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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 18.09.2023, RV/7102645/2019

Verluste aus der Anschaffung und Veräußerung von Immobilien im Sinne des § 2 Abs 2a EStG1988

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin ***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch AT Tax Advisory & Trustee Steuerberatung GmbH, Rudolfsplatz 9, 1010 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des seinerzeitigen Finanzamtes Wien 1/23 vom betreffend Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich Feststellung der Einkünfte für die Jahre 2006 bis 2014 und betreffend Feststellung der Einkünfte für die Jahre 2006 bis 2014, Steuernummer ***BF1StNr1***

I. zu Recht erkannt:

Der Beschwerde gegen die Bescheide über die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Feststellung von Einkünften für die Jahre 2006 bis 2014 wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben. Die Bescheide werden aufgehoben.

II. den Beschluss gefasst:

Die Beschwerde gegen die Bescheide über die Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für die Jahre 2006 bis 2014 wird gemäß § 261 Abs 2 BAO iVm § 278 Abs 1 BAO als gegenstandslos erklärt, das Beschwerdeverfahren wird eingestellt.

III. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Hinweis

Gemäß § 101 Abs 3 BAO sind schriftliche Ausfertigungen, die in einem Feststellungsverfahren an eine Personenvereinigung (Personengemeinschaft) ohne eigene Rechtspersönlichkeit gerichtet sind (§ 191 Abs 1 lit a und c BAO), einer nach § 81 BAO vertretungsbefugten Person zuzustellen. Mit der Zustellung einer einzigen Ausfertigung an diese Person gilt die Zustellung an alle Mitglieder der Personenvereinigung oder Personengemeinschaft als vollzogen

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Die ***Bf1*** (Beschwerdeführerin, kurz Bf) ist im gewerblichen Grundstückshandel tätig und ermittelt ihren Gewinn gemäß § 4 Abs 3 EStG 1988.

Im Zuge einer abgabenbehördlichen Prüfung für die Jahre 2006 bis 2014 stellte die Außenprüfung fest, dass es sich bei der Bf um ein sogenanntes Verlustbeteiligungsmodell mit der Konsequenz handle, dass Verluste aus Beteiligungen an ihr gemäß § 2 Abs 2a EStG 1988 weder ausgleichsfähig noch gemäß § 18 Abs 6 und 7 EStG 1988 vortragsfähig seien.

Im Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung wurde - mit Hinweis auf die Niederschrift über die Schlussbesprechung anlässlich der Außenprüfung - im Wesentlichen wie folgt ausgeführt:

Tz 2) Allgemeiner Sachverhalt
Die Bf wurde am durch Eintragung ins Firmenbuch gegründet. Als unbeschränkt haftender Gesellschafter war zum Zeitpunkt der Gründung Herr ***Gründungs-Gfter*** eingetragen. Kommanditist war die ***A-Gft*** mit einer Kommanditisteneinlage in Höhe von 100 Euro. Als Geschäftszweig wurde Immobilienverwaltung eingetragen.
Im Firmenbuch wurde eine Erhöhung der Kommanditisteneinlage auf 660.100 Euro mit eingetragen. Die zusätzlichen 660.000 Euro werden durch die ***A-Gft*** treuhändig für Herrn ***Treuhänder*** gehalten. Die ***A-Gft*** m.b.H. ist ein 100-prozentiges Tochterunternehmen der ***Bank***.
Im Gründungsjahr 2006 wurden 26 Grundstücke (Wohnungen) erworben. Erworben wurden diese Wohnungen von drei Tochterunternehmen der ***Mutter-Gft*** mit Kaufdatum .
Aufgrund der Organstruktur ging die Außenprüfung von einem Naheverhältnis zwischen den genannten Gesellschaften aus, das bereits in der Vergangenheit in ähnlich gelagerten Fällen nachgewiesen wurde.

Die aus den Käufen entstandenen Verluste wurden entsprechend der kapitalistischen Beteiligungen mittels eines Feststellungsverfahrens gemäß § 188 BAO zugewiesen. Im folgenden Ausmaß entwickelte sich die geschäftliche Tätigkeit seit Gründung 2006:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Jahr
erworbene Grundstücke
verkaufte Grundstücke
steuerliches Ergebnis
2006
26
0
-1.828.215,35
2007
0
0
-56.230,71
2008
0
1
-133.010,02
2009
0
1
-36.909,08
2010
0
2
36.736,27
2011
2
6
48.761,40
2012
8
4
-57.388,47
2013
2
442.023,75
36
16
-1.584.232,21

Mit Stichtag waren 20 Grundstücke (Wohnungen) im Besitz der ***Bf1***. Neben der treuhändig gehaltenen Investition des Kommanditisten ist das Unternehmen fremdfinanziert. Die Kontoführung wird durch die ***Bank*** durchgeführt, bei welcher auch der unbeschränkt haftende Gesellschafter angestellt war.

Tz 3) Steuerliche Auswirkungen und Systematiken

Herrn ***Treuhänder*** wurden 99,97 Prozent der Einkünfte zugewiesen. Dies entsprach einem steuerlich festgestellten Verlust von 2.033.441,47 Euro und bewirkte eine Steuergutschrift in der Höhe von 1.016.720,24 Euro. Damit wurden Herrn ***Treuhänder*** 90 Prozent seiner geleisteten Lohnsteuer erstattet.

Nach Ansicht der Außenprüfung wurde dieses Unternehmen zum Zweck der Ausnutzung steuerlicher Vorteile gegründet.

Um den Anschein zu wahren, dass es sich um gewerblichen Grundstückshandel handelt, werden in den Jahren nach Gründung der Gesellschaft vereinzelt Wohnungen gekauft bzw verkauft.

Im Zuge einer Hausdurchsuchung am wurden zudem elektronische Unterlagen bezüglich der steuerschonenden Beendigung der Gesellschaft gefunden. Die Berechnungen erfolgten auf der Annahme von steuerlichen Gutschriften in den Verlustjahren, somit von geplanten Steuerersparnissen.

Aufgrund der Tatsache, dass der unbeschränkt haftende Gesellschafter zum Zeitpunkt der Gründung der Gesellschaft im Angestelltenverhältnis zur ***Bank*** stand und die Räumlichkeiten der KG nur auf dem Papier am Standort der ***Bank*** lagen, ist von einer gezielten Steuerung der Ergebnisse, vor allem der Verluste in den ersten beiden Jahren, auszugehen.

Tz 4) Rechtliche Würdigung

a) Verletzung der abgabenrechtlichen Offenlegungspflicht


  • Aus Sicht der Außenprüfung wurde die abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht gemäß § 119 BAO verletzt. Die Tatsache der Bewertung des steuerlichen Vorteils ist ein für die Abgabenerhebung bedeutsamer Umstand und war entsprechend offen zu legen.

b) Hinterzogene Abgabe


  • Der Abgabenhinterziehung gemäß § 33 (1) FinStrG macht sich schuldig, wer vorsätzlich unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht eine Abgabenverkürzung bewirkt (). Somit ergibt sich gemäß § 207 (2) BAO die Verjährungsfrist von 10 Jahren.

c) Liebhaberei


  • Es handelt sich gemäß § 1 (1) LVO um eine Betätigung mit Annahme einer Einkunftsquelle. Der Gewerbebetrieb ist nachweislich auf einen Gesamtgewinn ausgerichtet und das Erscheinungsbild entspricht einem vergleichbaren Betrieb im Immobilienhandel ().

d) § 2 (2a) EStG 1988

Gemäß § 2 (2a) EStG 1988 sind negative Einkünfte aus einer Beteiligung an Gesellschaften weder ausgleichsfähig noch vortragsfähig, wenn das Erzielen steuerlicher Vorteile im Vordergrund steht. Von einem im Vordergrund stehenden steuerlichen Vorteil ist jedenfalls dann auszugehen, wenn das Eingehen der Beteiligung mit Steuervorteilen aus einem zu erwartenden Beteiligungsverlust beworben wird.' (siehe Wiesner in Wiesner/Grabner/Wanke, EStG § 2 (Stand , rdb.at).

Ziel der Bestimmung des § 2 Abs 2a EStG 1988 ist es, dass Verluste aus Betätigungen, bei denen in erster Linie die Erzielung von steuerlichen Vorteilen im Vordergrund steht, nicht mehr mit anderen positiven Einkünften ausgeglichen werden können (EB zum StRefG, BGBl I 28/1999; dazu weiters im Bericht des Finanzausschusses zum StRefG 2000: ,Verlustbeteiligungsmodellen soll durch neue Maßnahmen begegnet werden und soll ein generelles Verlustausgleichsverbot für Beteiligungsmodelle geschaffen werden, bei denen das Erzielen eines Steuervorteils im Vordergrund steht'. Zweck der Regelung ist es, unerwünschte Steuergestaltungen, die zu Budgetausfällen führen, zu vermeiden).

Tatbestandsmerkmal des § 2 (2a) EStG 1988 ist das Erzielen steuerlicher Vorteile, wobei im Gesetz selbst keine Kriterien angeführt sind, die zur Verwirklichung des Grundtatbestandes des § 2 (2a) EStG 1988 führen. Ein Verlustausgleich ist jedenfalls dann nicht mehr möglich, wenn der Steuervorteil aus der Beteiligung dominiert. Das ist gegeben, wenn das Eingehen der Beteiligung mit Steuervorteilen aus einem zu erwartenden Beteiligungsverlust durch professionelle Anbieter beworben wird. Bloße Hinweise auf Beteiligungsverluste aus Gründen der Prospekthaftung stellen keine Bewerbung dar (Rz 165 EStR 2000).


In Bezugnahme des § 2 (2a) EStG 1988 unterliegt der wirtschaftliche Verlust somit dem Verlustverwertungsverbot und kann nur mit zukünftigen Gewinnen der gleichen Einkunftsquelle gegengerechnet werden. In folgender Aufstellung wird die kumulierte Wartetaste aufgrund der erklärten Überschüsse/Fehlbeträge aufgezeigt:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Jahr
Einkünfte aus GW erklärt
Wartetaste kumuliert
2006
-1.828.215,35
-1.828.215,35
2007
-56.230,71
-1.884.446,06
2008
-133,010,02
-2.017.456,08
2009
-36.909,08
-2.054.365,16
2010
36.736,27
--2.017.628,89
2011
48.761,4
-1.968.867,49
2012
-57.388,47
-2.026.255,96
2013
442.023,75
-1.584.232,21

,Wartetaste kumuliert' rechnet die Überschüsse gegen die Verluste und gibt den jeweils im Jahr zu erklärenden Wartetastenverlust gemäß § 2 (2a) EStG an.

e) Missbrauch gemäß § 22 Abs 1 und 2 BAO

Neben der oben angeführten Ausführung ging die Außenprüfung davon aus, dass die Gründung der Kommanditgesellschaft lediglich den steuerlichen Grund der Ausnutzung von steuerlichen Begünstigungen hatte und dadurch ein Missbrauch vorliege.

Die Gründung der Kommanditgesellschaft beruhte auf dem steuerlichen Vorteil des § 4 Abs 3 EStG 1988, aufgrund dessen es möglich war, bis zum Grundstücke, welche im Umlaufvermögen waren (gewerblicher Grundstückshandel), sofort als Betriebsausgaben abzusetzen. Ab der Gesetzesänderung ab , wonach die Ausgaben für Immobilien erst mit dem Verkauf gegengerechnet werden durften, wurden keine Grundstücke mehr angeschafft. Es fand nur noch ein Abverkauf des bestehenden Portfolios statt. Nach Ansicht der Finanzbehörde ist dieser Weg für einen gewerblichen Immobilienhandel ungewöhnlich.

f) Fremdüblichkeit

Als Vorfrage wurde die Fremdüblichkeit der Einkäufe der Grundstücke betrachtet, da diese weit unter den damals aktuellen Preisen erworben wurden. Bei den damaligen Verkäufern handelte es sich durchgehend um nahestehende Unternehmen, die entweder mittelbar oder unmittelbar unter dem Einfluss der ***Bank*** standen. Der durchschnittliche Preis für die Wohnungen, die im Gründungsjahr angeschafft wurden, lag etwa 40 Prozent unter dem üblicherweise erzielbaren Marktwert. Diese Preisgestaltung ist nur durch einen Missbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten erklärbar.

Die Abgabenbehörde folgte der Rechtsauffassung der Außenprüfung und erließ am im wiederaufgenommenen Verfahren Feststellungsbescheide gemäß § 188 BAO für die Jahre 2006 bis 2014 und stellte in den Jahren, in denen ein Überschuss der Werbungskosten über die Einnahmen erwirtschaftet wurde, die Höhe der Einkünfte unter Ausspruch der Nichtausgleichsfähigkeit der Verluste neu fest und in den Jahren, in denen ein Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten erwirtschaftet wurde, neben der Höhe der Einkünfte auch die Höhe der verrechenbaren Verluste aus Vorjahren fest.

In der Begründung der Bescheide über die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO wurde ausgeführt, dass die Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 (1) BAO aufgrund der Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung erfolgt sei, die der darüber aufgenommenen Niederschrift bzw dem Prüfungsbericht zu entnehmen seien. Daraus seien auch die Begründung für die Abweichungen vom bisherigen im Spruch bezeichneten Bescheid zu ersehen. Die Wiederaufnahme sei unter Abwägung von Billigkeits- und Zweckmäßigkeitsgründen (§ 20 BAO) verfügt worden. Im vorliegenden Fall überwiege das Interesse an der Rechtsrichtigkeit das Interesse auf Rechtsbeständigkeit. Die steuerlichen Auswirkungen könnten auch nicht als bloß geringfügig angesehen werden.

Mit Schriftsatz vom erhob die steuerliche Vertretung der Bf Beschwerde gegen die erwähnten Bescheide und beantragte die ersatzlose Aufhebung der angefochtenen Bescheide. Die Bf erstatte ein umfangreiches Beschwerdevorbringen.

Das Finanzamt entschied über die Beschwerde mit abweisender Beschwerdevorentscheidung. Mit einer ausführlichen Begründung hielt sie an den Ergebnissen der Außenprüfung und an den erlassenen Bescheiden fest.

Die Bf beantragte die Vorlage der Beschwerde zur Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht und beantragte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung. In der Begründung enthielt der Vorlageantrag Ausführungen zur Auslegung des § 2 Abs 2a EStG 1988, stellte eine fehlende schlüssige Begründung der Beschwerdevorentscheidung fest, rügte eine mangelnde Beweiswürdigung, verfehlte betriebswirtschaftliche Schlussfolgerungen, irrelevante Ausführungen zu einem nicht existierenden Naheverhältnis und irrelevante finanzstrafrechtliche Ausführungen wider besseren Wissens.

Mit Vorlagebericht vom wurde die Beschwerde zur Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht vorgelegt.

Das Bundesfinanzgericht erteilte der Abgabenbehörde mit Beschluss vom den Ermittlungsauftrag, an Hand der im Rahmen gleichgelagerter Beschwerdesachen der Abgabenbehörde bereits zur Kenntnis gebrachten Berechnungsmodelle, eine § 2 Abs 2a EStG 1988 entsprechende Renditeberechnung vorzulegen und damit nachzuweisen, dass im gegenständlichen Beschwerdeverfahren der Quotient Nachsteuerredite/Vorsteuerrendite den Wert 2 übersteige und damit ein Anwendungsfall des § 2 Abs 2a EStG 1988 vorliege.

Das Finanzamt Österreich brachte dazu am beim Bundesfinanzgericht eine Stellungnahme ein, worin ausgeführt wird, dass sich in Anwendung der der Abgabenbehörde bereits zur Kenntnis gebrachten Berechnungsmodelle des Bundesfinanzgerichtes ergebe, dass der Quotient Nachsteuerrendite/Vorsteuerrendite in keinem Fall den Wert 2 übersteige und damit kein Anwendungsfall des § 2 Abs 2a EStG 1988 vorliege.

Die Stellungnahme des Finanzamtes wurde der steuerlichen Vertretung der Bf am übermittelt.

Mit Schriftsatz vom zog die steuerliche Vertretung den Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Senat zurück.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die Bf ist im gewerblichen Grundstückshandel tätig und ermittelt ihren Gewinn gemäß § 4 Abs 3 EStG 1988.

Die Bf erwarb im Jahr 2006 26 Wohnungen und im Jahr 2011 2 Wohnungen und im Jahr 2012 8 Wohnungen und setzte die Anschaffungskosten sofort als Betriebsausgaben ab.

Im Zuge einer abgabenbehördlichen Prüfung für die Jahr 2006 bis 2014 stellte die Außenprüfung fest, dass es sich bei der Bf um ein sogenanntes Verlustbeteiligungsmodell mit der Konsequenz handle, dass Verluste aus Beteiligungen an ihr gemäß § 2 Abs 2a EStG 1988 weder ausgleichsfähig noch gemäß § 18 Abs 6 und 7 EStG 1988 vortragsfähig seien.

Nachdem das Finanzamt Österreich zunächst den Feststellungen der Außenprüfung gefolgt war, kam es in Anwendung der der Abgabenbehörde zur Kenntnis gebrachten Berechnungs-modelle des Bundesfinanzgerichtes zur Ansicht, dass der Quotient Nachsteuerrendite/Vorsteuerrendite in keinem Fall den Wert 2 übersteige und damit kein Anwendungsfall des § 2 Abs 2a EStG 1988 vorliege.

Anhand der vom Bundesfinanzgericht entwickelten Berechnungsmodelle ist daher davon auszugehen, dass es sich im gegenständlichen Fall um kein Verlustbeteiligungsmodell im Sinne des § 2 Abs 2a EStG 1988 handelt.

2. Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ergibt sich aus dem Akteninhalt, insbesondere aus den von der Abgabenbehörde dem Bundesfinanzgericht vorgelegten Unterlagen sowie ihrer Stellungnahme vom betreffend die nach § 2 Abs 2a EStG 1988 vorzunehmende Berechnung. Das Bundesfinanzgericht durfte diesen Sachverhalt daher seiner Entscheidung zugrunde legen.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

3.2. 3.1.1. Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für die Jahre 2011 bis 2016

§ 2 EStG 1988 lautet (auszugsweise):

(1) Der Einkommensteuer ist das Einkommen zugrunde zu legen, das der Steuerpflichtige innerhalb eines Kalenderjahres bezogen hat.

[…]

(2a) Weder ausgleichsfähig noch gemäß § 18 Abs 6 vortragsfähig sind negative Einkünfte

− aus einer Beteiligung an Gesellschaften oder Gemeinschaften, wenn das Erzielen steuerlicher Vorteile im Vordergrund steht. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn

− der Erwerb oder das Eingehen derartiger Beteiligungen allgemein angeboten wird

− und auf der Grundlage des angebotenen Gesamtkonzeptes aus derartigen Beteiligungen ohne Anwendung dieser Bestimmung Renditen erreichbar wären, die nach Steuern mehr als das Doppelte der entsprechenden Renditen vor Steuern betragen,

− aus Betrieben, deren Unternehmensschwerpunkt(e) im Verwalten unkörperlicher Wirtschaftsgüter oder in der gewerblichen Vermietung von Wirtschaftsgütern gelegen ist.

Mit AbgabenänderungsG 2012 wurde § 4 Abs 3 EStG 1988 abgeändert. Die geänderte Fassung trat gemäß § 124b Z 211 EStG 1988 ab in Kraft.

Darin wurde ua normiert:

Bei Zugehörigkeit zum Umlaufvermögen sind die Anschaffungs- und Herstellungskosten oder der Einlagewert von Gebäuden und Wirtschaftsgütern, die keinem regelmäßigen Wertverzehr unterliegen, erst bei Ausscheiden aus dem Betriebsvermögen abzusetzen.

Da weder die Amtspartei noch die Bf Renditeberechnungen vorgelegt haben, hat das Bundesfinanzgericht - unter Berücksichtigung nachfolgender Erwägungen - eigene Berechnungen auf Grundlage der gesetzlichen Bestimmungen sowie der erläuternden Bemerkungen angestellt.

Voraussetzung des § 2 Abs 2a EStG 1988 ist das im Vordergrund stehende Erzielen steuerlicher Vorteile. Dies ist gemäß der Bestimmung dann der Fall, wenn Renditen erreichbar wären, die nach Steuern mehr als das Doppelte der entsprechenden Renditen vor Steuern betragen. Unter Rendite wird, den erläuternden Bemerkungen folgend, der nach der Methode des internen Zinsfußes abgezinste Barwert der Zahlungsströme verstanden, wobei Wiederveranlagungen mit dem marktüblichen Zinssatz zu verrechnen wären. Der interne Zinsfuß ist jener Zinsfuß, bei dem der Barwert der Zahlungsströme aus der zu beurteilenden Investition Null beträgt.

Aus den vorgelegten Unterlagen folgt, dass die Bf in den Jahren 2006 bzw 2011 und 2012 36 Wohnungen erworben und die Anschaffungskosten sofort als Betriebsausgaben abgesetzt hat.

Das Bundesfinanzgericht geht davon aus, dass diese Vorgangsweise ursächlich für die Anwendung des § 2 Abs 2a EStG 1988 durch die Behörde war.

Diese Annahme stützt sich auch auf die Beilage der Niederschrift über die Schlussbesprechung anlässlich der Außenprüfung, wonach es aufgrund der damaligen Rechtslage möglich gewesen sei, bei gewerblichem Grundstückshandel die entstandenen Aufwendungen sofort ertragsmindern geltend zu machen.

Ausgangspunkt der Überlegungen zur Berechnung des internen Zinsfußes durch das Bundesfinanzgericht war daher, dass der steuerliche Vorteil aus der sofortigen Absetzung der Anschaffungskosten herrühre und der dadurch ausgelöste Zahlungsstrom die Rendite "Nach Steuern" darstelle, wohingegen der Zahlungsstrom ohne sofortiger Abschreibungsmöglichkeit zur Rendite "Vor Steuern" führe.

Übersteigt der Quotient (Interner Zinsfuß der Rendite nach Steuern/interner Zinsfuß der Rendite vor Steuern) den Wert 2, liegt - sofern die übrigen Voraussetzungen gegeben sind - ein Anwendungsfall des § 2 Abs 2a EStG 1988 vor.

Mit Beschluss vom wurde der Abgabenbehörde der Ermittlungsauftrag erteilt, an Hand der im Rahmen gleichgelagerter Beschwerdesachen der Abgabenbehörde bereits zur Kenntnis gebrachten Berechnungsmodelle, eine § 2 Abs 2a EStG 1988 entsprechende Renditeberechnung vorzulegen und damit nachzuweisen, dass im gegenständlichen Beschwerdeverfahren der Quotient Nachsteuerrendite/Vorsteuerrendite den Wert zwei übersteigt und damit ein Anwendungsfall des § 2 Abs 2a EStG 1988 vorliege.

In ihrer Stellungnahme vom führte die Abgabenbehörde aus, dass sich in Anwendung der der Abgabenbehörde bereits zur Kenntnis gebrachten Berechnungsmodelle des Bundesfinanzgerichtes ergebe, dass der Quotient Nachsteuerrendite/Vorsteuerrendite in keinem Fall den Wert 2 übersteige und damit kein Anwendungsfall des § 2 Abs 2a EStG 1988 vorliege.

Gemäß § 303 Abs 1 lit b BAO kann ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anderslautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Neben dem Vorliegen eines Wiederaufnahmsgrundes ist zweite Tatbestandsvoraussetzung einer erfolgreichen Wiederaufnahme, dass die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens auch einen im Spruch anderslautenden Bescheid herbeigeführt hätte. Gemäß § 303 BAO stellen nur entscheidungswesentliche Sachverhaltselemente, das sind solche, die den Spruch des neuen Sachbescheides zu beeinflussen geeignet sind, Wiederaufnahmsgründe dar (vgl Ritz, BAO6, § 303 Tz 43).

Kann dies für den vorgebrachten Wiederaufnahmsgrund aus materiell-rechtlichen Gründen ausgeschlossen werden, kann der Beschwerde gegen die Wiederaufnahme der Verfahren von Amts wegen schon deswegen stattgegeben und muss der Wiederaufnahmsgrund erst gar nicht näher verfahrensrechtlich geprüft werden (vgl etwa mVa

Stoll, BAO-Kommentar, 2917f). Schon im Wiederaufnahmsverfahren ist auf die materiell-rechtliche Frage der möglichen Auswirkung auf den Sachbescheid einzugehen. Ist die Möglichkeit eines Einflusses des geltend gemachten Wiederaufnahmsgrundes auf die Sachentscheidung zu verneinen, dann ist das rechtskräftig abgeschlossene Verfahren nicht wiederaufzunehmen (Stoll, BAO-Kommentar, 2918).

Die Streitjahre 2006 bis 2014 betreffend richtet sich die Beschwerde sowohl gegen die Wiederaufnahms- wie auch gegen die Feststellungsbescheide gemäß § 188 BAO.

Sind beide Bescheide mit Bescheidbeschwerde angefochten, so ist zunächst über die Beschwerde gegen den Wiederaufnahmsbescheid zu entscheiden (vgl, Ritz, BAO6, § 307 Tz 7 mVa ; , 2001/15/0004; , 2009/15/0170).

Wird der Sachverhalt unter dem Blickwinkel obiger Ausführungen betrachtet, so ergibt sich für das Bundesfinanzgericht, dass die Abgabenbehörde im Rahmen der Außenprüfung die Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich Feststellung der Einkünfte gemäß § 188 BAO für die Jahre 2006 bis 2014 deswegen verfügte, weil sie die Ansicht vertrat, die Beteiligung an der Bf erfülle die Tatbestandsmerkmale des § 2 Abs 2a EStG 1988 und deswegen seien die erzielten Verluste aus dem gewerblichen Grundstückshandel nur mit positiven Einkünften aus eben dieser Betätigung zu verrechnen.

Mit Stellungnahme vom hielt die Amtspartei ihre Rechtsansicht nicht mehr aufrecht und stellte klar, dass beschwerdegegenständlich kein Anwendungsfall des § 2 Abs 2a EStG 1988 vorliegt.

Somit ergibt sich aus materiell-rechtlichen Gründen für den von der Amtspartei herangezogenen Wiederaufnahmsgrund, dass die zweite Tatbestandsvoraussetzung - Herbeiführen im Spruch anderslautender Feststellungsbescheide gemäß § 188 BAO für die Jahre 2006 bis 2014 - für eine erfolgreiche Wiederaufnahme nicht vorliegt.

Die Wiederaufnahmsbescheide sind sohin aufzuheben.

3.3. 3.1.2. Feststellung der Einkünfte für die Jahre 2006 bis 2014

Gemäß § 307 Abs 3 BAO tritt durch die Aufhebung des die Wiederaufnahme des Verfahrens bewilligenden oder verfügenden Bescheides das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor seiner Wiederaufnahme befunden hat.

Durch die Aufhebung des Wiederaufnahmsbescheides scheidet somit ex lege der neue Sachbescheid aus dem Rechtsbestand aus, der alte Sachbescheid lebt wieder auf (vgl Ritz, BAO6, § 307 Tz 8).

Die im Zuge der Wiederaufnahme des Verfahrens neu erlassenen Feststellungsbescheide gemäß § 188 BAO vom für die Jahre 2006 bis 2014 gehören somit nicht mehr dem Rechtsbestand an.

Die Beschwerde gegen diese Bescheide war vom Bundesfinanzgericht gemäß § 261 Abs 2 BAO iVm § 278 BAO als gegenstandlos zu erklären.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.4. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Revision war als nicht zulässig zu erklären, da das Bundesfinanzgericht in rechtlicher Hinsicht der in der Entscheidung dargestellten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes folgte (vgl etwa ). Im Übrigen ergab sich die Gegenstandslos-erklärung direkt aus dem Wortlaut des Gesetzes.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 4 Abs. 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 124b Z 211 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 2 Abs. 2a EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 303 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 307 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 303 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 188 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7102645.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at