Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 27.09.2023, RV/2100653/2022

Keine krankheitsbedingte Unterbrechung einer Berufsausbildung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache
***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag für Kind, geb. xx.xx.1998, für den Zeitraum August 2019 bis März 2022, SV-Nr. ***1***, zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Eingabe vom gab der Beschwerdeführer (Bf.) dem Finanzamt bekannt, dass er für seinen Sohn Kind ab keinen Anspruch auf Familienbeihilfe habe, da dieser seine Berufsausbildung abgebrochen habe.

Mit Bescheid vom wurde die Familienbeihilfe und der Kinderabsetzbetrag für den Sohn Kind, geb. xx.xx.1998, für den Zeitraum August 2019 bis März 2022 rückgefordert mit der Begründung, dass für das Kind die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 nicht vorliegen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht die Beschwerde mit der Begründung, dass sein Sohn im Zeitraum vom bis als Lehrling im Lehrberuf Mechatronik - Fertigungstechnik ***2*** beschäftigt gewesen sei und vom bis die Bundeshandelsakademie ***3*** besucht habe.

Im weiteren Ermittlungsverfahren vor dem Finanzamt legte der Beschwerdeführer das Zeugnis der Fa. ***4*** vom , in dem bestätigt wird, dass der Sohn des Bf. vom bis als Lehrling tätig war und das Lehrverhältnis im beiderseitigen Einvernehmen beendet wurde, und eine Schulbesuchsbestätigung der Bundeshandelsakademie für Berufstätige vom über den Schulbesuch des Sohnes vom bis vor.

Ergänzend übermittelte der Beschwerdeführer folgende Semesterzeugnisse seines Sohnes, ausgestellt von der Bundeshandelsakademie für Berufstätige am , am und am :

In der Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde abgewiesen. In der Begründung wurde unter Hinweis auf § 2 Abs. 1 lit. b bis e FLAG 1967 ausgeführt:
"Familienbeihilfenanspruch besteht nur dann, wenn die Ausbildung ernsthaft und zielstrebig betrieben wird. Dies wird dann anzunehmen sein, wenn die Vorbereitung auf die Ablegung der Prüfungen die volle Zeit des Kindes in Anspruch nimmt und das Kind zu den Prüfungsterminen innerhalb eines angemessenen Zeitraums antritt.
Laut Ansicht des BFG kommt es zur Qualifikation als Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG nicht nur auf das (ernstliche und zielstrebige) Bemühen um den Ausbildungserfolg, sondern die Berufsausbildung muss auch in quantitativer Hinsicht die volle Zeit des Kindes in Anspruch nehmen (vgl. ). Maßgeblich ist der erforderliche zeitliche Einsatz während des Lehrganges, der so beschaffen sein muss, dass die "volle Zeit" des Kindes in Anspruch genommen wird (vgl. ). Von der Bindung der Arbeitskraft kann nur dann ausgegangen werden, wenn die Bildungsmaßnahme durch den Kursbesuch, die Vor- und Nachbereitungszeiten und die Prüfungsteilnahmen ein zeitliches Ausmaß in Anspruch nimmt, das zumindest annähernd dem eines Vollzeitverhältnisses entspricht. Es ist demnach von einer vollen Bindung der Arbeitskraft im Sinne des FLAG 1967 bei einer Wochenstundenzahl von etwa 20+ auszugehen. Soll heißen, dass etwa 20 Stunden Theorie- bzw Praxisstunden + zusätzliche Zeiten für Lern-, Haus- und Vorbereitungsaufgaben zu berücksichtigen sind.
Ihr Sohn
Kind hat die Lehre im 07/2019 abgebrochen. Für den Zeitraum 08/2019 - 08/2020 wurde keine Berufsausbildung nachgewiesen. Für den Zeitraum 09/2020 - 02/2022 wurde eine Schulbestätigung der HAK für Berufstätige in ***2*** vorgelegt.
Laut dem Semesterzeugnis vom wurden im Wintersemester 2020/21 6 Fächer mit "befreit" bewertet, 5 weitere Fächer wurden nicht beurteilt. Einzeln das Fach Business Training wurde mit der Note 3 benotet. Gemäß dem Semesterzeugnis vom sowie wurden alle Fächer nicht beurteilt.
Eine Ernsthaftigkeit der Berufsausbildung kann für den Schulbesuch nicht angenommen werden.
"

Daraufhin wurde vom Beschwerdeführer der Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht (Vorlageantrag) gestellt und ergänzend ausgeführt:
"Mein Sohn Kind erlitt im Anfang des Jahres 2019 zwei Bandscheibenvorfälle im Bereich der Lendenwirbelsäule, was dazu geführt hatte, dass er weder kaum stehen noch länger als 2 Minuten sitzen konnte. Er und wir als Eltern haben auf Gutes gehofft, da er diese Gelegenheit bei der HAK ***3*** (Abendschule) nutzen wollte, um seine angefangene Ausbildung bei der HAK ***5*** abzuschließen.
Mein Sohn hat trotz seiner Schmerzen versucht möglichst viel im Unterricht anwesend zu sein, dies aber leider vergeblich, denn er musste Schmerzmittel einnehmen, um die Schmerzen zu lindern, die wiederum sein Denk/-Konzentrationsvermögen erheblich beeinflussten.
Trotz dessen hat er versucht auf die Beine zu kommen und hat es mehrmals mit der Physiotherapie versucht. Nach dem letzten Besuch beim Physiotherapeuten war er nicht in der Lage selbst aus dem Gebäude zu gehen und verweilte dort halbliegend im Stiegenhaus bis letztendlich ein Therapeut auf ihn aufmerksam wurde, und er ihn mit dem Rollstuhl bis zur Bushaltestelle aushelfen musste. Die Bandscheiben waren entzündet und das während die gelartige Flüssigkeit stark auf den Ischiasnerv drückte. Es war schwer für uns ihn so zu sehen, denn einerseits war es das Aus für seine sportliche Karriere andererseits auch das voraussichtliche Aus für die Ausbildung die er unbedingt abschließen wollte. Einsehen wollte er es jedoch nicht, weshalb er es auch weiterhin versucht hat.
Wir können, falls nötig, all die Befunde über seine Bandscheibenvorfälle vorlegen. Auch die MRTs sind zur Vorlage vorhanden.
Aus den oben genannten Gründen bitte ich Sie hiermit um Kulanz
."

Lt. dem vom Finanzamt vorgelegten Versicherungsdatenauszug war der Sohn des Bf. vom bis als Arbeiterlehrling, vom bis , vom bis und vom bis als Arbeiter beschäftigt.
Vom bis und vom bis hat er Arbeitslosengeld bezogen, weiters wurde er vom bis , vom bis , vom bis und vom bis mit der Notstandshilfe unterstützt.

Im weiteren Ermittlungsverfahren vor dem Bundesfinanzgericht (BFG) brachte der Beschwerdeführer ergänzend vor:
"Mein Sohn Kind hat tatsächlich Bandscheibenvorfälle erlitten. Obwohl er derzeit angibt, dass die Schmerzen in diesem Bereich gering sind, bleibt die Erkrankung an sich weiterhin bestehen. Bis zum Jahr 2019 war er äußerst sportlich aktiv (Judo und Parkour) und führte die auftretenden Schmerzen auf seine sportliche Betätigung zurück. Anstatt jedoch sofort einen Arzt aufzusuchen, reduzierte er seine Trainingseinheiten und suchte nach Therapiemöglichkeiten. In Bezug auf die Auswirkungen dieser Erkrankung auf seine Berufsausbildung möchte ich betonen, dass der Bandscheibenvorfall in der Lendenwirbelsäule (LWS) meines Sohnes erhebliche Auswirkungen hatte. Die plötzlichen und intensiven Rückenschmerzen, die durch den Bandscheibenvorfall verursacht wurden, stellten eine erhebliche Herausforderung dar. Diese Schmerzen selbst, aber auch die Schmerzmittel beeinträchtigten seine Fähigkeit, sich auf schulische Aufgaben zu konzentrieren, und schränkten seine Beweglichkeit ein. Es wurde für ihn schwierig, sich zu bücken, schwere Lasten zu heben oder längere Zeit in einer bestimmten Position zu verharren. Bedauerlicherweise konnte mein Sohn keine seiner begonnenen Berufsausbildungen abschließen. Stattdessen begann er nach dem Schulabbruch mit einer beruflichen Tätigkeit, die er bis heute ausübt."
Beigelegt wurden der ambulante Arztbrief des LKH ***2***, Abteilung für Neurologie, vom mit der Diagnose "Radikulopathie L5 und schwerpunktmäßig S1 rechts mit geringgradiger Fußsenker- und Großzehenheberparese" und das MRT der LWS und der Iliosacralgelenke des CT/MR-Zentrum ***2*** vom mit dem Ergebnis:
"1.) Streckfehlhaltung und Retrolisthese L5 gegenüber S1 um 2 mm.
2.) Medio-rechtslateraler transversal 10 mm großer und 5 mm nach dorsal ragender subligamentärer Bandscheibenprolaps L5/S1 mit Verlagerung der Nervenwurzeln S1 im Recessus lateralis. Osteochondrose und Intervertebralarthrosen bds. Die Foramina bds. frei.
3.) Mediane Protrusion der Bandscheibe L4/5 mit 5 mm breitem Anulus fibrosus-Riss median bei Chondrose in diesem Segment. Intervertebralarthrosen bds. Die Foramina bds. frei.
4.) Die übrigen Segmente der LWS und der caudalen BWS bis Höhe Th10 unauffällig.
Regelrechte Konfiguration der Sacroiliacalgelenke bds. Normales Markraumsignal der an das Gelenk angrenzenden Abschnitte der Pars lateralis ossis sacri bds. und des Os iliums
."

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG) idgF haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. […]

Gemäß § 10 Abs. 2 FLAG 1967 wird die Familienbeihilfe vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.

§ 26 Abs. 1 FLAG 1967 bestimmt: Wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, hat die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.

Nach § 33 Abs. 3 EStG 1988 idgF steht Steuerpflichtigen, denen auf Grund des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 Familienbeihilfe gewährt wird, im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag zu. Für Kinder, die sich ständig außerhalb eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines Staates des Europäischen Wirtschaftsraumes oder der Schweiz aufhalten, steht kein Kinderabsetzbetrag zu. Wurden Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen, ist § 26 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 anzuwenden.

Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hat in seinem Erkenntnis , ausgesprochen: "Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH fallen unter den im Gesetz nicht definierten Begriff der Berufsausbildung im Sinn des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG jedenfalls alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildungen, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten an einem konkreten Arbeitsplatz das für das künftige Berufsleben erforderliche Wissen vermittelt wird. Zur Qualifikation als Berufsausbildung im Sinn des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG kommt es überdies nicht nur auf das (ernstliche und zielstrebige) Bemühen um den Studienfortgang an, sondern die Berufsausbildung muss auch in quantitativer Hinsicht die volle Zeit des Kindes in Anspruch nehmen (vgl. etwa Ra 2017/16/0030; 2009/16/0315; 2009/13/0127; und 2007/13/0125). Diese der Rechtsprechung des VwGH entnehmbare Definition der Berufsausbildung trifft nur auf die Fälle zu, welche außerhalb des in § 2 Abs. 1 lit. b FLAG besonders geregelten Bereichs des Besuchs einer Einrichtung im Sinne des § 3 des StudFG liegen (vgl. Ro 2015/16/0033; Ro 2015/16/0005; und 2009/16/0315)."

Unterbrechungen des tatsächlichen Ausbildungsvorganges sind für einen bereits vorher entstandenen Anspruch auf Familienbeihilfe nicht schädlich. Hiezu gehören beispielsweise Erkrankungen, die die Berufsausbildung auf begrenzte Zeit unterbrechen, oder Urlaube und Schulferien. Bei einer mehrjährigen krankheitsbedingten Unterbrechung der tatsächlichen Berufsausbildung bleibt der Familienbeihilfe-Anspruch nicht bestehen, weil in einem solchen Fall die Berufsausbildung nicht mehr aufrecht ist.
Von einer bloßen Unterbrechung des tatsächlichen Ausbildungsvorganges kann aber nicht mehr gesprochen werden, wenn die Ausbildung nach ihrem Abbruch nicht wieder aufgenommen wird. Das bloße Aufrechterhalten eines Berufswunsches ist der tatsächlichen Ausbildung nicht gleichzuhalten ( mwN); (vgl. Lenneis in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2, § 2 Rz 38).

Ist das Ziel der Ausbildung die Ablegung der Matura, ist nach der (überwiegenden) Judikatur des UFS und des BFG als Vergleichsmaßstab regelmäßig der für den Besuch einer AHS oder BHS erforderliche Zeitaufwand heranzuziehen, also mindestens 30 Wochenstunden (s zB -F/07; ; ; ), wobei im Übrigen dazu regelmäßig noch der Aufwand für die Vorbereitung zu Hause kommt.
ME liegt eine Berufsausbildung iSd FLAG - analog zum Besuch einer AHS und BHS - generell nur dann vor, wenn ein wöchentlicher Zeitaufwand für Kurse und Vorbereitungszeit von mindestens 30 Stunden anfällt. Auch das BFG nimmt bei Schulen für Berufstätige einen erforderlichen wöchentlichen Zeitaufwand von durchschnittlich 20 bis 25 Stunden zuzüglich Hausaufgaben an, insgesamt von mindestens 30 Wochenstunden, um von einer Berufsausbildung iSd FLAG 1967 zu sprechen (s zB ). Wenn bei einer 25 Wochenstunden umfassenden Schulausbildung die Hälfte der Unterrichtsgegenstände infolge Abwesenheit vom Unterricht nicht beurteilt wird, ist davon auszugehen, dass die Berufsausbildung nicht die überwiegende Zeit des Schülers in Anspruch genommen hat (); (vgl. Lenneis in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2, § 2 Rz 40).

Nach Abbruch der Lehre im Juli 2019 hat der Sohn des Beschwerdeführers im Zeitraum August 2019 bis August 2020 keine Berufsausbildung absolviert, sondern vom bis war er nichtselbständig beschäftigt und vom bis sowie vom bis hat er Arbeitslosengeld bezogen, bzw. vom bis Notstandshilfe.

Lt. Schulbesuchsbestätigung besuchte er in der Folge vom bis die Bundeshandelsakademie für Berufstätige ***3***. In dieser Zeit wurde er vom AMS vom bis und vom bis mit der Notstandshilfe unterstützt.

Anspruch auf Notstandshilfe hat grundsätzlich jede Person, die arbeitslos, arbeitswillig und arbeitsfähig ist, sich in einer Notlage befindet, der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht, keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld mehr hat und den Antrag auf Notstandshilfe innerhalb von fünf Jahren seit dem letzten Bezug von Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe stellt.

Nach dem vorgelegten Befund des LKH ***2***, Abteilung für Neurologie, vom begann die Erkrankung des Sohnes bereits vor Beginn des ersten Schuljahres 2020/2021 an der Bundeshandelsakademie für Berufstätige.

Der Beschwerdeführer teilte dem Finanzamt mit, dass sein Sohn die Berufsausbildung ab abgebrochen und er keinen Anspruch auf Familienbeihilfe mehr habe. In der Vorhaltsbeantwortung vom ergänzte der Beschwerdeführer sein Vorbringen wie folgt:
"Bedauerlicherweise konnte mein Sohn keine seiner begonnenen Berufsausbildungen abschließen. Stattdessen begann er nach dem Schulabbruch mit einer beruflichen Tätigkeit, die er bis heute ausübt."

Lt. den vorgelegten Zeugnissen der Bundeshandelsakademie für Berufstätige ergibt die Wochenstundenanzahl der nicht befreiten Pflichtgegenstände im Wintersemester 2020/2021 15 Wochenstunden, davon wurden Pflichtgegenstände von 14 Wochenstunden nicht beurteilt.
Im Sommersemester 2021 und im Wintersemester 2021/2022 wurde kein einziger Pflichtgegenstand beurteilt (bei insgesamt 14 bzw. 12 Wochenstunden).

Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen, dass das Ablegen von Prüfungen, die in einer Ausbildungsvorschrift vorgesehen sind, essenzieller Bestandteil der Berufsausbildung ist. Berufsausbildung liegt daher nur dann vor, wenn die Absicht zur erfolgreichen Ablegung der vorgeschriebenen Prüfungen gegeben ist. Dagegen kommt es nicht darauf an, ob tatsächlich die erfolgreiche Ablegung der Prüfungen gelingt. Die bloße Anmeldung zu Prüfungen reicht für die Annahme einer zielstrebigen Berufsausbildung aber nicht aus.

Durch die Nichtbeurteilung fast aller Pflichtgegenstände kann hier davon ausgegangen werden, dass die Berufsausbildung des Sohnes des Beschwerdeführers nicht die überwiegende Zeit des Schülers in Anspruch genommen hat, von einem wöchentlichen Zeitaufwand von mindestens 30 Stunden kann nach den vorliegenden Zeugnissen keine Rede sein.

Da der Beschwerdeführer weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht hat, dass im hier maßgeblichen Zeitraum das ernstliche und zielstrebige, nach außen erkennbare Bemühen um den Ausbildungserfolg des Sohnes gegeben war und die Berufsausbildung auch in quantitativer Hinsicht nicht die volle Zeit des Kindes in Anspruch genommen hat, erweist sich der Rückforderungsbescheid des Finanzamtes als nicht rechtswidrig.
Der Sohn des Beschwerdeführers hat im beschwerdeggst. Zeitraum keine Berufsausbildung iSd § 2 Abs. 1 lit b FLAG 1967 absolviert. Da aber die Familienbeihilfe in diesem Zeitraum vom Beschwerdeführer bezogen wurde, musste diese rückgefordert werden.

Im vorliegenden Fall kann auch nicht von einer krankheitsbedingten Unterbrechung einer Berufsausbildung des Sohnes ausgegangen werden, da ein Anspruch auf Familienbeihilfe bereits vor Beginn der Erkrankung nicht entstanden ist; im Zeitraum August 2019 bis August 2020 hat er keine Berufsausbildung absolviert. Dies wäre aber die Voraussetzung für die Weitergewährung der Familienbeihilfe während einer kurzen krankheitsbedingten Unterbrechung einer Berufsausbildung. Zudem hat der Sohn nach dem Vorbringen des Bf. "keine seiner begonnenen Berufsausbildungen abgeschlossen".

Durch den Bezug von Notstandshilfe des Sohnes im beschwerdeggst. Zeitraum lässt sich erschließen, dass er arbeitsfähig war und dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen musste. Deshalb ist das Bundesfinanzgericht der Ansicht, dass auch ein regelmäßiger Schulbesuch und der Antritt zu Prüfungen an der HAK für Berufstätige möglich gewesen wäre.

Aus § 26 Abs. 1 FLAG 1967 ergibt sich eine rein objektive Rückzahlungspflicht desjenigen, der die Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat (vgl. etwa ; , 1019/77; , 2006/15/0076; , 2008/15/0323; , 2009/15/0089; , 2008/15/0329; , 2007/13/0120; , 2012/16/0047).
Es kommt nur auf die objektive Rechtswidrigkeit des Bezugs von Familienbeihilfe an (vgl. etwa ; , 98/13/0067), also auf das Fehlen der Anspruchsvoraussetzungen für den Leistungsbezug (vgl. ; , 2005/13/0142); (vgl. Wanke in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2, § 26 Rz 12f).

Die Verpflichtung zur Rückerstattung zu Unrecht bezogener Beihilfen ist also von subjektiven Momenten unabhängig und allein an die Voraussetzung des Fehlens der Anspruchsvoraussetzungen für den Leistungsbezug geknüpft. § 26 Abs. 1 FLAG 1967 normiert eine objektive Erstattungspflicht desjenigen, der die Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat. Entscheidend ist somit lediglich, ob der Empfänger die Beträge zu Unrecht erhalten hat. Ob und gegebenenfalls wie der Bezieher die erhaltenen Beträge verwendet hat, ist unerheblich (vgl. ).

Bezüglich der Kinderabsetzbeträge ist festzustellen, dass diese gemäß § 33 Abs. 3 EStG 1988 dann gewährt werden, wenn der Steuerpflichtige auch Familienbeihilfe bezieht. Der Kinderabsetzbetrag ist somit derart mit der Familienbeihilfe verknüpft, dass ein unrechtmäßiger Bezug der Familienbeihilfe auch den gemeinsam mit der Familienbeihilfe ausbezahlten Kinderabsetzbetrag unrechtmäßig macht. Die Kinderabsetzbeträge waren somit zusammen mit der Familienbeihilfe gemäß § 26 FLAG zurückzufordern.

Auf Grund des im gegenständlichen Fall vorliegenden Sachverhaltes, der gesetzlichen Bestimmungen und der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes war über die Beschwerde wie im Spruch zu entscheiden.

Abschließend darf informativ auf § 26 Abs. 4 FLAG 1967 hingewiesen werden, wonach die Oberbehörden ermächtigt sind, in Ausübung des Aufsichtsrechts die nachgeordneten Abgabenbehörden anzuweisen, von der Rückforderung des unrechtmäßigen Beihilfenbezuges abzusehen. Eine derartige Maßnahme fällt in den Zuständigkeitsbereich der Bundesministerin für Familie und Jugend. Es liegt am Beschwerdeführer, sich mit einer entsprechenden Anregung an dieses Ministerium zu wenden. Es muss aber beachtet werden, dass es sich dabei um eine Maßnahme des Aufsichtsrechtes handelt, auf die kein Rechtsanspruch besteht.

Weiters wird auf die Möglichkeit hingewiesen, beim Finanzamt einen Antrag gemäß § 212 BAO auf Zahlungserleichterung und gemäß § 236 BAO auf Nachsicht einzubringen.

Zur Unzulässigkeit einer Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Da im Beschwerdefall kein Rechtsproblem strittig ist, sondern der als erwiesen anzunehmende Sachverhalt in freier Beweiswürdigung festgestellt wurde sowie das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht abweicht, ist gegen dieses Erkenntnis eine (ordentliche) Revision nicht zulässig.

Graz, am

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