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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 31.08.2023, RV/2100638/2022

Kein Anspruch auf den Erhöhungsbetrag auf Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Held Berdnik Astner & Partner Rechtsanwälte GmbH, Karmeliterplatz 4, 8010 Graz, über die Beschwerde vom gegen den Abweisungsbescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Familienbeihilfe für Kind, geb. xx.xx.2016, für den Zeitraum ab Juli 2018, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerdeführerin (Bf.) beantragte am für ihre Tochter Kind, geb. xx.xx.2016, den Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe ab xx.xx.2018.

In dem daraufhin über Ersuchen des Finanzamtes und im Auftrag des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice) für Kind erstellten ärztlichen Sachverständigengutachten von einer FÄ für Kinder- und Jugendheilkunde vom wurde unter Hinweis auf Anamnese, derzeitiger Beschwerden, angeführter vorgelegter Befunde und Untersuchungsbefund folgende Funktionseinschränkungen

diagnostiziert und dafür nach den o.a. Richtsatzpositionen der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) ein Gesamtgrad der Behinderung (GdB) von 30 v. H. seit 07/2016, voraussichtlich mehr als 3 Jahre andauernd, festgestellt.
Dieses Gutachten vidierte die leitende Ärztin am .

Mit Bescheid vom wies das Finanzamt den Antrag auf den Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung für Kind, geb. xx.xx.2016, für den Zeitraum ab Juli 2018 ab. In der Begründung führte das Finanzamt unter Hinweis auf § 8 Abs. 5 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 aus, dass im Gutachten des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen der Grad der Behinderung mit 30% ab Juli 2016 festgestellt worden sei.

Dagegen brachte die Beschwerdeführerin fristgerecht die Beschwerde ein mit der Begründung, dass der untersuchende Arzt den Arm der Tochter nicht angeschaut hätte, die rechte Hand entwickle sich nicht weiter, sie habe keine Kraft Schuhe anzuziehen oder die Jausenbox zu öffnen, es fehlten ihr die motorischen Fähigkeiten, schon nach kurzer Zeit sei sie kraftlos, sie könne auch nicht mit dem Löffel essen und die Haltung der Hand werde immer schlechter. Da sie Rechtshänderin sei, könne sie viele Sachen nicht machen, die Tochter sei ständig in Behandlung und Therapie. Die Bf. ersucht um eine neuerliche Begutachtung, dazu wurden zusätzlich folgende Befunde vorgelegt:
- LKH ***1***, Kinder- und Jugendchirurgie, Klinischer Befund vom
- LKH ***1***, Kinder- und Jugendchirurgie, Ergotherapeutischer Bericht vom ,
- Behandlungsplan für Ergotherapie vom und
- LKH ***1***, Kinder- und Jugendchirurgie, Klinischer Befund vom .

In Ergänzung der o.g. Beschwerde brachte die steuerliche Vertretung der Bf. im Schriftsatz vom vor, dass das Sachverständigengutachten vom zum Nachweis des Grades der Behinderung jedenfalls untauglich sei, da sich der Gesundheitszustand der Tochter der Beschwerdeführerin seit der Antragstellung deutlich verschlechtert habe. Auch die Begutachtung durch die Sachverständige habe zu einem Zeitpunkt stattgefunden, in der eine deutliche Verschlechterung (im Vergleich zu den Diagnosen auf den bereits vorliegenden Befunden) bereits augenscheinlich gewesen sei, was die Sachverständige in ihrer Untersuchung auch hätte feststellen müssen. Insbesonders da der Sachverständigen mitgeteilt worden sei, dass 5 Tage vor der Begutachtung in der Kinder- und Jugendchirurgie festgestellt worden sei, dass das Kind die rechte Hand bereits gänzlich fallen lasse.
Der Verwaltungsgerichtshof habe in einer Reihe von Erkenntnissen die Auffassung vertreten, dass die Behörden des Verwaltungsverfahrens verpflichtet seien, die Beweiskraft der Gutachten des Sozialministeriumservice zu prüfen und erforderlichenfalls für deren Ergänzung zu sorgen (vgl. etwa , mwN).
Somit wird die Einholung eines neuerlichen Gutachtens bzw. eine Ergänzung des Gutachtens beantragt und folgende Unterlagen (nochmals) vorgelegt:
- Befund der Kinder- und Jugendchirurgie des LKH-Universitätsklinikum ***1*** von der Untersuchung am , ausgestellt am ,
- Befund der Kinder- und Jugendchirurgie des LKH-Universitätsklinikum ***1*** von der Untersuchung am , ausgestellt am ,
- Ergotherapeutischer Bericht der ET ***2***, MSc vom Universitätsklinikum ***1*** vom und
- LKH-Befund der Kinder- und Jugendchirurgie des LKH-Universitätsklinikum ***1*** von der Untersuchung am , ausgestellt am .

Mit Schriftsatz vom wurden ergänzend weitere Befunde der Tochter der Bf. vorgelegt:
- Befund der Klinik für Orthopädie und Traumatologie des LKH - Universitätsklinikum ***1*** von der Untersuchung am , ausgestellt am ,
- Befund der Kinder- und Jugendchirurgie des LKH-Universitätsklinikum ***1*** von der Untersuchung am , ausgestellt am ,
- Arztbrief der Klinik für Kinder- und Jugendheilkunde / Ambulanz für Neuro-Pädiatrie und angeborene Stoffwechselkrankheiten betreffend die Untersuchung am , ausgestellt am und
- Befunddokumentation durch das ***3*** Institut GmbH vom Zeitraum bis (weitere Untersuchungen im Zeitraum 10.02. - ).
Weiters wird zum bisherigen Beschwerdevorbringen ergänzt:
"Zusammengefasst wird abermals darauf hingewiesen, dass die gesundheitliche Beeinträchtigung der Minderjährigen eine enorme psychische und finanzielle Belastung für die Beschwerdeführerin darstellt. Wie in der Beschwerde vom bereits ausgeführt wurde, musste die Kindesmutter ihre Tätigkeit als Schulbusfahrerin aufgeben, um die Minderjährige zu den zahlreichen Arztterminen bringen zu können. So sind - wie in Beilage ./I ersichtlich - ua wöchentliche physio- bzw. ergotherapeutische Therapieeinheiten notwendig. Da damit auch eine große finanzielle Belastung für die Kindesmutter einhergeht, ist diese umso mehr auf die erhöhte Familienbeihilfe angewiesen; dies um ihrer gesundheitlich beeinträchtigten Tochter Kind die notwendigen Behandlungen zu ermöglichen."

Vom Finanzamt wurde ein weiteres ärztliches Sachverständigengutachten vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen angefordert. In dem am erstellten Sachverständigengutachten des Sozialministeriumservice für Kind wurde unter Hinweis auf Anamnese, derzeitiger Beschwerden und unter Einbeziehung bereits zuvor und weiterer vorgelegter relevanter Befunde sowie Untersuchungsbefund die Funktionseinschränkungen

diagnostiziert und dafür nach den o.a. Richtsatzpositionen der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) ein Gesamtgrad der Behinderung (GdB) von 30 v. H. seit 07/2016, voraussichtlich mehr als 3 Jahre andauernd, festgestellt.
Dazu wurde auszugsweise ausgeführt:
"Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:
Die notwendigen Behandlungs- und Fördermaßnahmen sowie die leichte psychisch-reaktive Belastung ist in den GS inkludiert
.
Stellungnahme zu Vorgutachten:
Keine Änderung - die Vorbewertung erfolgte im Rahmen der vorgegebenen EVO nachvollziehbar und entspricht den Kriterien.
Dass Kindern, auch wenn sie über keine (attestierte) Schwerbehinderteneigenschaft (= GdB 50% und mehr) verfügen (trotzdem) Behandlungen und Fördermaßnahmen zuteil werden, sollte sich eigentlich von selbst verstehen.
Ebenso erscheint es wenig ungewöhnlich, dass Kleinkinder im 6. Lebensjahr nach einer ½ bis 3/4 Stunde intensiver Therapie und Beüben müde werden, ebenso die Ermüdung bei längeren Spaziergängen mit dem Wunsch getragen zu werden.
Dass angesichts der Berufungsintention im anwaltlichen Schreiben ein GdB von 30% als zu niedrig und daher ein GdB von mindestens 50% postuliert und gefordert wird, erscheint absolut verständlich.
Dass aber offenbar gemeint wird, eine Einschätzung sei nur dann korrekt wäre, wenn das Kind bei Spielen stundenlang beobachtet wird und alle vorgelegten Befunde wörtlich zitiert (=abgeschrieben) werden, verlässt aber den Rahmen einer realistischen und auch notwendigen Gutachtenserstellung.
Ebenso ist der Einwand, das die Erstbegutachtung nur 15 Minuten gedauert habe, kein Indiz für eine fehlerhafte Beurteilung - schon gar nicht, wenn man die hier recht klar umschriebene Behinderung einer oberen Extremität bedenkt.
Gerade für die Beurteilung von Einschränkungen der Extremitäten lohnt sich auch durchaus immer ein Vergleich mit klaren Positionen, die wesentliche Funktionseinschränkungen auch für Laien relativ nachvollziehbar darlegen - hier drängt sich der Vergleich mit den EVO-Pos. - Verlust eines Armes im Unterarmbereich und - Verlust einer Hand - auf, die beide mit einem GdB von 50% zu bewerten wären.
Ein derartiges Ausmaß an Funktionsstörung, vergleichbar dem vollständigen Verlust der gesamten Hand liegt hier, ohne die tatsächlichen Einschränkungen bagatellisieren zu wollen, definitiv nicht vor."
Diesem Gutachten erteilte die leitende Ärztin am ihre Zustimmung.

Das Finanzamt wies die Beschwerde in der Beschwerdevorentscheidung vom ab und führte begründend aus:
"Das Sozialministeriumservice hat den Grad der Behinderung von 30% mit Gutachten vom bestätigt; die Voraussetzungen für die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe für Kind liegen daher nicht vor.
Die Zustellung des Gutachtens vom über das Sozialministeriumservice wurde veranlasst."

In der Folge stellte die steuerliche Vertretung der Beschwerdeführerin am den Antrag auf Zustellung der Beschwerdevorentscheidung an die ausgewiesene Rechtsvertretung, da die Beschwerdevorentscheidung lediglich an die Beschwerdeführerin zugestellt worden sei, und erhob gleichzeitig vorsorglich den Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht (Vorlageantrag).

Die Beschwerdevorentscheidung vom wurde der steuerlichen Vertretung nachweislich am zugestellt.

Im Vorlageantrag führte die steuerliche Vertretung aus, dass weder der Beschwerdeführerin noch der steuerlichen Vertretung das Sachverständigengutachten des Sozialministeriums vom zugestellt worden sei, sodass es zum aktuellen Zeitpunkt (noch) nicht möglich sei, auf die der Bewertung der Erwerbsminderung zugrundeliegenden Ausführungen der begutachtenden Ärztin bzw. des begutachtenden Arztes ausführlich Stellung zu nehmen.
Ergänzend zum bisherigen Vorbringen legt die Beschwerdeführerin den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft ***4*** zu GZ ***5*** vom vor, womit der Beschwerdeführerin die Kostenübernahme für die interdisziplinäre Frühförderung und Familienbegleitung für die Tochter bewilligt wurde. In der Begründung dieses Bescheides wird ausgeführt, dass die Minderjährige laut Stellungnahme der zuständigen Amtsärztin als Mensch mit Behinderung im Sinne des Steiermärkischen Behindertengesetzes (StBHG) anzusehen sei.
Die steuerliche Vertretung bringt dazu vor, dass gemäß § 1a leg cit Menschen mit Behinderung Menschen seien, die aufgrund einer nicht nur vorübergehenden Beeinträchtigung ihrer physischen Funktion, intellektuellen Fähigkeiten, psychischen Gesundheit oder Sinnesfunktionen an der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft benachteiligt sind. Als nicht nur vorübergehende Beeinträchtigung würden alle Beeinträchtigungen gelten, die im Ausmaß und Schweregrad von der gleichaltrigen Bevölkerung erheblich abweichen. Vor diesem Hintergrund sei umso mehr davon auszugehen, dass bei der Tochter der Bf. eine Beeinträchtigung von zumindest 50% vorliege, sodass die Voraussetzungen zur Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe tatsächlich vorliegen würden.
Darüber hinaus legt die Beschwerdeführerin auch einen Kurzbericht zur Frühförderung und Familienbegleitung vor. Daraus lasse sich entnehmen, dass das Kind aufgrund seiner Beeinträchtigung in seiner Grobmotorik und Feinmotorik sowie im sozio-emotionalen Bereich auffällig sei.
Außerdem legt die Beschwerdeführerin auch die aktuelle Befunddokumentation der "***3*** Institut GmbH" vom Zeitraum bis April 2022 vor, woraus sich ergebe, dass die Minderjährige aufgrund ihrer Beeinträchtigung in vielen Bereichen nicht adäquat handle und noch weitere Therapieeinheiten benötigen werde.

In dem über nochmaliges Ersuchen des Finanzamtes und im Auftrag des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice) für Kind erstellten ärztlichen Sachverständigengutachten von einem FA für Kinder- und Jugendheilkunde vom wurde unter Hinweis auf Anamnese, derzeitiger Beschwerden, angeführter vorgelegter relevanter Befunde und Untersuchungsbefund folgende Funktionseinschränkungen

diagnostiziert und dafür nach den o.a. Richtsatzpositionen der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) ein Gesamtgrad der Behinderung (GdB) von 40 v. H. seit 07/2021, voraussichtlich mehr als 3 Jahre andauernd, festgestellt.
Dazu wurde auszugsweise ausgeführt:
"Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:
Altersgemäße psychomotorische Entwicklung
Stellungnahme zu Vorgutachten:
Skolioseverdacht. Sollte sich der Skolioseverdacht bestätigen bzw. die Skoliose zunehmen dann wäre erneut ein GdB zu bestimmen
."
Dieses Gutachten vidierte die leitende Ärztin am .

Mit Schriftsatz vom teilt die steuerliche Vertretung mit, dass die BVE und die drei ärztlichen Sachverständigengutachten des Sozialministeriumservice für die Tochter der Bf. am der steuerlichen Vertretung zugestellt worden sind und der bereits vorsorglich erstattete Vorlageantrag vom vollinhaltlich aufrecht gehalten wird.
Auf Grund der Feststellungen im letzten Sachverständigengutachten beantragt die steuerliche Vertretung das Bundesfinanzgericht möge mit seiner Entscheidung zuwarten, bis die Beschwerdeführerin ärztliche Unterlagen vorlegt, die den Skolioseverdacht bestätigen oder widerlegen. Sollte der Skolioseverdacht bestätigt werden, wird weiters höflich um Einholung eines weiteren Gutachtens ersucht, damit der Grad der Behinderung korrekt bestimmt werden könne und folglich auch die Entscheidung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe ermöglicht werde.

Im Schriftsatz der steuerlichen Vertretung der Beschwerdeführerin vom wird um die Einholung eines neuerlichen Gutachtens unter Berücksichtigung der beigelegten Befunde
- LKH ***1***, Universitätsklinik für Radiologie, Radiologischer Befund vom und
- Befund von Dr. ***6*** (Facharzt für Orthopädie) vom
ersucht.

Das Bundesfinanzgericht übermittelte dem Finanzamt den zuletzt genannten Schriftsatz mit den beigelegten Befunden zur Kenntnisnahme und forderte ein weiteres Sachverständigengutachten beim Sozialministeriumservice an.

In dem weiteren im Auftrag des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice) für Kind erstellten ärztlichen Sachverständigengutachten vom wurde unter Hinweis auf Anamnese, derzeitiger Beschwerden, angeführter vorgelegter relevanter Befunde und Untersuchungsbefund folgende Funktionseinschränkungen

diagnostiziert und dafür nach den o.a. Richtsatzpositionen der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) wieder ein Gesamtgrad der Behinderung (GdB) von 30 v. H. seit 07/2016, voraussichtlich mehr als 6 Monate andauernd, festgestellt.
Dazu wurde begründend ausgeführt:
"Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:
Die notwendigen Behandlungs- und Fördermaßnahmen sowie die leichte psychisch-reaktive Belastung ist weiterhin in den GS inkludiert, ebenso der Verdacht auf angelegte Mammahypoplasie rechts.
Eine Schädigung des Plexus brachialis rechts wurde mittlerweile durch ein MRT ausgeschlossen.
Zur ehemaligen GS3 - Verdacht auf Skoliose ist anzuführen, dass der Orthopäde von einer geringgradigen WS-Verkrümmung (skoliotische Fehlhaltung) schreibt, der VGA "Die WS ist nahezu im Lot, eine leichte Skoliose nach links ist erahnbar. Kein Rippenbuckel etc." was also insgesamt daher eine sehr geringfügige Fehlhaltung, faktisch im Bereich des Normalen liegend, darstellt.
Eine Skoliose besteht daher definitiv nicht, was auch im orthopädischen Befund klar dargelegt ist; weshalb auch der Passus der ehemaligen GS3 "Klinisch kaum relevant" gilt.
Daher wird die GS3 auch nicht wieder angeführt, da keine relevante Behinderung aus der WS besteht.
Stellungnahme zu Vorgutachten:
Auch bei der heutigen Untersuchung zeigt sich der Leidensdruck in erheblich stärkeren Ausmaß bei der Mutter als bei
Kind selbst.
Dazu passende Bemerkungen im letzten GA zeigen sich heute daher nachvollziehbar wieder: "Die Mutter hat hier einen großen Leidensdruck bzgl. der angeborenen körperlichen Behinderung ihrer Tochter."
Viele Angabe
[n] der Mutter wirken zumindest stark pointiert und teils auch wenige nachvollziehbar - zum auch heute wieder angeführte Schlaganfall-Äquvalent findet sich ebenso wenig objektivierbares wie zur allgemeinen Entwicklungsstörung.
Es wurde bei der Begutachtung auch versucht, an Hand eines GdB von 50% für den Verlust/fehlende Anlage einer ganzen Hand mit Unterarm, eine Benchmark darzulegen. Eine Einschränkung im Alltag, diesem Ausmaß vergleichbar, besteht definitiv nicht, dem die Mutter auch zögerlich zustimmt.
Begründung - GdB liegt rückwirkend vor:
angeborener Defektzustand"
Dieses Gutachten vidierte die leitende Ärztin am .

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Der gemäß § 8 Abs. 2 und 3 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG) idgF zustehende Betrag an Familienbeihilfe erhöht sich gemäß § 8 Abs. 4 FLAG 1967 für jedes Kind, das erheblich behindert ist.

Gemäß § 8 Abs. 5 FLAG 1967 gilt als erheblich behindert ein Kind, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren (sechs Monaten ab ). Der Grad der Behinderung muss mindestens 50 v. H. betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind § 14 Abs. 3 des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, in der jeweils geltenden Fassung, und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom , BGBl. II Nr. 261/2010, in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens nach fünf Jahren neu festzustellen, soweit nicht Art und Umfang eine Änderung ausschließen.

Nach § 8 Abs. 6 FLAG 1967 ist der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen.

Auf die Notwendigkeit der Vorlage entsprechender Beweismittel ("sämtliche Behandlungsunterlagen, im Fall der rückwirkenden Antragstellung auch die Vergangenheit betreffend") wird im Vordruck Beih 3 (Antragsformular für den Erhöhungsbetrag) deutlich hingewiesen.

Ein Gutachten zu einer solchen Sachfrage ist die begründete Darstellung von Erfahrungssätzen und die Ableitung von Schlussfolgerungen für die tatsächliche Beurteilung eines Geschehens oder Zustands auf der Basis des objektiv feststellbaren Sachverhaltes durch einen oder mehrere Sachverständige. Sachverständige haben dabei fundierte und wissenschaftlich belegbare konkrete Aussagen zu treffen und dürfen ihre Beurteilungen und Feststellungen nicht auf Spekulationen, sondern ausschließlich auf die festgestellten Tatsachen, verbunden mit ihrem fachspezifischen Wissen, stützen. Alleine die Möglichkeit, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt ein bestimmter Sachverhalt vorgelegen sein könnte, reicht dabei keinesfalls aus, diesen Sachverhalt gutachterlich als gegeben anzusehen und zu bestätigen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Behörde an die der Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen zugrundeliegenden Gutachten gebunden und darf diese nur insoweit prüfen, ob sie schlüssig und vollständig und im Falle mehrerer Gutachten nicht einander widersprechend waren (vgl. etwa und mwN).

Im Erkenntnis vom (VwGH 2013/16/0170) hat der Verwaltungsgerichtshof unter Hinweis auf VwGH Ra 2014/16/0010 vom auszugsweise wörtlich ausgeführt:
"Eine Behinderung im Sinn des § 8 Abs. 5 FLAG 1967 mit einem Grad von mindestens 50 v.H. kann durchaus die Folge einer Krankheit sein, die schon seit längerem vorliegt (bei angeborenen Krankheiten oder genetischen Anomalien etwa seit Geburt), sich jedoch erst zu einem späteren Zeitpunkt manifestiert. Erst wenn diese Krankheit zu einer derart erheblichen Behinderung führt, welche einen Grad von mindestens 50 v.H. aufweist, ist der Tatbestand des § 8 Abs. 5 FLAG 1967 erfüllt. Mithin kommt es weder auf den Zeitpunkt an, zu dem sich eine Krankheit als solche äußert, noch auf den Zeitpunkt, zu welchem diese Krankheit zu (irgend) einer Behinderung führt. Maßgeblich ist der Zeitpunkt, zu dem diejenige Behinderung (als Folge der allenfalls schon länger bestehenden Krankheit) eintritt, welche einen Grad von mindestens 50 v.H. erreicht."

Die vorliegenden Sachverständigengutachten des Sozialministeriumservice berücksichtigen die von der Beschwerdeführerin vorgelegten Befunde und tragen der nach diesen Unterlagen zu erfolgenden Einstufung nach der Einschätzungsverordnung, auch was die Rückwirkung betrifft, Rechnung.
Durch das Vorbringen in der Beschwerde und im Vorlageantrag sowie der zusätzlich vorgelegten ärztlichen Befunde konnte dann im dritten Gutachten vom Sachverständigen aus dem Fachgebiet der Kinder- und Jugendheilkunde die Einschätzung in den Vorgutachten bestätigt werden und eine Erhöhung des Grades der Behinderung der Tochter auf 40 v.H. ab Juli 2021, auf Grund eines Skolioseverdachts, festgestellt werden.
Allerdings konnte dieser Skolioseverdacht durch den orthopädischen Befund vom ausgeräumt werden, sodass im letzten (4.) Gutachten vom die diesbezügliche Gesundheitsstörung (GS 3) vom Sachverständigen nicht mehr angeführt wurde.

Daher vertritt das Bundesfinanzgericht die Ansicht, dass sämtliche Sachverständigengutachten schlüssig und vollständig sind und sich auch nicht widersprechen. Insofern liegt keine Rechtswidrigkeit des Abweisungsbescheides des Finanzamtes vom vor, da eine erhebliche Behinderung der Tochter des Beschwerdeführers iSd FLAG im verfahrensggst. Zeitraum nicht festgestellt wurde.

Im Übrigen ist im hier vorliegenden Fall nicht die Definition von Menschen mit Behinderung nach dem StBHG maßgeblich, sondern die vorhin genannten Bestimmungen des FLAG im Zusammenhang mit der Einschätzungsverordnung.

Da im hier zu beurteilenden Fall eine erhebliche Behinderung der Tochter der Beschwerdeführerin nicht festgestellt wurde, besteht kein Anspruch auf den Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe.

Dem Eventualantrag, den angefochtenen Bescheid aufzuheben und die Rechtssache zur Verfahrensergänzung an die Abgabenbehörde zurückzuweisen, konnte nicht entsprochen werden, da keine Ermittlungen unterlassen wurden, bei deren Durchführung ein anders lautender Bescheid hätte erlassen werden oder eine Bescheiderteilung hätte unterbleiben können (§ 278 Abs. 1 BAO).

Somit war spruchgemäß zu entscheiden.

Zur Unzulässigkeit einer Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Da im vorliegenden Fall eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht vorliegt, insbesonders weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht abweicht (siehe zitierte VwGH-Judikatur), ist eine (ordentliche) Revision nicht zulässig.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
Verweise


VwGH, 2013/16/0170
VwGH, Ra 2014/16/0010
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.2100638.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at