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Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 18.09.2023, RV/2100268/2021

Zustellmangel, keine Heilung gemäß § 9 Abs. 3 ZustG

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***R*** in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Adresse Bf***, vertreten durch ***stV***, ***Adresse stV***, über die Beschwerde vom gegen die als Bescheid intendierte Erledigung des Finanzamtes Judenburg Liezen vom betreffend Festsetzung einer Zwangsstrafe gemäß § 111 BAO in Höhe von 5.000,00 Euro beschlossen:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 260 Abs 1 lit a BAO als nicht zulässig zurückgewiesen.

II. Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

1. Verfahrensgang:

Bei der Beschwerdeführerin (Bf), einer selbständigen Ärztin, fand in den Jahren 2019 bis 2021 eine die Jahre 2016 bis 2018 umfassende Außenprüfung betreffend Einkommen- und Umsatzsteuer statt.

Mit Erinnerungsschreiben vom forderte das Finanzamt die Bf auf, bis spätestens ua elektronische Grundaufzeichnungen betreffend den Prüfungszeitraum beizubringen. Für den Fall der Nichtbefolgung drohte es die Verhängung einer Zwangsstrafe in Höhe von 1.500,00 Euro an.

Mit als Bescheid intendierter Erledigung vom setzte das Finanzamt die angedrohte Zwangsstrafe in Höhe von 1.500,00 Euro fest. Gleichzeitig forderte es die Bf auf, die unterlassene Handlung bis spätestens nachzuholen. Für den Fall der Nichtbefolgung drohte es die Verhängung einer weiteren Zwangsstrafe in Höhe von 5.000,00 Euro an.

Mit als Bescheid intendierter Erledigung vom setzte das Finanzamt die angedrohte Zwangsstrafe in Höhe von 5.000,00 Euro fest.

Gegen die letztgenannte, als Bescheid intendierte Erledigung vom erhob die Bf durch ihren steuerlichen Vertreter mit Schreiben vom innerhalb verlängerter Rechtsmittelfrist das Rechtsmittel der Beschwerde. Begründend wurde ua ausgeführt, die Herausgabe der vom Prüfer geforderten Daten hätte einen Verstoß gegen die ärztliche Verschwiegenheitspflicht zur Folge.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom änderte das Finanzamt die als Bescheid intendierte Erledigung vom dahingehend ab, dass es die Zwangsstrafe von 5.000,00 Euro auf 3.500,00 Euro herabsetzte. Begründend führte es aus, mit den Bescheiden vom und sei eine Zwangsstrafe in Höhe von insgesamt 6.500,00 Euro festgesetzt worden. Die Zwangsstrafe dürfe jedoch gemäß § 111 Abs 3 BAO den Betrag von insgesamt 5.000,00 Euro nicht übersteigen. Im Übrigen verwies es nach ausführlicher Auseinandersetzung mit den einschlägigen datenschutzrechtlichen Bestimmungen darauf, dass die Bf ihrer Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen sei.

Mit Schreiben vom beantragte die Bf durch ihren steuerlichen Vertreter innerhalb verlängerter Rechtsmittelfrist die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht. In Ergänzung zum bisherigen Vorbringen wurde ua ausgeführt, der Prüfer habe Daten mit der nicht weiter konkretisierten Pauschalbezeichnung "alle elektronischen Grundaufzeichnungen gem. § 131 BAO" abverlangt. Die EDV-Firmen hätten - trotz ausreichender Erfahrung im Zusammenhang mit Betriebsprüfungen bei Ärzten - nicht gewusst, was damit konkret gemeint sei. Daraufhin sei der Direktkontakt zwischen dem Prüfer und den EDV-Firmen hergestellt worden. Seitens der Bf und deren steuerlichem Vertreter seien den EDV-Firmen keine Einschränkungen betreffend Datenherausgabe erteilt worden, es sei denn, die Datenherausgabe hätte zu einer Verletzung der ärztlichen Verschwiegenheitspflicht geführt. Offenbar hätten auch die EDV-Firmen die nicht konkretisierte Forderung des Prüfers ("alle elektronischen Grundaufzeichnungen") nicht erfüllen können.

Daraufhin legte das Finanzamt den Beschwerdeakt dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.

In der Folge wandte sich das Bundesfinanzgericht mit folgendem Schreiben an den steuerlichen Vertreter der Bf (Vorhalt vom ):

"Sehr geehrter Herr ***stV***!

Die Zustellverfügungen des Erinnerungsschreibens des Finanzamtes Judenburg Liezen vom , des ersten Zwangsstrafenbescheides des Finanzamtes Judenburg Liezen vom und des (beschwerdegegenständlichen) zweiten Zwangsstrafenbescheides des Finanzamtes Judenburg Liezen vom lauten: "***Bf***, ***Adresse Bf***". In diesen Zustellverfügungen sind Sie - trotz Zustellvollmacht - nicht als Empfänger (zu Handen ***stV***; siehe etwa die Zustellverfügung des

gegenständlichen Schreibens, in welcher Sie als Empfänger bezeichnet sind) bezeichnet.

Die genannten behördlichen Dokumente wurden allesamt nicht an Sie als Zustellungsbevollmächtigten, sondern unmittelbar an Frau ***Bf*** (postalisch) zugestellt.

Vor dem Hintergrund des § 9 Abs 3 Zustellgesetz werden Sie um Mitteilung ersucht, ob Sie die genannten behördlichen Dokumente jemals im Original erhalten haben (etwa durch persönliche Übergabe oder durch postalische Weiterleitung der Originaldokumente durch Frau ***Bf***) oder ob Sie von deren Inhalt lediglich auf anderem Wege Kenntnis erlangt haben (zB per Telefax, per E-Mail, etc).

Sollten Sie die genannten behördlichen Dokumente im Original erhalten haben, werden Sie um Mitteilung ersucht, wann dies der Fall war."

Mit Schreiben vom bezog der steuerliche Vertreter der Bf dazu wie folgt Stellung:

"Bezugnehmend auf den Vorhalt vom teile ich Ihnen wie folgt mit:

1. Das Erinnerungsschreiben des Finanzamtes Judenburg Liezen vom hat mir Frau ***Bf*** per Fax am weitergeleitet. Das Original liegt mir nicht vor.

2. Den ersten Zwangsstrafenbescheid des Finanzamtes Judenburg Liezen vom hat mir Frau ***Bf*** per Fax am weitergeleitet. Das Original liegt mir nicht vor.

3. Den zweiten Zwangsstrafenbescheid des Finanzamtes Judenburg Liezen vom hat Frau ***Bf*** mittels ihres Mobiltelefons fotografiert und mir das Bild am per E-Mail weitergeleitet. Das Original liegt mir nicht vor.

Beilagen:

Kopie Fax vom

Kopie Fax vom

Kopie E-Mail vom "

Mit Schreiben vom ließ das Bundesfinanzgericht dem Finanzamt die vorstehend angeführte Korrespondenz zwischen dem Bundesfinanzgericht und dem steuerlichen Vertreter der Bf zukommen.

Mit E-Mail vom selben Tag bezog das Finanzamt dazu wie folgt Stellung:

"In Anerkennung der fehlenden "Heilung" im Sinne des § 9 Abs. 3 ZustG betreffend derErinnerung bzw. der Zustellung der gegenständlichen Erinnerungen bzw. der Zwangsstrafenbescheide (Auskunft ***stV***), geht nunmehr auch das Finanzamt von einer unwirksamen Zustellung aus. Eine weitere Vorhaltsbeantwortung wird nicht mehr erfolgen."

2. Festgestellter Sachverhalt:

Bei der Bf, einer selbständigen Ärztin, fand in den Jahren 2019 bis 2021 eine die Jahre 2016 bis 2018 umfassende Außenprüfung betreffend Einkommen- und Umsatzsteuer statt.

Die Bf war während der Außenprüfung, wie auch in den Jahren davor und danach, durch ihren mit einer Zustellvollmacht ausgestatteten steuerlichen Vertreter ***stV*** vertreten.

Mit Erinnerungsschreiben vom forderte das Finanzamt die Bf auf, bis spätestens ua elektronische Grundaufzeichnungen betreffend den Prüfungszeitraum beizubringen. Für den Fall der Nichtbefolgung drohte es die Verhängung einer Zwangsstrafe in Höhe von 1.500,00 Euro an.

Mit als Bescheid intendierter Erledigung vom setzte das Finanzamt die angedrohte Zwangsstrafe in Höhe von 1.500,00 Euro fest. Gleichzeitig forderte es die Bf auf, die unterlassene Handlung bis spätestens nachzuholen. Für den Fall der Nichtbefolgung drohte es die Verhängung einer weiteren Zwangsstrafe in Höhe von 5.000,00 Euro an.

Mit als Bescheid intendierter Erledigung vom setzte das Finanzamt die angedrohte Zwangsstrafe in Höhe von 5.000,00 Euro fest.

In den Zustellverfügungen der genannten behördlichen Dokumente ist ***stV*** trotz Zustellvollmacht nicht als Empfänger bezeichnet.

Die genannten behördlichen Dokumente wurden nicht an ***stV*** als zustellungsbevollmächtigten steuerlichen Vertreter der Bf, sondern unmittelbar an die Bf (postalisch) zugestellt.

Das Erinnerungsschreiben des Finanzamtes vom wurde ***stV*** von der Bf am per Telefax zur Kenntnis gebracht. Das Original ist ihm nicht zugekommen.

Die als Bescheid intendierte Erledigung des Finanzamtes vom betreffend Festsetzung einer Zwangsstrafe in Höhe von 1.500,00 Euro wurde ***stV*** von der Bf am per Telefax zur Kenntnis gebracht. Das Original ist ihm nicht zugekommen.

Die beschwerdegegenständliche, als Bescheid intendierte Erledigung des Finanzamtes vom betreffend Festsetzung einer Zwangsstrafe in Höhe von 5.000,00 Euro wurde ***stV*** von der Bf am per E-Mail zur Kenntnis gebracht. Das Original ist ihm nicht zugekommen.

3. Beweiswürdigung:

Die vom Bundesfinanzgericht getroffenen Sachverhaltsfeststellungen sind allesamt unstrittig und ergeben sich aus den aktenkundigen Unterlagen sowie einer Einsicht in den elektronischen Finanzamtsakt, dem zu entnehmen ist, dass ***stV*** seine Bevollmächtigung samt Zustellvollmacht am im Wege von FinanzOnline bekannt gab und das Finanzamt seitdem sämtliche an die Bf gerichteten Erledigungen (Vorhalte, Bescheide etc) - mit Ausnahme der hier gegenständlichen Erledigungen betreffend die Zwangsstrafe - zu Handen von ***stV*** zustellte.

4. Rechtliche Beurteilung:

4.1. Zu Spruchpunkt I. (Zurückweisung):

Gemäß § 97 Abs 1 BAO werden Erledigungen dadurch wirksam, daß sie demjenigen bekanntgegeben werden, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind. Die Bekanntgabe erfolgt bei schriftlichen Erledigungen, wenn nicht in besonderen Vorschriften die öffentliche Bekanntmachung oder die Auflegung von Listen vorgesehen ist, durch Zustellung (lit a leg cit).

Gemäß § 9 Abs 3 ZustG hat die Behörde, wenn ein Zustellungsbevollmächtigter bestellt ist und gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, diesen als Empfänger zu bezeichnen. Geschieht dies nicht, so gilt die Zustellung als in dem Zeitpunkt bewirkt, in dem das Dokument dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zugekommen ist.

Der Zustellungsbevollmächtigte ist demnach in der Zustellverfügung als Empfänger zu bezeichnen, wobei eine Adressierung an die Partei zu Handen des Zustellungsbevollmächtigten ausreicht. Ein diesbezüglicher Zustellmangel - wenn der Zustellungsbevollmächtigte also fälschlicherweise nicht als Empfänger bezeichnet wird - kann dadurch heilen, dass das zuzustellende Dokument dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zukommt (jüngst etwa ).

Ein tatsächliches Zukommen setzt nach ständiger Rechtsprechung des VwGH voraus, dass der vom Gesetz vorgesehene Empfänger tatsächlich in den Besitz des zuzustellenden Schriftstückes kommt. Nicht ausreichend ist die bloße Kenntnisnahme des Inhaltes des Schriftstückes beispielsweise durch Übermittlung einer Ablichtung oder durch Akteneinsicht (vgl etwa ; ).

Im vorliegenden Fall sind das Erinnerungsschreiben des Finanzamtes vom , die als Bescheid intendierte Erledigung des Finanzamtes vom betreffend Festsetzung einer Zwangsstrafe in Höhe von 1.500,00 Euro und die beschwerdegegenständliche, als Bescheid intendierte Erledigung des Finanzamtes vom betreffend Festsetzung einer Zwangsstrafe in Höhe von 5.000,00 Euro insofern mit einem Zustellmangel behaftet, als der zustellungsbevollmächtigte steuerliche Vertreter der Bf, ***stV***, nicht als Empfänger bezeichnet ist.

Da diesem die genannten behördlichen Erledigungen in der Folge nicht tatsächlich zugekommen sind (die bloße Kenntniserlangung im Wege eines Telefaxes oder E-Mails stellt nach der oben zitierten Judikatur des VwGH kein tatsächliches Zukommen dar), trat keine Heilung dieses Zustellmangels im Sinne des § 9 Abs 3 Satz 2 ZustG ein. Die genannten behördlichen Erledigungen wurden folglich, wie auch das Finanzamt einräumte, nicht rechtswirksam zugestellt.

Gemäß § 260 Abs 1 lit a BAO ist eine Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262 BAO) oder mit Beschluss (§ 278 BAO) zurückzuweisen, wenn sie nicht zulässig ist.

Mit Beschwerde anfechtbar sind nur Bescheide. Eine Beschwerde gegen eine als Bescheid intendierte behördliche Erledigung, die mangels rechtswirksamer Zustellung als Bescheid rechtlich nicht existent geworden ist, ist daher als nicht zulässig zurückzuweisen (vgl etwa ; ; siehe auch Ritz/Koran, BAO7 § 260 Tz 8).

Die Beschwerde gegen die als Bescheid intendierte Erledigung des Finanzamtes vom betreffend Festsetzung einer Zwangsstrafe in Höhe von 5.000,00 Euro, die mangels rechtswirksamer Zustellung als Bescheid rechtlich nicht existent geworden ist, war daher gemäß § 260 Abs 1 lit a BAO als nicht zulässig zurückzuweisen.

Von der beantragten mündlichen Verhandlung war gemäß § 274 Abs 3 Z 1 BAO iVm § 274 Abs 5 BAO abzusehen, weil die Beschwerde als nicht zulässig zurückzuweisen war und weder die Wahrung des Parteiengehörs noch andere Gründe eine solche Verhandlung notwendig machten.

4.2. Zu Spruchpunkt II. (Unzulässigkeit der Revision):

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Beschluss von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Mit der vorliegenden Entscheidung folgt das Bundesfinanzgericht der zitierten höchstgerichtlichen Rechtsprechung. Die Voraussetzungen für die Revisionszulassung liegen demnach nicht vor.

Graz, am

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Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

Fundstelle(n):
ZAAAC-34588