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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 27.09.2023, RV/3100271/2023

Besteuerung einer Altersrente aus einer deutschen gesetzlichen Sozialversicherung; Progressionsvorbehalt

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Josef Ungericht in der Beschwerdesache des ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2020, zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der festgesetzten Abgabe ist dem am Ende der Entscheidungsgründe dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bildet einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer (in der Folge kurz: Bf.) hat seinen Wohnsitz in Österreich und bezog im Jahr 2020 deutsche Pensionseinkünfte. In der beim Finanzamt eingereichten Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2020 (datiert mit ; eingegangen beim Finanzamt am ), welcher auch die deutschen Rentenbescheide angeschlossen waren, erklärte der Bf. unter der KZ 359 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (ausschließlich Pensionsbezüge), für die Österreich das Besteuerungsrecht zustehe, von 5.704,92 €. Unter der KZ 453 erklärte der Bf. weiters unter Progressionsvorbehalt steuerbefreite Auslandseinkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 25.363,80 € (ausschließlich ausländische Pensionseinkünfte). Das Finanzamt hat den Einkommensteuerbescheid 2020 in Abweichung der eingereichten Abgabenerklärung am an den Bf. erlassen. Begründend führte das Finanzamt an, bei Ermittlung des Steuersatzes seien ausländische Einkünfte in Höhe von € 27.014,84 berücksichtigt worden.

2. In der vom Bf. eingebrachten Beschwerde vom gegen den Einkommensteuerbescheid 2020 vom wurde vom Bf. bemängelt, dass sein "deutsches Einkommen" zur Berechnung des Steuersatzes mit € 27.014,84 angesetzt worden sei, wogegen er aber nur € 25.363,80 angegeben und belegt habe.

3. In der Beschwerdevorentscheidung des Finanzamtes vom wurden die unter Progressionsvorbehalt steuerbefreiten Auslandseinkünfte zur Ermittlung des Durchschnittssteuersatzes in Höhe von € 27.740,74 zum Ansatz gebracht. Als Begründung hat das Finanzamt dazu angegeben:
"Die von der deutschen Steuerbehörde gemeldete Rente ist gem. Art. 18 Abs. 2 (Art. 23 Abs. 2 lit. d) DBA mit Deutschland in Österreich als Ansässigkeitsstaat zur Berechnung des Progressionssteuersatzes heranzuziehen. Diese Einkünfte wurden in Höhe der gemeldeten Beträge (€ 28.466,64) angesetzt. Der Arbeitgeber Zuschuss zur Krankenversicherung in Höhe 2,55% (€ 725,90) wurde zusätzlich als Bezug angesetzt. Der Krankenversicherungsbeitrag in Österreich gem. § 73a ASVG in Höhe von 5,1% (€ 1.481,80) wurde als Werbungskosten in Abzug gebracht.

Es liegen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit im Sinne des § 25 Abs. 1 Z 3 lit. c EStG 1988 vor, die in voller Höhe in den Progressionsvorbehalt eingehen. Teile der Pension die in Deutschland aufgrund dortiger Regelungen steuerfrei sind können in Österreich nicht für die Berechnung des Progressionsvorbehalt in Abzug gebracht werden (vergl. )."

4. Dagegen hat der Bf. einen Vorlageantrag vom eingebracht und gegen die Beschwerdevorentscheidung vom vorgebracht:

"1 … Nach wie vor halte ich Ihr Vorgehen in meinem Fall jedoch nicht für angemessen. Ich beziehe ausschließlich Renten in Deutschland und bin in Deutschland krankenversichert. Ich bin nicht Arbeitnehmer/Grenzgänger, beziehe keine Rente in Österreich und bin hier nicht extra krankenversichert.
Da meine gesetzliche Rente in Deutschland versteuert wird, steht Ihnen das Recht zu, die deutschen Einkünfte bei der Berechnung des Steuersatzes den in Österreich besteuerten Einkünften zuzuschlagen. Das bedeutet nach meinem Dafürhalten Rente minus Kranken- und Pflegeversicherung (Sonderausgaben).
Ein Teil der Rente ist in Deutschland steuerfrei, das brauchen sie nicht zu berücksichtigen. Die angefallenen Sonderausgaben wohl schon.
Bei Ihrer Berechnung bezahle ich indirekt Steuern auf Einkommen, das ich gar nicht erhalten habe. Das widerspricht meinem Verständnis von Steuergerechtigkeit.
Ich beantrage deshalb hiermit die Entscheidung über diesen Teil der Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht.

2. Die Addition der Beträge in Ihrer Begründung € 28.466,64 plus € 725,90 minus €1.481,80 ergibt € 27.710,74. Sie haben ausländische Einkünfte von € 27.740,74 angesetzt, eine Differenz von € 30 zu meinen Lasten.
Ich bitte um Überprüfung und ggf. Korrektur."

5. Der eingebrachte Vorlageantrag vom wurde dem Bundesfinanzgericht am zur Entscheidung vorgelegt (Vorlagebericht des Finanzamtes vom ).

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Auf Grundlage der dem Bundesfinanzgericht vorliegenden Aktenlage und der ergänzenden Einsichtnahme in die elektronische Datenbank der Finanzverwaltung liegt der gegenständlichen Entscheidung der eingangs dargestellte Verfahrensgang als erwiesener Sachverhalt zugrunde.

Unstrittig zwischen dem Finanzamt und dem Bf. ist die Höhe der vom Bf. aus Deutschland erzielten Pensionseinkünfte, die der österreichischen Einkommensteuerpflicht unterliegen. Strittig zwischen dem Finanzamt und dem Bf. ist, in welcher Höhe die vom Bf. aus Deutschland bezogenen unter Progressionsvorbehalt steuerbefreiten Auslandseinkünfte (Pensionen aus einer ausländischen gesetzlichen Sozialversicherung) bei der Ermittlung des Durchschnittssteuersatzes anzusetzen sind.

2. Gesetzliche Grundlagen und rechtliche Würdigung

1. Gemäß § 1 Abs. 2 EStG 1988 sind jene natürlichen Personen unbeschränkt steuerpflichtig, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Die unbeschränkte Steuerpflicht erstreckt sich auf alle in- und ausländischen Einkünfte.

Nach § 2 Abs. 1 EStG 1988 ist der Einkommensteuer das Einkommen zugrunde zu legen, das der Steuerpflichtige innerhalb eines Kalenderjahres bezogen hat.

Nach § 2 Abs. 2 EStG 1988 ist Einkommen der Gesamtbetrag der Einkünfte aus den im Abs. 3 aufgezählten Einkunftsarten nach Ausgleich mit Verlusten, die sich aus einzelnen Einkunftsarten ergeben, und nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) und außergewöhnlichen Belastungen (§§ 34 und 35) sowie des Freibetrags nach § 105.

Nach § 2 Abs. 3 Z 4 EStG 1988 unterliegen der Einkommensteuer Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 25).

Soweit im Einkommen oder bei Berechnung der Steuer ausländische Einkünfte zu berücksichtigen sind, gilt nach § 2 Abs. 8 Z 1 EStG 1988, dass für die Ermittlung der ausländischen Einkünfte die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes maßgebend sind.

Gemäß § 25 Abs. 1 Z 1 lit. a EStG 1988 sind Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit Bezüge und Vorteile aus einem bestehenden oder früheren Dienstverhältnis.

Gemäß § 25 Abs. 1 Z 3 lit. a EStG 1988 sind Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit Pensionen aus der gesetzlichen Sozialversicherung.

Gemäß § 25 Abs. 1 Z 3 lit. c EStG 1988 sind Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit Pensionen aus einer ausländischen gesetzlichen Sozialversicherung, die einer inländischen gesetzlichen Sozialversicherung entspricht.

Gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen. Werbungskosten sind bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind.

Gemäß § 16 Abs. 1 Z 4 lit. a EStG 1988 sind Werbungskosten auch Beiträge des Versicherten zur Pflichtversicherung in der gesetzlichen Sozialversicherung.

Gemäß § 16 Abs. 1 Z 4 lit. f EStG 1988 sind Werbungskosten auch Beiträge von Arbeitnehmern zu einer ausländischen Pflichtversicherung, die einer inländischen gesetzlichen Sozialversicherung entspricht.

2. Das ABKOMMEN zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen, BGBl. III Nr. 182/2002 idF BGBl. III Nr. 32/2012, (kurz: DBA-Deutschland), lautet auszugsweise:

"Art. 4 (1) Im Sinne dieses Abkommens bedeutet der Ausdruck "eine in einem Vertragsstaat ansässige Person" eine Person, die nach dem Recht dieses Staates dort auf Grund ihres Wohnsitzes, ihres ständigen Aufenthalts, des Ortes ihrer Geschäftsleitung oder eines anderen ähnlichen Merkmals steuerpflichtig ist, und umfasst auch diesen Staat, seine Gebietskörperschaften und andere juristische Personen des öffentlichen Rechts. Der Ausdruck umfasst jedoch nicht eine Person, die in diesem Staat nur mit Einkünften aus Quellen in diesem Staat oder mit in diesem Staat gelegenem Vermögen steuerpflichtig ist.

Art. 18 (1) Erhält eine in einem Vertragsstaat ansässige Person Ruhegehälter und ähnliche Vergütungen oder Renten aus dem anderen Vertragsstaat, so dürfen diese Bezüge nur im erstgenannten Staat besteuert werden.

(2) Bezüge, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus der gesetzlichen Sozialversicherung des anderen Vertragsstaats erhält, dürfen abweichend von vorstehendem Absatz 1 nur in diesem anderen Staat besteuert werden.

Art. 23 (1) …

(2 ) Bei einer in der Republik Österreich ansässigen Person wird die Steuer wie folgt festgesetzt:

a) Bezieht eine in der Republik Österreich ansässige Person Einkünfte oder hat sie Vermögen und dürfen diese Einkünfte oder dieses Vermögen nach diesem Abkommen in der Bundesrepublik Deutschland besteuert werden, so nimmt die Republik Österreich vorbehaltlich der Buchstaben b und c diese Einkünfte oder dieses Vermögen von der Besteuerung aus.

d) Einkünfte oder Vermögen einer in der Republik Österreich ansässigen Person, die nach dem Abkommen von der Besteuerung in der Republik Österreich auszunehmen sind, dürfen gleichwohl in der Republik Österreich bei der Festsetzung der Steuer für das übrige Einkommen oder Vermögen der Person einbezogen werden."

3. Unstrittig ist, dass der Bf. seinen Wohnsitz in Österreich hat und auch im Sinne des Art. 4 Abs. 1 DBA-Deutschland in Österreich ansässig ist. In Art. 18 Abs. 2 DBA-Deutschland wird bestimmt, dass für die Bezüge, die der Bf. aus Deutschland aus der gesetzlichen Sozialversicherung erhält, das Besteuerungsrecht nur Deutschland zusteht.

In dem an den Bf. ergangenen Bescheid der Deutsche Rentenversicherung Bund wird die Rentenanpassung zum der Altersrente des Bf. wie folgt angeführt:


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Bisherige und neue Beträge im Vergleich
Bisheriger Betrag
Betrag ab
EUR Ct
EUR Ct
Ihre monatliche Rente beträgt
2.332,00
2.412,44
- Ihr Anteil am Beitrag zur Krankenversicherung
- 170,23
- 176,11
- Ihr Anteil am Zusatzbeitrag zur Krankenversicherung
- 12,82
- 13,27
- Ihr Beitrag zur Pflegeversicherung
- 71,13
- 73,58
Die laufende Zahlung beträgt
2.077,82
2.149,48

Zutreffend gehen das Finanzamt und auch der Bf. davon aus, dass es sich bei der Altersrente der Deutsche Rentenversicherung Bund um Bezüge aus einer ausländischen gesetzlichen Sozialversicherung handelt, die einer inländischen gesetzlichen Sozialversicherung entspricht (§ 25 Abs. 1 Z 3 lit. c EStG 1988; Art. 18 Abs. 2 DBA-Deutschland).

Soweit im Einkommen oder bei Berechnung der Steuer ausländische Einkünfte zu berücksichtigen sind, gilt nach § 2 Abs. 8 Z 1 EStG 1988, dass für die Ermittlung der ausländischen Einkünfte die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes maßgebend sind.

Gemäß § 16 Abs. 1 Z 4 lit. f EStG 1988 sind Werbungskosten auch Beiträge von Arbeitnehmern zu einer ausländischen Pflichtversicherung, die einer inländischen gesetzlichen Sozialversicherung entspricht.

Aus der o.a. Aufstellung ergibt sich, dass der Bf. Beiträge zur Krankenversicherung, Zusatzbeiträge zur Krankenversicherung und Beiträge zur Pflegeversicherung zu tragen hat. Seitens des Finanzamtes wurden diese Pflichtversicherungsbeiträge bei Erlassung des beschwerdegegenständlichen Einkommensteuerbescheides 2020 vom nicht berücksichtigt. Anders ergibt sich allerdings aus § 16 Abs. 1 Z 4 lit. f EStG 1988, dass diese gesetzlichen Pflichtversicherungsbeiträge bei Ermittlung der aus Deutschland von der Deutsche Rentenversicherung Bund bezogenen Pensionseinkünfte als abzugsfähige Werbungskosten zu berücksichtigen sind (vgl. zB BFG, , RV/3100920/2019; ).

Unter Beachtung der gegebenen Rechtslage ergeben sich hinsichtlich der vom Bf. aus Deutschland von der Deutsche Rentenversicherung Bund bezogenen Altersrente Einkünfte in Höhe von € 25.363,80 (= 2.077,82 x 6 Monate + 2.149,48 x 6 Monate; siehe o.a. Tabelle). In der vom Bf. beim Finanzamt eingereichten Einkommensteuererklärung (Arbeitnehmerveranlagung) 2020 (eingegangen beim Finanzamt am ) wurde dieser Betrag vom Bf. auch erklärt.

Die Berechnung der Einkommensteuer für 2020 ist dem beiliegenden Berechnungsblatt zu entnehmen.

Aus diesen Gründen war die vorliegende Beschwerde vom Bundesfinanzgericht stattgebend zu erledigen.

3. Zulässigkeit der Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Fall wurde von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht abgewichen bzw. ergeben sich die Rechtsfolgen unmittelbar und eindeutig aus den gesetzlichen Bestimmungen, weshalb eine Revision nicht zuzulassen war.

Insgesamt war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 1 Abs. 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 2 Abs. 8 Z 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 16 Abs. 1 Z 4 lit. f EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Art. 4 Abs. 1 DBA D (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. III Nr. 182/2002
Art. 18 Abs. 2 DBA D (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. III Nr. 182/2002
§ 25 Abs. 1 Z 3 lit. c EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.3100271.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at