Haftungsbescheid: Haftung für Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht erkennt durch die Richterin Mag. Mirha Karahodzic MA in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Müller Schludermann Winkler RA, Ditscheingergasse 22/7, 1030 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Magistrats der Stadt Wien Referat Landes- und Gemeindeabgaben vom , GZ MA6/ARL-958719/2017E, betreffend Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe samt Nebengebühren von April bis Juni 2017 zu Recht:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 teilweise Folge gegeben und der angefochtene Bescheid dahingehend abgeändert, dass die Haftung für nachstehende Abgaben wie folgt geltend gemacht wird:
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Abgabe | Zeitraum | Betrag in Euro |
Kommunalsteuer | 4/2017 | 481,86 |
Kommunalsteuer | 5/2017 | 849,33 |
Dienstgeberabgabe | 4/2017 | 107,48 |
Dienstgeberabgabe | 5/2017 | 118,07 |
Summe: | 1.556,74 |
Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
II. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Bisheriger Verfahrensgang
Strittig ist, ob der Beschwerdeführer mit dem angefochtenen Haftungsbescheid zu Recht für die Rückstände der S GmbH an Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe im Zeitraum von April bis Juni 2017 samt Säumniszuschlägen zur Haftung herangezogen wurde.
In einem ersten Vorhalt vom wurde dem Beschwerdeführer als Geschäftsführer der genannten GmbH entgegengehalten, dass die genannten Rückstände laut Abgabenkonto bisher nicht entrichtet gewesen sein, wodurch die Voraussetzungen für seine Haft- und Zahlungspflicht gegeben seien.
In seiner Stellungnahme dazu vom hielt der Beschwerdeführer fest, er habe ab Erkennen der Krise des Unternehmens versucht, den Betrieb zu sanieren. Als sich im Juni 2017 herausgestellt habe, dass eine außergerichtliche Sanierung nicht möglich sei, sei ein gerichtliches Insolvenzverfahren für die vorgenannte Gesellschaft beantragt worden. Im Beitragszeitraum Juni 2017 treffe ihn keine Haftung, da zu diesem Zeitpunkt bereits ein Insolvenzantrag gestellt und keine Zahlungen mehr vorgenommen worden seien. Auch in den Monaten davor seien die Gläubiger gleichbehandelt worden. Für die Erstellung eines Gleichbehandlungsnachweises werde um Übermittlung einer monatlichen Aufschlüsselung der geltend gemachten Haftungsbeträge ersucht.
Mit Schreiben vom wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, eine nach Monaten gegliederte Liquiditätsaufstellung für den Zeitraum April bis Juli 2017 vorzulegen. Der aktuelle Haftungsbetrag resultiere aus der GPLA und gliedere sich wie folgt auf:
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Rückstand | Zeitraum | Betrag in € |
Kommunalsteuer | 4/2017 | 636,63 |
Säumniszuschlag hiezu | 12,72 | |
Kommunalsteuer | 5/2017 | 1.122,12 |
Säumniszuschlag hiezu | 22,44 | |
Kommunalsteuer | 6/2017 | 744,39 |
Säumniszuschlag hiezu | 14,88 | |
Dienstgeberabgabe | 4/2017 | 142,00 |
Säumniszuschlag hiezu | 2,84 | |
Dienstgeberabgabe | 5/2017 | 156,00 |
Säumniszuschlag hiezu | 3,12 | |
Dienstgeberabgabe | 6/2017 | 112,00 |
Säumniszuschlag hiezu | 2,24 | |
Summe: | 2.971,38 |
Im Schreiben vom hielt der Beschwerdeführer fest, ihn könne keine Haftung für die Abgaben Juni 2017 treffen, da das Insolvenzverfahren am Montag den eröffnet worden sei und zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Abgaben aus Juni 2017 bereits ein Insolvenzantrag gestellt gewesen sei. Weiters bot der Beschwerdeführer eine unpräjudizielle Abschlagszahlung in bestimmter Höhe an.
Mit Haftungsbescheid vom wurde der Beschwerdeführer gemäß § 6a Kommunalsteuer 1993 für den Rückstand an Kommunalsteuer samt Nebengebühren der S GmbH in der Höhe von € 2.553,18 sowie für den Rückstand an Dienstgeberabgabe samt Nebenansprüchen in der Höhe von € 418,20 für den Zeitraum April bis Juni 2017, gesamt sohin € 2.971,38, haftbar gemacht. Darin wurde u.a. ausgeführt, dass die Konkurseröffnung vom bereits als typischer Fall der erschwerten Einbringung gelte; der Rückstand laut Abgabenkonto wurde wie folgt angeführt:
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Rückstand | Zeitraum | Betrag in € |
Kommunalsteuer | 4/2017 | 636,63 |
Säumniszuschlag hiezu | 12,72 | |
Kommunalsteuer | 5/2017 | 1.122,12 |
Säumniszuschlag hiezu | 22,44 | |
Kommunalsteuer | 6/2017 | 744,39 |
Säumniszuschlag hiezu | 14,88 | |
Dienstgeberabgabe | 4/2017 | 142,00 |
Säumniszuschlag hiezu | 2,84 | |
Dienstgeberabgabe | 5/2017 | 156,00 |
Säumniszuschlag hiezu | 3,12 | |
Dienstgeberabgabe | 6/2017 | 112,00 |
Säumniszuschlag hiezu | 2,24 | |
Summe: | 2.971,38 |
Angemerkt wurde, dass laut Aktenlage zwar die Löhne und Gehälter im Haftungszeitraum ausbezahlt worden seien, die damit fälligen Abgaben jedoch nicht entrichtet. Durch die Schlechterstellung des Abgabengläubigers habe der Haftungspflichtige somit seine Pflicht zur Gleichbehandlung aller Gläubiger verletzt.
In der dagegen mit Schreiben vom erhobenen Beschwerde wird vorgebracht, der Beschwerdeführer habe in seiner Funktion als Geschäftsführer sämtliche Gläubiger, insbesondere im Fälligkeitszeitraum 6-7/2017, gleichbehandelt. Die Primärschuldnerin sei ab faktisch geschlossen gewesen. Nach Erkennen der Insolvenzsituation seien ab keine Zahlungen mehr getätigt worden. Dies gehe aus dem beigelegten Auszug des Geschäftskontos der Primärschuldnerin hervor. Barumsätze seien nicht getätigt worden. Zu den Fälligkeiten am 15.6. und seien iHa die bevorstehnde Insolvenz keine Zahlungen mehr geleistet worden.
Am wurde der Beschwerdeführer von der belangten Behörde eingeladen, eine nach Monaten gegliederte Liquiditätsaufstellung für den Zeitraum April bis Juli 2017 vorzulegen. Mangels Vorlage einer solchen erging am die Beschwerdevorentscheidung, die den Haftungsbetrag auf Grund der im Zuge der am anberaumten Tagsatzung festgelegten Konkursquote im Ausmaß von 15,90% einschränkte (sohin auf den Betrag von 2.147,22 Euro für Kommunalsteuer samt Nebenansprüchen für April bis Juni 2017 und 351,71 Euro für Dienstgeberabgabe samt Nebenansprüchen für April bis Juni 2017).
Am ersuchte der Beschwerdeführer um Vorlage der Beschwerdesache an das Bundesfinanzgericht. Die Beschwerdesache wurde der Gerichtsabteilung der erkennenden Richterin am zugeteilt.
II. Erwägungen
1. Sachverhalt
Der Beschwerdeführer war von bis zum Konkursstichtag am Geschäftsführer der S GmbH (Primärschuldnerin).
Im Insolvenzverfahren der Primärschuldnerin kam es zu einer Außenprüfung u.a. betreffend Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag und Zuschlag dazu betreffend den Zeitraum bis . Aus dem Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung vom betreffend Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag, Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag von bis ergaben sich folgende Feststellungen:
Für den Zeitraum bis :
"Es erfolgte eine Kürzung der Taggelder um 20 %, da keine Arbeitsaufzeichnungen vorgelegt wurden"
Für bis :
"Nachverrechnung für Juni 2017, der keine mangels Information durch Dienstgeber vom Steuerberater keine korrekte Abrechnung mehr durchgeführt wurde. Es wurden im Schätzungswege 50 % der Maibezüge angesetzt."
Die Erfassung der Kommunalsteuerbemessungsgrundlagen erfolgte laut Lohnkonten.
Am erging an den Beschwerdeführer ein Haftungsvorhalt. Der Beschwerdeführer bot der belangten Behörde daraufhin eine Abschlagszahlung in bestimmter Höhe an.
Am wurden dem Beschwerdeführer folgende Abgaben im Haftungswege vorgeschrieben:
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Abgabe | Zeitraum | Betrag in Euro |
Kommunalsteuer | 4/2017 | 636,63 |
Säumniszuschlag hiezu | 12,72 | |
Kommunalsteuer | 5/2017 | 1.122,12 |
Säumniszuschlag hiezu | 22,44 | |
Kommunalsteuer | 6/2017 | 744,39 |
Säumniszuschlag hiezu | 14,88 | |
Dienstgeberabgabe | 4/2017 | 142,00 |
Säumniszuschlag hiezu | 2,84 | |
Dienstgeberabgabe | 5/2017 | 156,00 |
Säumniszuschlag hiezu | 3,12 | |
Dienstgeberabgabe | 6/2017 | 112,00 |
Säumniszuschlag hiezu | 2,24 | |
Summe: | 2.971,38 |
Gesonderte Säumniszuschlagsbescheide wurden nicht erlassen.
Löhne und Gehälter wurden im Haftungszeitraum ausbezahlt, die damit fälligen Abgaben wurden jedoch nicht entrichtet. Hinsichtlich des Monates Juni erfolgte eine Schätzung durch das Finanzamt. Die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten steht im Ausmaß von 84,1% fest. Am erfolgte die amtswegige Löschung der Firma der Primärschuldnerin im Firmenbuch (***).
Der Beschwerdeführer hat weder eine monatliche Liquiditätsaufstellung noch einen Nachweis der Gläubigergleichbehandlung erbracht.
2. Beweiswürdigung
Die Feststellungen ergeben sich - soweit nicht im Folgenden ausgeführt - aus den genannten oder in Klammer angeführten Unterlagen und somit aus dem Verwaltungsakt.
Dass die Beträge bei der Primärschuldnerin uneinbringlich sind, ergibt sich aus dem Konkursverfahren und aus dem Umstand, dass die Primärschuldnerin mittlerweile im Firmenbuch gelöscht wurde.
Die Feststellung zu Höhe und Abgabenart der Haftungsbeträge ergibt sich aus dem Verwaltungsakt der belangten Behörde in Übereinstimmung mit dem genannten Bericht des prüfenden Finanzamtes im Rahmen der GPLA-Prüfung. Dass keine Bescheide hinsichtlich der Säumniszuschläge vorliegen, ergibt sich aus dem übermittelten Verwaltungsakt, der keine enthalten hat. Das Ausmaß der Einbringlichkeit ergibt sich aus dem Umstand, dass eine Quote iHv 15,9% zu berücksichtigen war, die anlässlich der Tagsatzung vom erfolgt ist und bereits in der Beschwerdevorentscheidung berücksichtigt wurde.
Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer weder eine monatliche Liquiditätsaufstellung noch einen Nachweis der Gläubigergleichbehandlung vorgelegt hat, ergibt sich aus dem Verfahrensverlauf und den Eingaben des Beschwerdeführers.
Soweit der Beschwerdeführer zum Beweis "seines gesamten Vorbringens" seine Einvernahme sowie die Beschaffung des Insolvenzaktes beantragt, konnte davon vor dem Hintergrund der getroffenen Feststellungen abgesehen werden.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abänderung)
3.1.1. Rechtslage
Gemäß § 6a Abs. 1 Kommunalsteuergesetz 1993 (KommStG), BGBl. 819/1993 idF BGBl. I 111/2010, haften die in den § § 80 ff der Bundesabgabenordnung (BAO) bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffende Kommunalsteuer insoweit, als diese Abgabe infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten abgabenrechtlichen oder sonstigen Pflichten nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden kann, insbesondere im Fall der Konkurseröffnung.
Gemäß § 6a Abs. 1 des Gesetzes über die Einhebung einer Dienstgeberabgabe (DGAG), LGBl. für Wien 5/1979 idF LGBl. für Wien 25/2012, haften die in den §§ 80 ff. der BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffende Dienstgeberabgabe insoweit, als diese Abgabe infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten abgabenrechtlichen oder sonstigen Pflichten nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden kann, insbesondere im Fall der Konkurseröffnung.
Die Kommunalsteuer und die Dienstgeberabgabe werden für jeden Kalendermonat am 15. des darauffolgenden Kalendermonats fällig (§ 11 Abs. 2 KommStG und § 6 Abs. 1 DGAG). Für jedes abgelaufene Kalenderjahr hat der Unternehmer gemäß § 11 Abs. 2 KommStG bis Ende März des folgenden Kalenderjahres der Gemeinde eine Kommunalsteuererklärung abzugeben.
Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.
Gemäß § 9 BAO haften die in den §§ 80 ff. BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.
Gemäß § 224 Abs. 1 BAO werden die in Abgabenvorschriften geregelten persönlichen Haftungen durch Erlassung von Haftungsbescheiden geltend gemacht. In diesen ist der Haftungspflichtige unter Hinweis auf die gesetzliche Vorschrift, die seine Haftungspflicht begründet, aufzufordern, die Abgabenschuld, für die er haftet, binnen einer Frist von einem Monat zu entrichten.
Gemäß § 7 Abs. 2 BAO erstrecken sich persönliche Haftungen auch auf Nebenansprüche (§ 3 Abs. 1 und 2 BAO).
3.1.2. Nach der im Folgenden näher dargestellten, ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt die Geltendmachung der Haftung im vorliegenden Fall voraus, dass
1. eine Abgabenforderung gegen die vertretene Gesellschaft besteht (Abgabenforderung),
2. die als haftungspflichtige in Frage kommende Person zum Personenkreis der §§ 80 ff. BAO gehört (Vertreterstellung),
3. eine erschwerte Einbringlichkeit der Abgabenforderung iSd §§ 6a KommStG 1993 und 6a DGAG besteht (erschwerte Einbringlichkeit),
4. ein Verschulden des Vertreters an der Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten des Vertretenen vorliegt (Verschulden) und
5. die Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit ursächlich war (Kausalität).
3.1.2.1. Zum Bestehen einer Abgabenforderung
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes setzt die Geltendmachung einer abgabenrechtlichen Haftung zwar das Bestehen einer Abgabenschuld (§ 4 BAO) voraus, nicht jedoch, dass die Abgabe gegenüber dem Erstschuldner auch bereits mit(Abgaben-) Bescheid geltend gemacht wurde. Gemäß § 4 BAO entsteht der Abgabenanspruch, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpft, somit unabhängig von einer behördlichen Tätigkeit und auch unabhängig von einer diesbezüglichen Bescheiderlassung.
Geht einem Haftungsbescheid ein Abgabenbescheid voran, so ist die Behörde daran gebunden und hat sich in der Entscheidung über die Heranziehung zur Haftung grundsätzlich an diesen Abgabenbescheid zu halten. Durch § 248 BAO ist dem Haftenden ein Rechtszug gegen den Abgabenbescheid eingeräumt. Geht der Entscheidung über die Heranziehung zur Haftung kein Abgabenbescheid voran, so gibt es eine solche Bindung nicht. Ob ein Abgabenanspruch gegeben ist, ist in diesem Fall als Vorfrage im Haftungsverfahren von dem für die Entscheidung über die Haftung zuständigen Organ zu entscheiden. Diese Beurteilung kann mit Beschwerde und auch im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpft werden, womit dem zur Haftung Herangezogenen der Rechtsschutzgewahrt bleibt (; ).
Die in der Haftung befindlichen Beträge ergeben sich aus Nachforderungen auf Grund der GPLA-Prüfung vom . Da diese Abgabenbeträge vom Masseverwalter der Primärschuldnerin anerkannt und auch vom Magistrat der Stadt Wien für richtig befunden wurden, wurden diese Nachforderungen nicht bescheidmäßig festgesetzt, sondern als zusammengefasste Abgaben gemäß § 224 Abs. 1 und 3 BAO im Haftungsbescheid erstmals geltend gemacht.
Ist ein Abgabenbescheid dem Abgabenschuldner gegenüber nicht ergangen, dann muss aber sichergestellt sein, dass dem in Anspruch genommenen Haftungspflichtigen, wenn schon nicht vom "Bescheid über den Abgabenanspruch", so doch von den Voraussetzungen, Inhalten und Gründen, die ein Bescheid über den Abgabenanspruch hätte, Kenntnis verschafft wird. Mitteilungen über den Haftungsgegenstand (Anspruch, Art, Höhe, Grund) müssen in dem Maß gemacht werden, dass der Haftende zumindest den Kenntnisstand gewinnen kann, den er einnehmen könnte, wäre ihm der Abgabenbescheid zugeleitet worden.
Um den Rechtsschutzgedanken des § 248 BAO voll wirksam Rechnung zu tragen, muss dem Haftungspflichtigen von der Behörde über den haftungsgegenständlichen Abgabenanspruch Kenntnis in einer Weise verschafft werden, dass die Prüfung der Richtigkeit der Abgabenfestsetzung möglich ist und die Positionen der Rechtsverteidigung des herangezogenen Haftenden gegen den Anspruch nicht schwächer sind als diejenigen, die der Abgabepflichtige gegen den Abgabenbescheid einzunehmen in der Lage ist (vgl. Stoll, BAO-Kommentar, 2553 und 2554; ; ).
Dies ist im vorliegenden Fall als gegeben anzusehen, weil sich der maßgebende Sachverhalt aus dem GPLA-Bericht und der Niederschrift über die Schlussbesprechung ergibt.
Soweit der angefochtene Bescheid auch eine Haftung für Säumniszuschläge in Zusammenhang mit der Kommunalsteuer und der Dienstgeberabgabe für die Monate April bis Juni 2017 ausspricht, ist anzumerken, dass gemäß § 6 Abs. 1 Z 3 bzw. Z 5 F-VG ausschließliche Landesabgaben solche sind, deren Ertrag ganz den Ländern zufließt und ausschließliche Gemeindeabgaben solche, deren Ertrag ganz den Gemeinden zufließt. Gemäß § 16 Abs. 1 Z 2 Finanzausgleichsgesetz 2017 ist die Kommunalsteuer eine ausschließliche Landes(Gemeinde)abgabe. Gemäß § 217a Z 2 BAO (Sondervorschrift für Landes- und Gemeindeabgeben), werden Säumniszuschläge im Zeitpunkt der Zustellung des sie festsetzenden Bescheides fällig. Allerdings gibt es im beschwerdegegenständlichen Sachverhalt keine Säumniszuschlagsbescheide; somit kann auch keine Fälligkeit für einen Säumniszuschlag für Landes- und Gemeindeabgaben eingetreten sein und in weiterer Folge keine Haftungsverpflichtung des Beschwerdeführers bestehen. Die Säumniszuschläge sind daher aus der Haftung zu nehmen.
3.1.2.2. Zur Vertreterstellung
Der Beschwerdeführer war im haftungsrelevanten Zeitraum wie festgestellt alleiniger handelsrechtlicher Geschäftsführerin Primärschuldnerin und gehörte damit zum Personenkreis der §§ 80 ff. BAO iVm §§ 6a KommStG und 6a DGAG.
Zu seinen Pflichten als Geschäftsführer der GmbH gehörte es daher, die abgabenrechtlichen Verpflichtungen der Gesellschaft wahrzunehmen und für die Entrichtung der Abgaben aus den verwalteten Mitteln zu sorgen (siehe zB , , 2006/13/0121, , 2008/15/0085).
Die abgabenrechtlichen Verpflichtungen bestanden u.a. in der Pflicht zur Führung von Büchern und Aufzeichnungen sowie deren Aufbewahrung, in der Erfüllung der Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflichten der Gesellschaft, in der Abgabenerklärungspflicht sowie in der Verpflichtung, die vom Vertretenen geschuldeten Abgaben zu entrichten.
3.1.2.3. Zur erschwerten Einbringlichkeit der Abgaben
Die Haftung nach § 9 BAO ist eine Ausfallshaftung und setzt die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden voraus (vgl. zB ). Sie erstreckt sich gemäß § 7 Abs. 2 BAO auch auf Nebenansprüche wie Säumniszuschläge (vgl. zB ).
Im Beschwerdefall steht die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben fest, da diese aufgrund der Insolvenz mit anschließender Auflösung der Primärschuldnerin nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden können. Zu berücksichtigen sind jedoch - wie dies bereits mit der Beschwerdevorentscheidung erfolgt ist - die Quotenzahlungen iHv 15,9%.
3.1.2.4. Zum Vorliegen einer schuldhaften Pflichtverletzung (Verschulden)
Bei Selbstbemessungsabgaben, zu denen die Kommunalsteuer und die Dienstgeberabgabe zählen, ist für die Frage der Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten eines Vertreters des Abgabepflichtigen maßgebend, wann die Abgabe bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung zu entrichten oder abzuführen gewesen wäre (vgl. ; , 2004/13/0146; , 2005/13/0095). Die Verschuldensprüfung hat von der objektiven Richtigkeit der Abgabenfestsetzung auszugehen (vgl. ).
Die Primärschuldnerin hat die Kommunalsteuer und die Dienstgeberabgabe im Zeitraum April bis Juni 2017 weder gemeldet noch eingezahlt. Der Beschwerdeführer als Vertreter der Primärschuldnerin hat zu den Fälligkeitstagen dieser Abgaben (am 15.5., 15.6. und ) keine Zahlungen geleistet. Als Vertreter der Primärschuldnerin oblag es aber dem Beschwerdeführer den abgabenrechtlichen Verpflichtungen, insbesondere der Abgabenentrichtung nachzukommen. Tatsachlich wurden Abgaben (Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe für die Monate April bis Juni 2017) mit Ausnahme der Quotenzahlungen nicht entrichtet. Die Verletzung einer abgabenrechtlichen Verpflichtung liegt damit vor.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Vertreter darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich gewesen sei, widrigenfalls die Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung annehmen darf. Der Vertreter haftet für die nicht entrichteten Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel zur Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft nicht ausreichen, es sei denn, er weist nach, dass er die Abgabenschulden im Verhältnis nicht schlechter behandelt hat als bei anteiliger Verwendung der vorhandenen Mittel für die Begleichung aller Verbindlichkeiten (Gleichbehandlungsgrundsatz). Nicht die Abgabenbehörde hat das Ausreichen der Mittel zur Abgabenentrichtung nachzuweisen, sondern der zur Haftung herangezogene Vertreter das Fehlen ausreichender Mittel. Auf dem Vertreter lastet auch die Verpflichtung zur Errechnung einer entsprechenden Quote und des Betrages, der bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen der Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre (vgl. ). Eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes kann sich nicht nur bei der Tilgung bereits bestehender Verbindlichkeiten, sondern auch bei sogenannten Zug-um-Zug-Geschäften ergeben ().
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erfordert die Heranziehung des Vertreters zur Haftung, dass zwischen der schuldhaften Pflichtverletzung des Vertreters und der Uneinbringlichkeit der Forderung ein Rechtswidrigkeitszusammenhang besteht. Ein solcher Zusammenhang besteht, wenn der Vertreter bei oder nach Fälligkeit der Verbindlichkeit Mittel für die Bezahlung - gegebenenfalls nach gleichmäßiger Aufteilung der Zahlungsmittel auf alle Verbindlichkeiten - zur Verfügung hatte und nicht, wenn auch nur anteilig, für die Abgabentilgung Sorge getragen hat (vgl. ; , 96/15/0053; , 95/14/0034; jeweils mwN).
Was die haftungsgegenständlichen Abgaben betrifft, erstreckt sich die Haftung des Vertreters, wenn die liquiden Mittel nicht zur Begleichung sämtlicher Schulden gereicht haben und der Vertreter nur deswegen haftet, weil er die Abgabenforderungen nicht wenigstens anteilig befriedigt und somit die Abgabengläubiger benachteiligt hat, nur auf jenen Betrag, um den bei gleichmäßiger Behandlung sämtlicher Gläubiger die Abgabenbehörde mehr erlangt hätte, als sie infolge des pflichtwidrigen Verhaltens des Vertreters tatsächlich bekommen hat (). Der Vertreter erfährt somit nur dann eine Einschränkung der Haftung, wenn er den Nachweis erbringt, welcher konkrete Abgabenbetrag auch bei einer gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger uneinbringlich geworden wäre ().
Hat der Geschäftsführer aber nicht dargetan, weshalb er nicht für die rechtzeitige Entrichtung der bei der Gesellschaft angefallenen Abgaben gesorgt hat, darf die Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung annehmen (siehe nochmals ). Für die Haftung nach § 6a KommStG und nach § 6a des Wiener Landesgesetzes über die Dienstgeberabgabe gilt nichts Anderes (vgl. ).
Der Nachweis, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre, oblag dem Beschwerdeführer und nicht der Abgabenbehörde (vgl. zB sowie zuletzt ). Trotz mehrerer Vorhalte hat der Beschwerdeführer keine Unterlagen zum Nachweis der Gläubigergleichbehandlung vorgelegt. Der Beschwerdeführer hatte im Übrigen im gesamten Haftungs- und Beschwerdeverfahren jederzeit die Möglichkeit, zu den Haftungsvoraussetzungen Stellung zu nehmen, ohne dass es dafür einer (weiteren) förmlichen, ausdrücklichen Aufforderung seitens der belangten Behörde bedurft hätte. Die Vorlage einer Umsatzliste stellt keinen Nachweis einer Gläubigergleichbehandlung dar; ebenso wenig würde die Beischaffung und Einsicht in den Insolvenzakt einen solchen Nachweis ersetzen. Aus Jahresabschlüssen, Steuererklärungen, Betriebsprüfungsberichten oder Insolvenzakten betreffend die Primärschuldnerin können keine Erkenntnisse zur Liquiditätssituation zu den Fälligkeitsterminen gewonnen werden. Vor diesem Hintergrund war auch eine Einvernahme des Beschwerdeführers selbst entbehrlich.
Der Beschwerdeführer hat es somit unterlassen, durch eine Auflistung sämtlicher Gläubiger mit zum Zeitpunkt der Abgabenfälligkeiten gleichzeitig oder früher fällig gewordener Forderungen darzutun, dass sie bereits zu den jeweiligen Fälligkeitstagen wie behauptet nicht mehr über ausreichend liquide Mittel zur (vollen) Bezahlung aller Verbindlichkeiten verfügte, und so den geforderten Gläubigergleichbehandlungsnachweis zu erbringen.
Die bloße Behauptung, sämtliche Gläubiger seien gleichbehandelt worden, reicht dazu nicht aus. Der Beschwerdeführer hätte vielmehr alle Gläubiger der Primärschuldnerin sowie die auf einzelne Verbindlichkeiten geleisteten Zahlungen(Quoten) des betreffenden Zeitraumes aufzulisten und alle verfügbar gewesenen liquiden Mittel wie Bargeld und offene Forderungen anzugeben bzw. gegenüber zu stellen gehabt.
Hinsichtlich der Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe Juni 2017 ist hingegen nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes zu beachten, dass diese am fällig waren, sohin jedenfalls in zeitlicher Nähe zur Konkurseröffnung am , und schon allein deshalb dem Beschwerdeführer hier ein Verschulden nicht vorwerfbar ist, zumal im Juli 2017 auch keine Löhne und Gehälter mehr ausbezahlt wurden und daher von fehlenden liquiden Mitteln ausgegangen werden kann. Die Kommunalsteuer und die Dienstgeberabgabe Juni 2017 sind daher aus der Haftung auszuscheiden.
Im Übrigen konnte die belangte Behörde aber zu Recht eine schuldhafte Pflichtverletzung des Beschwerdeführers annehmen.
3.1.2.5. Kausalität
Im Fall des Vorliegens einer schuldhaften Pflichtverletzung spricht nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Vermutung für die Verursachung der Uneinbringlichkeit der Abgaben durch die Pflichtverletzung und den Rechtswidrigkeitszusammenhang. Die Pflichtverletzung ist demnach kausal für die Uneinbringlichkeit (vgl. mHa ).
Im vorliegenden Fall war die pflichtwidrige Nichtentrichtung der im Haftungsbescheid angeführten Abgaben kausal für deren Uneinbringlichkeit. Dieses pflichtwidrige Verhalten ist dem Beschwerdeführer als verantwortlichen Geschäftsführer der Gesellschaft zuzurechnen.
3.1.2.6. Ermessen
Die im Rahmen des § 224 BAO zu treffende Ermessensentscheidung im Sinne des § 20 BAO ist innerhalb der vom Gesetzgeber gezogenen Grenze nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommender Umstände zu treffen.
Dem Gesetzesbegriff Billigkeit ist dabei die Bedeutung des berechtigten Interesses des Berufungswerbers beizumessen, nicht zur Haftung für Abgaben herangezogen zu werden, deren Uneinbringlichkeit bei der Primärschuldnerin feststeht und deren Nichtentrichtung durch ihn versursacht worden ist. Dem Gesetzesbegriff Zweckmäßigkeit kommt die Bedeutung öffentliches Interesse an der Einhebung der Abgabe zu. Die Zweckmäßigkeit der Geltendmachung der Haftung liegt darin, dass nur durch diese Maßnahme eine Einbringlichkeit der angeführten Abgaben gegeben ist und nur so dem öffentlichen Interesse an der Erhebung der Abgaben nachgekommen werden kann.
Ein langer Zeitabstand zwischen dem Entstehen der Abgabenschuld oder der Feststellung der Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Primärschuldnerin einerseits und der bescheidmäßigen Inanspruchnahme zur Haftung andererseits wäre ein Umstand, der bei der Inanspruchnahme zur Haftung im Sinne des Ermessens nicht außer Betracht gelassen werden darf. Inwieweit dieser Gesichtspunkt beim Ermessen Berücksichtigung findet, hängt aber vom Einzelfall ab (vgl. ). Der erste Haftungsvorhalt ist binnen eines Jahres zur Konkurseröffnung der Primärschuldnerin ergangen, der Haftungsbescheid wurde jedoch erst am erlassen, während die Abgabenschuld das Jahr 2017 betrifft. Aus diesem Grund sieht sich das Bundesfinanzgericht zu einer Ermessensübung im Sinne des Beschwerdeführers und einer Reduktion der Haftung um weitere 10% veranlasst.
3.1.3. Ergebnis
Zusammengefasst waren somit sämtliche Säumniszuschläge sowie die Abgabenbeträge betreffend Juni 2017 aus der Haftung auszuscheiden, die übrigen Beträge um die Quote von 15,90% zu verringern und um weitere 10% auf Grund des geübten Ermessens zu reduzieren. Der angefochtene Bescheid war daher wie im Spruch ersichtlich abzuändern und die Beschwerde im Übrigen aus den dargelegten Gründen als unbegründet abzuweisen.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Gegen eine Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Beschluss von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die gegenständliche Entscheidung weicht weder von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung (vgl. die unter 3.1. zitierte Rechtsprechung). Die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Im Übrigen liegen keine Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der hier zu lösenden Rechtsfrage, ob der Beschwerdeführer zu Recht zur Haftung herangezogen wurde, vor.
VwGG.
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie | Landesabgaben Wien |
betroffene Normen | § 6a Abs. 1 WDGAG, Wr. Dienstgeberabgabegesetz, LGBl. Nr. 17/1970 § 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 9 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2023:RV.7400126.2021 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at