Belastungen dar (). Im gegenständlichen Fall sind daher strenge Anforderungen an die Nachweisführung einer medizinisch indizierten Zwangsläufigkeit zu stellen.
Festzuhalten ist auch, dass Ausgaben, die nur mittelbar mit einer Krankheit in Zusammenhang stehen, auch wenn sie sich auf den Krankheitsverlauf positiv auswirken können, keine außergewöhnliche Belastungen sind ().
Dem Einwand Seitens der Beschwerdeführerin, dass die bisher aufgesuchten Ärzte die Ursache der Krankheit nicht feststellen konnten und eine Diagnose nicht möglich gewesen sei, ändert nichts daran, dass für steuerliche Zwecke Nachweise für die Zwangsläufigkeit von geltend gemachten Kosten erforderlich sind.
Richtig ist der Hinweis der Vertreterin des Finanzamtes, dass Kosten ähnlicher Behandlungen (Fastentherapie, Behandlung von Stoffwechselstörungen), die von einem Arzt oder einer Kuranstalt der Sozialversicherung durchgeführt werden, sehr wohl als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden können. Es ist davon auszugehen, dass auch im Streitjahr 2019 solche Behandlungen bereits angeboten wurden, war doch die Beschwerdeführerin bei Dr. A1 wegen Stoffwechselerkrankung in Behandlung.
Wie bereits oben ausgeführt, sind die vorliegenden ärztlichen Bestätigungen, die lang nach dem Fastenaufenthalt ausgestellt wurden, zum Nachweis der Zwangsläufigkeit nicht geeignet. Auch wenn die Fastentherapie eine Besserung des Leidens bewirkt hat, reicht ein der Gesundheit förderlicher Aufenthalt für die Anerkennung als außergewöhnliche Belastung nicht aus ().
Die Beschwerde war daher bezüglich der Aufwendungen für Heilfasten (1.270,70 Euro inklusive Fahrtkosten) abzuweisen.
Die Arzthonorare an Dr. A1 in Höhe von 2.710,53 Euro hat die Bf durch Rechnungen belegt und sind diese als ärztliche Behandlung wie bereits in der Beschwerdevorentscheidung anzuerkennen.
Was den Beschwerdepunkt betreffend die Nichtberücksichtigung von Sonderausgaben anbelangt, so wurde der geltend gemachte Betrag von 2.388,79 Euro in der Beschwerdevorentscheidung im Rahmen des Sonderausgabenviertels bereits berücksichtigt. In diesem - nicht mehr strittigen Punkt - wird der Beschwerde Folge gegeben.
Insgesamt wird somit spruchgemäß der Beschwerde im Sinne der Beschwerdevorentscheidung teilweise stattgegeben.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen dieses Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision nicht zulässig, da die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, da sich das Erkenntnis an die umfangreiche, einheitliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes anlehnt. Im Vordergrund stehen Fragen der Beweiswürdigung.
Wien, am
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 34 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2023:RV.7102258.2021 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at