Gefährdung der Einbringlichkeit genügt nicht für die Annahme eines Gefährdungsverhaltens
Entscheidungstext
BESCHLUSS
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** betreffend die Beschwerde vom , eingelangt am , gegen den Bescheid des ***FA*** (nunmehr Finanzamt Österreich) vom zu Steuernummer ***BF1StNr1***, mit dem der Antrag vom auf Bewilligung der Aussetzung der Einhebung gemäß § 212a BAO abgewiesen wurde, beschlossen:
Die Beschwerde wird gemäß § 278 Abs. 1 lit. b BAO in Verbindung mit § 261 Abs. 1 lit. a BAO als gegenstandslos erklärt.
Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Begründung
Sachverhalt
Eine mit Prüfungsauftrag vom begonnene abgabenbehördliche Prüfung wurde nach mehrfacher Ausdehnung des Prüfungsumfanges mit Bericht vom abgeschlossen.
Am selben Tag ergingen (zum Teil unter Wiederaufnahme der Verfahren) neue Einkommen- und Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2006 bis 2013, wurden Anspruchszinsen für den selben Zeitraum festgesetzt, erfolgte die Festsetzung von Normverbrauchsabgaben für die Jahre 2008 und 2009, wurde Kraftfahrzeugsteuer für die Jahre 2008 bis 2013 festgesetzt und ergingen erste Säumniszuschlagsbescheide.
Im Zuge der Bescheidbeschwerde vom (umfangreich ergänzt mit Schriftsatz vom ) wurde die Aussetzung der Einhebung der aus den oben genannten Bescheiden resultierenden Nachforderungen beantragt.
Diesen Aussetzungsantrag vom wies das Finanzamt mit Bescheid vom zusammengefasst mit der Begründung ab, dass aufgrund der Prüferfeststellungen der Beschwerdeführer der Abgabenhinterziehung im Sinne des § 33 Abs. 1 und Abs. 2a FinStrG beschuldigt werde (nicht erklärte Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung eines ehemaligen Hotels; nicht erklärte Einkünfte aus Gewerbebetrieb durch Zwischenschaltung einer Briefkastenfirma; nicht erklärte Spekulationsgewinne, unberechtigter umsatzsteuerfreier Erwerb von Kraftfahrzeugen im Inland, widerrechtliche Verwendung von im Ausland zum Verkehr zugelassenen Kraftfahrzeugen im Inland). Daraus sei unmittelbar abzuleiten, dass das Verhalten des Beschwerdeführers von vorneherein auf eine Gefährdung der Einbringlichkeit der Abgaben gerichtet war. Auf seinem Abgabenkonto sei schon vor Erlassung der angefochtenen Bescheide ein vollsteckbarer Rückstand in Höhe von 223.930,50 € ausgewiesen worden, welcher auf die erklärungsgemäße Veranlagung der Einkommensteuer des Jahres 2013 zurückzuführen sei. Bisher durchgeführte Maßnahmen zur Einbringung dieses Rückstandes wären ergebnislos gewesen. Auf der Liegenschaft, auf dem sich das Wohnhaus des Beschwerdeführers befinde, sei zugunsten seines Sohnes ein Veräußerungs- und Belastungsverbot eingetragen. Auch daraus sei zu schließen, dass das persönliche Verhalten des Beschwerdeführers insgesamt auf eine Gefährdung der Einbringlichkeit der Abgaben gerichtet sei. Nach übereinstimmender Auffassung von Lehre und Rechtsprechung liege eine Gefährdung der Einbringung vor allem bei einem drohenden Insolvenzverfahren, bei Exekutionsführung von dritter Seite und bei dringendem Verdacht einer Abgabenhinterziehung vor. Der Aussetzungsantrag sei daher gemäß § 212a Abs. 2 lit. c BAO abzuweisen gewesen, weil das Verhalten des Abgabepflichtigen auf eine Gefährdung der Einbringlichkeit der Abgaben gerichtet sei.
Aktenkundig ist ein unter anderem den Beschwerdeführer erfassender Abschlussbericht nach § 100 StPO an die Staatsanwaltschaft Linz vom . Eine Verurteilung des Beschwerdeführers ist weder im Strafregister noch im Finanzstrafregister angemerkt.
Gegen den Abweisungsbescheid vom richtet sich die Beschwerde vom , eingelangt am . Darin bestritt der Beschwerdeführer, dass sein Verhalten auf eine Gefährdung der Einbringlichkeit der Abgaben gerichtet sie. Laut Einkommensteuerberechnung für 2013 ergäbe sich ein Gesamtbetrag der Einkünfte von 55.680,00 €.
Diese Beschwerde wies das Finanzamt mit Beschwerdevorentscheidung vom ab. Die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Einkünfte stünden in keiner Relation zur Abgabenverkürzung und könnte das die Abgabeneinhebung gefährdende Verhalten nicht "beschönigen".
In einer Eingabe vom brachte der Beschwerdeführer vor:
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich erhebe BESCHWERDE gegen folgende Bescheide:
1. Einkommensteuerbescheide für die Jahre: 2006, 2007, 2008, 2009, 2010, 2011, 2012 und 2013.
2. Umsatzsteuerbescheide für die Jahre: 2006, 2007,2008, 2009, 2010, 2011, 2012 und 2013.
3. Kraftfahrzeugsteuer für die Jahre: 2008, 2009, 2010, 2011,2012 und 2013.
4. Beschwerdevorentscheidung der Normverbrauchsabgabe für das Jahr 2015 vom
5. Beschwerdevorentscheidung der Bewilligung der Aussetzung der Einhebung vom .
Hiermit lege ich Beschwerde gegen die oben genannten Bescheide ein und beantrage die VORLAGE in die 2e Instanz (Bundesfinanzgericht).
Des Weiteren beantrage ich die Aussetzung der durch diese Bescheide vorgeschriebenen Steuernachforderungen bis zur berufungsmäßigen Erledigung dieser Beschwerde.
Ebenso beantrage ich die Entscheidung durch den gesamten Senat gemäß § 272/ Abs.2 BAO sowie den Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 274 BAO.
Begründung: Die Bescheide sind aufgrund einer Finanzamt Prüfung entstanden, wo sie im Wesentlichen durch Annahmen zu diesen Mehrergebnissen geführt haben. Diese haben aber nichts mit den tatsächlichen Fakten zu tun.
Um auftragsgemäße Erledigung wird höflich ersucht!
Am legte das Finanzamt die Beschwerden gegen sämtliche angefochtenen Bescheide dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.
Am erging ein Bescheid über die Bewilligung einer Aussetzung der Einhebung hinsichtlich aller noch offenen und beschwerdeverfangenen Abgabenforderungen. Im Spruch dieses Bescheides wird ausgeführt: "Ihrem Antrag um Bewilligung einer Aussetzung der Einhebung wird stattgegeben. Die Einhebung der nachstehend angeführten Abgaben wird gemäß § 212a der Bundesabgabenordnung ausgesetzt:" (es folgt eine tabellarische Auflistung der ausgesetzten Abgaben).
Nachdem vom Bundesfinanzgericht mit Erkenntnis vom , RV/5100636/2017, der Beschwerde betreffend Festsetzung der Kraftfahrzeugsteuern stattgegeben worden war und die angefochtenen Bescheide ersatzlos aufgehoben wurden, wurde hinsichtlich dieser Abgaben mit Bescheid vom der Ablauf der Aussetzung der Einhebung verfügt. Obwohl der Beschwerde vom Bundesfinanzgericht vollinhaltlich stattgegeben worden war, wurden mit weiterem Bescheid vom für den Zeitraum bis von den strittig gewesenen Kraftfahrzeugsteuern in Höhe von 8.276,40 € Aussetzungszinsen in Höhe von 61,33 € festgesetzt. Buchungstechnischer Grund für diese rechtswidrige Festsetzung von Aussetzungszinsen war der Umstand, dass die Buchung der Gutschriften aufgrund des Erkenntnisses vom erst am und somit nach Verfügung des Ablaufes der Aussetzung und der Festsetzung der Aussetzungszinsen am erfolgte. Bei einer solchen Verbuchungsreihenfolge kann die automationsunterstützte Datenverarbeitung bei der Zinsenberechnung (am ) eine nachträgliche Herabsetzung der Abgabenschuld (die sich aus dem Erkenntnis vom ergab, aber erst am verbucht wurde) naturgemäß nicht berücksichtigen.
Aufgrund der Versetzung der für die Erledigung der verfahrensgegenständlichen Beschwerde zuständig gewesenen Richterin in den Ruhestand wurde aufgrund einer Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesfinanzgerichtes vom die Gerichtsabteilung des erkennenden Richters zuständig.
Rechtliche Erwägungen
Gemäß § 261 Abs. 1 lit. a BAO ist die Bescheidbeschwerde mit Beschluss als gegenstandslos zu erklären, wenn dem Beschwerdebegehren in einem an die Stelle des angefochtenen Bescheides tretenden Bescheid Rechnung getragen wird.
Mit Bescheid vom wurde "dem Antrag" um Bewilligung einer Aussetzung der Einhebung stattgegeben und die Einhebung der angeführten Abgaben ausgesetzt. Damit wurde der zu diesem Zeitpunkt offene Antrag vom erledigt. In dieser Eingabe war nicht nur die Vorlage der verfahrensgegenständlichen Beschwerde an das Bundesfinanzgericht beantragt, sondern auch ein neuerlicher Aussetzungsantrag gestellt worden. Die Erledigung dieses neuen Antrages war zulässig. § 300 Abs. 1 BAO verbietet lediglich eine Abänderung oder Aufhebung des angefochtenen Bescheides (hier somit des Bescheides vom ), nicht aber die bescheidmäßige Erledigung des neuen Antrages vom , über den gesondert abzusprechen war und der der Entscheidungspflicht im Sinne des § 284 Abs. 1 BAO unterlag.
Für die Bedeutung einer Aussage im Spruch eines Bescheides ist maßgebend, wie der Inhalt objektiv zu verstehen ist, und nicht, wie ihn die Behörde verstanden wissen wollte (Ritz, BAO7, § 92 Tz 7 mit Hinweis auf ). Am Spruch des Bescheides vom bestehen keine Zweifel.
Diese Bewilligung der Aussetzung der Einhebung war auch in der Sache gerechtfertigt, sodass im Fall einer materiellen Entscheidung über die verfahrensgegenständliche Beschwerde derselben stattgegeben worden wäre. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer einer Abgabenhinterziehung beschuldigt wurde, genügt allein noch nicht für die Feststellung, dass sein Verhalten von vornherein auf eine Gefährdung der Einbringlichkeit der Abgaben gerichtet war. Eine derartige Auslegung der Bestimmung des § 212a Abs. 2 lit. c BAO würde dazu führen, dass in allen Fällen, in denen der Verdacht einer Abgabenhinterziehung besteht, im Beschwerdeverfahren betreffend die Abgabenfestsetzung eine Aussetzung der Einhebung stets ausgeschlossen wäre. Eine solche Absicht ist weder dem Gesetzeswortlaut noch den Gesetzesmaterialien (EB zur RV 108 der XVII. GP, 2. AbgÄG 1987) zu entnehmen (vgl. auch : auch allfällige verdeckte Ausschüttungen einer GmbH an einen Gesellschafter stellen allein noch kein Gefährdungsverhalten dar, weil andernfalls in allen Fällen, in welchen die Frage verdeckter Ausschüttungen strittig ist, eine Aussetzung der Einhebung nicht in Betracht käme). Der dringende Verdacht einer Abgabenhinterziehung rechtfertigt zwar die Annahme einer Gefährdung oder wesentlichen Erschwerung der Einbringung im Sinne des § 232 BAO (Ritz, BAO7, § 232 Tz 5), allerdings erfüllt eine Gefährdung der Einbringung nicht den Tatbestand des § 212a Abs. 2 lit. c BAO. Eine Aussetzung der Einhebung ist auch bei bestehender Gefährdung der Einbringung zulässig (Ritz, BAO7, § 212a Tz 18; ).
Ein Gefährdungsverhalten läge dann vor, wenn die für die Entrichtung der tatsächlich geschuldeten Abgaben erforderlichen finanziellen Mittel durch Zahlungsfluss ins Ausland dem Zugriff der österreichischen Finanzverwaltung entzogen würden. Ein solcher Mittelabfluss ins Ausland wurde aber nicht festgestellt. Das Finanzamt geht vielmehr davon aus, dass Mittel tatsächlich an den Beschwerdeführer im Inland geflossen sind, die dieser nicht erklärt hat.
Die Eintragung eines Belastungs- und Veräußerungsverbotes zugunsten des Sohnes auf der im Alleineigentum des Beschwerdeführers stehenden Liegenschaft hätte dann die Annahme einer Gefährdungshandlung rechtfertigen können, wenn die Eintragung im zeitlichen Zusammenhang mit der der Abgabenfestsetzung vorausgegangenen abgabenbehördlichen Prüfung erfolgt wäre (). Ein solcher zeitlicher Zusammenhang bestand gegenständlich nicht: die Eintragung des Belastungs- und Veräußerungsverbotes war laut der im C-Blatt ausgewiesenen Tagebuchzahl bereits im Jahr 2004 erfolgt (vgl. dazu auch die Anmerkungen des Vorranges der nachträglich eingetragenen Pfandrechte der Bank), die der gegenständlichen Abgabenfestsetzung zugrundeliegende abgabenbehördliche Prüfung hatte im Jahr 2010 begonnen.
Es trifft zu, dass nach Lehre und Rechtsprechung eine Gefährdung der Einbringung vor allem bei einem drohenden Insolvenzverfahren, bei Exekutionsführung von dritter Seite und bei dringendem Verdacht einer Abgabenhinterziehung vorliegt. Allerdings erfüllt - wie bereits oben ausgeführt wurde - eine Gefährdung der Einbringung nicht den Tatbestand des § 212a Abs. 2 lit. c BAO.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Da im gegenständlichen Verfahren die entscheidungsrelevanten Rechtsfragen bereits ausreichend durch die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt sind, und die Entscheidung von dieser Rechtsprechung nicht abweicht, ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 212a Abs. 2 lit. c BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2023:RV.5100626.2017 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at