Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 21.09.2023, RV/5100248/2023

Rechtmäßigkeit des Widerrufes einer Löschung bei determiniertem Widerruf

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin ***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1Adr***, vertreten durch Rechtsanwalt ***RA***, ***AdrRA***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Widerruf einer Löschung von Abgabenschuldigkeiten, Steuernummer ***StNr***, nach der am durchgeführten mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Bescheid vom wurde gemäß § 235 BAO die Löschung von in der Beilage angeführten Abgabenschuldigkeiten iHv 197.002,27 € gegen jederzeitigen Widerruf durch Abschreibung gelöscht.
Begründend wurde ausgeführt, dass mit Beschluss vom die Insolvenzabweisung mangels Vermögens erfolgt sei. Sämtliche Einbringungsversuche seien bisher erfolglos verlaufen. Aufgrund der bei diversen Außendiensthandlungen bzw. Vorsprachen im Amt dargelegten finanziellen und wirtschaftlichen Verhältnissen sei nicht anzunehmen, dass der Abgabenrückstand jemals getilgt werden könne. Die Löschung wäre daher durchzuführen.

Mit Bescheid vom wurde die mit Bescheid vom in Höhe von 197.02,27 € erfolgte Löschung hinsichtlich der lt. Beilage angeführten Abgabenschuldigkeiten widerrufen. Der Betrag von € 197.002,27 ist innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung dieses Bescheides zu entrichten.
Begründend wurde ausgeführt, dass die Löschung aufgrund erfolglos verlaufener Einbringungsversuche sowie vom Beschwerdeführer gemachten Angaben zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen erfolgt sei. Aufgrund des erzielten Erlöses aus dem Verkauf einer Liegenschaft sei die Uneinbringlichkeit des Rückstandes, die Grundlage für die Löschung gewesen sei, nicht mehr gegeben. Die Löschung wäre daher spruchgemäß zu widerrufen.

Mit Schriftsatz vom brachte der ausgewiesene Vertreter des Beschwerdeführers gegen den Bescheid betreffend Widerruf der Löschung das Rechtsmittel der Beschwerde ein.
Begründend wurde ausgeführt, dass die Beschwerde insbesondere wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens, unrichtiger Sachverhaltsdarstellung und unrichtiger rechtlicher Begründung erfolge.
Die Begründung, dass der Beschwerdeführer aus dem Verkauf einer Liegenschaft einen Erlös erzielt habe, sei grundsätzlich richtig. Trotzdem sei der Widerruf einer Löschung von Abgabenschuldigkeiten aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen des § 294 der Bundes-abgabenordnung unzulässig.
Durch den Bescheid über die Löschung von Abgabenschuldigkeiten vom sei gem. § 235 Abs. 2 BAO der bestandene Abgabenanspruch von € 197.002,27 erloschen. Gem. § 294 Abs. 1 BAO sei eine Änderung oder Zurücknahme eines Bescheides, der Begünstigungen, Berechtigungen oder die Befreiung von Pflichten betrifft, durch die Abgabenbehörde - soweit nicht Widerruf oder Bedingungen vorbehalten seien - nur zulässig,
a) wenn sich die tatsächlichen Verhältnisse geändert haben, die für die Erlassung des Bescheides maßgebend gewesen sind, oder
b) wenn das Vorhandensein dieser Verhältnisse aufgrund unrichtiger oder irreführender Angaben zu Unrecht angenommen worden ist.
Gem. § 294 Abs. 2 BAO könne die Änderung oder Zurücknahme ohne Zustimmung der betroffenen Parteien mit rückwirkender Kraft nur ausgesprochen werden, wenn der Bescheid durch wissentlich unwahre Angaben oder durch eine strafbare Handlung herbeigeführt worden sei. Im gegenständlichen Verfahren habe der Beschwerdeführer nicht die Möglichkeit gehabt, vor der Erlassung des Bescheides über den Widerruf einer Löschung von Abgabenschuldig-keiten eine Stellungnahme im Rahmen des zustehenden Parteiengehörs abzugeben, sodass er auch keine Zustimmung zur Änderung oder zur Zurücknahme des Bescheides über die Löschung von Abgabenschuldigkeiten vom erteilt habe.
Auch liege ein ausdrücklicher Vorbehalt des Widerrufes der Löschung von Abgabenschuldig-keiten nicht vor.
Es werde die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt, allenfalls die Zurückverweisung an das Finanzamt zur Erlassung eines neuen Bescheides.
Schließlich werde der Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gestellt.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde vom als unbegründet abgewiesen.
Im Zeitpunkt der Löschung der gegenständlichen Abgabenschuldigkeiten hätten die vom Abgabenschuldner dargelegten und von der Abgabenbehörde festgestellten wirtschaftlichen Verhältnisse nicht erwarten lassen, dass der Abgabenrückstand eingebracht werden könne. Aufgrund des bekanntgewordenen Verkaufes einer Liegenschaft und dem daraus resultierenden Erlös sei von der Uneinbringlichkeit des Rückstandes nicht mehr auszugehen, weshalb die Löschung mit Bescheid vom hinsichtlich der angeführten Abgabenschuldigkeiten im Betrag von € 197.002,27 widerrufen worden sei.
Unstrittig sei die im Bescheid über den Widerruf getroffene Feststellung in der Begründung, dass der Beschwerdeführer einen Erlös aus dem Verkauf einer Liegenschaft erzielt habe und sich folglich auch seine wirtschaftlichen Verhältnisse geändert hätten.
Der Beschwerdeführer übersehe bei seiner Argumentation, dass genau die in § 294 Abs. 1 BAO formulierte Einschränkung - "soweit nicht Widerruf oder Bedingungen vorbehalten sind" - im gegenständlichen Fall zutreffen würde. Wie aus dem Spruch des Bescheides vom hervorgehe, seien die in der Beilage angeführten Abgabenschuldigkeiten gegen jederzeitigen Widerruf gelöscht worden. Begründend sei ausgeführt worden, welche Umstände zu diesem Zeitpunkt die Grundlage für die Löschung gebildet hätten. Aufgrund der Änderung der für die Löschung maßgeblichen wirtschaftlichen Verhältnisse sowie des ausdrücklich ausgesprochenen Widerrufsvorbehalts sei der Widerruf der Löschung innerhalb der Einhebungsverjährung entgegen den Ausführungen in der Beschwerde zu Recht erfolgt.

Mit Schriftsatz des ausgewiesenen Vertreters des Beschwerdeführers vom wurde die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht beantragt. Es wurde kein weiteres Vorbringen erstattet.

Mit Vorlagebericht vom wurde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht vorgelegt und die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Mit Schreiben vom forderte die erkennende Richterin die beschwerdeführende Partei auf, folgende Fragen zu beantworten und die angesprochenen Unterlagen vorzulegen:
"1. Seit wann war die Liegenschaft, die nunmehr verkauft wurde, in Ihrem Eigentum? War das Grundstück belastet (Pfandrechte, Veräußerungsverbote oä)? Ein Grundbuchsauszug möge vorgelegt werden!
2. Fand zwischen Eigentumserwerb und Veräußerung eine Umwidmung statt?
3. Wie haben Sie die Liegenschaft erworben (Kauf, Schenkung, Erbschaft oä)? Der entsprechende Vertrag möge zur Einsichtnahme vorgelegt werden!
4. Wann und zu welchem Preis haben Sie die Liegenschaft veräußert? Der diesbezügliche Verkaufsvertrag möge vorgelegt werden!"

Mit Schreiben vom wurde seitens der beschwerdeführenden Partei dazu bekannt gegeben, dass die Liegenschaft ***EZ***, ***KG***, bis zum im Eigentum des Beschwerdeführers gewesen sei. Die Liegenschaft sei mit einem Pfandrecht im Höchstbetrag von 70.000,00 € für ***Verk1*** und mit der Einleitung des Versteigerungsverfahrens wegen vollstreckbarer Forderungen iHv 3.212,66 € s.A. für ***RA2*** belastet gewesen.
Zwischen Eigentumserwerb und Veräußerung der Liegenschaft habe keine Umwidmung stattgefunden.
Die Liegenschaft habe der Beschwerdeführer mit Kaufvertrag vom erworben.
Der Beschwerdeführer habe die Liegenschaft am veräußert.
Vorgelegt wurden der Kaufvertrag zwischen ***Verk1*** und dem Beschwerdeführer vom , das Schuldanerkenntnis des Beschwerdeführers vom und der Kaufvertrag zwischen dem Beschwerdeführer und der ***Käufer1*** vom .

Mit Schreiben vom brachte die erkennende Richterin dem Finanzamt das Schreiben der beschwerdeführenden Partei vom zur Kenntnis, legte die Rechtslage dar und ersuchte um Stellungnahme.

Mit Schreiben vom führte das Finanzamt im Wesentlichen aus, dass von einem vorbehaltenen Widerruf dann gesprochen werden könne, wenn dieser determiniert sei, dh wenn der Bescheid erkennen lässt, unter welchen Umständen ein Widerruf in Betracht komme. Die Zurücknahme würde daher sachlicher Gründe bedürfen, die im kausalen Zusammenhang mit der ursprünglichen Erlassung des Bescheides gestünden.
Der Löschungsbescheid enthalte in der Begründung als klar determinierten Widerufssvorbehalt die Änderung der Vermögensverhältnisse (Vermögenslosigkeit laut Beschluss des Insolvenzgerichtes sowie finanzielle und wirtschaftliche Verhältnisse) des Abgabepflichtigen. Unter der Bedingung der sich nicht ändernden Vermögensverhältnisse des Abgabepflichtigen sei die Abgabenschuld gemäß § 235 BAO gelöscht worden. Sollte sich dieser Umstand ändern, so wäre die Löschung gemäß Spruch "jederzeit widerrufbar". Es gehe aus dem Bescheid klar hervor, dass die im insolvenzrechtlichen Verfahren und die im abgabenrechtlichen Exekutionsverfahren festgestellte Vermögenslosigkeit Grundlage der Löschung sei. Für die Partei sei klar, fallbezogen und vorhersehbar erkennbar, dass eine Änderung der zu diesem Zeitpunkt bestehenden Vermögenslosigkeit einen Widerruf der Löschung nach sich ziehen könne. Insofern sei auch der kausale Zusammenhang zwischen dem Widerruf und dem Löschungsbescheid vorhanden.
Das beim Kauf des Grundstückes grundbücherlich eingetragene Belastungs- und Veräußerungsverbot des ***Verk1*** habe eine exekutive Verwertung des Vermögens verhindert, weshalb der Abgabepflichtige aus Sicht des Insolvenzgerichtes und der Abgabenbehörde vermögenslos gewesen sei. Dass eine Verwertbarkeit des Grundstückes oder eine andere Beseitigung der Vermögenslosigkeit einen Widerruf der aufgrund der Vermögenslosigkeit erteilten Löschung zur Folge haben würde, sei in der Bescheidbegründung klar determiniert und für den Abgabepflichtigen vorhersehbar gewesen. Schließlich habe er das Grundstück im Zeitpunkt der Löschung schon besessen.
Eine Determinierung des vorbehaltenen Widerrufs in der Beschaffenheit einzelner Vermögensgegenstände sei der ständigen Rechtsprechung des VwGH nicht zu entnehmen.
In der Folge ging das Finanzamt auf zwei BFG-Entscheidung näher ein und kam schließlich zum Schluss, dass kein Verstoß gegen das Determinierungsgebot vorliege. Der Löschungsbescheid sei samt Widerrufsvorbehalt rechtskräftig geworden. Der Widerrufsvorbehalt sei aufgrund der Bezugnahme auf die Vermögenslosigkeit des Abgabepflichtigen hinreichend determiniert. Für den Abgabepflichtigen sei vorhersehbar, dass er die Begünstigung (Löschung) verlieren würde, wenn er wieder zu verwertbarem Vermögen gelangen würde. Die Bezugnahme auf den Beschluss des Insolvenzgerichtes vom und die Ermittlungen im Abgabenexekutionsverfahren hätten die Gründe individualisiert. Aufgrund des Wegfalls des Belastungs- und Veräußerungsverbotes durch das Ableben von ***Verk1*** sei eine Änderung der Vermögensverhältnisse eingetreten. Das mögliche Eintreten dieses Umstandes sei bereits im Löschungszeitpunkt für den Beschwerdeführer erkennbar gewesen. Der Widerrufsbescheid beziehe sich auf genau jene vorbehaltenen für die Löschung relevanten Gründe (kausaler Zusammenhang) und konkretisiere sie sogar durch Bezugnahme auf den Verkauf der Liegenschaft.
Dem Schriftsatz angeschlossen waren die Feststellungen über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers vom , die Behördenabfrage aus dem Zentralen Melderegister vom , eine Abfrage im KFZ-Zentralregister vom und vom , SV-Abfragen vom , , , eine Kopie des Protokolls vom (Hausdurchsuchung nach § 6 AbgEO), Vermögensverzeichnis gemäß § 31a AbgEO iVm § 47 EO) vom , Verteilungsbeschluss des Bezirksgerichtes ***BG** vom , Bescheid über die Einstellung der Vollstreckung vom , Schreiben der Sparkasse OÖ betreffend Pfändung einer Geldforderung vom .

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesfinanzgericht wurde von beiden Parteien der Sachverhalt außer Streit gestellt und kein weiteres Vorbringen erstattet.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der Beschwerdeführer hat die Liegenschaft ***EZ***, ***KG***, mit Kaufvertrag vom um 95.000,00 € von seinem Vater, ***Verk1***, erworben. In Punkt VII. des Kaufvertrages räumte der Beschwerdeführer dem Verkäufer an der kaufgegenständlichen Liegenschaft ein Belastungs- und Veräußerungsverbot gemäß § 364c ABGB ein, welches im Grundbuch eingetragen wurde.

Mit Schreiben vom gab der Beschwerdeführer zugunsten von ***Verk1*** ein Schuldanerkenntnis über den Betrag von 44.682,92 € ab. Ein Pfandrecht für die anerkannte Forderung im Betrag von 44.682,92 € samt 8 % Zinsen und einer Nebengebührensicherstellung sowie für künftige Forderungen aus der vorläufigen Tragung von Aufwendungen gemäß Punkt I. durch ***Verk1*** wurde im Höchstbetrag von 70.000,00 € eingetragen.

Mit Bescheid vom wurde gemäß § 235 BAO die Löschung von in der Beilage angeführten Abgabenschuldigkeiten iHv 197.002,27 € gegen jederzeitigen Widerruf durch Abschreibung gelöscht. Begründend wurde ausgeführt, dass mit Beschluss vom die Insolvenzabweisung mangels Vermögens erfolgt sei. Sämtliche Einbringungsversuche seien bisher erfolglos verlaufen. Aufgrund der bei diversen Außendiensthandlungen bzw. Vorsprachen im Amt dargelegten finanziellen und wirtschaftlichen Verhältnissen sei nicht anzunehmen, dass der Abgabenrückstand jemals getilgt werden könne.

Vor Erlassung des Löschungsbescheides war die Vermögenslosigkeit des Beschwerdeführers durch Feststellungen über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers vom , eine Abfrage im KFZ-Zentralregister vom und vom , SV-Abfragen vom , , , eine Kontrolle des Beschwerdeführers mit anschließender Hausdurchsuchung nach § 6 AbgEO, durch die Feststellung der Vermögensverhältnisse anhand eines Vermögensverzeichnis gemäß § 31a AbgEO iVm § 47 EO vom , Einsichtnahme in den Verteilungsbeschluss des Bezirksgerichtes ***BG** vom , und in das Schreiben der Sparkasse OÖ betreffend Pfändung einer Geldforderung vom .

Nach dem Ableben von Herrn ***Verk1*** verkaufte der Beschwerdeführer mit Vertrag vom die Liegenschaft an die Fa. ***Käufer1*** um den Betrag von 330.000,00 €.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom wurde die mit Bescheid vom erfolgte Löschung widerrufen.

2. Beweiswürdigung

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ergibt sich aus den Parteienvorbringen, aus den vom Finanzamt vorgelegten Bescheiden und aus den von der beschwerdeführenden Partei vorgelegten Urkunden und wurde von beiden Parteien außer Streit gestellt.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I.

Gemäß § 235 Abs. 1 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten von Amts wegen durch Abschreibung gelöscht werden, wenn alle Möglichkeiten der Einbringung erfolglos versucht worden oder Einbringungsmaßnahmen offenkundig aussichtslos sind und auf Grund der Sachlage nicht angenommen werden kann, dass sie zu einem späteren Zeitpunkt zu einem Erfolg führen werden.
Durch die verfügte Abschreibung erlischt der Abgabenanspruch (§ 235 Abs. 2 BAO).
Wird die Abschreibung einer Abgabe widerrufen (§ 294 BAO), so lebt der Abgabenanspruch wieder auf. Für die Zahlung, die auf Grund des Widerrufes zu leisten ist, ist eine Frist von einem Monat zu setzen (§ 235 Abs. 3 BAO).

§ 294 BAO lautet:
(1) Eine Änderung oder Zurücknahme eines Bescheides, der Begünstigungen, Berechtigungen oder die Befreiung von Pflichten betrifft, durch die Abgabenbehörde ist - soweit nicht Widerruf oder Bedingungen vorbehalten sind - nur zulässig,
a) wenn sich die tatsächlichen Verhältnisse geändert haben, die für die Erlassung des Bescheides maßgebend gewesen sind, oder
b) wenn das Vorhandensein dieser Verhältnisse auf Grund unrichtiger oder irreführender Angaben zu Unrecht angenommen worden ist.
(2) Die Änderung oder Zurücknahme kann ohne Zustimmung der betroffenen Parteien mit rückwirkender Kraft nur ausgesprochen werden, wenn der Bescheid durch wissentlich unwahre Angaben oder durch eine strafbare Handlung herbeigeführt worden ist.
(3) Die Bestimmungen der Abgabenvorschriften über die Änderung und den Widerruf von Bescheiden der im Abs. 1 bezeichneten Art bleiben unberührt.
(4) Die Entscheidung über Änderungen und Zurücknahmen nach Abs. 1 und 2 steht der Abgabenbehörde zu, die für die Erlassung des zu ändernden bzw. zurückzunehmenden Bescheides zuständig war oder vor Übergang der Zuständigkeit als Folge einer Bescheidbeschwerde oder einer Säumnisbeschwerde (§ 284 Abs. 3) zuständig gewesen wäre. Ist die diesbezügliche Zuständigkeit auf eine andere Abgabenbehörde übergegangen, so steht die Entscheidung der zuletzt zuständig gewordenen Abgabenbehörde zu.

In § 235 Abs. 3 BAO wird die Widerrufsmöglichkeit des § 294 BAO ausdrücklich erwähnt, woraus sich die grundsätzliche Anwendbarkeit des § 294 BAO auf die Löschung von Abgabenschuldigkeiten jedenfalls ergibt.

Da § 235 BAO keine speziellen Hinweise über die näheren Voraussetzungen des Widerrufes enthält, gilt § 295 BAO für die Geltendmachung des Widerrufes.

Das Finanzamt verfügte die Löschung der Abgabenschuldigkeiten iHv 197.002,27 € gegen jederzeitigen Widerruf im Wesentlichen mit der Begründung, dass mit Beschluss vom die Insolvenzabweisung mangels Vermögens erfolgt sei und sämtliche Einbringungsversuche bisher erfolglos verlaufen seien. Aufgrund der bei diversen Außendiensthandlungen bzw. Vorsprachen im Amt dargelegten finanziellen und wirtschaftlichen Verhältnissen sei nicht anzunehmen, dass der Abgabenrückstand jemals getilgt werden könne. (Bescheid vom )

Aus den vom Finanzamt vorgelegten Unterlagen ergibt sich, dass der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Löschung des Abgabenrückstandes über kein geregeltes Einkommen und vor allem über kein verwertbares Vermögen verfügte, da auf dem Grundstück ***EZ***, ***KG***, ein Belastungs- und Veräußerungsverbot zugunsten des Vaters des Beschwerdeführers eingetragen war.

Strittig ist nunmehr, ob in Zusammenhang mit der Löschung der Abgabenschulden ein zulässiger Widerrufsvorbehalt ausgesprochen wurde.

Im Rechtssatz zur Berufungsentscheidung vom , RV/0383-L/10, hat der Unabhängige Finanzsenat Folgendes ausgesprochen: "Im Verfahren nach § 294 BAO ist zu prüfen, ob im Begünstigungsbescheid ausreichend determinierte und fallbezogen sachliche Widerrufsgründe angeführt wurden, da nur in diesem Fall die Geltendmachung des vorbehaltenen Widerrufs rechtmäßig sein kann."

Der Verwaltungsgerichtshof sieht derartige Vorbehalte an sich für unbedenklich, beurteilt jedoch nur sachlich gerechtfertigte Widerrufe als rechtmäßig.

Von einem Vorbehalt im Sinne des § 294 Abs. 1 BAO kann nur dann gesprochen werden, wenn der vorbehaltene Widerruf determiniert ist, was für den Fall eines nicht determinierten Vorbehalts bedeutet, dass "nur" die Widerrufsgründe des § 294 Abs. 1 BAO in Betracht kommen. Soll der Widerruf einer Begünstigung gültig vorbehalten werden, muss der Bescheid erkennen lassen, unter welchen Umständen ein Widerruf in Betracht kommt. Die Zurücknahme bedarf daher zureichender sachlicher Gründe, die im kausalen Zusammenhang mit der ursprünglichen Erlassung des Bescheides stehen (vgl. ).

Eine Löschung von fälligen Abgabenschuldigkeiten setzt gemäß § 235 Abs. 1 BAO entweder tatsächliche Erfolglosigkeit oder offensichtliche dauernde Aussichtslosigkeit der Einbringung voraus. Ersteres ist anzunehmen, wenn die Exekutionsführung in das bewegliche und unbewegliche Vermögen des Abgabenschuldners versucht wurde, die Einbringungsmaßnahmen jedoch erfolglos verlaufen sind. Zweiteres setzt die deutlich erkennbare, abschätzbare, mit einiger Gewissheit anzunehmende ("offenkundige") Uneinbringlichkeit der Abgaben voraus.

Der Löschungsbescheid vom wurde mit mangelndem Vermögen und damit begründet, dass aufgrund der bei diversen Außendiensthandlungen bzw. Vorsprachen im Amt dargelegten finanziellen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht anzunehmen ist, dass der Abgabenrückstand jemals getilgt werden kann. Im Vorfeld zur Erlassung des Löschungs-bescheides wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer über kein regelmäßiges Einkommen verfügt. Lediglich bei der Firma ***X*** war er geringfügig beschäftigt (400,00 €/Monat). Das in seinem Eigentum stehende Grundstück war mit einem Belastungs- und Veräußerungsverbot zugunsten des Vaters belastet, die Mieteinkünfte waren an den Vater abgetreten.

Der Widerruf der Löschung (Bescheid vom ) wurde im Wesentlichen damit begründet, dass aufgrund des erzielten Erlöses aus dem Verkauf einer Liegenschaft die Uneinbringlichkeit des Rückstandes, die Grundlage für die Löschung gewesen sei, nicht mehr gegeben sei.

Im Erkenntnis vom , RV/7102147/2020, hat das Bundesfinanzgericht in Zusammenhang mit der Formulierung " …. gegen jederzeitigen Widerruf durch Abschreibung mit der Begründung gelöscht, weil alle Möglichkeiten der Einbringung bisher erfolglos versucht worden seien, Einbringungsmaßnahmen derzeit offenkundig aussichtslos seien und auf Grund der Sachlage nicht angenommen werden könne, dass sie zu einem späteren Zeitpunkt zu einem Erfolg führen würden" ausgesprochen, dass der Bescheid eine Determinierung des darin vorbehaltenen Widerrufes nicht erkennen lässt.

Im gegenständlichen Löschungsbescheid wurde jedoch ausdrücklich auf die Vermögensver-hältnisse des Beschwerdeführers, nämlich auf die Vermögenslosigkeit (erwiesen durch die Insolvenzabweisung mangels Vermögens) hingewiesen. Weiters wurde dargelegt, dass sämtliche Einbringungsversuche bisher erfolglos waren. Schließlich wurde angemerkt, dass aufgrund der dargelegten finanziellen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht anzunehmen ist, dass der Abgabenrückstand jemals wieder getilgt werden kann. Diese wirtschaftlichen Verhältnisse beinhalten aber auch das Grundstück, das zum damaligen Zeitpunkt aufgrund des Belastungs- und Veräußerungsverbotes zugunsten des Vaters praktisch nicht verwertbar war. Mit dem ausdrücklichen Hinweis auf die finanziellen und wirtschaftlichen Verhältnisse ist die Formulierung im Löschungsbescheid vom deutlich detaillierter und genauer als jene im zitierten BFG-Erkenntnis vom . Dieser Hinweis stellt klar, dass eine Änderung dieser (im Vorfeld der Bescheiderlassung ausreichend festgestellten) wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse Grund für den Widerruf der Löschung der Abgabenschuldigkeiten sein würde, weil sich eben dadurch die Uneinbringlichkeit der Abgabenschuldigkeiten, die Grund für deren Löschung war, ändern würde.

"Auch im Abgabenverfahren hat die Berufungsbehörde grundsätzlich auf Grund der zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung gegebenen Sach- und Rechtslage zu entscheiden, soweit sich nicht insbesondere aus dem Grundsatz der Zeitbezogenheit von Abgabenvorschriften das Gebot zur Anwendung der Rechtslage zu einem bestimmten früheren Zeitpunkt ergibt oder ein Sachverhalt zu einem in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt zu Grunde zu legen ist (Hinweis E , 97/17/0460). Daraus folgt für den gegenständlichen Fall des Widerrufes einer Löschung von Abgabenschuldigkeiten, dass die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid die wirtschaftliche Situation des Beschwerdeführers im Zeitpunkt seiner Erlassung zu berücksichtigen hatte." ()
Diesem Gebot ist schon die belangte Behörde nachgekommen, indem sie im Bescheid vom ausdrücklich darauf hinwies, dass die Uneinbringlichkeit des Rückstandes (nunmehr) aufgrund des erzielten Erlöses aus dem Verkauf einer Liegenschaft nicht mehr gegeben ist.

Der Widerruf der Löschung einer Abgabe liegt als Maßnahme im Sinn des § 294 BAO im Ermessen der Behörde (vgl. ).

Aus der Sicht des Bundesfinanzgerichtes ist dem Interesse des Finanzamtes an der möglichen Einbringung der Abgaben der Vorzug vor den Interessen des Beschwerdeführers zu geben, zumal eine weitere Möglichkeit der Einbringung der Abgabenverbindlichkeiten in nächster Zukunft äußerst unwahrscheinlich erscheint. Schließlich konnte der Beschwerdeführer infolge des Vorbehaltes eines Widerrufes nicht darauf vertrauen, dass der Abgabengläubiger bei Änderung der wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse dauerhaft auf die Einbringung von Abgabenverbindlichkeiten in beträchtlicher Höhe verzichten würde.
In Hinblick auf das Gebot der Gleichmäßigkeit der Besteuerung wäre es gegenüber jenen Abgabepflichtigen, die ihre Abgabenpflichten rechtzeitig und vollständig erfüllen, nicht zu rechtfertigen, wenn gegenständlich die Löschung nicht widerrufen würde und der Beschwerdeführer Abgaben iHv fast 200.000,00 € nicht entrichten müsste, obwohl er aus dem Verkauf eines Grundstückes, das er im Jahr 2007 um 95.000,00 € gekauft hat, im Jahr 2022 einen Erlös von 330.000,00 € lukrieren konnte.
Darüber hinaus wurde diesbezüglich seitens der beschwerdeführenden Partei kein Vorbringen erstattet.

Hinsichtlich der Wirkung des Widerrufens normiert § 235 Abs. 3 BAO das Wiederaufleben des Abgabenanspruches (mit ursprünglicher Fälligkeit) und sieht für die Entrichtung eine Nachfrist von einem Monat vor. Darauf wurde im angefochtenen Bescheid vom korrekt hingewiesen.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die gegenständliche Entscheidung weicht weder von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen. Es liegt auch keine uneinheitliche Rechtsprechung vor, sodass eine ordentliche Revision gegenständlich nicht zulässig ist.

Aus den dargelegten Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 235 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 294 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.5100248.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at