zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
Säumnisbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 29.09.2023, RS/2100022/2023

Angeblicher Antrag nach § 299 BAO - behauptete Säumnis, Zurückweisung der Säumnisbeschwerde mangels bestehender Entscheidungspflicht (behaupteter Einwurf in den Postkasten der Abgabenbehörde)

Entscheidungstext

Beschluss

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Martin C. WITTMANN in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Lang & Partner Steuerberatung GmbH & Co KG, Kapfenstein 123, 8353 Kapfenstein, über die Beschwerde der beschwerdeführenden Partei vom wegen behaupteter Verletzung der Entscheidungspflicht durch das Finanzamt Österreich betreffend Antrag auf Bescheidaufhebung gem § 299 BAO vom hinsichtlich der Bescheide Umsatzsteuer 2019 und Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO 2019, jeweils vom , Steuernummer ***BF1StNr1*** beschlossen:

Die Säumnisbeschwerde wird gemäß § 284 Abs. 7 lit. b iVm § 260 Abs. 1 lit. a BAO als unzulässig zurückgewiesen.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

Die ***Bf1*** (im Folgenden: Bf) hat mit Eingabe vom gem § 284 Abs 1 BAO eine Säumnisbeschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht über den Antrag der Bf auf Bescheidaufhebung gem § 299 BAO betreffend den Bescheid über die Feststellung von Einkünften gem § 188 BAO 2019 sowie betreffend USt-Bescheid 2019 (jeweils vom ) der belangten Behörde erhoben.

Die Säumnisbeschwerde langte beim BFG am ein.

Mit Beschluss vom trug das BFG dem Finanzamt gem § 284 Abs 2 BAO auf, innerhalb von drei Monaten ab Einlangen der Beschwerde den säumigen Bescheid zu erlassen und eine Abschrift der Entscheidung vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Pflicht zur Erlassung des Bescheides nicht oder nicht mehr vorliegt.

§ 284 BAO lautet auszugsweise:

(1) Wegen Verletzung der Entscheidungspflicht kann die Partei Beschwerde (Säumnisbeschwerde) beim Verwaltungsgericht erheben, wenn ihr Bescheide der Abgabenbehörden nicht innerhalb von sechs Monaten nach Einlangen der Anbringen oder nach dem Eintritt zur Verpflichtung zu ihrer amtswegigen Erlassung bekanntgegeben werden. Hiezu ist jede Partei befugt, der gegenüber der Bescheid zu ergehen hat.

(2) Das Verwaltungsgericht hat der Abgabenbehörde aufzutragen, innerhalb einer Frist von bis zu drei Monaten ab Einlangen der Säumnisbeschwerde zu entscheiden und gegebenenfalls eine Abschrift des Bescheides vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht oder nicht mehr vorliegt. Die Frist kann einmal verlängert werden, wenn die Abgabenbehörde das Vorliegen von in der Sache gelegenen Gründen nachzuweisen vermag, die eine fristgerechte Entscheidung unmöglich machen. Wird der Bescheid erlassen oder wurde er vor Einleitung des Verfahrens erlassen, so ist das Verfahren einzustellen.

(7)Sinngemäß sind anzuwenden:

a)§ 256 Abs. 1 und 3 (Zurücknahme der Beschwerde),

b)§ 260 Abs. 1 lit. a (Unzulässigkeit),

c)§ 265 Abs. 6 (Verständigungspflichten),

d)§ 266 (Vorlage der Akten),

e)§ 268 (Ablehnung wegen Befangenheit oder Wettbewerbsgefährdung),

f)§ 269 (Obliegenheiten und Befugnisse, Ermittlungen, Erörterungstermin),

g)§§ 272 bis 277 (Verfahren),

h)§ 280 (Inhalt des Erkenntnisses oder des Beschlusses).

Innerhalb der vom BFG festgelegten Frist teilte das Finanzamt am mit, dass bis dato der behauptete Antrag auf Aufhebung gem § 299 BAO vom beim Finanzamt nicht eingelangt ist. Die belangte Behörde beantragte die Zurückweisung der Säumnisbeschwerde. Zur Begründung führte diese aus, dass eine Recherche bei der zuständigen Verfahrensbetreuung diese Tatsache bestätigt. Dem Schreiben wurde als Beilage das Ergebnis der Recherche der zuständigen Verfahrensbetreuung der Finanzverwaltung vom angefügt.

Mit Vorhalt vom brachte das BFG der Bf den Schriftsatz des Finanzamtes samt Beilage zur Kenntnis und teilte ihr mit, dass sich aus den vorliegenden Verwaltungsakten kein Hinweis dafür entnehmen lässt, dass ein Antrag auf Bescheidaufhebung gem § 299 BAO betreffend den Bescheid über die Feststellung von Einkünften gem § 188 BAO 2019 sowie betreffend USt-Bescheid 2019 eingebracht wurde. Gleichzeitig wurde ihr Gelegenheit zu einer Stellungnahme gegeben.

Die Bf beantwortete den Vorhalt des mit Schriftsatz vom . Darin führte sie aus, dass die stV den Antrag gem § 299 BAO am in den Postkasten des FAÖ, Dienststelle Oststeiermark, am Standort in Feldbach eingeworfen habe. Die Bf räumte ein, dass es beim Postkasten der belangten Behörde keinerlei Möglichkeit gebe, eine Bestätigung bzw einen Eingangsstempel zu erhalten. In einer Beilage übermittelte sie dem BFG eine Postliste der stV der Bf, aus der sich ergebe, dass die stV für weitere andere Klienten (gemeinsam mit dem verfahrensggst behaupteten Antrag gem § 299 BAO für die Bf) Anträge, Eingaben, etc an das Finanzamt in einem Kuvert in den Finanzamtspostkasten eingeworfen habe. Diese Eingaben seien von der belangten Behörde ihren Recherchen zufolge mit Eingangsdatum jeweils vom protokolliert worden.

Anträge auf Bescheidaufhebung gem § 299 BAO sind Anbringen zur Geltendmachung von Rechten iSd § 85 BAO, die grundsätzlich schriftlich oder im Wege automationsunterstützter Datenübertragung einzureichen sind. Nach st Rsp des VwGH wird ein Anbringen nur dann als eingebracht angesehen, wenn es der Behörde wirklich behändigt worden, dieser also tatsächlich zugekommen ist (zB ; idS auch Ritz/Koran, BAO7, 2021, § 85, Rz 4 f; ). Diesbzgl ist die Partei beweispflichtig (vgl nur ).

Gem dem im Abgabenverfahren vorherrschenden Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 167 BAO) genügt nach st Rsp des VwGH, von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt (zB ; vlg auch die in Ritz/Koran, BAO7, 2021, § 167, Rz 8 zitierte Rsp des VwGH).

In seiner Stellungnahme vom hat das Finanzamt mitgeteilt, dass kein diesbzgl Antrag nach § 299 BAO eingebracht wurde. Auch die von der Bf und vom Finanzamt vorgelegten Unterlagen bringen keinen gegenteiligen Nachweis.

Das BFG sieht es daher als erwiesen an, dass der in der Säumnisbeschwerde als unerledigt gerügte Antrag auf Bescheidaufhebung gem § 299 BAO hinsichtlich der Bescheide USt 2019 und Feststellung von Einkünften gem § 188 BAO 2019 bei der Abgabenbehörde nicht eingebracht wurde, der Nachweis der Einreichung eines solchen nicht erbracht wurde.

Ob die stV der Bf für andere Klienten gleichzeitig mit dem als in den Postkasten des Finanzamtes eingeworfen behaupteten verfahrensggst Antrag gem § 299 BAO andere Eingaben in einem Kuvert en bloc eingeworfen habe, wobei alle anderen Eingaben der belangten Behörde zugegangen seien, ist in casu angesichts der oben dargestellten st Rsp des VwGH irrelevant. Entscheidend ist nämlich, ob das konkrete in Streit stehende Schriftstück der Abgabenbehörde zugegangen ist oder nicht. Die Bf gibt selbst zu, dass es beim Briefkasteneinwurf des Finanzamtes keine Bestätigung oder keinen Eingangsstempel als Nachweis dafür gibt, dass die Bf den Antrag tatsächlich am bei der belangten Behörde eingebracht hat. Wie oben dargestellt, ist die Bf nach der st höchstgerichtlichen Jud beweispflichtig dafür, dass ihr Anbringen der Behörde wirklich behändigt worden, dieser also tatsächlich zugekommen ist. Nur dann wird dieses als eingebracht angesehen. Die von der Bf vorgelegten Unterlagen stellen einen solchen von der Jud geforderten Beweis nicht dar. In freier Beweiswürdigung schenkt das BFG daher auch den Aussagen der Finanzamtsvertreter mehr Glauben, aus denen sich kein Anhaltspunkt ergibt, dass diese wahrheitswidrige Angaben zum behaupteten Eingang des Antrages gem § 299 BAO gemacht hätten.

Zudem erachtet es das BFG in freier Beweiswürdigung als unglaubwürdig, dass alle Schriftstücke der anderen Klienten, die die stV in einem (Sammel-)Kuvert in den Postkasten der belangten Behörde eingeworfen hat, beim Finanzamt auch tatsächlich eingegangen sind und protokolliert wurden, nur der streitggst Antragder Bfnicht. Nach allgemeiner Lebenserfahrung erscheint es viel plausibler, dass die stV einen solchen Antrag für die Bf nie eingereicht hat.

Weiters geht das Vorbringen der stV, wonach der dem BFG als Beilage übermittelten Postliste ("Versandart: Einwurf Postkasten") vom zu entnehmen sei, dass die "anderen Poststücke" beim Finanzamt mit Eingangsdatum erfasst worden seien, weswegen die stV davon ausgehe, dass die eingereichten Unterlagen betreffend die Bf beim Finanzamt "untergegangen" seien, ins Leere, zumal dieser Postliste der stV vier Namen anderer Klienten der stV zu entnehmen sind, nicht jedoch der Name der Bf, woraus zu schließen ist, dass die stV gerade nicht den behaupteten verfahrensggst Antrag gem § 299 BAO für die Bf in den Postkasten der belangten Behörde eingeworfen hat.

Besteht für das Finanzamt überhaupt keine Entscheidungspflicht, kann keine Verletzung gem § 284 BAO durch die belangte Behörde vorliegen und ist die Beschwerde zurückzuweisen (zB ; vgl auch Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3, 2014, § 284, Anm 12 und E 43; Ritz/Koran, BAO7, 2021, § 284, Rz 12). Da in casu für das Finanzamt keine Entscheidungspflicht bestand und somit die behauptete Säumnis nicht eingetreten sein kann, war die Säumnisbeschwerde gem § 284 Abs 7 lit b iVm § 260 Abs 1 lit a BAO als unzulässig zurückzuweisen.

Zur Unzulässigkeit einer Revision

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die ordentliche Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Beschluss von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im ggst Fall ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig, weil sich die Rechtsfolge der Zurückweisung der Säumnisbeschwerde unmittelbar aus § 284 Abs 7 iVm § 260 Abs 1 BAO ergibt, der Beschluss der zitierten Rsp des VwGH folgt und in casu keine Rechtsfrage, sondern eine Tatsachenfrage in freier Beweiswürdigung zu lösen war.

Graz, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 284 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 85 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RS.2100022.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at