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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 18.09.2023, RV/7400062/2015

Geschäftsführerhaftung für Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Lisa Pucher in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch die Rechtsanwaltskanzlei Dr. Georg Lugert, Dr.-Karl-Renner-Promenade 10, 3100 St. Pölten, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom betreffend die Haftung als Geschäftsführer der ***L GmbH*** für den entstandenen Rückstand an Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe samt Nebenansprüchen für den Zeitraum Jänner 2012 bis November 2013 (Haftungsbetrag gesamt: € 3.142,92), zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Der Beschwerdeführer wird zur Haftung für nachfolgend angeführte Abgabenbeträge herangezogen:


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Abgabenart
Zeitraum
Betrag
Kommunalsteuer
01-12/2012
€ 904,83
Dienstgeberabgabe
01-12/2012
€ 84,65
Kommunalsteuer
01-09/2013
€ 806,69
Dienstgeberabgabe
01-11/2013
€ 240,00
Summe
€ 2.036,17

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Am richtete der Magistrat der Stadt Wien (belangte Behörde) ein Schreiben betreffend die von der ***L GmbH*** (nachfolgend auch "Primärschuldnerin") geschuldete Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe für den Zeitraum 01-12/2012 und 01-11/2013 sowie Säumniszuschläge hierzu an den Beschwerdeführer (nachfolgend "Bf"). Der Bf sei bis zum ***Datum*** im Firmenbuch als Geschäftsführer der ***L GmbH*** eingetragen gewesen. Im gegenständlichen Fall seien die Abgaben in Höhe eines Gesamtbetrages von € 3.142,92 nicht entrichtet worden. Es lägen damit die in § 80 Abs 1 BAO sowie § 6a Abs 1 Dienstgeberabgabegesetz bzw § 6a Abs 1 Kommunalsteuergesetz vorgesehenen gesetzlichen Voraussetzungen für die Haft- und Zahlungspflicht des Bf vor. Dem Bf werde gemäß § 183 Abs 4 BAO Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Das Schreiben blieb unbeantwortet.

Am erließ der Magistrat der Stadt Wien einen Haftungsbescheid an den Bf.

Der Haftungsbetrag wurde im Bescheid wie folgt gegliedert:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Abgabenart/Nebenanspruch
Zeitraum
Betrag
Kommunalsteuer
01-12/2012
€ 932,56
Säumniszuschlag
01-12/2012
€ 18,65
Dienstgeberabgabe
01-12/2012
€ 88,00
Kommunalsteuer
01-11/2013
€ 1.818,63
Säumniszuschlag
01-11/2013
€ 36,37
Dienstgeberabgabe
01-11/2013
€ 243,83
Säumniszuschlag
01-11/2013
€ 4,88
Summe
3.142,92

Begründend führte die belangte Behörde wie folgt aus:

Nach § 6a Abs 1 Kommunalsteuergesetz bzw § 6a Abs 1 Dienstgeberabgabegesetz haften die in § 80 BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffende Kommunalsteuer bzw Dienstgeberabgabe insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten abgabenrechtlichen oder sonstigen Pflichten nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden können, insbesondere im Fall der Konkurseröffnung bzw im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom ***Datum*** zur Zahl ***GZ*** sei der Konkurs über das Vermögen der ***L GmbH*** eröffnet worden. Die bereits vom Gesetzgeber als typischer Fall der erschwerten Einbringung angeführte Voraussetzung für die Haftung sei daher jedenfalls erfüllt. Der Bf sei bis zum ***Datum*** im Firmenbuch als Geschäftsführer der Gesellschaft eingetragen gewesen und habe die Bezahlung weder veranlasst, noch irgendwelche Schritte zur Abdeckung des Rückstandes unternommen. Er habe somit die ihm als Geschäftsführer der Primärschuldnerin auferlegten Pflichten verletzt. Die Geltendmachung der Haftung entspräche auch den Ermessensrichtlinien der Zweckmäßigkeit und Billigkeit nach § 20 BAO, da nach der Aktenlage kein Hinweis darauf bestehe, dass der nunmehr aushaftende Betrag bei der Primärschuldnerin noch eingebracht werden könnte.

Die am fristgerecht eingebrachte Beschwerde gegen den Haftungsbescheid wurde wie folgt begründet: Von Jänner bis November 2013 seien längst keine Dienstnehmer mehr bei der ***L GmbH*** beschäftigt gewesen. Allfällige Ansprüche aus der Beendigung von Dienstverhältnissen, wie sie von einigen Dienstnehmern geltend gemacht wurden, hätten nicht dem Bf als Geschäftsführer angelastet werden können, da die Kommunalsteuerverbindlichkeiten dafür zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung noch gar nicht fällig gewesen seien. Darüber hinaus seien die Zahlungen gegenüber gleichberechtigten Gläubigern eingestellt worden, sobald Zahlungsschwierigkeiten aufgetreten waren und für den Bf als Geschäftsführer erkennbar gewesen sei, dass eine vollständige Befriedigung der Gläubiger nicht möglich sein würde. An den Bf seien "von dritter Seite", nämlich von einigen Auftraggebern "gewidmete Treuhandgelder" bezahlt worden. Diese "gewidmeten Treuhandbeträge" seien "der Widmung zuzuführen" gewesen, da anderenfalls strafrechtliche Vorwürfe gegen den Bf hätten erhoben werden können. Diese Beträge seien von der Primärschuldnerin auftragsgemäß dafür verwendet worden, um "Zug um Zug Geschäfte" abzuwickeln (zB Anschaffung von Materialien und Bezahlung von Dienstleistungen). Dies könne nicht als Gläubigerungleichbehandlung ausgelegt werden. Unter Berücksichtigung der "allgemein" zur Verfügung stehenden Mittel seien Abgabenschulden nicht schlechter behandelt worden als die übrigen Gläubiger, weshalb den Bf kein Verschulden treffe. Im Rahmen des Ermessens seien nicht nur öffentliche Interessen, sondern auch die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Haftungspflichtigen in Betracht zu ziehen. Der Bf verfüge derzeit über ein monatliches Einkommen von € 900, wobei sich gegen ihn auch noch weitere Forderungen von Bankinstituten "richten". Der Haftungsbescheid verletze die Grundsätze der Billigkeit und Zweckmäßigkeit, da dem Bf zur Abdeckung dieser Verbindlichkeiten (nur) das genannte monatliche Nettoeinkommen zur Verfügung stehe. Es werde daher beantragt, den Haftungsbescheid ersatzlos aufzuheben. In eventu werde der Antrag auf Herabsetzung des Haftungsbetrages im Rahmen der Ermessensübung gestellt.

Mit Schreiben vom forderte die belangte Behörde den Bf auf, eine monatlich per Fälligkeitstag der Abgaben (jeweils der 15. des Monates) gegliederte Liquiditätsaufstellung für den Zeitraum Jänner 2012 bis November 2013 vorzulegen. Überdies wurde auf folgende Umstände hingewiesen: Die zur Haftung herangezogenen Abgabenbeträge seien zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung bereits fällig gewesen. Auch das Argument, eine Kommunalsteuer für Dienstnehmer zahlen zu müssen, die längst nicht mehr beschäftigt gewesen seien, gehe ins Leere: Die Vorschreibung der Kommunalsteuer sei aufgrund der Lohnverrechnungsunterlagen anlässlich einer gemeinsamen Prüfung der lohnabhängigen Abgaben durch das Finanzamt erfolgt und sei vom Masseverwalter anerkannt worden. Zum Vorbringen des Bf zur Verwendung von Treuhandgeldern ersuchte die belangte Behörde den Bf, die Treuhandverträge vollständig vorzulegen. Zur Unbilligkeit im Sinne des § 20 BAO werde darauf hingewiesen, dass der Bf als Abgabenschuldner gemäß § 53 Abgabenexekutionsordnung in Verbindung mit § 291a Exekutionsordnung in seiner Existenz geschützt sei. Dem entgegnete der Bf schriftlich, dass der Beitragsrückstand für ihn nicht nachvollziehbar sei. Die belangte Behörde werde um Vorlage einer detaillierten Aufstellung zur im Haftungsweg geltend gemachten Kommunalsteuer- und Dienstgeberabgabe ("bezogen auf den jeweiligen Zeitpunkt und unter Ausweisung der jeweiligen Fälligkeit") ersucht. Er sei erst dann in der Lage, eine präzise Berechnung zu den sich sodann ergebenden Fälligkeiten vorzunehmen.

Mit Schreiben vom informierte die belangte Behörde den Bf wie folgt: Die Kommunalsteuerbemessungsgrundlagen seien aufgrund der Lohnverrechnungsunterlagen der Primärschuldnerin ermittelt worden. Bei der vom Finanzamt durchgeführten gemeinsamen Prüfung der lohnabhängigen Abgaben habe es keine Hinzurechnungen gegeben. Die Kommunalsteuer für das Jahr 2012 habe € 932,56 und für das Jahr 2013 € 1.983,96 betragen. Davon seien lediglich € 27,73 für das Jahr 2012 bezahlt worden; für das Jahr 2013 sei keine Bezahlung der Kommunalsteuer erfolgt. Die Dienstgeberabgabe habe für das Jahr 2012 € 88 und für das Jahr 2013 € 266 betragen. Davon seien lediglich € 3,35 für das Jahr 2012 entrichtet worden. Der Bf werde auf die ihn nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung treffende Beweisvorsorgepflicht hingewiesen. Er solle die monatliche Aufstellung der Kommunalsteuer- und Dienstgeberabgabebeträge aufgrund der eigenen Buchhaltung durchführen und sodann einen Gläubigergleichbehandlungsnachweis vorlegen. Zum Nachweis einer Gläubigergleichbehandlung geeignete Unterlagen sind vom Bf nicht vorgelegt worden; es wurde nur erneut vorgebracht, dass eine Gläubigerbevorzugung nicht stattgefunden habe.

Am erging die abweisende Beschwerdevorentscheidung, die vom Magistrat der Stadt Wien am verschickt wurde. Das Schreiben wurde laut Rückschein am übernommen. In der Begründung führte die belangte Behörde zusammengefasst wie folgt aus: Sind Geldmittel vorhanden, reichen sie aber nicht zur Deckung aller fälligen Verbindlichkeiten aus, müssten - damit dem Gleichbehandlungsgrundsatz entsprochen wird - alle Verbindlichkeiten im gleichen Verhältnis erfüllt werden (siehe etwa ). Im gegenständlichen Fall seien im Haftungszeitraum laut Aktenlage Löhne und Gehälter ausbezahlt worden, die dadurch fälligen Abgaben seien jedoch nicht entrichtet worden. Der Abgabengläubiger sei somit schlechter gestellt gewesen und der Bf habe damit seine Pflicht als Geschäftsführer der Primärschuldnerin zur Gläubigergleichbehandlung verletzt. Dass die angeführten Abgabenrückstände bei der ***L GmbH*** erschwert einbringlich sind, sei nicht bestritten worden. Die Berechnung des haftungsgegenständlichen Betrages sei aufgrund der Lohnverrechnung der ***L GmbH*** erfolgt, wobei nicht ausbezahlte Beträge nicht berücksichtigt worden seien. Das Argument, Kommunalsteuer für längst nicht mehr beschäftigte Dienstnehmer bezahlen zu müssen, gehe ins Leere. Erst nach Konkurseröffnung fällig gewordene Abgabenbeträge seien ebenfalls nicht zur Haftung herangezogen worden. Trotz schriftlicher Aufforderung seien die behaupteten Treuhandverhältnisse nicht durch Vorlage von Urkunden belegt worden. Dass sich "Zug um Zug Geschäfte" allenfalls im Lichte der Anfechtungsordnung als anfechtungsfest erweisen, könne den Bf nicht vom Vorwurf der schuldhaften Pflichtverletzung befreien. Abgabenrechtlich sei keine Bevorrechtung von Forderungen aus "Zug um Zug Geschäften" im Zusammenhang mit dem Gleichbehandlungsgebot vorgesehen (siehe ). Der Bf habe keine monatliche Aufschlüsselung der Kommunalsteuer- und Dienstgeberabgabebeträge vorgelegt und sei auch der Aufforderung zur Vorlage von monatlichen Liquiditätsaufstellungen nicht nachgekommen. Die Haftung entspräche auch den Ermessensrichtlinien der Zweckmäßigkeit und Billigkeit. Der Konkurs habe lediglich zu einer Konkursquote von 0,932121% geführt. Rund 99% der Forderungen seien nicht befriedigt worden. Der Abgabengläubiger würde seinen Anspruch verlieren, wenn der Bf nicht zur Haftung herangezogen wird. In seiner Existenz sei der Bf durch die exekutionsrechtlichen Regeln geschützt.

Am brachte der Bf fristgerecht einen Vorlageantrag ein. Zu den bereits in der Beschwerde enthaltenen Argumenten wurde wie folgt ergänzend ausgeführt: Den Bf hätte kein Verschulden am Unterbleiben der Zahlung der fälligen Abgaben getroffen, da die ***L GmbH*** "im Fälligkeitszeitpunkt" über keine liquiden Mittel mehr verfügt habe; sie habe eben nur mehr die zweckgewidmeten Gelder von dritter Seite ("Treuhand") zur Verfügung gehabt. Die belangte Behörde träfe eine Ermittlungspflicht, wenn sich aus dem Akteninhalt deutliche Anhaltspunkte für das Fehlen der erforderlichen Mittel zur Abgabenentrichtung ergeben. Die ***L GmbH*** habe bereits deutlich vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (am ***Datum***) "und zwar im Jahr 2012" nicht mehr über die erforderlichen Mittel zur Abgabenentrichtung verfügt. Damit habe sich die Abgabenbehörde nicht auseinandergesetzt. Die Abgabenbehörde hätte auch "konkrete Feststellungen zu den Entlastungsbehauptungen" des Bf treffen müssen, dies jedoch unterlassen. Ein Verstoß gegen Gleichbehandlungsgrundsätze sei nicht ersichtlich. Es liege keine Pflichtverletzung und auch nicht die notwendige Kausalität zum Abgabenausfall vor. Die Abgabenbehörde habe zudem ihre Ermessensentscheidung nicht begründet. Es werde der Antrag auf Abhaltung einer mündlichen Verhandlung gestellt.

Am wurde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht vorgelegt.

Durch Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom wurde der gegenständliche Fall der Gerichtsabteilung 1054 abgenommen und mit Wirkung der Gerichtsabteilung 1090 neu zugeteilt.

Am forderte das Bundesfinanzgericht die belangte Behörde dazu auf, den Sachverhalt zu erheben und Beweismittel vorzulegen, aus denen sich ergibt, dass für den Zeitraum 01/2012 bis 11/2013 ein Abgabenanspruch hinsichtlich Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe besteht und gegebenenfalls in welcher Höhe. Dafür seien die tatsächlich gewährten Lohnzahlungen maßgeblich und nicht bloß jene, die am Lohnkonto vermerkt sind oder in der Buchhaltung der Primärschuldnerin als Verbindlichkeit enthalten sind. Ergänzend dazu werde ersucht, nochmals zu verifizieren, inwieweit allfällig bestehende Abgabenansprüche bereits erloschen seien (zB durch Quotenzahlungen im Insolvenzverfahren oder sonstige Zahlungen) sowie eine monatliche Aufgliederung der Abgabenbeträge vorzulegen.

Am beantwortete die belangte Behörde den Vorhalt des Bundesfinanzgerichtes: Die Bemessungsgrundlagen seien aus den von der Primärschuldnerin abgegebenen Selbstberechnungserklärungen abgeleitet worden; zum Zeitpunkt der Erlassung des Haftungsbescheides habe kein Grund dafür bestanden, an der Richtigkeit der abgegebenen Erklärungen zu zweifeln. Im Jahr 2014 habe eine gemeinsame Prüfung lohnabhängiger Abgaben ohne Feststellungen stattgefunden. Für das Jahr 2013 sei von der Finanzamtsprüferin nun das Betriebsjahreslohnkonto übermittelt wurden und auch Informationen zur Auszahlung der Löhne. Es habe sich ergeben, dass die Löhne und Gehälter im Jahr 2013 nur bis September 2013 ausbezahlt worden sind; danach seien nur mehr Zahlungen durch den Insolvenzentgeltfonds erfolgt. Dies sei bei der durch die Masseverwalterin in Auftrag gegebenen Jahreserklärung für 2013 entgegen der gesetzlichen Vorgaben nicht berücksichtigt worden. Die belangte Behörde übermittelte auch monatliche Aufgliederungen der Abgabenbeträge: Im Jahr 2012 sei eine Schätzung (gleichmäßige Aliquotierung) der Abgabenbeträge erforderlich gewesen, da für das Jahr 2012 weder die zuständige Masseverwalterin, die Finanzamtsprüferin, noch die Steuerberaterin Unterlagen zur Verfügung stellen konnte. Für Zwecke der Dienstgeberabgabe für den Zeitraum 01-12/2012 sei davon ausgegangen worden, dass mit der Primärschuldnerin damals ein Dienstverhältnis mit nur einem Dienstnehmer bestanden hatte. Die monatliche Aufteilung der Kommunalsteuerbeträge im Jahr 2013 sei aus dem von der Finanzamtsprüferin übermittelten Betriebsjahreslohnkonto ersichtlich gewesen. Für die Dienstgeberabgabe 2013 habe die belangte Behörde auf Sozialversicherungsdaten zurückgreifen können. Eingegangene Quotenzahlungen seien berücksichtigt worden, weitere Zahlungen seien nicht erfolgt.

Am wurden die dem Bundesfinanzgericht vom Magistrat der Stadt Wien übermittelten Unterlagen dem Bf zur Kenntnis gebracht und wie folgt dazu erläutert: Aufgrund der von der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungen werde angenommen, dass in den Monaten Oktober und November 2013 von der Primärschuldnerin keine Löhne und Gehälter mehr ausbezahlt worden sind. Abgesehen davon seien die haftungsgegenständlichen Bemessungsgrundlagen nach dem Ermittlungsstand aus den von der Primärschuldnerin abgegebenen Selbstberechnungserklärungen abzuleiten, auch bei der Prüfung lohnabhängiger Abgaben für den Zeitraum bis sei von mit den Selbstberechnungserklärungen übereinstimmenden Bemessungsgrundlagen ausgegangen worden; es habe keine Feststellungen gegeben. Dem Bf stehe es frei, diese Sachverhaltsannahmen durch Vorlage von Buchhaltungsunterlagen zu widerlegen. Im Anhang zu dem Vorhalt wurde auch die vom Magistrat der Stadt Wien vorgenommene monatliche Aufgliederung der Abgabenbeträge übermittelt. Vom Fehlen von Mitteln sei anhand der Aktenlage nicht auszugehen. Falls die vorhandenen Mittel zur Begleichung sämtlicher Verbindlichkeiten nicht ausgereicht haben, werde der Bf dazu eingeladen, den Nachweis zu erbringen, welcher Betrag unter Berücksichtigung der vorhandenen Mittel bei Gleichbehandlung aller Gläubiger an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre. Die Haftung des Bf könne (sofern dieser Nachweis gelingt) auf jenen Betrag eingeschränkt werden, um den die Abgabenbehörde bei gleichmäßiger Behandlung sämtlicher Gläubiger mehr erlangt hätte, als sie tatsächlich erhalten hat. Das Schreiben enthielt auch Anleitungen zur ordnungsgemäßen Quotenberechnung. Zum Vorbringen, es seien lediglich Treuhandbeträge ihrer Widmung zugeführt worden, wurde um nähere Erläuterung bzw um Vorlage von Nachweisen zu allfällig von der Primärschuldnerin übernommenen Treuhandschaften ersucht.

Mit Schreiben vom zog der Bf seinen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung zurück. Am informierte der rechtsfreundliche Vertreter des Bf die erkennende Richterin telefonisch davon, dass vom Bf in diesem Verfahren keine weiteren Eingaben zu erwarten seien.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der Bf war seit Gründung der Gesellschaft (mit Errichtungserklärung vom ) bis zur Eröffnung des Konkursverfahrens alleiniger handelsrechtlicher Geschäftsführer der ***L GmbH*** (früher ***FN***) mit Sitz in Wien und dem Geschäftszweig Immobilienberatung.

Bei der Primärschuldnerin haften folgende bereits entstandene und fällige Abgabenverbindlichkeiten unberichtigt aus:


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Abgabenart
Zeitraum
Betrag
bezahlt/Quote
offener Saldo
Kommunalsteuer
1/2012
€ 77,71
  1. € 27,73
€ 49,98
2/2012
€ 77,71
€ 77,71
3/2012
€ 77,71
€ 77,71
4/2012
€ 77,71
€ 77,71
5/2012
€ 77,71
€ 77,71
6/2012
€ 77,71
€ 77,71
7/2012
€ 77,71
€ 77,71
8/2012
€ 77,71
€ 77,71
9/2012
€ 77,71
€ 77,71
10/2012
€ 77,71
€ 77,71
11/2012
€ 77,71
€ 77,71
12/2012
€ 77,71
€ 77,71
€ 904,83
7/2013
€ 262,85
€ 262,85
8/2013
€ 271,92
€ 271,92
9/2013
€ 271,92
€ 271,92
€ 806,69
Dienstgeberabgabe
1/2012
€ 3,60
  1. € 3,35
€ 0,25
2/2012
€ 3,60
€ 3,60
3/2012
€ 3,60
€ 3,60
4/2012
€ 3,60
€ 3,60
5/2012
€ 3,60
€ 3,60
6/2012
€ 10,00
€ 10,00
7/2012
€ 10,00
€ 10,00
8/2012
€ 10,00
€ 10,00
9/2012
€ 10,00
€ 10,00
10/2012
€ 10,00
€ 10,00
11/2012
€ 10,00
€ 10,00
12/2012
€ 10,00
€ 10,00
€ 84,65
7/2013
€ 50,00
€ 50,00
8/2013
€ 40,00
€ 40,00
9/2013
€ 50,00
€ 50,00
10/2013
€ 52,00
€ 52,00
11/2013
€ 48,00
€ 48,00
€ 240,00

Mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom ***Datum*** wurde über das Vermögen der ***L GmbH*** der Konkurs eröffnet, der mit Beschluss des Gerichtes vom nach Verteilung an die Massegläubiger aufgehoben wurde. Es wurde eine Quote von 0,932121% zur Verteilung gebracht. In der Folge wurde die Gesellschaft am im Firmenbuch gelöscht.

Es wurden keine Abgabenbescheide über die haftungsgegenständlichen Abgaben erlassen. Ebenso sind die im angefochtenen Bescheid haftungsmäßig geltend gemachten Säumniszuschläge der Primärschuldnerin nicht mittels Bescheid vorgeschrieben worden.

2. Beweiswürdigung

Die Feststellungen zur Gründung der Primärschuldnerin sowie zur Vertreterstellung des Bf ergeben sich aus einem Firmenbuchauszug der Primärschuldnerin (Akt Blatt 4).

Dass die unter Punkt II.1. tabellarisch angeführten Abgaben in Höhe des in Spalte "offener Saldo" angeführten Betrages nicht zum Fälligkeitstermin bezahlt worden sind, ist unstrittig.

Die Feststellung, dass bei der Primärschuldnerin aufgrund von Lohn- und Gehaltsauszahlungen im Jahr 2012 sowie in den Monaten Juli bis September 2013 eine Kommunalsteuerschuld in oben angeführte Höhe entstanden ist, gründet sich auf folgende Umstände:

  1. Die Primärschuldnerin hat Selbstberechnungserklärungen für die Jahre 2012 und 2013 abgegeben (Betrag laut Selbstberechnungserklärung für 2012: € 932,56; Betrag laut Selbstberechnungserklärung für 2013: € 1.976,53 - damals errechnet von einer Kommunalsteuerbemessungsgrundlage, die neben dem Zeitraum 07-09/2013 auch die Monate 10/2013 und 11/2013 miteinschließt).

  2. Im Jahr 2014 hat eine Prüfung lohnabhängiger Abgaben (GPLA) für den Zeitraum bis stattgefunden. Die (im Wege der Selbstberechnung von der Primärschuldnerin bekannt gegebenen Beträge) wurden anhand der Lohnverrechnungsunterlagen (Dienstgeberlohnkonto, Dienstnehmerlohnkonten), die von der Steuerberatungskanzlei *** M P*** zur Verfügung gestellt worden sind, überprüft. Es wurden keine Differenzen festgestellt. Die Prüfung wurde ohne Feststellungen abgeschlossen.

  3. Buchhaltungsunterlagen, die zeigen, dass die genannten Beträge unrichtig sind bzw nicht den tatsächlich ausbezahlten Beträgen entsprechen, wurden vom Bf nicht vorgelegt; auch der Steuerberatungskanzlei ***P*** war es nicht mehr möglich, solche Unterlagen zur Verfügung zu stellen.

Vor dem Hintergrund wurde als erwiesen angenommen, dass in den Monaten 1-12/2012 bzw 7-9/2013 tatsächlich Löhne und Gehälter zur Auszahlung gelangt sind. Im Oktober und November 2013 erfolgten keine Lohn- und Gehaltsauszahlungen durch die Primärschuldnerin mehr: Im Mai 2023 hat die damals zuständige Prüferin (***S U***) den Magistrat der Stadt Wien davon informiert, es sei aufgrund einer nachträglichen Lohnzettelerstellung im Juli 2014 ein Vermerk gefunden worden, wonach die Primärschuldnerin die Bezüge der Dienstnehmer bis ausbezahlt habe (siehe den Aktenvermerk von ***S U*** vom ). Vor dem Hintergrund hat auch die belangte Behörde mittlerweile eingeräumt, dass eine Kommunalsteuerhaftung für Oktober und November 2013 (mangels entstandener Abgabenschuld) nicht in Betracht kommt. Die monatlichen Beträge wurden in 2012 mangels verfügbarer Unterlagen geschätzt (Aliquotierung); die monatlichen Kommunalsteuerbeträge für das Jahr 2013 waren aus dem von ***S U*** übermittelten Betriebsjahreslohnkonto ableitbar. Dem Bf wurde Kenntnis über die monatlichen Abgabenbeträge verschafft (siehe Vorhalt des Bundesfinanzgerichtes vom ).

Unterlagen, aus denen die Anzahl der im Jahr 2012 mit der ***L GmbH*** bestehenden Dienstverhältnisse ableitbar ist, liegen nicht vor; für Zwecke der Dienstgeberabgabe (bis : € 0,72 und ab : € 2, pro angefangene Arbeitswoche und Dienstverhältnis) für das Jahr 2012 wurde daher 1 Dienstnehmer geschätzt, was unter Berücksichtigung des in der Selbstberechnungserklärung vom deklarierten Kommunalsteuerbetrages in Höhe von € 932,56 (entspricht einer Bemessungsgrundlage von rund € 31.000) und im Vergleich zu 2013 gering, aber jedenfalls nicht nachteilig für den Bf erscheint. Die monatlichen Dienstgeberabgabebeträge im Jahr 2013 wurde aus Sozialversicherungsdaten abgeleitet. Eine Liste der im Jahr 2013 bei der ***L GmbH*** angemeldeten Dienstnehmer wurde dem Bf vom Bundesfinanzgericht am übermittelt (vgl das Vorbringen des Bf, wonach von Jänner bis November 2013 längst keine Dienstnehmer mehr bei der ***L GmbH*** beschäftigt gewesen seien).

Die Feststellungen zum Konkursverfahren gründen sich auf die Eintragungen im Firmenbuch. Dass die Konkursquote 0,932121% betrug und die Konkursquote auch erfüllt wurde, ergibt sich aus dem Vorbringen der belangten Behörde und wurde vom Bf im Verfahren nicht bestritten.

Dass keine Bescheide hinsichtlich der haftungsgegenständlichen Abgaben bzw Säumniszuschläge erlassen worden sind, ergibt sich aus der Aktenlage.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abänderung)

Zu klären war, ob die Haftungsinspruchnahme des Bf für die hier gegenständlichen Abgaben und Nebenansprüche zu Recht erfolgt ist:

(1) Rechtliche Rahmenbedingungen

§ 6a Kommunalsteuergesetz 1993 regelt:

"(1) Die in den §§ 80 ff der Bundesabgabenordnung bezeichneten Vertreter haften neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffende Kommunalsteuer insoweit, als diese Abgabe infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten abgabenrechtlichen oder sonstigen Pflichten nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden kann, insbesondere im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. § 9 Abs. 2 Bundesabgabenordnung gilt sinngemäß.

(2) Soweit Personen auf die Erfüllung der Pflichten der Abgabepflichtigen und der in §§ 80 ff Bundesabgabenordnung bezeichneten Vertreter tatsächlich Einfluss nehmen, haben sie diesen Einfluss dahingehend auszuüben, dass diese Pflichten erfüllt werden.

(3) Die in Abs. 2 bezeichneten Personen haften für die Kommunalsteuer insoweit, als diese Abgabe infolge ihrer Einflussnahme nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden kann, insbesondere im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens."

§ 6a Wiener Dienstgeberabgabegesetz enthält folgende Regelung:

"(1) Die in den §§ 80 ff Bundesabgabenordnung - BAO bezeichneten Vertreter haften neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffende Dienstgeberabgabe insoweit, als diese Abgabe infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten abgabenrechtlichen oder sonstigen Pflichten nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden kann, insbesondere im Fall der Konkurseröffnung. § 9 Abs. 2 Bundesabgabenordnung - BAO gilt sinngemäß.

(2) Soweit Personen auf die Erfüllung der Pflichten der Abgabepflichtigen und der in §§ 80 ff Bundesabgabenordnung - BAO bezeichneten Vertreter tatsächlich Einfluss nehmen, haben sie diesen Einfluss dahingehend auszuüben, dass diese Pflichten erfüllt werden.

(3) Die in Abs. 2 bezeichneten Personen haften für die Dienstgeberabgabe insoweit, als diese Abgabe infolge ihrer Einflussnahme nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden kann, insbesondere im Falle der Konkurseröffnung."

§ 80 Abs 1 BAO sieht vor: "Die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen haben alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, daß die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden."

Demnach setzt die Geltendmachung der Haftung gemäß § 6a Kommunalsteuergesetz bzw § 6a Wiener Dienstgeberabgabegesetz in Verbindung mit § 80 BAO folgendes voraus:

1. Vertreterstellung gemäß den §§ 80 ff BAO

2. Erschwerte Einbringlichkeit der betreffenden Abgabenforderung beim Vertretenen (Primärschuldner)

3. Verletzung von abgabenrechtlichen oder sonstigen Pflichten

4. Verschulden des Vertreters

5. Kausalität zwischen schuldhafter Pflichtverletzung und erschwerter Einbringlichkeit

Die Erlassung von Haftungsbescheiden (§ 224 BAO) liegt im Ermessen der Abgabenbehörde (siehe Ritz/Koran, BAO7 § 7 Rn 5 mwN). Nach § 20 BAO müssen sich Ermessensentscheidungen in den Grenzen halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Wesentliches Ermessenskriterium bei der Geltendmachung persönlicher Haftungen ist die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalles. Dem Begriff "Billigkeit" ist die Bedeutung "Angemessenheit in Bezug auf berechtigte Interessen der Partei", dem Begriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Interesse, insbesondere an der Einbringung der Abgaben" beizumessen (vgl zB ). Neben der Nachrangigkeit der Haftung wäre bei der Ermessensübung in diesem Sinn beispielsweise ein behördliches Mitverschulden an der Erschwerung der Einbringung beim Hauptschuldner (etwa durch Säumigkeit der Abgabenbehörde bei der Eintreibung der Abgaben bei der Primärschuldnerin), die Geringfügigkeit des haftungsgegenständlichen Betrages oder die (endgültige) Uneinbringlichkeit beim Haftungspflichtigen selbst zu berücksichtigen (siehe dazu Ritz/Koran, BAO7 § 7 Rn 7 mwN).

(2) Schlussfolgerungen

Der Bf wurde im Ausmaß von € 2.036,17 zu Recht für die aushaftenden Abgabenschuldigkeiten der Primärschuldnerin in Anspruch genommen:

Erstens sind die oben angeführten - aus § 6a Kommunalsteuergesetz bzw § 6a Wiener Dienstgeberabgabegesetz sowie den §§ 80 ff BAO ableitbaren - Haftungsvoraussetzungen im vorliegenden Fall erfüllt:

  1. Als GmbH-Geschäftsführer gehörte der Bf zum in den §§ 80 ff BAO angesprochenen Personenkreis.

  2. Die in § 6a Kommunalsteuergesetz bzw § 6a Wiener Dienstgeberabgabegesetz normierte "erschwerte Einbringlichkeit" als Voraussetzung für die Haftungsinanspruchnahme ist durch die Eröffnung des Konkursverfahrens (= Insolvenzverfahren im Sinne des § 6a Kommunalsteuergesetz bzw § 6a Wiener Dienstgeberabgabegesetz) gegeben. Das Konkursverfahren ist mittlerweile aufgehoben und die Gesellschaft aus dem Firmenbuch gelöscht. Eine (auch nur teilweise) Einbringung der noch aushaftenden Abgabenverbindlichkeiten bei der Primärschuldnerin ist nicht mehr möglich.

  3. Zu den Pflichten des Geschäftsführers einer GmbH gehört es, die abgabenrechtlichen Verpflichtungen der Gesellschaft wahrzunehmen und für die Entrichtung der Abgaben aus den verwalteten Mitteln zu sorgen (siehe zB , , ). Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe wären monatsweise, jeweils am 15. des darauffolgenden Monates zu entrichten gewesen (siehe § 11 Abs 2 Kommunalsteuergesetz 1993 sowie § 6 Abs 1 Wiener Dienstgeberabgabegesetz). Der Bf wird (nur) für Abgaben der ***L GmbH*** in Anspruch genommen, deren Fälligkeit bis zur Konkurseröffnung am ***Datum*** eingetreten ist. Abgaben mit einem nach der Konkurseröffnung gelegenem Fälligkeitstag sind nicht Gegenstand der Haftung. Vor der Konkurseröffnung war der Bf (seit Gründung der Gesellschaft) alleiniger Geschäftsführer der Primärschuldnerin. Er wäre daher prinzipiell dazu verpflichtet gewesen, für die Entrichtung der betreffenden (monatlich fälligen) Abgaben Sorge zu tragen und zwar insoweit als hierfür liquide Mittel vorhanden waren (vgl zB ; ; ). Anhaltspunkte für das völlige Fehlen von Mitteln zur Abgabenentrichtung ergeben sich nicht aus dem Akteninhalt. Im Gegenteil: Zum einen hat die Primärschuldnerin Löhne und Gehälter ausbezahlt. Zum anderen geht aus den Ausführungen des Bf hervor, dass Mittel der Primärschuldnerin zur Abwicklung von "Zug um Zug Geschäften" verwendet worden sind (zB zur Anschaffung von Materialien und zur Bezahlung von Dienstleistungen). Dass die Primärschuldnerin eine Treuhandschaft übernommen hätte, wurde - trotz Aufforderung durch das Bundesfinanzgericht - nicht (zB durch Vorlage von Treuhandverträgen) belegt (vgl das Vorbringen des Bf, wonach es sich dabei um "Treuhandbeträge" gehandelt habe, die ihrer "Widmung" zuzuführen gewesen seien, da anderenfalls strafrechtliche Vorwürfe gegen den Bf erhoben hätten werden können). Sofern die Primärschuldnerin nicht über ausreichende Mittel zur Befriedigung aller Verbindlichkeiten verfügte, hätte den Bf die Verpflichtung getroffen, alle Schulden im gleichen Verhältnis zu befriedigen (Gleichbehandlungsgrundsatz). Diese Pflicht hat der Bf verletzt: Bestimmte Verbindlichkeiten wurden beglichen, während die betroffenen Abgabenschulden weitestgehend unberichtigt geblieben und damit schlechter behandelt worden sind (erst aufgrund des Konkursverfahrens wurde letztlich eine Quote von 0,932121% entrichtet).

  4. Nur schuldhafte Verletzungen abgabenrechtlicher Pflichten berechtigen zur Haftungsinanspruchnahme. Eine bestimmte Schuldform ist nicht gefordert (auch leichte Fahrlässigkeit reicht aus, zB ; ). Nach ständiger Rechtsprechung hat der Vertreter darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich war, widrigenfalls angenommen wird, dass die Pflichtverletzung schuldhaft war (zB ; ; ; ; ). Dem Vertreter obliegt dabei kein negativer Beweis, sondern die konkrete (schlüssige) Darstellung der Gründe, die zB der gebotenen rechtzeitigen Abgabenentrichtung entgegenstanden (; ; zumindest "qualifizierte Behauptungs- und Konkretisierungslast"; siehe Ritz/Koran, BAO7 § 7 Rn 22). Damit der organschaftliche Vertreter seine qualifizierte Behauptungs- und Konkretisierungslast erfüllt, ist die Darstellung der konkreten finanziellen Situation der Gesellschaft und ihrer Gebarung im fraglichen Zeitraum erforderlich (vgl ); er hat für die Möglichkeit des Nachweises seines pflichtgemäßen Verhaltens vorzusorgen (), etwa durch das Erstellen und Aufbewahren von Ausdrucken (zB ). Dem Vertreter, der fällige Abgaben der Gesellschaft nicht oder nicht zur Gänze entrichten kann, ist es schon im Hinblick auf seine mögliche Inanspruchnahme als Haftungspflichtiger zumutbar, jene Informationen zu sichern, die ihm im Falle der Inanspruchnahme als Haftungspflichtiger die Erfüllung der Darlegungspflicht im oben beschriebenen Sinn ermöglichen (vgl ; ). Für die verfahrensgegenständlichen Abgabenbeträge konnte der Bf keinerlei Nachweise vorlegen, die auf ein fehlendes Verschulden seinerseits deuten würden. Auf Ebene des Verschuldens ist zu prüfen, ob dem Vertreter die objektive Rechtswidrigkeit seines Verhaltens (nämlich die Nichtentrichtung der hier gegenständlichen Abgaben) auch subjektiv vorwerfbar ist. Dies wäre etwa nicht der Fall, wenn der Bf die Unrichtigkeit (hier nicht fristgerechte Entrichtung der Abgabe) nicht hätte erkennen können (vgl etwa ). Dafür bestehen keine Anhaltspunkte.

  5. Der Vertreter haftet für sämtliche Abgabenschulden des Vertretenen im Umfang der Kausalität zwischen seiner schuldhaften Pflichtverletzung und dem Entgang der Abgaben. Reichten die liquiden Mittel nicht zur Begleichung sämtlicher Schulden aus und haftet der Vertreter nur deswegen, weil er die Abgabenforderungen nicht wenigstens anteilig befriedigt und den Abgabengläubiger somit benachteiligt hat, dann erstreckt sich die Haftung des Vertreters auch nur auf den Betrag, um den der Abgabengläubiger bei gleichmäßiger Befriedigung aller Forderungen mehr erlangt hätte, als er infolge des pflichtwidrigen Verhaltens des Vertreter tatsächlich erhalten hat (). Die Verletzung der Gleichbehandlungspflicht wird nur als kausal für den anteiligen Abgabenausfall angesehen (siehe Ritz/Koran, BAO7 § 7 Rn 27). Die Rechtsprechung des VwGH zur Haftung des Vertreters in der Höhe des Quotenschadens setzt den Nachweis voraus, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger - bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits - an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre. Erbringt der Geschäftsführer nicht den ihm obliegenden Nachweis, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre, haftet er für die in Rede stehenden Abgabenschulden zur Gänze (vgl ; ). Eine entsprechende Quotenberechnung wurde vom Bf nicht vorgelegt.

Zweitens sind Gründe, die es - im Rahmen der Ermessensübung - rechtfertigen, von der Haftungsinanspruchnahme im Ausmaß von € 2.036,17 Abstand zu nehmen bzw die Haftung noch weiter einzuschränken, nicht ersichtlich: Die Zweckmäßigkeit der Geltendmachung der Haftung liegt darin, dass nur durch diese Maßnahme eine Einbringlichkeit der angeführten Abgaben gegeben ist und nur so dem öffentlichen Interesse an der Erhebung der Abgaben nachgekommen werden kann. Sachverhaltselemente, die eine Inanspruchnahme zur Haftung als unbillig (also einem berechtigten Interesse des Bf widersprechend) erscheinen lassen, wurden nicht geltend gemacht und ergeben sich auch nicht aus der Aktenlage. Soweit der Bf vorbringt, er verfüge derzeit über ein monatliches Einkommen von € 900, wobei sich gegen ihn auch noch weitere Forderungen von Bankinstituten "richten" und der Haftungsbescheid verletze daher die Grundsätze der Billigkeit und Zweckmäßigkeit, ist darauf hinzuweisen, dass selbst das Fehlen von Einkünften des Haftungspflichtigen oder die Vermögenslosigkeit nach der VwGH-Rechtsprechung der Geltendmachung der Haftung nicht entgegenstünde (siehe ; ; ). Auch wenn (derzeit) von einer Uneinbringlichkeit beim Bf auszugehen sein sollte, ist nicht ausgeschlossen, dass der Haftungsbetrag aufgrund von künftig erzielten Einkünften oder neu hervor gekommenem Vermögen einbringlich wird (siehe ; ). Abschließend wird - wie schon von der belangten Behörde festgestellt - festgehalten, dass bei einer allfälligen Exekutionsführung auf das Existenzminimum Rücksicht zu nehmen sein wird und insoweit ein der Exekution entzogener unpfändbarer Freibetrag besteht (siehe § 291a Exekutionsordnung).

Die dem Bf von der belangten Behörde im Haftungsweg vorgeschriebene Kommunalsteuer für Oktober und November 2013 und die Säumniszuschläge zu Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe waren aus nachfolgend angeführten Gründen aus der Haftung auszuscheiden:

  1. Die Geltendmachung abgabenrechtlicher Haftungen setzt voraus, dass eine Abgabenschuld entstanden ist: Nach § 1 Kommunalsteuergesetz 1993 unterliegen der Kommunalsteuer die Arbeitslöhne, die jeweils in einem Kalendermonat an die Dienstnehmer einer im Inland (Bundesgebiet) gelegenen Betriebsstätte des Unternehmens gewährt worden sind. Im Oktober und November 2013 wurden von der Primärschuldnerin keine Löhne und Gehälter mehr ausbezahlt, weshalb auch keine Kommunalsteuerpflicht für diese Monate besteht.

  2. Nach § 217a Z 2 BAO werden Säumniszuschläge für Landes- und Gemeindeabgaben im Zeitpunkt der Zustellung des sie festsetzenden Bescheides fällig. Eine bescheidmäßige Festsetzung mittels Abgabenbescheid an die Primärschuldnerin ist nicht erfolgt. Somit kann keine Fälligkeit für die Säumniszuschläge eingetreten sein. Eine Haftungsinanspruchnahme des Bf ist insoweit ausgeschlossen.

Es war daher wie im Spruch zu befinden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Über die sich im gegenständlichen Fall stellende Rechtsfrage der Heranziehung des organschaftlichen Vertreters einer GmbH zur Haftung für deren Abgabenschulden wurde im Sinne der oben wiedergegebenen ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entschieden. Darüber hinaus hing die Entscheidung von auf Ebene der Beweiswürdigung zu klärenden Sachfragen ab. Eine Revision ist daher unzulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Landesabgaben Wien
betroffene Normen
§ 6a WDGAG, Wr. Dienstgeberabgabegesetz, LGBl. Nr. 17/1970
§ 6a KommStG 1993, Kommunalsteuergesetz 1993, BGBl. Nr. 819/1993
§ 80 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 224 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 217a Z 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7400062.2015

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at