Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 25.09.2023, RV/7105814/2015

Verdeckte Ausschüttungen und Kapitalertragsteuer

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Senatsvorsitzende***SenV***, die Richterin***SenRi2*** sowie die fachkundigen Laienrichter ***SenLR1*** und ***SenLR2*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Mag. Helmuth Haderer RA, Bahngasse 6, 2500 Baden, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Baden Mödling vom betreffend Kapitalertragsteuer 2008, Kapitalertragsteuer 2009 und Kapitalertragsteuer 2010 Steuernummer ***BF1StNr1*** nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am in Anwesenheit der Schriftführerin ***Sf*** zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird stattgegeben. Die angefochtenen Bescheide werden ersatzlos aufgehoben.

II. Gemäß Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) ist die ordentliche Revision nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer (Bf.) ist Alleingesellschafter-Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH).

2. Bei der GmbH fand eine Außenprüfung statt. Tz. 2 des Außenprüfungsberichtes vom war mit "verdeckte Ausschüttungen" überschrieben und betraf die Streitjahre 2008 bis 2010. Der Außenprüfer ging von aus, dass die GmbH verdeckt an den Bf. ausgeschüttet hatte und berechnete die auf die verdeckten Ausschüttungen entfallende Kapitalertragsteuer wie folgt:

[...]

3. Das Finanzamt erließ bei der GmbH prüfungskonforme Körperschaftsteuerbescheide 2008 bis 2010 und veranlagte damit auch die verdeckten Ausschüttungen 2008 bis 2010.

Die auf die verdeckten Ausschüttungen entfallende Kapitalertragsteuer wurde in den jetzt angefochtenen Bescheiden betreffend Festsetzung der Kapitalertragsteuer 2008 bis 2010 festgesetzt. Im Begründungsteil der Bescheide wurde auf den Außenprüfungsbericht vom , den Firmennamen der GmbH und deren Steuernummer verwiesen.

Die Bescheide wurden am zugestellt, waren innerhalb 1 Monats ab Zustellung mit Beschwerde anfechtbar und wurden innerhalb offener Rechtsmittelfrist mit der Beschwerde vom , eingebracht am , angefochten.

4. In der Beschwerde vom beantragte der Bf. die mündliche Senatsverhandlung, bestritt, dass die GmbH verdeckt an ihn ausgeschüttet hatte und beantragte, die jetzt angefochtenen Bescheide aufzuheben.

5. Mit der Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde abgewiesen. Die Beschwerdevorentscheidung wurde innerhalb offener Beschwerdefrist mit dem Vorlageantrag vom , eingebracht am , angefochten.

6. Aus der Niederschrift über die mündliche Senatsverhandlung:

In der mündlichen Senatsverhandlung vom wurden das Beschwerdeverfahren der GmbH und das Beschwerdeverfahren des Bf. bis zur Beratung verbunden und danach wieder getrennt. Die Verfahrensparteien brachten vor:

"Steuerliche Vertretung: Außer Streit gestellt werden Luxustangente, Hotelrechnung, Verjährung von Umsatzsteuer und Körperschaftsteuer. Betreffend verdeckte Ausschüttung wird vorgebracht, es habe keine Kick-Back-Zahlungen an den Bf. gegeben. Die Kapitalertragsteuer-Festsetzung sei verjährt. Die Bescheide seien nicht begründet. Es werde nur auf einen Außenprüfungsbericht verwiesen, der den angefochtenen Bescheiden nicht beigelegt war. Die Bescheide ergingen zu einer anderen Steuernummer. Sie wurden an den Bf. persönlich zugestellt und hätten an seinen Steuerberater zugestellt werden müssen. Die Kapitalertragsteuer sei richtigerweise der GmbH vorzuschreiben falls sie tatsächlich vorzuschreiben ist. Dass der Bf. keine Kick-Back-Zahlungen erhalten habe, beweise sein nicht aufwendiger Lebensstil.

Eine Stellungnahme im Beschwerdeverfahren der GmbH und eine Stellungnahme im Beschwerdeverfahren des Bf. werden vorgelegt. Sie werden zum Akt genommen.

Die Stellungnahmen zusammenfassend und ergänzend wird vorgebracht: … dass die Beträge laut Niederschrift und Außenprüfungsbericht nicht übereinstimmen.

Finanzamt: Der angewendete § 95 Abs 4 EStG besagt, dass eine Direktvorschreibung zulässig ist. Alle Begründungsmängel sind im Rechtsmittelverfahren sanierbar. Die Kapitalertragsteuer ist eine Erhebungsform der Einkommensteuer. Sie ist daher nicht verjährt. Der Lebensstil ist nicht Bestandteil des Tatbildes einer verdeckten Ausschüttung. Die Finanzkrise 2008 beweise nicht, dass keine Umsätze in der vorgeschriebenen Höhe stattgefunden haben.

Die steuerliche Vertretung bringt vor, dass die Voraussetzungen von § 95 Abs 4 EStG nicht vorliegen und der Anspruch bei der GmbH durchsetzbar ist.

Steuerliche Vertretung: Es gibt keinerlei Beweise oder Indizien für Kick-Back-Zahlungen.

Das Finanzamt bringt vor, dass in den vorgelegten Unterlagen eine neue Mengenrechnung enthalten ist. Sollte sie vom Senat als relevant betrachtet werden, wird schon jetzt die Vertagung der Senatsverhandlung beantragt.

Es ergeht der Beschluss, dass über den Vertagungsantrag bei der Beratung abgestimmt wird.

Steuerliche Vertretung: Ab 2009 haben Einkäufe stattgefunden. Die GmbH war steuerehrlich. Die Buchhaltung machte der damalige Steuerberater. Die angeblichen Scheinfirmen hatten zum Teil Millionenumsätze lt. deren Außenprüfungsberichten und konnten deshalb die verrechneten Leistungen erbringen. Alle eingehenden Zahlungen auf den Konten der angeblichen Scheinfirmen wurden zur Gänze abgehoben. Es gebe keinen Nachweis oder auch nur Indizien dafür, dass etwas von diesen Zahlungen an die Bf. oder ihre Gesellschafter zurückgeflossen ist.

Finanzamt: Warum Palettenlieferungen aus unbekannten Quellen angenommen worden sind, kann nur der Außenprüfer sagen.

Das Finanzamt beantragt, den damaligen Außenprüfer ... zum Thema Mengenrechnung und zu den Gegendarstellungen betreffend die Mengenrechnung im heute vorgelegten Konvolut als Zeugen einzuvernehmen. Steuerliche Vertretung: Dem Antrag schließen wir uns an.

Die im Prüfungsbericht aufgezählten Firmen haben für die in Frage kommenden Rechnungszeiträume keine Umsatzsteuer gemeldet. Es liegen somit jedenfalls Finanzvergehen betreffend die Umsatzsteuer im Sinne von § 12 Abs 1 Z 1 vorletzter Satz UStG vor. Genau das wird in der heute überreichten Stellungnahme auf Seite 3 unter Punkt 6 zugestanden. Mit der Formulierung "möglicherweise" in Verbindung mit den übrigen Feststellungen zu den genannten Firmen ist klar ersichtlich, dass kaufmännische Sorgfaltspflichten im Geschäftsverkehr mit eben diesen Firmen eben außer Acht gelassen wurden. Das wurde in der Aussage des Rechtsvertreters auf den Punkt gebracht: "Er hat sich nicht gekümmert wo sie herkommen die Paletten" bzw. "ja das stimmt, es gab keine Lieferscheine, das war nicht sorgfältig". Es geht nicht darum, dass die GmbH eine Betrugsfirma ist, oder sich selbst willentlich am Betrug beteiligt hat, sondern es geht darum, dass die zumutbare Sorgfalt nicht berücksichtigt wurde, was genau der Tatbestandsbeschreibung im § 12 Abs 1 Z 1 vorletzter Satz UStG entspricht.

Es ist auch keine Entschuldigung, wenn ein Steuerberater kritiklos Belege verbucht, die ihm überreicht werden. Der Steuerberater hat die dubiosen Lieferfirmen ja nicht ausgesucht, das war schon das Unternehmen bzw. sein Geschäftsführer selbst.

Der Prüfungsauftrag vom umfasste auch die Kapitalertragsteuer von 2008 bis 2013. Es wäre zu überprüfen, ob dieser Prüfungsauftrag daher die Verjährung unterbricht.

Der Bf. wendet ein, dass der Prüfungsauftrag nur an die GmbH gerichtet ist. Ferner weisen weder die Niederschrift noch der Außenprüfungsbericht die Kapitalertragsteuer als Gegenstand der Prüfung aus. Er widerspricht, dass die zuletzt protokollierte Aussage in dieser Weise vom steuerlichen Vertreter des Bf. getätigt wurde. In keiner Weise wurde die Verletzung von Sorgfaltspflichten zugestanden. Ebenso wenig wurde behauptet, dass es keine Liefernachweise gab. Sämtliche strafrechtliche Vorwürfe einschließlich grob fahrlässige Abgabenhinterziehung sind rechtskräftig eingestellt worden, insbesondere auch aufgrund der nicht feststellbaren subjektiven Tatseite des Beschuldigten. Im Übrigen verweist der Bf. auf die hinsichtlich der Versagung des Vorsteuer-Abzuges aus formalen Gründen gemachten Ausführung unter Punkt 7 des Schriftsatzes vom heutigen Tag und der hierin gemachten Verweise von EuGH und VwGH, insbesondere der VwGH mit Erkenntnis vom , Ra 2020/13/0068-6, entschieden, dass die Steuerverwaltung vom Steuerpflichtigen selbst im Fall einer gefährdeten Branche nicht generell verlangen könne einerseits zu prüfen ob der Aussteller der Rechnung über die Gegenstände und Dienstleistungen verfügte und sie liefern konnte und seine Verpflichtungen hinsichtlich der Erklärung und Abführung der Umsatzsteuer nachgekommen ist, um sich zu vergewissern, dass auf der Ebene der Wirtschaftsteilnehmer einer vorhergehenden Umsatzstufe keine Unregelmäßigkeiten und Steuerhinterziehung vorliegen.

Der Bf. war Geschäftsführer in allen Angelegenheiten. Er kann sich nicht daran erinnern, ob das Auto geleast war oder nicht. Details müssten aber dem Anlageverzeichnis zu entnehmen sein.

Steuerliche Vertretung: Zu dem angeführten § 12 Abs 1 Z 1 - Zitat: "Der Steuerpflichtige hätte wissen müssen" ist bitte auf den branchenspezifischen Geschäftsablauf der Palettenbranche Rücksicht zu nehmen".

7. Aus den in der mündlichen Senatsverhandlung vorgelegten Stellungnahmen:

Die in der Beschwerdesache der GmbH vorgelegte Stellungnahme hat inklusive Beilagen 110 Seiten und enthält vor allem auf die Mengenberechnung sich beziehende Ausführungen.

Die in der Beschwerdesache des Bf. vorgelegte Stellungnahme hat inklusive Beilagen 14 Seiten. Er bringt vor: Er habe die Kapitalertragssteuerbescheide 2008 bis 2010 nur als nicht unterschriebene und nicht amtlich signierte Word-Dokumente erhalten. Sie seien nicht dem zustellbevollmächtigten Steuerberater zugestellt worden.

8. Im Beschwerdeverfahren der Gesellschaft gab der Senat der Beschwerde gegen die Bescheide betreffend Wiederaufnahme der Körperschaftsteuerverfahren 2008 bis 2010 statt und stellte über die laut Außenprüfung verdeckt ausgeschütteten Beträge sinngemäß fest:

(1) Werden die Netto-Rechnungsbeträge und die auf diese Netto-Rechnungsbeträge entfallende Umsatzsteuer aus den Rechnungen ***1***, ***2***, ***3***, ***4*** (nachfolgende ***4a***), ***5*** und ***6*** addiert, ist feststellbar, in welcher Höhe Vorsteuern und Betriebsausgaben nicht anzuerkennen sind, sollten diese Rechnungen Scheinrechnungen sein.

(2) Als Bemessungsgrundlage für die verdeckten Ausschüttungen wird eine Mengenberechnung verwendet, die mit dem Durchschnittspreis zumindest ein Schätzungselement enthält, dessen Grundlage nicht Aufzeichnungen und Belege der Bf. sind.

(3) Im Jahr 2010 werden die nicht als Betriebsausgaben anerkannten Nettoeinkaufspreise aus den Rechnungen der ***6*** mit den in gleicher Höhe geschätzten Nettoeinkaufspreisen für Paletten aus unbekannten Quellen gegenverrechnet, weshalb nur die auf diese Nettoeinkaufspreise entfallende Umsatzsteuer die Bemessungsgrundlage für die verdeckte Ausschüttung ist.

9. Nachdem die Entscheidung im Beschwerdeverfahren der Gesellschaft gefällt war, entschied der Senat über die Beschwerde in diesem Beschwerdeverfahren.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Der Vorlageantrag ist frist- und formgerecht eingebracht. Deshalb gilt die Beschwerde als unerledigt. Da die Beschwerde auch frist- und formgerecht eingebracht ist, ist über die Beschwerde "in der Sache" zu entscheiden.

In der Sache ist Kapitalertragsteuer strittig, deren Bemessungsgrundlage verdeckte Ausschüttungen sind, die bei jener Gesellschaft festgestellt worden sind, deren Alleingesellschafter - Geschäftsführer der Bf. ist.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH) sind verdeckte Ausschüttungen im Sinne des § 8 Abs 2 Körperschaftsteuergesetz (KStG) 1988 idgF alle außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung liegenden, nicht ohne weiteres als Ausschüttungen erkennbare Zuwendungen an die Anteilsinhaber:innen oder ihnen gleichzuhaltende Personen, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sind, die Einkünfte der Körperschaft mindern und die Dritten, dieser Körperschaft fremd gegenüber stehenden Personen nicht gewährt werden (Kirchmayer in Achatz/Kirchmayer, KStG § 8, Rz 161; ; , 98/13/0107; , 2004/15/0096; , 2007/14/0013; , 85/13/0074, 0075; , 91/14/0221; , 2005/15/0020 und , 2006/13/0069). Verdeckt ausgeschüttet wird, wenn das objektive und subjektive Tatbild einer verdeckten Ausschüttung erfüllt ist.

Nach dieser Rechtslage kann die Gesellschaft verdeckt an den Bf. ausschütten, da er ihr Allein-Gesellschafter ist, was sie jedoch nicht getan hat:

Wie der unter Punkt 8. dargestellten Sach- und Beweislage zu entnehmen ist, ist eine Mengenberechnung verwendet worden, die zumindest ein Schätzungselement enthält, um die Beträge zu ermitteln, die in den Jahren 2008 bis 2010 als verdeckte Ausschüttung festgestellt werden. Die zumindest ein Schätzungselement enthaltende Mengenberechnung zu verwenden, ist jedoch gemäß § 184 Bundesabgabenordnung (BAO idgF) nicht zulässig gewesen, da alle Nettorechnungsbeträge und die darauf entfallende Umsatzsteuer aus den Rechnungen ***1***, ***2***, ***3***, ***4*** (nachfolgende ***4a***), ***5*** und ***6*** feststellbar sind. Wird eine Bemessungsgrundlage für eine festzustellende verdeckte Ausschüttung verwendet, die nicht als Bemessungsgrundlage verwendbar ist, ist das objektive Tatbild einer verdeckten Ausschüttung nicht als erfüllt anzusehen.

Dem Beschwerdebegehren, die angefochtenen Bescheide ersatzlos aufzuheben, ist daher schon aus diesem Grund stattzugeben.

Revision

Gemäß Art 133 Abs 1 Z 4 B-VG ist die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gegen Erkenntnisse oder Beschlüsse des Bundesfinanzgerichtes zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage mit grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Eine grundsätzlich bedeutende Rechtsfrage musste das Bundesfinanzgericht nicht beantworten, da primär die Sachfrage zu beantworten war, welche Bemessungsgrundlage für die verdeckte Ausschüttung verwendet worden ist und ob sie dafür verwendet werden darf. Die (ordentliche) Revision ist daher nicht zulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 8 Abs. 2 KStG 1966, Körperschaftsteuergesetz 1966, BGBl. Nr. 156/1966
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7105814.2015

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at