Vorschreibung von Einsatzgebühren für die Inanspruchnahme des öffentlichen Rettungsdienstes bei Nichtbestehen eines Sozialversicherungsanspruches
Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2023/13/0154.
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Anna Mechtler-Höger in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Magistrats der Stadt Wien, Magistratsabteilung 70, Fachbereich Gebühren vom betreffend Vorschreibung von Einsatzgebühren für die Inanspruchnahme des öffentlichen Rettungsdienstes am , GZ MA70 - TZ2202 89502, zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen. Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Angefochtener Bescheid:
Der Beschwerdeführerin wurden mit Bescheid vom die Gebühren für einen Rettungseinsatz der Wiener Berufsrettung vom in Höhe von 709,00 Euro vorgeschrieben.
Begründend führte die belangte Behörde nach Zitat der bezughabenden gesetzlichen Bestimmungen des Wiener Rettungs- und Krankentransportgesetzes (WRKG) aus, dass mangels eines gegenüber der Beschwerdeführerin bestehenden Anspruchs auf Kostenübernahme eine Eintrittserklärung seitens des Sozialversicherungsträgers keine Anwendung finde.
Beschwerde:
In der fristgerecht dagegen erhobenen Beschwerde führte der rechtsfreundliche Vertreter der Beschwerdeführerin aus, die belangte Behörde habe es unterlassen, den maßgeblichen Sachverhalt festzustellen. Der Beschwerdeführerin würden Einsatzkosten vorgeschrieben, ohne einen Ort des Einsatzes, ihre Anwesenheit am Einsatzort oder sonst ein Verhalten der Beschwerdeführerin, das den Einsatz begründet habe, festzustellen. Dem angefochtenen Bescheid mangle es auch an einer Begründung, in der die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen sowie die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen sei.
Wenn im Bescheid angegeben werde, dass die Beschwerdeführerin für die am erfolgte Inanspruchnahme des öffentlichen Rettungsdienstes zur Zahlung von 709,00 Euro verpflichtet sei, so sei dies falsch. Die Beschwerdeführerin habe den öffentlichen Rettungsdienst nicht in Anspruch genommen. Sie habe ihn weder selbst gerufen noch habe sie eine Behandlung in Anspruch genommen noch sei eine solche auch nur dem Anschein nach notwendig gewesen. Sie habe auch nicht darum gebeten und auch kein Verhalten gesetzt, aus welchem man auf die mögliche Notwendigkeit einer ärztlichen Behandlung geschweige denn eines Rettungseinsatzes hätte schließen können.
Die Beschwerdeführerin habe an einer politischen Versammlung teilgenommen und sei frei von gesundheitlichen Beeinträchtigungen gewesen. Sie sei bei vollem Bewusstsein, ansprechbar und kommunikationsfähig gewesen und habe sich im Rahmen der Versammlung mit Kleber auf der Straße fixiert. Sie habe ausdrücklich angegeben, eine Rettung weder zu brauchen noch zu wollen. Der Rettungseinsatz wäre auch nicht notwendig gewesen. Die Versammlungsteilnehmer seien im Übrigen stets mit einem Lösungsmittel ausgestattet, um sich verletzungsfrei von der Straße lösen zu können. Auch die Organe der Polizei seien mit einem derartigen Lösungsmittel ausgestattet und wären daher in der Lage gewesen, die Beschwerdeführerin selbst von der Straße zu lösen. Zu keinem Zeitpunkt habe die Gefahr eines medizinischen Notfalls bestanden, der den Einsatz des öffentlichen Rettungsdienstes erforderlich gemacht hätte. Es sei eindeutig möglich gewesen, die Beschwerdeführerin vollkommen verletzungsfrei zu lösen.
Das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen habe auch nicht aufgrund des Zustandsbildes angenommen werden können, schon gar nicht mit gutem Grund. Die Beschwerdeführerin sei in guter körperlicher Verfassung und habe an einer Versammlung teilgenommen und sich leicht lösbar auf der Straße fixiert. Dies sei keine geeignete Grundlage für einen Rettungseinsatz. Selbst wenn sie beim Ablösen verletzt worden wäre, was nicht der Fall gewesen sei, ließe dies nicht einmal annähernd die Vermutung einer den § 1 Z 1 bis 4 WRKG entsprechenden Verletzung annehmen, da es sich höchstens um kleinste Hautverletzungen handeln würde, die weder Rettung noch Transport noch notärztliche Versorgung notwendig machen würden. Der Einsatz sei vielmehr auf Wunsch der Polizei erfolgt, obwohl dies vollkommen zwecklos gewesen sei. Aufgrund des "Zustandsbildes" sei kein einziger Grund vorgelegen, der auf erhebliche Verletzungen, unmittelbare Lebensgefahr, die Notwendigkeit einer Funktionsüberwachung oder Ähnliches habe schließen lassen.
Der Rettungsdienst sei von den Sicherheitsorganen grundlos gerufen worden, und zwar nicht deshalb, weil eine der Gefahrensituationen des § 1 Z 1 bis 4 WRKG vorgelegen sei. Dies sei jedenfalls kein ausreichender Grund gemäß § 29 WRKG, um die Beschwerdeführerin als Gebührenschuldnerin zu qualifizieren.
Der rechtsfreundliche Vertreter beantragte, den Bescheid wegen Nichtigkeit, in eventu wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben und für den Fall einer nicht sofortigen Stattgabe jedenfalls eine mündliche Verhandlung durchzuführen.
Beschwerdevorentscheidung:
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und nach Zitat der bezughabenden gesetzlichen Bestimmungen ausgeführt, laut Notrufaufzeichnung sei die Berufsrettung am durch die Polizei nach 1020 Wien, Praterstern, berufen worden. Aus der Einsatzdokumentation gehe hervor, dass sich die Patientin auf der Straße festgeklebt habe. Vor Ort habe die Polizei die Hand der Beschwerdeführerin mit einem Lösungsmittel von der Straße gelöst. Ebenso gehe aus der Einsatzdokumentation hervor, dass drei oberflächliche Wunden an der Hand medizinisch erstversorgt worden seien. Nachdem die medizinische Erstversorgung abgeschlossen gewesen sei, sei die Patientin am Berufungsort belassen worden.
Die Berufsrettung sei generell bestrebt, sämtliche anfallende Einsatzgebühren mit dem jeweiligen Sozialversicherungsträger zu verrechnen. Da für den Zeitpunkt des Rettungseinsatzes kein Sozialversicherungsanspruch bestanden habe, habe der gegenständliche Bescheid erlassen werden müssen.
Hinsichtlich der Gebührenhöhe sei auf § 28 Abs. 4 WRKG zu verweisen. Dieser bestimme, dass die Gebühren nach den mit der Inanspruchnahme üblicherweise verbundenen Kosten, insbesondere nach Anzahl der gefahrenen Kilometer, nach Anzahl und Art des eingesetzten Personals sowie nach Art und Dauer des Einsatzes abzustufen seien. Aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung seien diese bei der Ermittlung des Ausmaßes mit einem Pauschalbetrag festzusetzen. Die Dauer des Einsatzes habe keinen Einfluss auf die gegenständliche Gebührenhöhe.
Vorlageantrag:
Innerhalb offener Frist beantragte der rechtsfreundliche Vertreter der Beschwerdeführerin, die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorzulegen.
Vorlagebericht:
Mit Vorlagebericht vom legte die belangte Behörde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht vor (eingelangt am ).
In der antragsgemäß durchgeführten mündlichen Verhandlung führte die Beschwerdeführerin aus, die an ihr durchgeführte Behandlung sei nicht unbedingt erforderlich gewesen. Es habe sich nur um oberflächliche Verletzungen gehandelt. Sie habe die Rettung auch nicht gerufen. An Details könne sie sich nicht mehr erinnern, weil der Vorfall schon lange zurückliege. Sie nehme öfters an derartigen Veranstaltungen teil, habe aber durch das Festkleben noch keine schwerwiegende Verletzung davongetragen. Bisher hätte es die Polizei immer geschafft, sie verletzungsarm von der Straße zu lösen, ohne dass Rettungskräfte einschreiten hätten müssen. Im Hinblick darauf, dass die Rettung schon ohne ihr Zutun dagewesen sei, habe sie gebeten, dass die Wunden angeschaut werden. Wenn sie gewusst hätte, dass die Behandlung Kosten iHv. 709,00 EUR verursachen würde, hätte sie sich nicht behandeln lassen. Wegen derartiger Verletzungen hätte sie auch niemals eine Rettung gerufen. Die von der Rettung durchgeführte Behandlung (Desinfektion und Pflaster) hätte sie auch selber durchgeführt. Ihr sei auch nicht aufgefallen, dass die Rettung gerufen worden sei. Die Rettung sei irgendwann auf einmal dagewesen. Sie könne sich nicht mehr erinnern, ob sie zur Polizei gesagt habe, dass sie behandelt werden möchte. Sie habe sicher nicht darum gebeten, die Rettung anzufordern. Ähnliche Verletzungen, die sie sich bei anderen derartigen Veranstaltungen zugezogen habe, habe sie zuhause selbst versorgt.
Die Vertreter der belangten Behörde verweisen auf die aktenkundigen Unterlagen und auf die bisherigen Ausführungen im Bescheid und der Beschwerdevorentscheidung.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Am fand am Praterstern/in der Praterstraße eine Protestaktion von "Klimaaktivisten" statt. Um 08:10 Uhr wurde von der Bundespolizei Wien die Berufsrettung Wien dorthin berufen, weil sich Demonstranten festgeklebt hatten.
Die Beschwerdeführerin nahm an dieser Veranstaltung teil und hatte sich auf der Straße festgeklebt. Beim Lösen durch die Polizei trug sie leichte Verletzungen an drei Fingern davon, die vom Rettungsdienst versorgt wurden.
Beim Rettungsdienst wurde der Berufungsgrund "32B03: Unbekannter Zustand/Andere Codes nicht zutreffend" im Einsatzprotokoll vermerkt.
Die Anamnese lautet wie folgt:
"Pat. hatte sich mit der Hand auf der Straße festgeklebt. Der Kleber wird von der Polizei mit Lösungsmittel entfernt. Die Pat. gibt an sich die Hand verletzt zu haben.
Es zeigen sich drei oberflächliche Wunden, die kaum sichtbar sind.
Hand wird mittels Octanisept gereinigt. Offene Wunden werden mit Cosmopor-Pflaster versorgt.
Die Pat. wird gebeten, sollte sich eine der Wunden entzünden, einen Arzt aufzusuchen."
Der Mitarbeiter der Rettungsleitstelle, der die Anforderung entgegennahm, konnte infolge der Anforderung durch die Polizei vor Ort mit gutem Grund annehmen, dass der Einsatz medizinisch erforderlich war.
Zum Zeitpunkt des Rettungstransportes verfügte die Beschwerdeführerin über keinen aufrechten Sozialversicherungsanspruch, weshalb die Kosten des Rettungseinsatzes iHv 709,00 Euro vom zuständigen Sozialversicherungsträger nicht übernommen wurden.
2. Beweiswürdigung
Der oben festgestellte Sachverhalt gründet sich auf die Aussagen der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung, das Einsatzprotokoll der Wiener Berufsrettung, auf das Tonbandprotokoll betreffend die Anforderung der Rettung durch die Polizei und hinsichtlich der Tatsache des nichtbestehenden Versicherungsanspruches auf die e-Card Versichertendatenabfrage zum Stichtag . Auf die Tatsache des Nichtbestehens eines Sozialversicherungsanspruches hatte die belangte Behörde ausdrücklich in der Beschwerdevorentscheidung hingewiesen. Dieser Feststellung war der rechtsfreundliche Vertreter im Vorlageantrag nicht entgegengetreten.
Angesichts der Tatsache, dass sich Demonstranten am Berufungsort festgeklebt hatten, besteht für das Gericht kein Zweifel daran, dass sowohl von der Polizei als auch vom Rettungsmitarbeiter in der Rettungsleitstelle die Voraussetzungen für die Anforderung eines Rettungswagens als gegeben erachtet wurden.
Der oben festgestellte Sachverhalt durfte daher gemäß § 167 Abs. 2 BAO der Entscheidung zugrundegelegt werden.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I.
Die maßgeblichen Bestimmungen des Wiener Rettungs- und Krankentransportgesetzes (WRKG), in der Fassung LGBl. für Wien 56/2010, lauten:
"Allgemeine Bestimmungen
Rettungsdienst
§ 1. Aufgaben eines Rettungsdienstes sind:
1. Personen, die eine erhebliche Gesundheitsstörung oder erhebliche Verletzung erlitten haben, erste Hilfe zu leisten, sie transportfähig zu machen und sie erforderlichenfalls unter sachgerechter Betreuung mit geeigneten Transportmitteln in eine Krankenanstalt zu befördern oder ärztlicher Hilfe zuzuführen;
2. Personen wegen unmittelbarer Lebensgefahr sofortige erste notärztliche Hilfe zu leisten, die anders nicht gewährleistet ist;
3. den Transport von Personen durchzuführen, bei denen lebenswichtige Funktionen ständig überwacht oder aufrecht erhalten werden müssen;
4. akute Blut-, Blutprodukte- oder Organtransporte durchzuführen;
5. Sanitätsdienste zur Behandlung von akuten Erkrankungen oder Verletzungen bei Veranstaltungen mit dem hiefür erforderlichen Personal, den erforderlichen Einrichtungen und erforderlichen Transportmitteln bereit zu stellen;
6. die Bevölkerung in erster Hilfe zu schulen;
7. im zivilen Katastrophenschutz mitzuwirken.
[...]
Öffentlicher Rettungsdienst
§ 5. (1) Die Stadt Wien ist zur Sicherstellung des Rettungsdienstes für das Gemeindegebiet verpflichtet. Zur Erfüllung dieser Aufgabe kann sie einen eigenen Rettungsdienst betreiben (öffentlicher Rettungsdienst). Sie kann sich aber auch der ausschließlichen oder teilweisen Tätigkeit bewilligter Rettungsdienste bedienen und einen Rettungsverbund organisieren.
(2) Der öffentliche Rettungsdienst hat den Anforderungen des § 6 Abs. 2 Z 2 und Z 4 bis 10 zu entsprechen.
(3) Der Rettungsdienst nach Abs. 1 hat auch die Aufgabe eines Krankentransportdienstes zu erfüllen, wenn das Versorgungsangebot der privaten Krankentransportdienste nach § 8 nicht ausreicht, um den Bedarf der Allgemeinheit an Krankentransporten zu decken.
[...]
5. ABSCHNITT
Gebühr und Entgelt
Gebühr
§ 28. (1) Für die Inanspruchnahme des öffentlichen Rettungsdienstes der Stadt Wien, insbesondere für die Betreuung (Hilfeleistung, Transport), ist eine Gebühr zu entrichten, wenn es zur Ausfahrt eines Einsatzfahrzeuges kommt.
(2) In besonders berücksichtigungswürdigen Fällen kann von der Einhebung der Gebühr ganz oder teilweise abgesehen werden.
(3) Der Gemeinderat wird ermächtigt, sofern eine solche Ermächtigung nicht ohnedies bundesgesetzlich eingeräumt ist, die Gebühren in einer Gebührenordnung festzusetzen. Eine Gebührenordnung kann bis zu einem Monat rückwirkend erlassen werden.
(4) In der Gebührenordnung sind für jede einzelne Art oder eine Mehrheit ähnlicher Arten einer Inanspruchnahme Gebühren vorzusehen. Diese Gebühren sind nach den mit der Inanspruchnahme üblicherweise verbundenen Kosten, insbesondere nach Anzahl der gefahrenen Kilometer, nach Anzahl und Art des eingesetzten Personals sowie nach Art und Dauer des Einsatzes abzustufen. Insoweit es aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung bei der Ermittlung des Ausmaßes der Gebühren zweckmäßig ist, sind diese für bestimmte Arten der Inanspruchnahme oder Teile davon in Pauschbeträgen festzusetzen.
(5) Die Höhe der Gebühren ist unter Zugrundelegung der sich in einem Kalenderjahr voraussichtlich ergebenden Zahl von Einsätzen und des auf ein Kalenderjahr entfallenden Gesamtaufwandes derart festzusetzen, dass die Summe der zur Einhebung gelangenden Gebühren das doppelte Jahreserfordernis für die Erhaltung und den Betrieb des öffentlichen Rettungsdienstes sowie für die Verzinsung und Tilgung der Anlagekosten nicht übersteigt.
(6) Für Einsätze außerhalb Wiens können unter Berücksichtigung des sich daraus ergebenden Mehraufwandes Zuschläge pro gefahrenem Kilometer festgesetzt werden.
(7) Die Gebührenordnung ist im Amtsblatt der Stadt Wien kundzumachen.
Zahlungspflicht
§ 29. (1) Gebührenschuldner ist derjenige, für den der öffentliche Rettungsdienst in Anspruch genommen wurde, und zwar auch dann, wenn die Hilfeleistung oder der Transport wegen des Verhaltens oder der Änderung des Zustandes des Gebührenschuldners unterblieb. Die Gebühr ist auch dann zu entrichten, wenn der öffentliche Rettungsdienst zu Personen gerufen wird, ohne dass die im § 1 Z 1 bis 4 geforderten Voraussetzungen gegeben waren, sofern das Vorliegen dieser Voraussetzungen auf Grund des Zustandsbildes mit gutem Grunde angenommen werden konnte.
(2) Bei Zahlungsunfähigkeit des Gebührenschuldners haften für die Entrichtung der Gebühr nach Abs. 1 Personen im Rahmen ihrer Unterhaltspflicht. Ist die Verletzung oder Gesundheitsstörung, die zu einer Inanspruchnahme des öffentlichen Rettungsdienstes geführt hat, auf ein Ereignis zurückzuführen, für das zufolge gesetzlicher Vorschrift ein Dritter einzustehen hat, haftet dieser bis zur Höhe der noch unbeglichenen Gebühr.
(3) Unbeschadet eintretender Straffolgen und privatrechtlicher Schadenersatzpflicht sind Gebührenschuldner die Personen, die einen vergeblichen Einsatz des öffentlichen Rettungsdienstes veranlassen, obwohl kein Anlass für einen Einsatz besteht.
(4) Wird am Ort einer Veranstaltung im Sinne des Wiener Veranstaltungsgesetzes, LGBl. für Wien Nr. 12/1971, in der jeweils geltenden Fassung, vom Veranstalter, vom Geschäftsführer oder von einer Aufsichtsperson des Veranstalters zur Gewährleistung der ersten Hilfe die Bereitstellung von Sanitätern oder Notärzten eines Rettungs- oder Krankentransportdienstes verlangt, hat der Veranstalter dafür eine Gebühr zu entrichten, die sich nach Umfang und Dauer richtet.
(5) Auf die Bemessung, Einhebung und zwangsweise Eintreibung der Gebühren findet die Wiener Abgabenordnung, LGBl. für Wien Nr. 21/1962, in der jeweils geltenden Fassung, Anwendung.
Schuldübernahme
§ 30. (1) Mit Zustimmung der Stadt Wien können die hiefür in Betracht kommenden Sozialversicherungsträger oder mit deren Einvernehmen der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger sowie Krankenfürsorgeanstalten öffentlich Bediensteter durch schriftliche Erklärung an Stelle von Gebührenpflichtigen als Gebührenschuldner eintreten. Nach Abgabe dieser Erklärung sind die Sozialversicherungsträger oder Krankenfürsorgenanstalten öffentlich Bediensteter allein die Gebührenpflichtigen (-schuldner).
(2) Wenn jedoch der in Betracht kommende Sozialversicherungsträger oder die Krankenfürsorgeanstalt öffentlich Bediensteter im Einzelfall angibt, dass mangels eines ihm (ihr) gegenüber bestehenden Anspruchs auf Kostenübernahme seine (ihre) Eintrittserklärung keine Anwendung findet, ist die Gebühr dem Gebührenschuldner im Sinne des § 29 Abs. 1 vorzuschreiben.
(3) Die schriftliche Erklärung gilt für unbestimmte Zeit. Die Stadt Wien, der in Betracht kommende Sozialversicherungsträger oder die Krankenfürsorgeanstalt öffentlich Bediensteter kann die Fortdauer der Gebührenschuldnerschaft widerrufen. Der Widerruf wird frühestens nach Ablauf von drei Kalendermonaten wirksam. Für höchstens drei Monate ab der Wirksamkeit des Widerrufs können die im Abs. 1 genannten Sozialversicherungsträger oder Krankenfürsorgeanstalten mit Zustimmung der Stadt Wien durch Erklärung die Inanspruchnahme der Gebührenschuldner gemäß § 29 Abs. 1 aufschieben.
(4) Für die Dauer der Gebührenschuldnerschaft der Sozialversicherungsträger oder der Krankenfürsorgeanstalten öffentlich Bediensteter kann der Gemeinderat ohne Rücksicht auf die Gebührenform (abgestufte Gebühren, Einheitsgebühren) niedrigere Gebühren, als sich gemäß § 28 Abs. 4 und 6 ergeben würden, festsetzen, insoweit diese Gebührenschuldnerschaft einen geringeren Verwaltungsaufwand bei der Einhebung der Gebühren bedingt.
[...]"
Gemäß § 1 Abs. 1 der Verordnung des Wiener Gemeinderates betreffend die Festsetzung der Gebühren gemäß §§ 28 Abs. 3 und 29 Abs. 4 WRKG vom , Amtsblatt der Stadt Wien Nr. 4/2022, ist für jede Inanspruchnahme des öffentlichen Rettungsdienstes der Stadt Wien innerhalb des Gebietes der Stadt Wien, auch wenn wegen des Verhaltens oder der Änderung des Zustandes desjenigen, für den der öffentliche Rettungsdienst in Anspruch genommen wurde, sowohl eine Hilfeleistung als auch ein Transport unterblieben sind, eine Gebühr von 709 Euro zu entrichten.
Diese Verordnung tritt entsprechend der Bestimmung des § 2 leg. cit. mit in Kraft.
Nach dem WRKG kommt dem Rettungsdienst insbesondere die Aufgabe zu, Personen, die eine erhebliche Gesundheitsstörung oder eine erhebliche Verletzung erlitten haben, erste (erforderlichenfalls: notärztliche) Hilfe zu leisten, sie transportfähig zu machen und sie erforderlichenfalls unter sachgerechter Betreuung mit geeigneten Transportmitteln in eine Krankenanstalt zu befördern (vgl. Ramharter/Tobisch, Rettung, in Holoubek/Madner/Pauer (Hrgs.), Recht und Verwaltung in Wien (2014), 140).
Nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts sind Voraussetzungen für einen Einsatz der Wiener Rettung (und der anderen Wiener Rettungsdienste) nach § 1 WRKG nicht nur das tatsächliche Vorliegen einer erheblichen Gesundheitsstörung oder einer erheblichen Verletzung, sondern bereits der begründete Verdacht des Vorliegens einer solchen, zumal der Veranlasser eines Einsatzes das tatsächliche Vorliegen in nicht wenigen Fällen nicht beurteilen kann und häufig eine endgültige Abklärung erst klinisch in einer Krankenanstalt möglich sein wird.
Da der Unterhalt eines Rettungsdienstes mit beträchtlichen Aufwendungen verbunden ist, sieht das WRKG einen pauschalen Kostenersatz für Rettungseinsätze durch denjenigen, zu dessen Gunsten der Einsatz veranlasst wurde, vor. Bei Vorliegen einer Krankenversicherung erfolgt in aller Regel eine direkte Verrechnung mit dem zuständigen Versicherungsträger (vgl. § 30 WRKG). Fehlt es an einer Krankenversicherung oder lehnt die Krankenversicherung die Kostenübernahme mangels Vorliegens der Voraussetzungen hierfür ab, hat grundsätzlich der Patient die Kosten des Einsatzes pauschal zu tragen, unter bestimmten Voraussetzungen (§ 29 Abs. 2 und 3 WRKG) sind andere Personen zur Kostentragung heranzuziehen.
Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Vorschreibung der Gebühr insbesondere mit der Begründung, sie habe den öffentlichen Rettungsdienst nicht gerufen und die durchgeführte Behandlung sei nicht notwendig gewesen.
Dem Vorbringen ist vor dem Hintergrund der eingangs zitierten Bestimmungen Folgendes zu entgegnen:
Der Gebührenanspruch entsteht nach § 28 WRKG, sobald die Rettung entsendet wird, es also zu einer Ausfahrt der Rettung kommt. Gebührenschuldnerin ist die Person, für die der öffentliche Rettungsdienst in Anspruch genommen wird. Dabei kommt es nicht darauf an, ob derjenige, der die Rettung gerufen hat, erkennen konnte oder musste, dass tatsächlich ein Notfall vorlag. Es kommt auch nicht darauf an, ob der Einsatz medizinisch erforderlich war, sondern ob das Vorliegen dieser Voraussetzungen mit gutem Grund hatte angenommen werden können, wobei diese Annahme bei jenem Mitarbeiter des Rettungsdienstes bestanden haben musste, der die Anforderung (betreffend den Rettungseinsatz) entgegen genommen hat (vgl. mwN, zur inhaltlich gleich lautenden Bestimmung des § 6 Abs. 1 des mit dem In-Kraft-Treten des WRKG außer Kraft getretenen Wiener Rettungs- und Krankenbeförderungsgesetzes, LGBl. für Wien Nr. 22/1965).
Im vorliegen Fall wurde die Rettung von der Polizei gerufen, weil sich Demonstranten/Demonstrantinnen auf der Straße festgeklebt hatten. Die Beschwerdeführerin war eine dieser Demonstrantinnen. Aufgrund des im Notrufgespräch geschilderten Sachverhaltes konnte seitens des Mitarbeiters der Wiener Berufsrettung, der die Anforderung entgegengenommen hatte, mit gutem Grund angenommen werden, dass die Voraussetzungen für einen Rettungseinsatz vorlagen (vgl. ). Ob die Beschwerdeführerin den Einsatz für notwendig erachtete bzw. die durchgeführte Behandlung auch selbst hätte durchführen können, ist irrelevant.
Es kommt im Übrigen auch nicht darauf an, ob die Inanspruchnahme der Rettung aus der subjektiven Sicht der Beschwerdeführerin gerechtfertigt war oder nicht. Der Gebührentatbestand gemäß § 28 Abs. 1 WRKG ist bereits dann erfüllt ist, wenn es zur Ausfahrt eines Einsatzfahrzeuges kommt.
Da demnach der zuständige Mitarbeiter des Rettungsdienstes aufgrund des ihm beschriebenen Sachverhaltes (festgeklebte Demonstranten) aus gutem Grund davon ausgehen konnte, dass es der Entsendung eines Rettungseinsatzfahrzeuges bedürfe, ist der Gebührenanspruch zu Recht entstanden.
Unstrittig wurden die bei der Beschwerdeführerin im Zuge des Lösens von der Straße entstandenen Verletzungen an der Hand von der Rettungsmannschaft behandelt. Mangels eines bestehenden Anspruches auf Kostenübernahme des in Betracht kommenden Sozialversicherungsträgers (§ 30 WRKG) - die Beschwerdeführerin war im Zeitpunkt des Rettungseinsatzes nicht sozialversichert - wurde die Gebühr der Beschwerdeführerin als Gebührenschuldnerin im Sinne des § 29 Abs. 1 WRKG zu Recht vorgeschrieben.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Da über die zu beurteilende Rechtsfrage, wann eine Einsatzgebühr nach dem WRKG vorzuschreiben ist, im Sinne der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs entschieden wurde (), war die Unzulässigkeit der ordentlichen Revision auszusprechen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Landesabgaben Wien |
betroffene Normen | § 28 Abs. 1 WRKG, Wiener Rettungs- und Krankentransportgesetz, LGBl. Nr. 39/2004 § 1 Z 1 bis 4 WRKG, Wiener Rettungs- und Krankentransportgesetz, LGBl. Nr. 39/2004 § 29 WRKG, Wiener Rettungs- und Krankentransportgesetz, LGBl. Nr. 39/2004 § 28 Abs. 4 WRKG, Wiener Rettungs- und Krankentransportgesetz, LGBl. Nr. 39/2004 § 167 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 1 WRKG, Wiener Rettungs- und Krankentransportgesetz, LGBl. Nr. 39/2004 § 30 WRKG, Wiener Rettungs- und Krankentransportgesetz, LGBl. Nr. 39/2004 § 29 Abs. 2 und 3 WRKG, Wiener Rettungs- und Krankentransportgesetz, LGBl. Nr. 39/2004 § 28 WRKG, Wiener Rettungs- und Krankentransportgesetz, LGBl. Nr. 39/2004 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2023:RV.7400068.2023 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at