Vorliegen der Voraussetzungen für den Alleinverdienerabsetzbetrag (Grenzbetrag)
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Renate Schohaj in der Beschwerdesache Beschwerdeführerin, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Österreich, betreffend Einkommensteuer für die Jahre 2019 und 2020 vom zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 Abs. 1 BAO als unbegründet abgewiesen.
Die angefochtenen Bescheide bleiben unverändert.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Die Beschwerdeführerin (Bf.) erzielte in den Streitjahren lohnsteuerpflichtige Einkünfte.
Mit Eingabe vom beantragte sie die Aufhebung der Bescheide betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für die Jahre 2019 und 2020 vom sowie die Berücksichtigung des Alleinverdienerabsetzbetrages für drei (für 2019) bzw. zwei (für 2020) Kinder.
Mit Aufhebung der Einkommensteuerbescheide vom gemäß § 299 Abs. 1 BAO erließ die belangte Behörde neue Sachbescheide für die Jahre 2019 und 2020 und ließ den Alleinverdienerabsetzbetrag im Hinblick auf die Überschreitung der Einkommensgrenze des Ehepartners der Bf. weiterhin unberücksichtigt.
In der dagegen fristgerecht eingebrachten Beschwerde führt die Bf. aus, dass ihr Ehemann schwer krank und arbeitsunfähig sei und in den Streitjahren nichts verdient habe. Da die Bf. in den Verfahren ihres Ehemannes keine Parteienstellung gehabt habe, sei es ihr nicht möglich gewesen, Anträge zu stellen. Die Schätzungsbescheide ihres Ehemannes könnten daher ihre Rechtsposition nicht beeinträchtigen. In jedem Fall habe ihr Ehemann in der Zwischenzeit Steuererklärungen abgegeben.
Mit Beschwerdevorentscheidungen vom wies die belangte Behörde die Beschwerde als unbegründet ab.
Mit Eingabe vom beantragte die Bf. die Entscheidung über ihre Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht und beantragt erneut die Gewährung des Alleinverdienerabsetzbetrages für die Streitjahre.
Mit Ergänzungsersuchen vom forderte die belangte Behörde die Bf. im Hinblick auf ihre zur Erlangung abgabenrechtlicher Begünstigung bestehenden Mitwirkungsverpflichtung sowie die bisher nicht erfolgte Vorlage von Unterlagen zum Einkommen ihres Ehegatten auf, einen Nachweis dafür vorzulegen, dass ihr der Alleinverdienerabsetzbetrag zustehe.
In der Folge teilte die Bf. mit, dass niemand beweisen könne, dass ein anderer nichts verdient habe und sie lediglich unter Eid aussagen könne, dass ihr Mann krankheitsbedingt nichts verdient habe, jedenfalls nicht über der Geringfügigkeitsgrenze. Niemand dürfe mit Nachteilen aus einem Verfahren belastet werden, in dem er keine Parteistellung mit allen Rechtsmöglichkeiten habe.
Am legte die belangte Behörde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Folgender Sachverhalt steht fest
Die Bf. war mit ihrem Ehemann in den Streitjahren 2019 und 2020 verheiratet und hat im Kalenderjahr 2019 für drei Kinder sowie im Kalenderjahr 2020 für zwei Kinder mehr als sieben Monate Familienbeihilfe bezogen.
In den nach Aufhebung der Einkommensteuerbescheide 2019 und 2020 gemäß § 299 Abs. 1 BAO erlassenen neuen Sachbescheiden vom hat die belangte Behörde den seitens der Bf. beantragten Alleinverdienerabsetzbetrag nicht zuerkannt. Begründend führte sie dazu aus, dass die steuerpflichtigen Einkünfte des Ehemannes der Bf. höher als der maßgebliche Grenzbetrag von 6.000 Euro seien.
Der Ehemann der Bf. ist seit dem als Werbegrafik Designer tätig und erzielt daraus Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Da er keine Steuererklärungen abgegeben hat, wurden seine Einkünfte für die Jahre 2017 bis 2021 jeweils gemäß § 184 BAO geschätzt, wobei 2019 Einkünfte in der Höhe von 17.400 Euro und 2020 Einkünfte in der Höhe von 19.140 Euro zum Ansatz kamen. Diese Bescheide blieben unbeeinsprucht und erwuchsen in Rechtskraft.
Laut Auszug des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger vom war der Ehemann der Bf. vom bis bei der Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen versichert. Für den Zeitraum vom bis wurde eine Beitragsgrundlage in der Höhe vom 81.621,60 Euro angesetzt.
Mit Ergänzungsersuchen vom forderte die belangte Behörde die Bf. auf, ihrer Mitwirkungsverpflichtung bei der Erlangung abgabenrechtlicher Begünstigungen nachzukommen und nachzuweisen, dass ihr Ehemann die Einkommensgrenze von 6.000 Euro in den Streitjahren nicht überschritten habe.
Die Bf. teilte dazu mit, dass sie wegen der schweren Erkrankung ihres Ehemannes keinen Nachweis erbringen, sondern lediglich aussagen könne, dass er keine Einkünfte über der Geringfügigkeitsgrenze erzielt habe.
2. Beweiswürdigung
Die obigen Sachverhaltsfeststellungen sind allesamt aktenkundig bzw. ergeben sich diese aus den nicht der Aktenlage widersprechenden und auch von der belangten Behörde nicht widerlegten Ausführungen der Bf. im Rahmen des Beschwerdeverfahrens betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für die Jahre 2019 und 2020 sowie den Ergebnissen des seitens der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens.
Vor diesem Hintergrund durfte das Bundesfinanzgericht die obigen Sachverhaltsfeststellungen gemäß § 167 Abs. 2 BAO als erwiesen annehmen.
Die belangte Behörde hat ihre gemäß § 115 BAO bestehende amtswegige Ermittlungspflicht dahingehend wahrgenommen, als sie Ermittlungen zur Erforschung des Einkommens des Ehemannes der Bf. in dessen Steuerakt vorgenommen und Anfragen sowohl beim Sozialministeriumsservice betreffend eine etwaige Erwerbsminderung oder eines Bezuges von Pflegegeld als auch beim Hauptverband der Sozialversicherungsträger zur Ermittlung der Beitragsgrundlagen gestellt hat.
Die amtswegige Ermittlungspflicht befreit die Bf. nicht von ihrer Offenlegungs- und Mitwirkungspflicht (; , 2001/14/0187; , 2007/15/0292). Darüber hinaus tritt der Grundsatz der Amtswegigkeit der Sachverhaltsermittlung generell bei Begünstigungsbestimmungen in den Hintergrund (; , 99/13/0070; , 2003/13/0117; , Ro 2018/15/0025).
Der Aufforderung der belangten Behörde, einen Nachweis dafür zu erbringen, dass ihr Ehemann den Grenzbetrag gemäß § 33 Abs. 4 Z 1 EStG in der Höhe von 6.000 Euro nicht überschritten hat, ist die Bf. nicht nachgekommen.
Die Ergebnisse des amtswegigen Ermittlungsverfahrens - insbesondere die rechtskräftigen Einkommensteuerbescheide des Ehemannes der Bf. für die Jahre 2019 und 2020, welche jeweils von den Grenzbetrag des § 33 Abs. 4 Z 1 EStG bei weitem überschreitenden Einkünften ausgehen, sowie die aufgrund der Anfrage beim Hauptverband der Sozialversicherungsträger in Erfahrung gebrachte Beitragsgrundlage für den Zeitraum bis in der Höhe von 81.621,60 Euro - entfalten für die im gegenständliche Beschwerdeverfahren zu beurteilende Frage nach der Höhe des gemäß § 33 Abs. 4 Z 1 EStG 1988 zu ermittelnden Grenzbetrages keinerlei Bindungswirkung ().
Im Hinblick darauf, dass es die Bf. verabsäumt hat, in Erfüllung ihrer Offenlegungspflicht Nachweise vorzulegen oder glaubhaft zu machen (§ 138 Abs. 1 BAO), dass sie die Voraussetzungen für die Gewährung des Alleinverdienerabsetzbetrages für die Streitjahre erfüllt, geht das Bundesfinanzgericht in freier Beweiswürdigung (§ 167 Abs. 2 BAO) von einer Indizwirkung der Ermittlungsergebnisse der belangten Behörde dahingehend aus, als das Einkommen des Ehemanns der Bf. in den Kalenderjahren 2019 und 2020 jedenfalls den Grenzbetrag gemäß § 33 Abs. 4 Z 1 EStG 1988 überschritten hat. Dies auch unter dem Gesichtspunkt, dass es die Bf. aufgrund des Vorliegens einer Begünstigungsbestimmung (Alleinverdienerabsetzbetrag, zudem wird die belangte Behörde auf Antrag tätig) eine erhöhte Mitwirkungsverpflichtung trifft und die Bf. die Ermittlungsergebnisse der belangten Behörde nicht entkräftet hat.
Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Alleinverdienerabsetzbetrages gemäß § 33 Abs. 4 Z 1 EStG 1988 für die Streitjahre 2019 und 2020 sind somit nicht gegeben.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
§ 33 Abs. 4 Z 1 EStG 1988 in der im Beschwerdefall maßgeblichen Fassung BGBl I 2005/34 lautet:
"1. Einem Alleinverdiener steht ein Alleinverdienerabsetzbetrag zu. Dieser beträgt jährlich
- ohne Kind 364 Euro,
- bei einem Kind (§ 106 Abs. 1) 494 Euro,
- bei zwei Kindern (§ 106 Abs. 1) 669 Euro.
Dieser Betrag erhöht sich für das dritte und jedes weitere Kind (§ 106 Abs. 1) um jeweils 220 Euro jährlich. Alleinverdiener ist ein Steuerpflichtiger, der mehr als sechs Monate im Kalenderjahr verheiratet ist und von seinem unbeschränkt steuerpflichtigen Ehegatten nicht dauernd getrennt lebt. Für Steuerpflichtige im Sinne des § 1 Abs. 4 ist die unbeschränkte Steuerpflicht des (Ehe-)Partners nicht erforderlich. Alleinverdiener ist auch ein Steuerpflichtiger mit mindestens einem Kind (§ 106 Abs. 1), der mehr als sechs Monate mit einer unbeschränkt steuerpflichtigen Person in einer anderen Partnerschaft lebt. Voraussetzung ist, dass der (Ehe)Partner (§ 106 Abs. 3) bei mindestens einem Kind (§ 106 Abs. 1) Einkünfte von höchstens 6.000 Euro jährlich, sonst Einkünfte von höchstens 2 200 Euro jährlich erzielt. Die nach § 3 Abs. 1 Z 4 lit. a, weiters nach § 3 Abs. 1 Z 10 und 11 und auf Grund zwischenstaatlicher oder anderer völkerrechtlicher Vereinbarungen steuerfreien Einkünfte sind in diese Grenzen miteinzubeziehen. Andere steuerfreie Einkünfte sind nicht zu berücksichtigen. Der Alleinverdienerabsetzbetrag steht nur einem der (Ehe)Partner zu. Erfüllen beide (Ehe) Partner die Voraussetzungen im Sinne der vorstehenden Sätze, hat jener (Ehe)Partner Anspruch auf den Alleinverdienerabsetzbetrag, der die höheren Einkünfte im Sinne der Z 1 erzielt. Haben beide (Ehe)Partner keine oder gleich hohe Einkünfte im Sinne der Z 1, steht der Absetzbetrag dem weiblichen (Ehe)Partner zu, ausgenommen der Haushalt wird überwiegend vom männlichen (Ehe)Partner geführt."
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (; vgl. auch ) entfaltet der Einkommensteuerbescheid eines Ehepartners keine Bindungswirkung für die Überprüfung des Grenzbetrages nach § 33 Abs. 4 Z 1 EStG 1988 im Verfahren einer Partei, welche einen Alleinverdienerabsetzbetrag begehrt.
Eine Bindungswirkung iSd. § 116 BAO kann nur der Spruch eines Bescheides entfalten. Sie ist Ausdruck der Rechtskraft der Entscheidung und erstreckt sich nicht auch auf die Entscheidungsgründe eines Bescheides. Zudem beziehen sich die Bescheidwirkungen grundsätzlich nur auf die Parteien des betreffenden Verfahrens ( mwN).
Gegen die Annahme einer solchen Bindungswirkung spricht nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zudem, dass diesfalls in keiner Weise sichergestellt wäre, dass der von der Bindung Betroffene die Möglichkeit hätte, gegen die in dem Einkommensteuerverfahren des Ehepartners getroffenen Feststellungen Einwendungen zu erheben, weshalb auch Rechtsschutzüberlegungen gegen die Annahme einer Bindung sprechen ().
Vor diesem Hintergrund entfalten die rechtskräftigen Einkommensteuerveranlagungen 2019 und 2020 des Ehegatten der Bf. für die im gegenständliche Beschwerdeverfahren zu beurteilende Frage nach der Höhe des gemäß § 33 Abs. 4 Z 1 EStG 1988 zu ermittelnden Grenzbetrages keine Bindungswirkung.
§ 115 BAO sieht eine amtswegige Ermittlungspflicht der Behörde vor. Unabhängig davon besteht gemäß § 119 BAO eine Mitwirkungs- und Offenlegungsverpflichtung des Abgabepflichtigen dahingehend, als die für den Bestand und den Umfang einer Abgabepflicht oder für die Erlangung abgabenrechtlicher Begünstigungen bedeutsamen Umstände vollständig und wahrheitsgemäß offenzulegen sind.
Die amtswegige Ermittlungspflicht der Behörde besteht zwar auch dann, wenn die Partei ihre Offenlegungs- und Mitwirkungspflicht verletzt; in dem Ausmaß, in dem die Partei zur Mitwirkung an der Wahrheitsfindung ungeachtet ihrer Verpflichtung hierzu nicht bereit ist bzw. eine solche unterlässt, tritt die Verpflichtung der Behörde, den Sachverhalt nach allen Richtungen über das von ihr als erwiesen erkannte Maß hinaus zu prüfen, zurück (vgl. zB. ; , 97/14/0011; , 2004/15/0144; , Ra 2021/16/0014). Die Pflicht zur amtwegigen Ermittlung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes findet dort ihre Grenze, wo nach Lage des Falles nur die Partei Angaben zum Sachverhalt machen kann (, 94/15/0181; , 2006/13/0136).
Im Abgabenverfahren gibt es keine verfahrensförmliche subjektive Beweislastregel. Als allgemein anerkannte verfahrensvernünftige Handlungsmaxime gilt aber, dass die Abgabenbehörde ergebnishaft letzten Endes die Behauptungs- und Feststellungsbürde für die Tatsachen trägt, die vorliegen müssen, um den Abgabenanspruch geltend machen zu können, der Abgabepflichtige hingegen für jene, die den Anspruch aufheben oder einschränken (, unter Verweis auf Stoll, BAO-Kommentar, S 1561; ). Die steuerliche Berücksichtigung des Alleinverdienerabsetzbetrages schränkt den Abgabenanspruch ein; sie begünstigt den Abgabepflichtigen, weshalb die Behauptung und der Beweis des Vorbringens vornehmlich dem Abgabepflichtigen obliegt (vgl. -G/06, zur Begünstigungsbestimmung des § 34 EStG 1988).
Da die Bf. weder Nachweise vorgelegt noch glaubhaft gemacht hat (§ 138 BAO), dass sie die Voraussetzungen für die Gewährung des Alleinverdienerabsetzbetrages gemäß § 33 Abs. 4 Z 1 EStG 1988 für die Jahre 2019 und 2020 erfüllt hat, war dieser nicht zuzuerkennen.
Aus den dargelegten Gründen war daher wie im Spruch zu entscheiden.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Mit dem vorliegenden Erkenntnis folgt das Bundesfinanzgericht der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, weshalb die ordentliche Revision nicht zuzulassen war.
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 33 Abs. 4 Z 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 115 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 116 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 119 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2023:RV.7102646.2023 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at