Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 25.09.2023, RV/7105812/2015

Wiederaufnahme des Verfahrens – verdeckte Ausschüttungen - Scheinrechnungen

Beachte

Revision (Amtsrevision) beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2024/13/0001.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Senatsvorsitzende***SenV***, die RichterinSenRi2 sowie die fachkundigen Laienrichter ***SenLR1*** und ***SenLR2*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Mag. Helmuth Haderer RA, Bahngasse 6, 2500 Baden, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Österreich vom betreffend 1.) Wiederaufnahme der Umsatz- und Körperschaftsteuerverfahren 2008 bis 2010 und 2.) Umsatz- und Körperschaftsteuer 2008 bis 2011, Steuernummer ***BF1StNr1***, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am in Anwesenheit der Schriftführerin ***Sf*** zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde gegen die Bescheide betreffend Wiederaufnahme der Umsatz- und Körperschaftsteuerverfahren 2008 bis 2010 wird stattgegeben. Die Bescheide werden ersatzlos aufgehoben.

II. Die Bescheide betreffend Umsatz- und Körperschaftsteuer 2008 bis 2010 treten außer Kraft. Die Beschwerde gegen diese Bescheide wird gemäß § 261 BAO als gegenstandslos erklärt.

III. Der Beschwerde gegen die Bescheide betreffend Umsatz- und Körperschaftsteuer 2011 wird teilweise stattgegeben.

Die angefochtenen Bescheide werden abgeändert. Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der Abgaben sind dem Ende der folgenden Entscheidungsgründe zu entnehmen und bilden einen Bestandteil dieses Spruches.

IV. Gemäß Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) ist die ordentliche Revision nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

1. Die Beschwerdeführerin (Bf.) ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung. In den Streitjahren ist T M ihr Alleingesellschafter und Geschäftsführer.

2. Am erließ das Finanzamt den Bescheid über einen Prüfungsauftrag gemäß § 147 Bundesabgabenordnung (BAO) in Verbindung mit § 99 Abs 2 Finanzstrafgesetz (FinStrG). Der Gegenstand der Prüfung war unter anderem die Umsatz- und Körperschaftsteuer 2008 bis 2011. Der Prüfungsauftrag wurde der Bf. nachweislich am zur Kenntnis gebracht und war nicht mit einem abgesonderten Rechtsmittel anfechtbar. Der Außenprüfungsgrund waren kriminalpolizeiliche Ermittlungen über namentlich nicht genannte Gesellschaften, die angeblich Scheinrechnungen ausgestellt haben.

3. Am erließ das Finanzamt den Bescheid über einen Prüfungsauftrag gemäß § 147 Bundesabgabenordnung (BAO) in Verbindung mit § 99 Abs 2 Finanzstrafgesetz (FinStrG). Der Gegenstand der Prüfung war unter anderem die Umsatz- und Körperschaftsteuer 2008 bis 2011. Der Prüfungsauftrag wurde der Bf. nachweislich am zur Kenntnis gebracht und war nicht mit einem abgesonderten Rechtsmittel anfechtbar. Der Außenprüfungsgrund waren kriminalpolizeiliche Ermittlungen. Die angeblich Scheinrechnungen ausstellenden Gesellschaften wurden namentlich erwähnt.

4. Die Schussbesprechung der Außenprüfung fand am statt. Der Geschäftsführer der Bf. und ihr damaliger steuerlicher Vertreter waren anwesend.

5. Der Außenprüfungsbericht ist mit datiert.

6. Am erließ das Finanzamt die (außenprüfungskonformen) Bescheide betreffend Wiederaufnahme der Umsatz- und Körperschaftsteuerverfahren 2008 bis 2010 und Umsatz- und Körperschaftsteuer 2008 bis 2011.

In den Begründungsteilen der Wiederaufnahmebescheide wurde § 303 Abs 1 BAO zitiert und auf die Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung und einer darüber aufgenommenen Niederschrift verwiesen.

Die Ausführungen im Außenprüfungsbericht vom und in der Niederschrift über die Schlussbesprechung vom zusammengefasst, wurden die angefochtenen Bescheide wie folgt begründet: Im Außenprüfungsbericht vom wurde die Wiederaufnahme der Umsatzsteuerverfahren 2008 bis 2010 mit Textziffer (Tz.) 1 und die Wiederaufnahme der Körperschaftsteuerverfahren 2008 bis 2010 mit Tz. 1 bis Tz. 5 des Außenprüfungsberichtes begründet.

Der Außenprüfungsbericht vom bestand aus folgenden 6 Textziffern:

Tz. 1 war mit "Aufwand und Vorsteuerabzug von Betrugsfirmen" überschrieben und beschrieb folgendes Vorgehen: Während der Betriebsprüfung sei festgestellt worden, dass die Bf. in den Jahren 2008 bis 2011 Rechnungen von mehreren Firmen als Aufwand verbucht habe, "die nach den Ermittlungen der Kriminalpolizei, der Steuerfahndung und den jeweils zuständigen Finanzämtern als Betrugsfirmen einzustufen sind" (© Außenprüfungsbericht).

Gesellschaften mit beschränkter Haftung wurden gegründet oder übernommen und ein Scheingeschäftsführer wurde eingestellt. Die Gesellschaften meldeten Personal an, das auch bei ihren Kunden angemeldet war. Die Gesellschaften stellten Scheinrechnungen für nicht stattgefundene Personalleistungen oder Lieferungen aus. In den für die Bf. ausgestellten Rechnungen waren die Personalleistungen Hilfs- und Facharbeiterstunden und die Lieferungen Palettenlieferungen. Die Rechnungsbeträge wurden abzüglich einer Provision bar oder per Überweisung bezahlt und teilweise zurückgezahlt. Die Bf. verwendete die Rechnungen um nachzuweisen, dass sie berechtigterweise Vorsteuer umsatzsteuermindernd und berechtigterweise Betriebsausgaben gewinnmindernd abgezogen habe.

Die Firmennamen der (Schein-)Rechnungsaustellerinnen lauteten 2008 ***1***, ***2*** und ***3***. Sie lauteten 2009 ***4*** (nachfolgende ***4a***) und ***5***. Sie lauteten im Zeitraum 08/-12/2010 und 2011 ***6*** und im Zeitraum 03-11/2011 "***7***", obwohl "***7a***" die richtige Firmenbezeichnung dieser Gesellschaft sein soll.

Die in Pkt. 14 bis 17 dieser Entscheidung aufgezählten Feststellungen verwendete die Außenprüfung, um Vorsteuern und Betriebsausgaben nicht anzuerkennen, die sich wie folgt steuerlich auswirkten:

[...]

Laut Außenprüfungsbericht vom beträgt die 2009 nicht anzuerkennende Vorsteuer nicht EUR 83.210,00 sondern EUR 13.210,00, was sich wie folgt steuerrechtlich auswirkt:

Die Bf. ist daher durch die 2010 und 2011 nicht anerkannten Betriebsausgaben wegen der in gleicher Höhe gegenverrechneten geschätzten Paletteneinkäufe nicht rechtlich beschwert.

Tz. 2 war mit "verdeckte Ausschüttung" überschrieben und betraf die Streitjahre 2008 bis 2010. Der Außenprüfer ging von aus, dass die Bf. die nicht anerkannten Vorsteuern und Betriebsausgaben verdeckt an den Alleingesellschafter-Geschäftsführer T M ausgeschüttet hatte und berechnete die darauf entfallende Kapitalertragsteuer wie folgt:

Tz. 3 war mit "Inventurerhöhung" überschrieben und betraf unter anderem die Streitjahre 2008 bis 2011. Der Außenprüfer stellt fest, dass der bisher für die Handelswarenvorräte (Paletten, Kisten, Gitterboxen) in den Bilanzen angesetzte Inventurwert (beispielsweise EUR 28.620,00) zu gering sei. Deshalb wurde die Inventur für 2008 um ca. 75.000 Paletten und für das Jahr 2011 um weitere ca. 20.000 Paletten erhöht. Der durchschnittliche Wert pro Palette wurde mit EUR 4,40 angenommen. Die steuerlichen Auswirkungen wurden wie folgt berechnet:

Die Gewinnauswirkung betrug 2008 EUR 330.000,00; 2009 EUR 00,00; 2010 EUR 00,00; 2011 EUR 88.000,00 (und 2012 EUR -418.000,00).

Tz. 4 war mit "Angemessenheitsprüfung Porsche Cayenne" überschrieben und betraf die Jahre 2009 bis 2011. Der Außenprüfer stellte fest, dass die Luxustangente für den Pkw 49,4% betrug, was sich steuerrechtlich wie folgt auswirke:

Tz. 5 war mit "Hotelrechnung falsche Währung" überschrieben und betraf das Jahr 2010. Eine mit 49.271,30 serbischen Dinar ausgestellte Hotelrechnung wurde mit EUR 49.271,30 als Aufwand verbucht, weshalb der Gewinn in Höhe des Differenzbetrages EUR 48.804,85 erhöht wurde.

Tz. 6 war mit "Verjährung" überschrieben und lautete: Abgaben seien hinterzogen worden, weshalb die Verjährungsfrist nach § 207 Abs 2 BAO 10 Jahre betrage.

Die Bescheide wurden am zugestellt, waren innerhalb 1 Monats ab Zustellung mit Beschwerde anfechtbar und wurden mit der Beschwerde vom angefochten.

7. In der Beschwerde vom beantragte die Bf. die mündliche Senatsverhandlung, die Aufhebung der im Spruch dieser Entscheidung aufgezählten Bescheide und brachte einleitend vor:

Der Prüfungsauftrag gemäß § 147 BAO in Verbindung mit § 99 Abs 2 FinStrG vom wurde am zugestellt und umfasste die Jahre 2008 bis 2013. Der bei der Außenprüfung festgestellte Sachverhalt sei mangelhaft ermittelt worden. Parteiengehör sei verletzt worden, da Beweisanträge abgewiesen worden seien. Von der Bf. vorgelegte Beweismittel und ihre rechtlichen Argumente seien nicht gewürdigt worden. Aktenkundige Beweismittel seien den logischen Denkgesetzen und der allgemeinen Lebenserfahrung widersprechend gewürdigt worden. Den Bescheiden sei ein aktenwidriger Sachverhalt zugrunde gelegt worden. Die Schätzungsgrundlagen und die Schätzungsmethode seien nicht beschrieben worden. Der Wiederaufnahmegrund sei nicht konkret benannt worden. Die Abgabenfestsetzung 2008 sei verjährt und die subjektive Tatseite sei nur floskelhaft begründet worden. Auf eine - Zitat/Bf - "delikate" Vorgangsweise, um die Verjährung zu umgehen, wird verwiesen. Die Mengenrechnung sei nicht schlüssig, nicht nachvollziehbar und bestehe aus reinen Annahmen. Dass die UID-Nummern der Lieferanten ungültig waren, habe die Bf. nicht wissen können.

8. Der Betriebsprüfer äußerte sich zur Beschwerde wie folgt:

"Die [Bf.] bezieht die Paletten von zwei Arten von Bezugsquellen: 1. durch Einkäufe von Palettenhändlern bzw. Produzenten. Dabei erfolgt die Lieferung durch komplette LKW-Züge (Mengen zwischen 561 bis 700 Paletten pro LKW). Hier bewegt sich der Preis pro Palette je nach Zustand zwischen EUR 3,00 und EUR 7,00; die EUR 7,00 sind für fabriksneue Paletten. Aufgrund der Analyse der Einkäufe durch den Betriebsprüfer ergibt sich ein durchschnittlicher Einkaufspreis 2008 bis 2011 zwischen EUR 4,70 und EUR 5,80 pro Palette. 2. durch Rückgabe von Gebrauchtpaletten, meist von LKW-Fahrern aber auch von Privatpersonen. Dabei handelt es sich erstens ausschließlich um gebrauchte Paletten und zweitens um geringere Mengen, meist zwischen 5 bis 20 Stück. Der Preis ist daher niedriger als bei den unter Punkt 1 bezogenen Paletten. Die Abrechnung erfolgt durch Ausstellung einer Kassenquittung. Auf der Quittung ist jedoch nur der Rücknahmepreis, aber keine Palettenmenge angeführt. Herrn M wurde die Problematik, dass dadurch eine Mengenermittlung nicht möglich ist, mehrfach zur Kenntnis gebracht. Auszug aus der Niederschrift vom : "Betriebsprüfer: In der Belegsammlung sind Kassaquittungen über die Palettenankäufe. Es steht zwar ein Betrag aber keine Palettenanzahl drauf. Haben die Mitarbeiter die Palettenanzahl irgendwo erfasst? Antwort Herr M: Die Anzahl wurde teilweise in einem Laptop erfasst, einige Standorte haben Listen geschrieben. Ich muss noch nachschauen, ob ich die Anzahl aus den Laptop-Daten ermitteln kann. Auch [Name/damaliger Steuerberater] wird sich in die Suche einschalten".

Die erste Mengenrechnung des Betriebsprüfers wurde dann nach weiteren Besprechungen am der Firma zur Kenntnis gebracht. Weder in der Zeit zwischen und , noch in der Beantwortungsfrist für den Vorhalt vom , die mehrfach verlängert wurde, wurden genauere Angaben über die Palettenanzahl aus den Kassaquittungen nachgereicht. Die von der Betriebsprüfung ermittelten EUR 3,33 pro Palette stammen aus EDV-Daten der [Bf.] (Aufzeichnung über Umsätze 2011 und 2012, Standort ***X***), die von der Steuerfahndung sichergestellt wurden. Diese Unterlagen werden der Stellungnahme beigelegt. Darauf ist handschriftlich vom Betriebsprüfer die Ermittlung des Durchschnittspreises vermerkt. Auf den Vorwurf, dass diese rd. EUR 600.000,00 nur ca. 3% der Einkäufe entsprechen würden und somit nicht repräsentativ wären, muss entgegnet werden, dass man diese EUR 600.000,- nur auf den Kassaeinkauf beziehen darf. Dieser Kassaeinkauf beträgt 2008 bis 2011 ca. EUR 5.572.000,00, somit entsprechen die EUR 600.000,00 ca. 10,8% des Gesamtbetrags und können durchaus auf die Gesamtmenge angewendet werden.

In einem E-Mail vom wurde vom Betriebsprüfer die Mengenrechnung aufgrund von neuen Erkenntnissen und Einwendungen des geprüften Unternehmens bzw. des Steuerberaters adaptiert, wobei diese Adaptierung ausschließlich zu Gunsten des Abgabepflichtigen erfolgte. So wurden unter anderem ein höherer Inventurbestand und ein Schwund für unbrauchbare Paletten eingearbeitet.

Zusammenfassend muss die Mengenrechnung unter dem Gesichtspunkt der zwei unterschiedlichen Bezugsquellen und der dadurch unterschiedlichen Einkaufspreise betrachtet werden. Zu den Inventurwerten: Aufgrund fehlender Aufzeichnungen mussten die Inventurwerte 2008 bis 2011 geschätzt werden. Dies erfolgte jedoch in Abstimmung mit dem steuerlichen Vertreter.

Zum Punkt, dass die Fehlmengen laut Mengenrechnung nicht mit den Zurechnungen übereinstimmen: Für 2008 wurde in der Mengenrechnung eine Fehlmenge von 116.000 Stück Paletten ermittelt. Von der Betriebsprüfung wurde daraufhin der Einkauf der Betrugsfirma "***1***" von 66.537 Paletten und einem Wert von EUR 332.685,00 nicht anerkannt. In den in der Beschwerde angeführten 529.000,00 sind auch die nicht anerkannten Fremdleistungsaufwendungen ***2*** und ***3*** von ca. 196.000,00 enthalten, die jedoch nichts mit Paletteneinkäufen zu tun haben. So gesehen wurde die Fehlmenge von 116.000 Stück vom Betriebsprüfer ohnehin nur mit EUR 332.685,00 Gewinnzurechnung berücksichtigt (entspricht einem Stückpreis von 2,90).

Für 2009 wurde in der Mengenrechnung eine Fehlmenge von 13.000 Stück ermittelt. Von der Betriebsprüfung erfolgte eine Gewinnzurechnung von EUR 210.450,00 (Einkäufe der Betrugsfirmen ***4*** und ***5***), was einer Menge von 42.510 Stück entspricht. Diese mengenmäßig höhere Zurechnung konnte von der Betriebsprüfung mit den Unschärfen der Mengenrechnung und dem Umstand, dass 2008 in Relation zur Fehlmenge eine relativ geringe Wertzurechnung erfolgte, begründet werden. Aufgrund der schätzungsweisen Inventurermittlung ist eine periodengenaue Ermittlung nicht möglich und eine Verschiebung zwischen 2008 und 2009 plausibel. Berücksichtigt man die Jahre 2008 und 2009 gemeinsam, ergibt sich eine Fehlmenge laut Mengenrechnung von ca. 130.000 Stück, was für 2008 und 2009 zu nicht anerkannten Palettenrechnungen mit gesamt 109.047 Stück geführt hat (zu einem Wert von EUR 543.135,00). Das entspricht einem Stückpreis von EUR 4,98 und bewegt sich somit im Rahmen des Paletteneinkaufs von Firmen.

Für die Jahre 2010 und 2011 führte die in der Beschwerde so kritisierte Mengenrechnung sogar dazu, dass von der Betriebsprüfung der Einkauf von den Betrugsfirmen ***6*** und ***7*** aufwandsmäßig anerkannt wurde, da sich aus der Mengenrechnung eben keine wesentlichen Fehlmengen ergeben haben. Der Betriebsprüfer hat somit die Mengenrechnung zu Gunsten des Abgabepflichtigen herangezogen".

9. Mit den Beschwerdevorentscheidungen vom wurde die Beschwerde vom gegen alle im Spruch aufgezählten Bescheide abgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt:

• Die Wiederaufnahmegründe seien im Außenprüfungsbericht aufgezählt worden; die Abgabenfestsetzung 2008 sei nicht verjährt.

• Die Sachbescheide 2008 bis 2011 betreffend wurde auf fehlende Lieferpapiere, Palettenlieferungen, Arbeitsaufzeichnungen, Vereinbarungen und Verträge verwiesen und dass der Geschäftsführer nicht habe angeben können, welche Leistungen in Zusammenhang mit dem verrechneten Personalaufwand erbracht worden seien.

Zur Mengenrechnung wurde ausgeführt:

"… Der Argumentation der Beschwerdeführerin, wonach die im Zuge der Betriebsprüfung durchgeführte Mengenrechnung zum Paletteneinkauf keineswegs nachvollziehbar sei, ist zusammenfassend Folgendes entgegenzuhalten:

Wie in der anlässlich gegenständlicher Beschwerde ergangenen Stellungnahme des Außenprüfers vom umfassend ausgeführt, ist die erfolgte Mengenrechnung unter dem Aspekt der zwei völlig unterschiedlichen Bezugsquellen von Paletten, nämlich einerseits von Palettenhändlern bzw. Produzenten und andererseits durch die Rückgabe von Gebrauchtpaletten, zumeist durch Privatpersonen oder LKW-Fahrer, zu betrachten. Aus diesem Umstand resultieren folglich auch die unterschiedlichen der Mengenrechnung zugrunde liegenden Einkaufspreise. Zudem ist festzuhalten, dass der Geschäftsführer des verfahrensgegenständlichen Unternehmens trotz intensiven Hinweises auf den Umstand, dass in den in der Belegsammlung befindlichen Kassaquittungen über die Palettenankäufe (Bareinkäufe) der Gebrauchtpaletten keine Palettenanzahl hervorgegangen ist und trotz diesbezüglicher mehrmaliger Aufforderung im Zuge des weiteren Verfahrens keine genauen Angaben bezüglich der Anzahl der bezogenen Paletten machte. Der sodann den Berechnungen der Betriebsprüfung zugrunde gelegte Einkaufspreis von EUR 3,33 pro Palette resultiert aus von bei verfahrensgegenständlichem Unternehmen durch die Steuerfahndung sichergestellten Unterlagen (siehe auch Beilage zur Stellungnahme des Außenprüfers vom ).

Dem Einwand, wonach der Einkaufswert von EUR 600.000,00 als nicht repräsentativ anzusehen sei, muss aus Sicht der Abgabenbehörde insoweit widersprochen werden, als dass dieser nur auf den Kassaeinkauf in den Prüfungsjahren 2008 bis 2011 (gesamt ca. EUR 5.572.000,00) zu beziehen ist und somit mit 10,8 % des Gesamtbetrages durchaus und schlüssig auf die Gesamtmenge angewendet werden kann. Zudem sei darauf hingewiesen, dass im Rahmen der durchgeführten Mengenrechnung schließlich auch sämtliche im Zuge des Prüfungsverfahrens erfolgte Einwendungen der geprüften Firma, wie ein höherer Inventurbestand und ein Schwund für unbrauchbare Paletten, berücksichtigt wurden und somit eine entsprechende Adaptierung erfolgte.

Der Argumentation, wonach die festgehaltenen Inventurwerte reine Annahmen der Betriebsprüfung darstellen würden, ist zu entgegnen, dass die Inventurwerte infolge nicht vorhandener Aufzeichnungen in Abstimmung mit der steuerlichen Vertretung der Beschwerdeführerin im Schätzungswege ermittelt werden mussten.

Zum Vorbringen der Beschwerdeführerin, wonach die Fehlmengen laut durchgeführter Mengenrechnung nicht mit den sodann durch die abgabenbehördliche Prüfung vorgenommenen Zurechnungen übereinstimmen würden, wird an dieser Stelle auf die ausführliche Darstellung in der Stellungnahme des Betriebsprüfers vom verwiesen, wobei festzuhalten ist, dass die erfolgte Mengenrechnung durch die Betriebsprüfung durchwegs plausibel, nachvollziehbar und betreffend die Jahre 2010 und 2011 infolge der Übereinstimmung zwischen eingekauften und verkauften Paletten sogar zugunsten des Abgabepflichtigen vorgenommen wurde.

Festzuhalten ist, dass der geltend gemachte Vorsteuerabzug betreffend die Jahre 2010 und 2011 aufgrund der im Bericht der abgabenbehördlichen Prüfung vom dargestellten Formalvorschriften nicht anerkannt werden konnte."

Abschließend wurde festgestellt, dass die gesetzlichen Voraussetzungen einer Abgabenhinterziehung vorliegen, weshalb die Verjährungsfrist 10 Jahre beträgt.

Alle Beschwerdevorentscheidungen waren innerhalb 1 Monats ab Zustellung mit Vorlageantrag anfechtbar.

10. Mit Vorlageantrag vom wurden die im Spruch dieser Entscheidung aufgezählten Bescheide angefochten, weshalb das Bundesfinanzgericht den Mängelbehebungsbeschluss vom erließ und der Bf. auftrug, innerhalb von 2 Wochen ab Zustellung mitzuteilen, welche behördlichen Erledigungen sie mit dem Vorlageantrag angefochten hatte. Die Bf. teilte fristgerecht mit, dass sie die unter Pkt. 9. aufgezählten Beschwerdevorentscheidungen angefochten hatte.

11. Mit der Antwort auf den Mängelbehebungsbeschluss legte die Bf. das Erkenntnis des Spruchsenates beim Amt für Betrugsbekämpfung - Bereich Finanzstrafsachen vom ***31***, Geschäftszahl ******, vor. Mit diesem Erkenntnis wurden die Finanzstrafverfahren der Bf. und ihres Geschäftsführer wegen angelasteter Hinterziehung der Umsatz-, Körperschaft- und Kapitalertragsteuer 2008 bis 2010 wegen absoluter Verjährung eingestellt und begründend darauf verwiesen, dass die Staatsanwaltschaft … das Finanzstrafverfahren gegen die Bf. und ihren Gesellschafter-Geschäftsführer bereits am eingestellt hatte.

12. Im Vorlageantrag vom wurde sinngemäß vorgebracht: Die Bf. werde vorverurteilt, wenn die Abgabenbehörde von einer vorsätzlichen Abgabenhinterziehung ausgehe. Dass die Bf. ihre Lieferanten als Betrugsfirmen erkennen habe können, lasse sich offenbar nur indirekt aus der Mengenrechnung ableiten. Dem Geschäftsführer der Bf. vorzuwerfen, die handelnden Personen nicht namhaft machen zu können, bringt - Zitat/Bf - "lediglich die rechtswidrige Beweiswürdigung zutage". Der Bf. seien die Mengenaufzeichnungen nicht zur Verfügung gestellt worden. Die Mengenrechnung sei merkwürdig gestaltet und ob sie Rechenfehler, Zahlendreher und Abtippfehler enthalte, könne nicht verifiziert werden.

Die umfangreichen Detailausführungen zur Mengenrechnung sind den Verfahrensparteien bekannt, weshalb das Bundesfinanzgericht darauf verzichtet, sie in dieser Entscheidung wortwörtlich zu zitieren.

13. Bescheiddaten der Umsatz- und Körperschaftsteuer(erst)bescheide 2008 bis 2010:

Der Umsatzsteuererstbescheid 2008 wurde am erlassen.
Der Umsatzsteuererstbescheid 2009 wurde am erlassen.
Der Umsatzsteuererstbescheid 2010 wurde am erlassen.
Der Körperschaftsteuererstbescheid 2008 wurde am erlassen.
Der Körperschaftsteuererstbescheid 2009 wurde am erlassen.
Der Körperschaftsteuererstbescheid 2010 wurde am erlassen.

14. Aus den Feststellungen zur Umsatz- und Körperschaftsteuer 2008:

14.1. ***1***:

Die Gesellschaft wurde am ***9*** von ihrem seit ***10*** bestellten Geschäftsführer übernommen. Am ***11*** wurde der Konkursantrag mangels Kostendeckung zurückgewiesen und die Gesellschaft wegen Vermögenslosigkeit gelöscht.

Die Rechnungen der Gesellschaft wurden im Zeitraum Jänner bis Juli 2008 wöchentlich für die Lieferung von insgesamt ca. 66.000,00 Paletten ausgestellt. In der Umsatzsteuervoranmeldung der Gesellschaft für Jänner 2008 wurden keine Umsätze sondern nur Vorsteuern gemeldet.

Andere Unterlagen als die Rechnungen der Gesellschaft konnte die Bf. nicht vorlegen.

EUR 332.685,00 wurden nicht als Betriebsausgaben und EUR 66.537,00 wurden nicht als Vorsteuer anerkannt.

Folgende Rechnungen und/oder von der Bf. ausgestellte Kassaeingangsbelege mit dem Stempel der ***1*** wurden vorgelegt:

A. Rechnungen ohne Kassaeingangsbelege:

[...]

B. Rechnungen und Kassaeingangsbelege:

[...]

14.2. ***2***:

Die Gesellschaft wurde am ***12*** von einem neuen Gesellschafter übernommen. Am ***13*** wurde der Konkurs eröffnet, am ***14*** wurde er mangels Kostendeckung aufgehoben und die Gesellschaft wurde aus dem Firmenbuch gelöscht.

Drei im Zeitraum von Juni 2008 bis August 2008 gebuchte Kassabelege waren nicht auffindbar. Später wurden Rechnungen mit darauf angehefteten Kassa-Eingangsquittungen vorgelegt. Die abgerechneten Leistungen waren Regiearbeiten "Wien+WU, Hilfsarbeiter und Facharbeiter".

Andere Unterlagen als die Rechnungen der Gesellschaft konnte die Bf. nicht vorlegen.

EUR 100.144,80 wurden nicht als Betriebsausgaben und EUR 20.028,66 wurden nicht als Vorsteuer anerkannt.

Folgende Rechnungen wurden vorgelegt:

[...]

Für alle Rechnungen wurden von der Bf. ausgestellte Kassaeingangsbelege mit dem Stempel der ***2*** vorgelegt.

14.3. ***3***:

Die Gesellschaft wurde am ***15*** neu gegründet und am ***16*** von einem neuen Gesellschafter übernommen. Am ***17*** wurde der Konkurs eröffnet. Am ***18*** wurde er beendet und die Gesellschaft wurde gelöscht. Sie hat keine Umsatzsteuer-Voranmeldungen abgegeben.

Drei im Zeitraum von September 2008 bis November 2008 gebuchte Kassabelege waren nicht auffindbar. Später wurden Rechnungen mit darauf angehefteten Kassa-Eingangsquittungen vorgelegt. Die abgerechneten Leistungen waren "Regiearbeiten Bauvorhaben Wien und Wien Umgebung, Hilfsarbeiter und Facharbeiter".

Die Bf. legte den Firmenbuchauszug der ***3***, den Bescheid über die der ***3*** erteilte UID-Nummer, die der ***3*** bekannt gegebene Steuernummer, den Bescheid über die Gewerbeanmeldung der ***3*** und die Geschäftsführerbestellung der ***3***, den Auszug aus dem Gewerberegister über die von der ***3*** gemeldeten Gewerbe, eine die ***3*** betreffende Magistrats-Verständigung und eine ,,,-Unbedenklichkeitsbescheinigung der ***3*** vor. Wie und warum es der Bf. gelungen ist, diese Unterlagen zu erhalten, ist nicht bekannt.

EUR 96.438,00 wurden nicht als Betriebsausgaben und EUR 19.287,60 wurden nicht als Vorsteuer anerkannt.

Folgende Rechnungen wurden vorgelegt:

[...]

Folgende von der Bf. ausgestellte Kassaeingangsbelege mit dem Stempel der ***3*** wurden vorgelegt:

15. Aus den Feststellungen zur Umsatz- und Körperschaftsteuer 2009:

15.1. ***4*** (nachfolgende ***4a***):

Im Zeitraum von Jänner 2009 bis Dezember 2009 wurden mehrere BV-Belege gebucht, die nicht auffindbar waren. Später wurden 12 Rechnungskopien für Facharbeiter- und Helferstunden und die Lieferung von 21.510 neuwertigen Paletten vorgelegt.

Die Bf. legte den Firmenbuchauszug der ***4***, die UID-Erteilung der ***4***, die Gewerbeanmeldung der ***4***, die der ***4*** vergebene Steuernummer, eine ZMR-Meldebestätigung und eine Ausweiskopie von ***8*** vor. Wie und warum es der Bf. gelungen ist, diese Unterlagen zu erhalten, ist nicht bekannt.

Folgende Rechnungen wurden vorgelegt:

[...]

EUR 313.150,00 wurden nicht als Betriebsausgaben und EUR 62.630,00 wurden nicht als Vorsteuer anerkannt.

15.2. ***5***: Die Gesellschaft wurde am ***19*** von ihrem seit ***20*** bestellten Geschäftsführer übernommen. Am ***21*** wurde der Konkurs eröffnet, am ***22*** wurde der Konkurs mangels Kostendeckung aufgehoben und die Gesellschaft wurde gelöscht.

Im November 2009 wurden drei Rechnungen über jeweils 7.000 Paletten gelegt. Genaue Liefertermine sind nicht bekannt. Wie die wegen der großen Stückzahl umfangreichen Lieferungen transportiert wurden, ist nicht bekannt.

Die ***5*** reichte ab August 2009 keine Umsatzsteuervoranmeldungen ein. Ihre UID-Nummer war ab gesperrt.

Folgende Rechnungen wurden vorgelegt:

[...]

EUR 102.900,00 wurden nicht als Betriebsausgaben und EUR 20.580,00 wurden nicht als Vorsteuer anerkannt.

16. Aus den Feststellungen zur Umsatz- und Körperschaftsteuer 2010:

***6***:

Die Gesellschaft wurde am ***23*** von ihrem seit ***24*** bestellten Geschäftsführer übernommen, Am ***25*** wurde der Konkurs eröffnet, am ***26*** wurde er mangels Kostendeckung aufgehoben und die Gesellschaft wurde gelöscht. Sie gab ab Juli 2010 keine Umsatzsteuervoranmeldungen ab.

Die Gesellschaft legte im Zeitraum August 2010 bis Dezember 2010 14 Rechnungen über jeweils 5.000 Paletten. Die Rechnungsbeträge und die darauf entfallenden Umsatzsteuern sind nicht bekannt. Die nicht anzuerkennenden Vorsteuern und Betriebsausgaben wurden geschätzt.

EUR 365.000,00 wurden nicht als Betriebsausgaben und EUR 55.000,00 wurden nicht als Vorsteuer anerkannt.

Folgende Rechnungen wurden vorgelegt:

[...]

17. Aus den Feststellungen zur Umsatz- und Körperschaftsteuer 2011:

17.1. ***6***:

Der Außenprüfungsbericht enthält keine Feststellungen über im Jahr 2011 ausgestellte Rechnungen. Dennoch wurden Vorsteuern in Höhe von EUR 5.000,00 und Betriebsausgaben in Höhe von EUR 25.000,00 nicht anerkannt.

17.2. "***7***":

Der Firmenname der "***7***" soll richtig "***7a***" lauten. Die Gesellschaft wurde am ***27*** von ihrem seit ***28*** bestellten Geschäftsführer übernommen. Am ***29*** wurde der Konkurs eröffnet und am ***30*** wurde er nach der Schlussverteilung aufgehoben. Ab Mai 2011 wurde keine Umsatzsteuer vorangemeldet.

Im Zeitraum März 2011 bis November 2011 legte die Gesellschaft 17 Rechnungen über die Lieferung von insgesamt 120.540 Paletten. Über die Geschäftstätigkeit der Gesellschaft wurde festgestellt: Am stellte die Finanzpolizei fest, dass die Gesellschaft an ihrem neuen Firmensitz keine Geschäftstätigkeit ausübt. Anfang August 2011 stellte die Finanzpolizei fest, dass die Gesellschaft an ihrem neuen Firmensitz kein Firmenschild und keinen Briefkasten hat und dass sie dort keine Geschäftstätigkeit ausübt. Am stellte die Zollfahndung fest, dass die Gesellschaft am Standort ihres angeblichen Firmensitzes ankündigt. "Wir sind am Übersiedeln, in Kürze können sie uns hier antreffen. MfG ***7a***".

Die Gesellschaft verwendet unterschiedliche Rechnungslayouts. Unterschreibt der Gesellschafter-Geschäftsführer, stimmen die Schriftbilder nicht mit den Signaturen überein. 93,2% der eingehenden Zahlungen wurden sofort bar oder mit Scheck behoben, weshalb von Kick-back-Zahlungen auszugehen sei.

Es gibt 12 inhaltsgleiche Rechnungen über jeweils 5000 neuwertige Paletten und 3000 gebrauchte Paletten. Unglaubwürdig sei, dass immer die gleiche Menge geliefert wird. Es gibt keine Liefernachweise und keine Lagerbuchhaltung. Deshalb sollen die 12 (oder alle 17) Rechnungen der Gesellschaft Deckungsrechnungen für Palettenlieferungen aus unbekannten Quellen sein.

Die Betriebsausgaben und Vorsteuern aus den Schein- und Umgehungsgeschäften seien gemäß § 23 Abs 1 BAO und § 12 Abs 1 UStG steuerrechtlich nicht anzuerkennen. Die Betriebsausgaben und Vorsteuern aus den verdeckten Geschäften (das sind die Palettenlieferungen aus unbekannter Quelle) seien gemäß § 23 Abs 1 BAO und § 12 Abs 1 UStG steuerrechtlich anzuerkennen.

Eine Mengenrechnung 2011 wurde durchgeführt. Da sie ein ausgeglichenes Bild ergeben habe, wurden die Palettenlieferungen aus unbekannten Quellen aufwandmäßig mit dem errechneten Nettobetrag anerkannt. Die Berechnung ist aus den vom Finanzamt vorgelegten Unterlagen nicht nachvollziehbar.

Folgende Rechnungen wurden vorgelegt:

[...]

EUR 674.094,00 wurden nicht als Betriebsausgaben und EUR 134.818,80 wurden nicht als Vorsteuer anerkannt.

Die 12 inhaltlich gleichen Rechnungen sind die Rechnungen über 5000 neuwertige Paletten zum Stückpreis von EUR 05,80 und zum Netto-Kaufpreis EUR 29.000,00 und 3000 gebrauchte Paletten zum Stückpreis EUR 04,90 und zum Netto-Kaufpreis EUR 14.700,00; ergibt einen Netto-Gesamtkaufpreis in Höhe von EUR 43.700,00 und plus EUR 8.740,00 Umsatzsteuer und einen Brutto-Gesamtkaufpreis in Höhe von EUR 52.440,00.

18. Mengenberechnung des Außenprüfers und Erläuterungen:

19. Akteneinsicht vom :

Die Bf. bringt vor, dass der Außenprüfer die Ausgaben für die Paletten im Jahr 2008 um ca. 16% erhöht hat. Paletteneinkäufe in diesem Umfang seien aus den vorhandenen Belegen nicht nachvollziehbar und seien 2008 nicht erzielbar gewesen, da damals die Finanzkrise begonnen habe. Den Durchschnittspreis EUR 03,33 habe die Kriminalpolizei geschätzt; er sei aus den Belegen der Bf. nicht nachvollziehbar. Die Bf. werde eine ausführliche Stellungnahme in der mündlichen Senatsverhandlung vorlegen.

20. Aus der Niederschrift über die mündliche Senatsverhandlung:

In der mündlichen Senatsverhandlung vom wurden das Beschwerdeverfahren der GmbH und das Beschwerdeverfahren des Alleingesellschafters bis zur Beratung verbunden und danach wieder getrennt. Die Verfahrensparteien brachten vor:

"Steuerliche Vertretung: Außer Streit gestellt werden Luxustangente, Hotelrechnung, Verjährung von Umsatzsteuer und Körperschaftsteuer. Betreffend verdeckte Ausschüttung wird vorgebracht, es habe keine Kick-Back-Zahlungen an Herrn M gegeben. Die Kapitalertragsteuer-Festsetzung sei verjährt. Die Bescheide seien nicht begründet. Es werde nur auf einen Außenprüfungsbericht verwiesen, der den angefochtenen Bescheiden nicht beigelegt war. Die Bescheide ergingen zu einer anderen Steuernummer. Sie wurden an Herrn M persönlich zugestellt und hätten an seinen Steuerberater zugestellt werden müssen. Die Kapitalertragsteuer sei richtigerweise der GmbH vorzuschreiben falls sie tatsächlich vorzuschreiben ist. Dass Herr M keine Kick-Back-Zahlungen erhalten habe, beweise sein nicht aufwendiger Lebensstil.

Eine Stellungnahme im Beschwerdeverfahren der GmbH und eine Stellungnahme im Beschwerdeverfahren des Herrn M werden vorgelegt. Sie werden zum Akt genommen.

Die Stellungnahmen zusammenfassend und ergänzend wird vorgebracht: … dass die Beträge laut Niederschrift und Außenprüfungsbericht nicht übereinstimmen.

Finanzamt: Der angewendete § 95 Abs 4 EStG besagt, dass eine Direktvorschreibung zulässig ist. Alle Begründungsmängel sind im Rechtsmittelverfahren sanierbar. Die Kapitalertragsteuer ist eine Erhebungsform der Einkommensteuer. Sie ist daher nicht verjährt. Der Lebensstil ist nicht Bestandteil des Tatbildes einer verdeckten Ausschüttung. Die Finanzkrise 2008 beweise nicht, dass keine Umsätze in der vorgeschriebenen Höhe stattgefunden haben.

Die steuerliche Vertretung bringt vor, dass die Voraussetzungen von § 95 Abs 4 EStG nicht vorliegen und der Anspruch bei der GmbH durchsetzbar ist.

Steuerliche Vertretung: Es gibt keinerlei Beweise oder Indizien für Kick-Back-Zahlungen.

Das Finanzamt bringt vor, dass in den vorgelegten Unterlagen eine neue Mengenrechnung enthalten ist. Sollte sie vom Senat als relevant betrachtet werden, wird schon jetzt die Vertagung der Senatsverhandlung beantragt.

Es ergeht der Beschluss, dass über den Vertagungsantrag bei der Beratung abgestimmt wird.

Steuerliche Vertretung: Ab 2009 haben Einkäufe stattgefunden. Die GmbH war steuerehrlich. Die Buchhaltung machte der damalige Steuerberater. Die angeblichen Scheinfirmen hatten zum Teil Millionenumsätze lt. deren Außenprüfungsberichten und konnten deshalb die verrechneten Leistungen erbringen. Alle eingehenden Zahlungen auf den Konten der angeblichen Scheinfirmen wurden zur Gänze abgehoben. Es gebe keinen Nachweis oder auch nur Indizien dafür, dass etwas von diesen Zahlungen an die Bf. oder ihre Gesellschafter zurückgeflossen ist.

Finanzamt: Warum Palettenlieferungen aus unbekannten Quellen angenommen worden sind, kann nur der Außenprüfer sagen.

Das Finanzamt beantragt, den damaligen Außenprüfer ... zum Thema Mengenrechnung und zu den Gegendarstellungen betreffend die Mengenrechnung im heute vorgelegten Konvolut als Zeugen einzuvernehmen. Steuerliche Vertretung: Dem Antrag schließen wir uns an.

Die im Prüfungsbericht aufgezählten Firmen haben für die in Frage kommenden Rechnungszeiträume keine Umsatzsteuer gemeldet. Es liegen somit jedenfalls Finanzvergehen betreffend die Umsatzsteuer im Sinne von § 12 Abs 1 Z 1 vorletzter Satz UStG vor. Genau das wird in der heute überreichten Stellungnahme auf Seite 3 unter Punkt 6 zugestanden. Mit der Formulierung "möglicherweise" in Verbindung mit den übrigen Feststellungen zu den genannten Firmen ist klar ersichtlich, dass kaufmännische Sorgfaltspflichten im Geschäftsverkehr mit eben diesen Firmen eben außer Acht gelassen wurden. Das wurde in der Aussage des Rechtsvertreters auf den Punkt gebracht: "Er hat sich nicht gekümmert wo sie herkommen die Paletten" bzw. "ja das stimmt, es gab keine Lieferscheine, das war nicht sorgfältig". Es geht nicht darum, dass die GmbH eine Betrugsfirma ist, oder sich selbst willentlich am Betrug beteiligt hat, sondern es geht darum, dass die zumutbare Sorgfalt nicht berücksichtigt wurde, was genau der Tatbestandsbeschreibung im § 12 Abs 1 Z 1 vorletzter Satz UStG entspricht.

Es ist auch keine Entschuldigung, wenn ein Steuerberater kritiklos Belege verbucht, die ihm überreicht werden. Der Steuerberater hat die dubiosen Lieferfirmen ja nicht ausgesucht, das war schon das Unternehmen bzw. sein Geschäftsführer selbst.

Der Prüfungsauftrag vom umfasste auch die Kapitalertragsteuer von 2008 bis 2013. Es wäre zu überprüfen, ob dieser Prüfungsauftrag daher die Verjährung unterbricht.

Der Gesellschafter der GmbH wendet ein, dass der Prüfungsauftrag nur an die GmbH gerichtet ist. Ferner weisen weder die Niederschrift noch der Außenprüfungsbericht die Kapitalertragsteuer als Gegenstand der Prüfung aus. Er widerspricht, dass die zuletzt protokollierte Aussage in dieser Weise vom steuerlichen Vertreter des Bf. getätigt wurde. In keiner Weise wurde die Verletzung von Sorgfaltspflichten zugestanden. Ebenso wenig wurde behauptet, dass es keine Liefernachweise gab. Sämtliche strafrechtliche Vorwürfe einschließlich grob fahrlässige Abgabenhinterziehung sind rechtskräftig eingestellt worden, insbesondere auch aufgrund der nicht feststellbaren subjektiven Tatseite des Beschuldigten. Im Übrigen verweist der Bf. auf die hinsichtlich der Versagung des Vorsteuer-Abzuges aus formalen Gründen gemachten Ausführung unter Punkt 7 des Schriftsatzes vom heutigen Tag und der hierin gemachten Verweise von EuGH und VwGH, insbesondere der VwGH mit Erkenntnis vom , Ra 2020/13/0068-6, entschieden, dass die Steuerverwaltung vom Steuerpflichtigen selbst im Fall einer gefährdeten Branche nicht generell verlangen könne einerseits zu prüfen ob der Aussteller der Rechnung über die Gegenstände und Dienstleistungen verfügte und sie liefern konnte und seine Verpflichtungen hinsichtlich der Erklärung und Abführung der Umsatzsteuer nachgekommen ist, um sich zu vergewissern, dass auf der Ebene der Wirtschaftsteilnehmer einer vorhergehenden Umsatzstufe keine Unregelmäßigkeiten und Steuerhinterziehung vorliegen.

Herr M war Geschäftsführer in allen Angelegenheiten. Herr M kann sich nicht daran erinnern, ob das Auto geleast war oder nicht. Details müssten aber dem Anlageverzeichnis zu entnehmen sein.

Steuerliche Vertretung: Zu dem angeführten § 12 Abs 1 Z 1 - Zitat: "Der Steuerpflichtige hätte wissen müssen" ist bitte auf den branchenspezifischen Geschäftsablauf in der Palettenbranche Rücksicht zu nehmen".

21. Aus den in der mündlichen Senatsverhandlung vorgelegten Stellungnahmen:

Die in der Beschwerdesache der GmbH vorgelegte Stellungnahme hat inklusive Beilagen 110 Seiten und enthält vor allem auf die Mengenberechnung sich beziehende Ausführungen.

Die in der Beschwerdesache des Geschäftsführers vorgelegte Stellungnahme hat inklusive Beilagen 14 Seiten. Der Geschäftsführer der Bf. bringt vor: Er habe die Kapitalertragssteuerbescheide 2008 bis 2010 nur als nicht unterschriebene und nicht amtlich signierte Word-Dokumente erhalten. Sie seien nicht dem zustellbevollmächtigten Steuerberater zugestellt worden.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Der Vorlageantrag ist frist- und formgerecht eingebracht. Deshalb gilt die Beschwerde als unerledigt. Da die Beschwerde auch frist- und formgerecht eingebracht ist, ist über die Beschwerde "in der Sache" zu entscheiden.

Über die im Spruch dieser Entscheidung aufgezählten Bescheide ergehen folgende Entscheidungen:

1. Wiederaufnahme der Umsatz- und Körperschaftsteuerverfahren 2008 bis 2010:

Die Bf. behauptet, die Wiederaufnahme der Umsatz- und Körperschaftsteuerverfahren 2008 bis 2010 sei nicht zulässig, da kein Wiederaufnahmegrund vorliege und die Abgabenfestsetzung 2008 verjährt sei.

Nach geltender Rechtslage ist eine Wiederaufnahme der Verfahren von Amts wegen unter anderem in den Fällen zulässig, in denen Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im Verfahren nicht geltend gemacht worden sind und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Bescheidspruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte (§ 303 Abs 1 Bundesabgabenordnung - BAO in der im Zeitpunkt der Verfahrenswiederaufnahme geltenden Fassung).

Bei einer Beschwerde gegen eine Wiederaufnahme von Amts wegen darf die Wiederaufnahme nur aus den vom Finanzamt herangezogenen Gründen, also jenen wesentlichen Sachverhaltsmomenten erfolgen, die das Finanzamt als Wiederaufnahmegrund beurteilt hat. Deshalb ist im Beschwerdeverfahren nur zu prüfen, ob dieses Verfahren aus den vom Finanzamt verwendeten Gründen wieder aufgenommen werden durfte, nicht jedoch, ob die Wiederaufnahme auch aus anderen Wiederaufnahmegründen zulässig gewesen wäre (, mwN; ; , mwN).

Nur neu hervorgekommene Tatsachen oder Beweismittel sind geeignete Wiederaufnahmegründe im Sinne des § 303 Abs 1 lit b BAO. Tatsachen oder Beweismittel kommen neu hervor, wenn sie vor Erlassung der Erstbescheide bereits bestanden, jedoch erst danach bekannt geworden sind ("nova reperta"). Entstehen Tatsachen und Beweismittel erst nach Erlassung der Erstbescheide, sind sie "nova producta" und sind daher keine Wiederaufnahmegründe.

Kommen Tatsachen oder Beweismittel neu hervor, dürfen die Verfahrenswiederaufnahmen nur dann durchgeführt werden, wenn die nach den Verfahrenswiederaufnahmen zu erlassenden Sachbescheide anders lautende Bescheide sind. Diese Sachbescheide sind nur dann anders lautende Bescheide, wenn die Abgabenfestsetzung nicht verjährt ist. Deshalb ist vorrangig zu prüfen, ob die Verfahren aus den vom Finanzamt verwendeten Gründen wiederaufgenommen werden dürfen und sollte dies der Fall sein, ist zu prüfen, ob die Abgabenfestsetzung verjährt ist oder nicht.

Von dieser Rechtslage ausgehend wird der Entscheidung folgende Sach- und Beweislage zugrunde gelegt:

• Im Bescheid über den Prüfungsauftrag vom werden erstmalig kriminalpolizeiliche Ermittlungen über Scheinrechnungen erwähnt.

• Im Bescheid über den Prüfungsauftrag vom wird erstmalig erwähnt, dass gegen die in Tz. 1 des Außenprüfungsberichtes vom aufgezählten Gesellschaften ermittelt wird.

• Die Umsatz- und Körperschaftsteuerbescheide 2008 bis 2010 sind vor den Bescheiden über die Prüfungsaufträge vom und erlassen worden.

• In den Begründungsteilen aller Wiederaufnahmebescheide wird auf den Außenprüfungsbericht vom und die Niederschrift über die Schlussbesprechung verwiesen.

• Im Außenprüfungsbericht steht, dass die Wiederaufnahmegründe in Tz. 1 bis Tz. 5 enthalten sind. Diese Hinweis fehlt in der Niederschrift über die Schlussbesprechung. Die vom Finanzamt verwendeten Wiederaufnahmegründe werden daher taxativ in den Textziffern 1 bis 5 des Außenprüfungsberichtes vom aufgezählt.

Von dieser Sach- und Beweislage ausgehend wird festgestellt und wie folgt entschieden:

Nach dem zum Bestandteil der Wiederaufnahmebescheide 2008 bis 2010 erklärten Außenprüfungsbericht vom werden die Wiederaufnahmegründe in Tz. 1 bis Tz. 5 aufgezählt. Die in Tz. 1 bis Tz. 5 des Außenprüfungsberichtes vom beschriebenen Tatsachenkomplexe sind daher die 2008 bis 2010 vom Finanzamt verwendeten Wiederaufnahmegründe.

In Tz. 1 des Außenprüfungsberichtes vom wird festgestellt, dass die Bf. Rechnungen von darin namentlich genannten Gesellschaften als Aufwand verbucht hat, "die nach den Ermittlungen der Kriminalpolizei, der Steuerfahndung und den jeweils zuständigen Finanzämtern als Betrugsfirmen einzustufen sind" (© Außenprüfungsbericht). Die Ermittlungsergebnisse der Kriminalpolizei, der Steuerfahndung und der jeweils zuständigen Finanzämter sind daher das Beweismittel dafür, dass die von diesen Gesellschaften ausgestellten Rechnungen Scheinrechnungen sind. Diese Ermittlungsergebnisse sind nicht vor sondern nach Erlassung der Umsatz- und Körperschaftsteuerbescheide 2008 bis 2010 entstandene Ermittlungsergebnisse, da eine die Gesellschaften betreffende Verdachtslage erstmalig im Bescheid über den Prüfungsauftrag vom erwähnt wird. Die Ermittlungsergebnisse der Kriminalpolizei, der Steuerfahndung und der jeweils zuständigen Finanzämter sind daher nicht neu hervor gekommene Beweismittel sondern neu entstandene Beweismittel.

Die Frage, ob eine Rechnung eine Scheinrechnung ist oder ob sie keine Scheinrechnung ist, ist eine Rechtsfrage, da sie nach den in ständiger VwGH-Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen beantwortet wird. "Scheinrechnungen" sind daher weder neu hervorgekommene Tatsachen noch neu hervorgekommene Beweismittel.

Im Jahr 2010 werden die nicht als Betriebsausgaben anerkannten Nettoeinkaufspreise mit den in gleicher Höhe geschätzten Nettoeinkaufspreisen für Paletten aus unbekannten Quellen gegenverrechnet. Ein in diesem Punkt anderslautender Bescheid ist daher nicht erlassen worden, weshalb eine Wiederaufnahme des Körperschaftsteuerverfahrens 2010 auch aus diesem Grund nicht zulässig ist.

In Tz. 2 des Außenprüfungsberichtes vom wird festgestellt, dass die Bf. 2008 bis 2010 verdeckt ausgeschüttet hat. Ob verdeckt ausgeschüttet wird oder nicht ist eine Rechtsfrage, die nach den in ständiger VwGH-Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen beantwortet wird. Die Antwort auf eine Rechtsfrage eignet sich nicht als Wiederaufnahmegrund.

Der Inventurerhöhung in Tz. 3 des Außenprüfungsberichtes vom liegt eine Mengenberechnung zugrunde, die während der (nach Erlassung der Abgabenerstbescheide 2008 bis 2010 durchgeführten) Außenprüfung erstellt worden ist. Die Mengenberechnung ist kein vor der Erlassung der Abgabenerstbescheide 2008 bis 2010 entstandenes Beweismittel und eignet sich daher nicht als Wiederaufnahmegrund. Die Mengenberechnung enthält mit dem von der Kriminalpolizei angenommenen durchschnittlichen Paletteneinkaufspreis zumindest ein Schätzungselement. Enthält eine Mengenberechnung zumindest ein Schätzungselement, ist ihr Ergebnis keine Tatsache und damit auch kein Wiederaufnahmegrund.

Dass der Inventurwert 2008 zu niedrig angesetzt ist, wird als Ergebnis der Mengenberechnung festgestellt. Bei dieser Mengenberechnung hat der Außenprüfer Daten verwendet, die im Jahr 2008 eine rund 16%-ige Erhöhung der Palettenmenge bewirken. 2008 hat die Finanzkrise begonnen, weshalb um 16% erhöhte Paletteneinkäufe eher auszuschließen als anzunehmen sind. Davon abgesehen enthält die Mengenrechnung mit dem verwendeten Durchschnittspreis zumindest ein Schätzungselement, dessen Grundlage nicht Aufzeichnungen und Belege der Bf. sind. Das Ergebnis der Mengenberechnung ist daher weder eine Tatsache noch ein Beweismittel, weshalb das Ergebnis der Mengenberechnung auch kein Wiederaufnahmegrund ist.

Ob die in Tz. 4 des Außenprüfungsberichtes vom durchgeführte Angemessenheitsprüfung durchzuführen ist oder nicht, ist eine Rechtsfrage. Die Antwort auf eine Rechtsfrage eignet sich nicht als Wiederaufnahmegrund. Die festgestellte Gewinnerhöhung ist im Vergleich zu den Umsätzen und Einnahmen der Bf. betragsmäßig geringfügig, weshalb auch aus diesem Grund eine Verfahrenswiederaufnahme nicht zulässig ist.

Wird ein Aufwand mit einem höheren Betrag verbucht, weil serbische Dinare nicht in Euro umgerechnet werden, wirkt sich dies im Vergleich zu den Umsätzen und Einnahmen der Bf. betragsmäßig geringfügig aus, wenn die Buchung - wie in Tz. 5 des Außenprüfungsberichtes vom geschehen - berichtigt wird. Die betragsmäßig unrichtig verbuchte Hotelrechnung eignet sich daher nicht als Wiederaufnahmegrund.

Diese Ausführungen zusammenfassend wird festgestellt, dass der Außenprüfungsbericht vom keine neu hervor gekommenen Tatsachen und keine neu hervor gekommenen Beweismittel enthält. Ohne neu hervorgekommene Tatsachen und Beweismittel ist die Verfahrenswiederaufnahme nicht zulässig. Deshalb kann über diesen Beschwerdepunkt entschieden werden, ohne dass geprüft wird, ob die Abgabenfestsetzung 2008 bis 2010 verjährt oder nicht verjährt ist.

Der Beschwerde gegen die Wiederaufnahme der Umsatz- und Körperschaftsteuerverfahren 2008 bis 2010 ist daher stattzugeben, weil keine Tatsachen und Beweismittel neu hervor gekommen sind.

2. Umsatz- und Körperschaftsteuer 2008 bis 2010:

Mit der Aufhebung der Wiederaufnahmebescheide betreffend Umsatz- und Körperschaftsteuer 2008 bis 2010 treten die nach den Wiederaufnahmen erlassenen Sachbescheide außer Kraft, weshalb sich die Beschwerde gegen die Umsatz- und Körperschaftsteuer 2008 bis 2010 jetzt gegen aus dem Rechtsbestand ausgeschiedene Bescheide richtet. Die Beschwerde gegen die Umsatz- und Körperschaftsteuer 2008 bis 2010 ist daher gemäß § 261 BAO als gegenstandslos zu erklären.

3. Umsatz- und Körperschaftsteuer 2011:

3.1. Strittig ist, in welcher Höhe Betriebsausgaben und Vorsteuern aus Geschäften mit der ***6*** und ***7*** = ***7a*** steuerrechtlich anzuerkennen oder nicht anzuerkennen sind.

Entscheidungsgrundlagen sind die von beiden Gesellschaften ausgestellten Rechnungen und eine Mengenberechnung mit mehreren Schätzungselementen wie beispielsweise einem durchschnittlichen Netto-Einkaufspreis für 1 Palette, der EUR 03,33 beträgt und damit niedriger ist als der in den Rechnungen angegebene Netto-Einkaufspreis.

Gemäß § 184 Abs 1 Bundesabgabenordnung (BAO) sind die Grundlagen für die Abgabenerhebung zu schätzen, wenn sie nicht ermittelt oder berechnet werden können. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind. Gemäß § 184 Abs 2 BAO ist zu schätzen, wenn Abgabepflichtige über ihre Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermögen oder weitere Auskunft über Umstände verweigern, die für die Ermittlung der Grundlagen wesentlich sind. Gemäß § 184 Abs 3 BAO ist zu schätzen, wenn Abgabepflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die sie nach den Abgabenvorschriften zu führen haben, nicht vorlegen oder wenn die Bücher oder Aufzeichnungen sachlich unrichtig sind oder solche formelle Mängel aufweisen, die geeignet sind, die sachliche Richtigkeit der Bücher oder Aufzeichnungen in Zweifel zu ziehen.

Im Beschwerdefall können die Netto-Einkaufspreise und die darauf entfallende Umsatzsteuer den Rechnungen der Gesellschaften entnommen werden. Eine Schätzung der Netto-Einkaufspreise und der darauf entfallenden Umsatzsteuer ist daher nicht zulässig.

Da die Mengenberechnung niedrigere Netto-Einkaufspreise als die in den Rechnungen angegebenen Netto-Einkaufspreise ergibt, ist nicht wegen formaler und/oder sachlicher Mängel der Bücher und Aufzeichnungen geschätzt worden. Eine auf der Mengenberechnung basierende Schätzung der Netto-Einkaufspreise ist daher nicht zulässig.

3.2. Der Entscheidung über Betriebsausgaben und Vorsteuern aus Geschäften mit der ***6*** wird zugrunde gelegt, dass von der ***6*** im Jahr 2011 ausgestellte Rechnungen entweder nicht existieren oder nicht vorgelegt worden sind und dass die Außenprüfung über Geschäfte des Jahres 2011 mit dieser Gesellschaft nichts festgestellt hat. Deshalb ist die erklärte Vorsteuer nicht in Höhe von EUR 5.000,00 zu kürzen und erklärte Betriebsausgaben sind nicht in Höhe von EUR 25.000,00 gewinnerhöhend hinzuzurechnen. Der Beschwerde ist daher in diesem Punkt stattzugeben.

Der Außenprüfer hat die gewinnerhöhend hinzugerechneten Betriebsausgaben (EUR 25.000,00) mit EUR 25.000,00 aus verdeckten Palettenlieferungen gegenverrechnet, weshalb die steuerrechtliche Auswirkung EUR 0,00 beträgt. Die Bf. ist daher durch die stornierten EUR 25.000,00 nicht rechtlich beschwert.

3.3. Der Entscheidung über Betriebsausgaben und Vorsteuern aus Geschäften mit der ***7*** = ***7a*** werden die Rechnungen vom , , , , und folgende ermittelte Sach- und Beweislage zugrunde gelegt:

(1) Die Gesellschaft hat ab März 2011 insgesamt 17 Rechnungen über 120.540 Paletten gelegt. Sie verwendet mit "***7***" und "***7a***" abwechselnd zwei sich unterscheidende Firmennamen, weshalb fraglich ist, ob eine Gesellschaft unter zwei Firmennamen auftritt oder zwei Gesellschaften die Rechnungen gelegt haben.

(2) 12 von 17 Rechnungen sind inhaltlich gleichlautende Rechnungen: Unglaubwürdig ist, dass 12 Rechnungen denselben Rechnungsinhalt haben: Deshalb ist als erwiesen anzusehen, dass diese 12 Rechnungen Scheinrechnungen sind.

(3) Am und Anfang August 2011 stellt die Finanzpolizei fest, dass die Gesellschaft an ihrem Firmensitz keine Geschäftstätigkeit ausübt. Am stellt die Zollfahndung fest, dass die Gesellschaft in Kürze an ihren Firmensitz übersiedeln wird: Die in den 17 Rechnungen angegebene Adresse der Rechnungsausstellerin ist daher bis zum nicht die Anschrift der Gesellschaft.

Ob die mit den 17 Rechnungen abgerechneten Lieferungen und Leistungen erbracht oder nicht erbracht worden sind, ist eine auf der Ebene der Beweiswürdigung zu beantwortende Sachfrage. Bei dieser Beweisführung darf jedes geeignete und zweckdienliche Beweismittel verwendet werden und nach dem Ergebnis des Beweisverfahrens ist nach freier Überzeugung zu beurteilen, welche Fakten als erwiesen oder nicht erwiesen anzunehmen sind (§ 166 Bundesabgabenordnung - BAO idgF, § 167 Abs 2 BAO idgF). Von mehreren Versionen darf die wahrscheinlichste als erwiesen angenommen werden (Ritz, BAO4, § 167, Tz. 8, und die do. zit. Judikate ; …).

Ist fraglich, ob eine Gesellschaft unter zwei Firmennamen auftritt oder zwei Gesellschaften die 17 Rechnungen gelegt haben, haben 12 von diesen 17 Rechnungen denselben Rechnungsinhalt und wird an der in den 17 Rechnungen angegebenen Adresse keine Geschäftstätigkeit ausgeübt, weil dort noch nicht der Firmensitz ist, ist als erwiesen anzusehen, dass die 17 Rechnungen Scheinrechnungen sind.

Gemäß § 23 Abs 1 BAO idgF sind Scheingeschäfte und andere Scheinhandlungen für die Erhebung von Abgaben ohne Bedeutung. Die mit den 17 Scheinrechnungen abgerechneten Netto-Einkaufspreise sind daher keine Betriebsausgaben und die auf die Netto-Einkaufspreise entfallende Umsatzsteuer ist nicht als Vorsteuer abziehbar (§ 23 Abs 1 BAO).

Die Netto-Einkaufspreise und die darauf entfallende Umsatzsteuer sind den 17 Rechnungen zu entnehmen, weshalb sie nicht geschätzt werden dürfen. Die nicht abziehbaren Betriebsausgaben und die nicht abziehbare Vorsteuer sind daher neu zu berechnen.

Die Berechnungsgrundlagen für diese Neuberechnung sind 1.) die Anzahl der Paletten, die 120.540 beträgt, 2.) die Netto-Einkaufspreise und die darauf entfallende Umsatzsteuer aus den 12 gleichlautenden Rechnungen und 3.) die Netto-Einkaufspreise und die darauf entfallende Umsatzsteuer aus den Rechnungen vom , und .

Eine mit diesen Berechnungsgrundlagen durchgeführte Berechnung ergibt folgende nicht anzuerkennende Betriebsausgaben und Vorsteuern:

Nach dieser Berechnung ist der Einkaufspreis für 16.830 Paletten nicht bekannt. Er wird daher in Höhe des in den Rechnungen vom und angegebenen Stückpreises in Höhe von EUR 06,10 geschätzt und ergibt folgende nicht anzuerkennende Betriebsausgaben und Vorsteuern:

635635Von dieser Neuberechnung ausgehend betragen die gemäß § 23 Abs 1 BAO für die Abgabenberechnung bedeutungslosen Netto-Einkaufspreise aus Scheingeschäften EUR 705.569,00 und die darauf entfallende Umsatzsteuer EUR 141.113,80.

Wird durch ein Scheingeschäft ein anderes Rechtsgeschäft verdeckt, so ist das verdeckte Rechtsgeschäft für die Abgabenerhebung maßgebend (§ 23 Abs 1 BAO idgF). Die Außenprüfung hat nach ihrer Mengenberechnung als erwiesen angesehen, dass Paletteneinkäufe aus einer oder mehreren unbekannten Quellen stattgefunden haben. Da die Mengenberechnung nicht nachvollziehbar ist, ist nicht als erwiesen anzusehen, dass Paletteneinkäufe aus einer oder mehreren unbekannten Quellen stattgefunden haben. Von dieser Beweislage ausgehend betragen die nicht anzuerkennenden Betriebsausgaben EUR 705.569,00 und die nicht anzuerkennenden Vorsteuern EUR 141.113,80.

3.4. Abgabenberechnung und Abgabenfestsetzung - Umsatz- und Körperschaftsteuer 2011:

3.4.1. Umsatzsteuer 2011:

Die Umsatzsteuer 2011 wird in Höhe von EUR 721.305,96 festgesetzt.

3.4.2. Körperschaftsteuer 2011:

Die Körperschaftsteuer 2011 wird in Höhe von EUR 353.527,00 festgesetzt.

4. Ad Anträge: Allfällige noch unerledigt gebliebene Beweisanträge und sonstige Anträge werden abgewiesen.

5. Revision

Gemäß Art 133 Abs 1 Z 4 B-VG ist die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gegen Erkenntnisse oder Beschlüsse des Bundesfinanzgerichtes zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage mit grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Eine grundsätzlich bedeutende Rechtsfrage musste das Bundesfinanzgericht nicht beantworten, da das Gesetz die Rechtsfrage, welche Voraussetzungen vorliegen müssen, damit Verfahren wiederaufgenommen werden dürfen, beantwortet. Die Frage, ob Rechnungen Scheinrechnungen sind, ist eine Sach- und Beweisfrage. Die (ordentliche) Revision ist daher nicht zulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 23 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 303 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7105812.2015

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