Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 13.09.2023, RV/7101804/2021

Außergewöhnliche Belastung: Sittliche Pflicht des Schwiegersohnes zur Zahlung der Pflegekosten

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Renate Dolezal, Speisinger Str 50-52 Tür 18, 1130 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom , Steuernummer ***BF1StNr1***, betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2014 zu Recht:

I. Der Beschwerde wird teilweise stattgegeben.
Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.
Die geänderte Bemessungsgrundlage und Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

A. Das bisherige Verfahren stellt sich wie folgt dar:

***Bf1*** (Beschwerdeführer) beantragte in seiner Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2014 unter anderem den pauschalen Freibetrag gemäß § 35 Abs 3 EStG 1988 aufgrund eigener körperlicher Behinderung im Ausmaß von 100% sowie den Abzug von Pflegekosten der Schwiegereltern als außergewöhnliche Belastungen mit Selbstbehalt in Höhe von 9.680,00 €.

Mit Einkommensteuerbescheid vom blieben die beantragten außergewöhnlichen Belastungen mit der Begründung, dass keine nachvollziehbaren Beweise vorlagen, unberücksichtigt.

Mit Beschwerde vom wurden die Anträge aufrechterhalten und zusätzlich eigene Behandlungskosten mit 940,58 € als außergewöhnliche Belastung geltend gemacht. Beigelegt wurde unter anderem ein unbefristet gültiger Behindertenpass mit einem darin angegebenen Grad der Behinderung von 100% sowie Aufstellungen über die eigenen Behandlungskosten und Pflege- und Behandlungskosten von E. S. (Schwiegermutter).

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde nach weiteren Ermittlungsschritten der Freibetrag nach § 35 Abs 3 EStG 1988 in Höhe von 726,00 € und Kosten der eigenen Behinderung von 486,98 € anerkannt. Die restlichen Kosten würden nicht im Zusammenhang mit der Behinderung stehen und sei diesbezüglich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nicht wesentlich beeinträchtigt. Die Pflegekosten stellen aufgrund fehlender Zwangsläufigkeit keine außergewöhnlichen Belastungen dar, da "auch noch ein weiterer Verwandter - der Sohn von Frau S. E. - Herr S. M. -vorhanden ist".

Mit Vorlageantrag vom wurden die Anträge aufrechterhalten und ausgeführt, dass die Pflegekosten mit der Pension der Schwiegereltern, den Zuschüssen und dem Pflegegeld nicht gedeckt werden konnten und der Beschwerdeführer daher einen Teil davon übernommen habe. Weder dessen Gattin noch der Schwager waren wirtschaftlich in der Lage, die Kosten zu tragen. Den Beschwerdeführer treffe dazu keine gesetzliche, wohl aber eine sittliche Pflicht.

Mit Vorlagebericht vom wurde die Beschwerde mit dem Antrag auf Abweisung dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Mit E-Mail vom wurde der Beschwerdeführer vom Bundesfinanzgericht ersucht, die fehlende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit seiner Gattin und dessen Bruder und die Vermögensminderung hinsichtlich der übernommenen Pflegekosten nachzuweisen bzw. darzustellen, inwieweit er sich der Kostentragung nicht entziehen konnte.

Als Antwort übermittelte die steuerliche Vertreterin eine E-Mail am . Diese verwies auf die gerade ausreichenden Einkünfte des Schwagers des Beschwerdeführers. Dessen Frau sei sehr früh gestorben und er musste für seine zwei Kinder alleine sorgen. Der Kontakt des Schwagers zu seinen Eltern war nie sehr gut und er wäre nicht in der Lage gewesen, diese finanziell zu unterstützen. Der Beschwerdeführer hatte aufgrund seiner Einkünfte die Möglichkeit, sich Geld anzusparen. Er habe sich immer um seine Schwiegereltern gekümmert. Die Pflegeheimkosten hätten die Pensionsbezüge der Schwiegereltern bei Weitem überstiegen, sodass der Fonds Soziales Wien für die Differenz aufkommen hätte müssen. Die Kosten der Pflegerinnen seien bar mittels Abhebungen von Sparbüchern bezahlt worden. Die Sparbücher aus 2014 gäbe es nicht mehr, beispielhaft wurde ein Sparbuch mit Abhebungen aus 2016 und 2017 vorgelegt. Neben Ausgaben für die Wohnung, Lebensmittel, Telefon, Versicherungen, Körperpflege, Friseur, Kleidung, Reinigungsmittel etc. seien Ausgaben in Höhe von 9.815,41 € für Möbel, Handwerksarbeiten, Dämmung, Gartenpflege etc. angefallen.

Mit Beschluss des Bundesfinanzgerichts vom wurde M. S. (Schwager des Beschwerdeführers) zur schriftlichen Zeugenaussage zu seinen persönlichen Einkommens- und Vermögensverhältnissen, der Organisation und Finanzierung der Pflege seiner Eltern und seinem persönlichen Verhältnis zu seinen Eltern aufgefordert.

Dieser antwortete darauf per E-Mail am bzw. und verwies auf monatliche Ausgaben für Kredit, Miete, Versicherungen, Energie und Telekommunikation von ca. 1.850,00 € sowie darauf, dass sein 19jähriger Sohn nach einem Schulabbruch bei ihm wohne und mitversichert sei. Seinem Sohn gegenüber erbrachte er Naturalleistungen, die genaue Höhe der Geldleistungen sei ihm nicht mehr erinnerlich. Er selbst habe keine Ersparnisse. Der Kredit diente zur Finanzierung des Genossenschaftsanteils, der Umschuldung aufgrund eines "Kontoüberzugs" und der Wohnraumbeschaffung für einen Alterswohnsitz im Burgenland.

Beruflich sei er tagsüber telefonisch schwer erreichbar gewesen. Daher übernahmen seine Schwester und sein Schwager die Organisation der Pflege der Eltern. Finanziell konnte er "keine großartige Hilfestellung leisten". Von Ersparnissen seiner Eltern sei ihm nichts bekannt und könne er sich solche auch nicht vorstellen.

Zu den Ermittlungsergebnissen wurde derer belangten Behörde Gelegenheit gegeben, Stellung zu nehmen.

Im E-Mail vom äußerte sich die Behörde zu den Aussagen von M. S., dass die Einkommensverhältnisse durchaus als hoch genug angesehen werden können, um zur Pflege der eigenen Mutter beizutragen. Zu den sonstigen Vermögensverhältnissen bzw. Ersparnissen sei vom Zeugen nichts ausgesagt worden. Die erwähnten Ausgaben sind durchaus zu hinterfragen und durch keinerlei Belege oder Unterlagen untermauert. Zum vorgelegten Sparbuch lasse sich nicht erkennen, wer der Inhaber ist und wofür die Abhebungen verwendet wurden. Ein Zusammenhang mit den beantragten außergewöhnlichen Belastungen (Pflegekosten der Schwiegermutter) könne nicht hergestellt werden.

Der Finanzamtsvertreter ergänzte mittels E-Mail vom sein Vorbringen, dass der Unterhalt von M. S. gegenüber seinem Sohn mehr als zweifelhaft und nicht nachvollziehbar sei. Die Kosten für Telekommunikation und TV seien nicht glaubhaft und nicht berücksichtigungswürdig, denn sie entstehen nicht zwangsläufig. Die Kreditrückzahlungen seien ebenso nicht berücksichtigungswürdig, da bereits ein Wohnsitz bestand, ein Zweitwohnsitz daher bloß aus einem persönlichen Interesse veranlasst sei und nicht mit einem dringenden Wohnbedürfnis begründet werden kann. Auch die Rückzahlung von Kontoüberziehungen könne nicht steuermindernd geltend gemacht werden.

Die steuerliche Vertreterin des Beschwerdeführers übermittelte am eine weitere E-Mail, worin sie anführt, dass M. S. unter Einbeziehung des Existenzminimums für zwei Personen und einer Reduzierung der Ausgaben für Versicherungen, Energie- und Telekommunikationskosten auf ein plausibles Maß kein Geld für die Pflege seiner Eltern übrigbleiben konnte.

Mit Beschluss des Bundesfinanzgerichts vom wurde C. D. (Ehegattin des Beschwerdeführers) zur schriftlichen Zeugenaussage zu ihren persönlichen Einkommens- und Vermögensverhältnissen, der Organisation und Finanzierung der Pflege ihrer Eltern, den behaupteten Zahlungen des Beschwerdeführers und dem Verhältnis von ihr und ihren Eltern zu ihrem Bruder aufgefordert.

Mit Schriftstück vom 22.September 2022 teilte sie mit, dass sie von ihrem Aussageverweigerungsrecht als Angehörige Gebrauch macht, da sie das Verfahren sehr belaste.

Am hat am Bundesfinanzgericht eine mündliche Verhandlung stattgefunden.

Als unstrittig festgestellt wurde die dem Grunde und der Höhe nach bestehende Absetzbarkeit von eigenen Krankheitskosten (453,60 €) mit Selbstbehalt, von behinderungsbedingten Krankheitskosten (486,98 €) ohne Selbstbehalt bzw. grundsätzlich das Vorliegen einer 100%igen Behinderung.

Der Antrag auf Absetzung des Medikaments "Enbrel" als Krankheitskosten ohne Selbstbehalt werde nicht aufrechterhalten. Die Schwiegereltern des Beschwerdeführers hatten ein lebenslanges Wohnrecht im Haus Straße 7, 1220 Wien, und leisteten dafür kein Entgelt.

Vom Finanzamt werden die vom Beschwerdeführer genannten, nachfolgend dargestellten Zahlen nicht bestritten:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Einkünfte E. S.
10.052,64
Einkünfte K. S.
6.935,64
Pflegegeld
17.567,00
Zuschüsse
9.350,00
Gesamteinkommen Eltern
43.905,28
Pflegekosten
31.383,38

Der Beschwerdeführer gab als Auskunftsperson einvernommen an:

Er habe immer ein gutes Verhältnis zu den Schwiegereltern gehabt, habe sie manchmal 2 bis 3 Mal pro Woche besucht, manchmal seltener. Er habe auch öfters Arbeitsleistungen erbracht, unterstützt sei er nur von seiner Gattin geworden, nicht von seinem Schwager.

Die Pflege habe er mit seiner Gattin organisiert und entschieden. Die Schwiegereltern waren zunächst im 15. Wiener Gemeindebezirk wohnhaft, dort gab es aber keine Möglichkeit, eine Pflegekraft unterzubringen. Das Haus im Straße war bis 2014 ein Sommerhaus und wurde von ihm und seiner Gattin für eine 24-Stunden-Pflege adaptiert.

Die Unterbringung in einem Pflegeheim wollten die Schwiegereltern und auch er und seine Gattin nicht.

Es sei richtig, dass er vor seiner Pension Geld angespart hatte. Die Abfertigung in Höhe eines Jahresgehalts habe er auf die Seite gelegt. An die genaue Höhe könne er sich nicht mehr erinnern, es müssten so um die 60.000,00 € gewesen sein.

Wie viele Sparbücher er gehabt habe, wisse er nicht mehr, bei Auflösung habe er sie weggeworfen. Von Vermögen seiner Gattin und seiner Schwiegereltern wisse er nichts.

Das Bargeld habe er zuhause gehabt, so ca. 2.000,00 € bis 3.000,00 €. Er habe immer Bargeld in dieser Höhe zuhause gehabt. Er oder seine Gattin haben das Geld vom Konto oder von den Sparbüchern abgehoben. Seine Gattin hatte Zugriff auf das Konto und die Sparbücher, die auf Losungswort lauteten. 2016 wurden die Zahlungen über das Bankkonto abgewickelt.

Zum Schwager M. S. hatte er unregelmäßigen Kontakt, zB zu Geburtstagen, Weihnachten, manchmal zufällig, es habe nie Streit gegeben. Zwischen dem Schwager und den Schwiegereltern habe es ein kühles Verhältnis gegeben, jedoch nie Streit.

Von den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Schwagers wusste er nichts und habe er auch nicht nachgefragt. Bei Gesprächen mit ihm habe er mitbekommen, dass es finanziell eher knapp war. Weder seine Frau noch er haben den Schwager deshalb zur Kostentragung hinsichtlich der Pflege seiner Eltern aufgefordert.

Auf Nachfrage durch den Finanzamtsvertreter gab er an, dass das Wohnhaus im Eigentum seiner Gattin war und ist.

Nach Beendigung der Einvernahme gaben beide Parteien an, dass die durchschnittlichen Lebensführungskosten mit dem 14fachen Ausgleichszulagenrichtsatz (1.286,03 € in 2014 für ein Ehepaar, 882,78 € in 2015 für eine alleinstehende Person) unter Abschlag von 10% für das fehlende Mietentgelt geschätzt werden könne.

Das Finanzamt gehe davon aus, dass der Fehlbetrag aus Einnahmen der Schwiegereltern und den Lebensführungs- und Pflegekosten vom Beschwerdeführer, seiner Gattin und dem Schwager getragen wurden. In welcher Höhe der jeweilige Anteil war, konnte vom Finanzamt im Rahmen seiner Ermittlungen nicht festgestellt werden. Anhaltspunkte für Zahlungen des Schwagers seien nicht vorhanden. Der Beschwerdeführer habe aufgrund der rechtsgrundlosen Zahlung einen zivilrechtlichen Anspruch gegen den Schwager. Die Barzahlungen in 2014 werden vom Finanzamt aufgrund des fehlenden Nachweises nicht als außergewöhnliche Belastungen anerkannt.

Die steuerliche Vertreterin hielt die bisherigen Anträge aufrecht.

Im Zuge der mündlichen Verhandlung wurde eine Zeugenaussage von C. D., mit der im Wesentlichen das bisherige Vorbringen des Beschwerdeführers bestätigt wurde, deren Einkommensteuerbescheid 2013 sowie der Beschluss des Bezirksgerichts Donaustadt gemäß § 153 AußStrG in der Verlassenschaftssache E. S. vorgelegt.

Mit E-Mail vom gab die steuerliche Vertreterin an, dass bei der Durchsicht der restlichen Belege (Lebenshaltungskosten) weitere Ausgaben für Krankheitskosten (Apotheke, Arztkosten, Physiotherapie, etc.) hervorgekommen seien, die in Summe € 1.698,60 ausmachen.

In einer Stellungnahme der belangten Behörde mittels E-Mail vom , führte der Finanzamtsvertreter aus, es sei "jedenfalls berücksichtigungswürdig, dass die beiden Personen häuslich gepflegt werden mussten und daher sicherlich außergewöhnliche Belastungen angefallen sind. […] Die angeführten Kosten erscheinen prima facie glaubwürdig, können aber nicht näher nachvollzogen werden".

B. Das Bundesfinanzgericht hat über die Beschwerde erwogen:

Strittig ist, ob Ausgaben des Beschwerdeführers für Kosten der 24-Stunden-Pflege seiner Schwiegereltern K. und E. S. in 2014 in Höhe von 9.680,00 € zu einem Vermögensabfluss geführt haben und er diese Ausgaben als außergewöhnliche Belastungen unter Berücksichtigung eines Selbstbehaltes im Rahmen der Einkommensermittlung zu Recht absetzen darf.

1. Sachverhalt

***Bf1*** (Beschwerdeführer) hatte zu seinen Schwiegereltern E. und K. S. ein sehr gutes persönliches Verhältnis, dass sich in Form von regelmäßigen Besuchen bzw. finanziellen und handwerklichen Unterstützungen nachvollziehen lässt.

Die Schwiegereltern waren im Jahr 2014 pflegebedürftig. Sie wurden zunächst durch eine ambulante Pflege betreut, ab Mai 2014 standen ihnen zwei Pflegekräfte, die sich ca. 14tägig abwechselten, rund um die Uhr zur Verfügung.

Für die Pflege mussten im Jahr 2014 31.383,38 € aufgewendet werden. Zusätzlich fielen Ausgaben für Heilbehandlung von 1.698,60 € an, die durch die Krankheit des Ehepaars verursacht waren.

Die Ausgaben wurden grundsätzlich vom gepflegten Ehepaar getätigt. Ein Anteil in Höhe von 9.680,00 €, der an die Pflegekraft X. Y. bezahlt wurde, wurde vom Beschwerdeführer aus seinem Vermögen getragen. Diese Zahlungen erfolgten in bar. Die Geldbeträge wurden zuvor vom Bankkonto bzw. von Sparbüchern des Beschwerdeführers abgehoben.

Das Eigenheim mit ca. 70 m² Baugrundfläche, in dem die Schwiegereltern des Beschwerdeführers ab Mai 2014 wohnten, stand im relevanten Zeitraum im Eigentum deren Tochter C. D. (Gattin des Beschwerdeführers). Das Ehepaar S. hatte an diesem Grundstück ein Wohnungsgebrauchsrecht und leistete für die Nutzung desselben kein Entgelt. Lediglich die laufenden Betriebskosten wurden vom Ehepaar S. getragen.

Die Lebensführungskosten, die dem Ehepaar S. im Jahr 2014 entstanden sind, werden im Schätzungsweg in Höhe von 16.203,98 € festgestellt.

Insgesamt fielen für die Pflege, die Krankheit und die Lebensführung Ausgaben von 49.285,96 € an.

Folgende Einnahmen standen den beiden pflegebedürftigen Personen in 2014 zur Bestreitung der Pflege- und Krankheitsaufwendungen und zur Lebensführung zur Verfügung:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Pension E. S.
10.052,64
Pension K. S.
6.935,64
Pflegegeld E. S.
6.532,50
Pflegegeld K. S.
11.034,50
Zuschuss April - Dez. E. S.
4.950,00
Zuschuss Mai - Dez. K. S.
4.400,00
Summe
43.905,28

Daraus folgt, dass die Pflegeausgaben nur zum Teil aus dem Pflegegeld und den öffentlichen Zuschüssen abgedeckt wurden. Insgesamt konnten Kosten der Pflege bzw. der Krankheit in Höhe von 5.380,68 € nicht durch die Eheleute S. aus ihren eigenen Einnahmen getragen werden und waren diese daher auf Zahlungen von Dritten angewiesen.

2. Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ergibt sich grundsätzlich aus dem Akt und dem Abgabeninformationssystem der Finanzverwaltung sowie den Erhebungen des Bundesfinanzgerichts.

Die Pflegebedürftigkeit der Schwiegereltern des Beschwerdeführers und die Pflege durch beigezogenes Pflegepersonal ist aufgrund des Bezugs von Pflegegeld und der aktenkundigen Honorarnoten und Zahlungsnachweise offensichtlich und unstrittig.

Höhe der Kosten/Einnahmen

Insbesondere war dem Grunde und der Höhe nach hinsichtlich der Kosten der Pflege/Krankheit sowie den zur Bestreitung des Lebensunterhalts, der Pflege/Krankheit zur Verfügung stehenden Geldmittel dem glaubwürdigen Vorbringen des Beschwerdeführers zu folgen. Dies ist auch zumindest dem Grunde nach unbestritten. Die Höhe der Pflegekosten und der Pensionseinkünfte, der Pflegegelder und der für die Pflege erhaltenen öffentlichen Zuschüsse wurden in der mündlichen Verhandlung außer Streit gestellt.

Die belangte Behörde gibt zu den nachträglich dargestellten Krankheitskosten an (E-Mail vom ), dass es jedenfalls berücksichtigungswürdig sei, dass die beiden Personen häuslich gepflegt werden mussten und daher sicherlich außergewöhnliche Belastungen angefallen sind. Die angeführten Kosten erscheinen prima facie glaubwürdig, können aber nicht näher nachvollzogen werden.

Weder die Pflegekosten angesichts einer 24-Stunden-Pflege (tatsächliche Kosten ca. 87,00 € pro Tag) noch die Krankheitskosten erscheinen als überhöht (vgl. Preise für 2021 in Höhe von ca. 85,00 € pro Tag für zwei betreuende Personen: https://www.caritas-rundumbetreut.at/fileadmin/storage/global/user_upload/Preisliste_Angebote_und_Peise_2021.pdf bzw. einen unverbindlichen Richtwert von ca. € 60,00 - € 120,00 pro Betreuungskraft/pro Tag: https://www.pflegeinfo-ooe.at/unterst%c3%bctzung-in-der-pflege-und-betreung/pflege-und-betreuung-zu-hause/24-stunden-betreung). Die in Anspruch genommenen Leistungen (Arzt, Physiotherapie, Behindertenhilfsmittel, Apotheke etc.) erscheinen angesichts des Alters und der Pflegebedürftigkeit/Krankheit angemessen.

Die Lebensführungskosten wurden schätzungsweise mit dem Ausgleichszulagenrichtsatz nach § 293 Abs 1 lit a sublit bb ASVG für Pensionisten, die mit dem Ehegatten (der Ehegattin) im gemeinsamen Haushalt leben, in Höhe von € 1.286,03 € pro Monat für 14 Monate angesetzt. Dies erscheint praktikabel, da damit der notwendige Lebensunterhalt und Wohnbedarf abgedeckt wird. Im Übrigen ergab eine Berechnung/Schätzung der steuerlichen Vertreterin (E-Mail vom ) anhand der gesammelten Belege des Ehepaars einen ähnlich hohen Betrag (16.309,09 €).

Angesichts der Tatsache, dass das bewohnte Eigenheim von der Tochter des pflegebedürftigen Ehepaars kostenlos zur Verfügung stand, wurde ein Abschlag von 10% vorgenommen. Dieser Satz orientiert sich an § 11 Abs 3 NÖ Mindestsicherungsgesetz. Die Bemessung der Mindestsicherung orientiert sich im Wesentlichen am Ausgleichszulagenrichtsatz. Danach beinhalten Mindeststandards zur Sicherung des notwendigen Lebensunterhaltes einen Geldbetrag zur Deckung des Wohnbedarfes bei hilfsbedürftigen Personen, die eine Eigentumswohnung oder ein Eigenheim bewohnen, einen Geldbetrag im Ausmaß von 12,5%. Aufgrund der geringen Größe des bisher als Sommerhaus verwendeten Eigenheims wurde näherungsweise eine Reduktion von 10% angenommen. Die Ermittlung der Lebensführungskosten mit Hilfe dieser Methode wurde den Parteien in der mündlichen Verhandlung zur Kenntnis gebracht und wurde dieser Berechnung zugestimmt.

Dem Ehepaar verblieben daher aufgrund ihrer Pensionseinkünfte nach Abzug der Lebensführungskosten 784,30 € für die Deckung der Krankheitsausgaben bzw. der Pflegeausgaben, die aufgrund der Höhe nur zum Teil mithilfe des Pflegegeldes und der öffentlichen Zuschüsse finanziert werden konnten. Schlussendlich konnten Pflege- und Krankheitsaufwendungen von 5.380,68 € nicht aus den eigenen Einnahmen getragen werden. Diesbezüglich war das pflegebedürftige Paar auf fremde Hilfe angewiesen.

Vermögensminderung beim Beschwerdeführer

Strittig ist, ob der Beschwerdeführer die von ihm geltend gemachten Zahlungen aus dem eigenen Vermögen geleistet hat.

Vorgebracht wurde, dass diese Geldbeträge zuvor vom Bankkonto bzw. den Sparbüchern des Beschwerdeführers abgebucht wurden und der Pflegekraft X. Y. von ihm, seiner Gattin oder seinen Schwiegereltern, je nach zeitlicher Verfügbarkeit, übergeben wurden. Die Pflegekraft habe kein Bankkonto gehabt, weshalb die Honorare bar bezahlt werden mussten. Die Sparbücher seien mittlerweile aufgelöst worden und wurden vernichtet. Aufgrund der geringen Einkünfte der Schwiegereltern und seiner Gattin wäre der Beschwerdeführer der einzige gewesen, der Ersparnisse anhäufen konnte, um überhaupt Zahlungen in dieser Höhe leisten zu können. Zudem wurde anhand des Existenzminimums und sonstiger zur Wohnbarmachung des Sommerhauses angefallener Ausgaben versucht darzustellen, dass das pflegebedürftige Ehepaar mit den zur Verfügung stehenden Geldmitteln nicht in der Lage war, neben den Lebensführungskosten die Pflegekosten zu tragen.

***Bf1*** schilderte als Auskunftsperson in der mündlichen Verhandlung befragt lebensnah die sehr gute Beziehung von ihm zu seinen Schwiegereltern. Er besuchte sie gemeinsam mit seiner Gattin öfters, aber in unregelmäßigen Abständen und half nicht nur finanziell, sondern auch handwerklich. Es war für ihn selbstverständlich zu helfen. So habe er auch nie daran gedacht, für die behindertengerechte Adaptierung des Bades (Duschtasse) etwas zu verlangen.

Es sei richtig, dass er als aktiver Arbeitnehmer Geld angespart hatte. Die Abfertigung in Höhe eines Jahresgehalts habe er auf die Seite gelegt. An die genaue Höhe könne er sich nicht mehr erinnern, es müssten so um die 60.000,00 € gewesen sein.

Wie viele Sparbücher er gehabt habe, wisse er nicht mehr, bei Auflösung habe er sie weggeworfen. Von Vermögen seiner Gattin und seiner Schwiegereltern wisse er nichts.

Das Geld kam aus Bargeld, das er zuhause gehabt habe, so ca. 2.000,00 € bis 3.000,00 €. Er habe immer Bargeld in dieser Höhe zuhause gehabt. Er oder seine Gattin haben das Geld zuvor vom Konto oder von den Sparbüchern abgehoben. Seine Gattin hatte Zugriff auf das Konto und die Sparbücher, die auf Losungswort lauteten.

Von den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Schwagers wusste er nichts und habe er auch nicht nachgefragt. Bei Gesprächen mit ihm habe er mitbekommen, dass es finanziell eher knapp war. Weder seine Frau noch er haben den Schwager deshalb zur Kostentragung hinsichtlich der Pflege seiner Eltern aufgefordert.

Insgesamt machte der Beschwerdeführer aufgrund seiner detaillierten, zum Teil unwichtigen Angaben, wie die Schenkung eines Lusters, einen äußerst glaubwürdigen Eindruck. Ein Bemühen, die damaligen Vorkommnisse den Tatsachen entsprechend darzustellen, ist dem Beschwerdeführer nicht abzusprechen.

C. D. gab in ihrer schriftlichen Zeugenaussage, die in der mündlichen Verhandlung übergeben wurde, an, dass die Frau ihres Bruders früh verstorben war und er deshalb alleinerziehender Vater zweier Kinder war. Er konnte daher eine gewisse Zeit nur halbtags arbeiten und sich somit auch kein Geld ansparen. Finanzielle Hilfe war von ihrem Bruder keine zu bekommen, da dieser immer in Geldnöten war bzw. ist.

Zur Zeugenaussage unter Wahrheitspflicht aufgefordert gab M. S. schriftlich nur ungenaue, belegmäßig nicht nachgewiesene Details zu seiner Vermögenssituation an. Er bestätigte selbst, dass er finanziell für seine Eltern keine großartige Hilfestellung leisten konnte. Sein Verhältnis zu den Eltern war früher zwar innig, später waren aber die persönlichen Kontakte aufgrund seines sehr unregelmäßigen Berufslebens sehr rar. Das Verhältnis seiner Schwester und seines Schwagers (Beschwerdeführer) war sehr innig und vor allem sehr fürsorglich. Speziell sein Schwager meisterte, nebst finanzieller Unterstützung, auch körperliche Aufgaben, wie diverse Reparaturen, Gartenpflege, Versorgung mit Brennmaterial etc., wobei er ihm (dem Beschwerdeführer) eher selten half und daher die Hauptlast auf dessen Schultern lag.

Der Sohn des Zeugen sei nach einem Schulabbruch beschäftigungslos gewesen, ohne jegliche Einkünfte und bei ihm mitversichert und lebte in seinem Haushalt. Neben Naturalleistungen erbrachte er ihm gegenüber Geldleistungen in unbekannter Höhe.

Zur Präzisierung seiner Angaben aufgefordert zeigte sich der Zeuge äußerst ungehalten und unter Verwendung überraschend derber Sprachausdrücke wenig Bereitschaft, die getätigten Aussagen zu konkretisieren. Seine Ausführungen könne er durch Belege nicht untermauern, da er im Zuge mehrerer Umzüge bzw. seiner etwas chaotischen Lebensführung die meisten Unterlagen verloren hat.

Die Kosten für Energie und Telekommunikation von monatlich ca. 600,00 € erklärte er damit, dass diese Heizung und Warmwasser, Strom, zweimal A1, Chello, ORF, Netflix etc. umfassen.

Die Kreditrückzahlungen von monatlich ca. 600,00 € begründete er mit der Bezahlung eines Genossenschaftsanteils seiner Wohnung in Wien, der Umschuldung aufgrund eines Kontoüberzugs und der Wohnraumbeschaffung für einen Alterswohnsitz im Burgenland.

Tatsächlich war er laut Grundbuch seit 2009 Hälfteeigentümer der Liegenschaft mit der Einlagezahl EZ in der Katastralgemeinde Ort (Kaufpreis 40.000,00 €), worauf ein Pfandrecht mit einem Höchstbetrag von 72.000,00 € lastete.

M. S. erzielte 2014 ein Einkommen von 30.318,73 € und hatte daraus eine Einkommensteuer von 7.254,42 € zu tragen, sodass netto 23.064,31 € verblieben. Seine Tochter war damals 23 Jahre alt (in Beschäftigung), sein Sohn 19 Jahre alt. Dieser hatte 2014 laut zentralem Melderegister denselben Hauptwohnsitz und bezog laut Abgabeninformationssystem keine Einkünfte. Insoweit erscheinen die Angaben des Zeugen hinsichtlich der Unterhaltsleistungen an seinen Sohn dem Grunde nach den Tatsachen entsprechend.

Zur Ermittlung eines Minimums an Lebensführungskosten von M. S. und seines Sohnes kann der 14fache Ausgleichszulagenrichtsatz für einen Erwachsenen mit einem einkommenslosen Kind von 13.860,98 € (monatlich 857,73 € + 132,34 €) herangezogen werden. Dieser Satz wird auch zur Bemessung der Mindestsicherung angewendet. Außerordentliche Ausgaben sind zusätzlich zu berücksichtigen. Bei Einbeziehung der in Anbetracht der Angaben des Zeugen durchaus nicht außergewöhnlichen Höhe von monatlichen Kreditrückzahlungen von 600,00 € ergeben sich demnach bereits Ausgaben von 22.260,98 €. Die vom Zeugen geschätzten überdurchschnittlichen Ausgaben für Energie und Telekommunikation würden keinen finanziellen Spielraum mehr lassen.

Ohne auf die Notwendigkeit diverser Ausgaben dem Grunde und der Höhe nach einzugehen (zB Liegenschaftskauf im Burgenland, Telekommunikations-, Unterhaltungskosten) ergibt sich aufgrund der Höhe des frei verfügbaren Einkommens und der Unterhaltsleistungen an seinen Sohn ein sich mit den Aussagen von R. und ***Bf1*** deckendes und schlüssiges Gesamtbild, dass sich M. S. regelmäßig am finanziellen Limit bewegte. Dass dieser tatsächlich einen Beitrag zu den Pflegekosten seiner Eltern hätte leisten können, ist daraus nicht ableitbar.

Daher und aufgrund des offensichtlich geringen Einkommens der Ehegattin (5.857,40 €) und der Schwiegereltern des Beschwerdeführers erscheint es trotz fehlender belegmäßiger Nachweise der Mittelherkunft als überragend wahrscheinlich und damit glaubhaft, dass der Beschwerdeführer die Zahlungen aus eigenen Geldmitteln, insbesondere aus seinen Ersparnissen (zB Abfertigung) getätigt hat. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers war dahingehend zu folgen.

3. Rechtliche Beurteilung (Spruchpunkt I.)

Der Einkommensteuerbescheid 2014 vom wurde erst am automatisch gedruckt und der Post übergeben. Unter Zugrundelegung einer üblichen dreitägigen Postlaufzeit ist anzunehmen, dass der Bescheid am zugestellt wurde.

Die Beschwerde vom ist somit rechtzeitig eingebracht und im Übrigen zulässig.

Gemäß § 34 Abs 1 EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben außergewöhnliche Belastungen abzuziehen.

Die Belastung muss außergewöhnlich sein, sie muss zwangsläufig erwachsen und sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen.

Die Belastung ist nach § 34 Abs 2 EStG 1988 außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse und gleicher Vermögensverhältnisse erwächst.

Nach § 34 Abs 3 EStG 1988 erwächst die Belastung dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.

Die Belastung beeinträchtigt nach § 34 Abs 4 EStG 1988 wesentlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, soweit sie einen näher geregelten Selbstbehalt übersteigt.

Damit Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung Berücksichtigung finden können, müssen die Aufwendungen alle drei der genannten Merkmale (außergewöhnlich, zwangsläufig und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit übersteigend) aufweisen. Fehlt nur eine der drei Voraussetzungen, so ist eine steuerliche Berücksichtigung der Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung nicht möglich.

§ 234 ABGB lautet:

"(1) Das Kind schuldet seinen Eltern und Großeltern unter Berücksichtigung seiner Lebensverhältnisse den Unterhalt, soweit der Unterhaltsberechtigte nicht imstande ist, sich selbst zu erhalten, und sofern er seine Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind nicht gröblich vernachlässigt hat.

(2) Die Unterhaltspflicht der Kinder steht der eines Ehegatten, eines früheren Ehegatten, von Vorfahren und von Nachkommen näheren Grades des Unterhaltsberechtigten im Rang nach. Mehrere Kinder haben den Unterhalt anteilig nach ihren Kräften zu leisten.

(3) Der Unterhaltsanspruch eines Eltern- oder Großelternteils mindert sich insoweit, als ihm die Heranziehung des Stammes eigenen Vermögens zumutbar ist. Überdies hat ein Kind nur insoweit Unterhalt zu leisten, als es dadurch bei Berücksichtigung seiner sonstigen Sorgepflichten den eigenen angemessenen Unterhalt nicht gefährdet."

Unterhaltsleistungen nach § 34 Abs 7 Z 4 EStG 1988 sind nur insoweit abzugsfähig, als sie zur Deckung von Aufwendungen gewährt werden, die beim Unterhaltsberechtigten selbst eine außergewöhnliche Belastung darstellen würden. Damit sind Krankheits- oder Pflegekosten beim Unterhaltsverpflichteten abziehbar, wenn die Aufwendungen auch beim Steuerpflichtigen selbst als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig wären.

Ausgaben, die beim pflegebedürftigen Ehepaar außergewöhnliche Belastungen nach EStG 1988 darstellen, liegen unstrittig vor.

Überschreiten Krankheits- und Pflegekosten eines Elternteils dessen nach Abzug der notwendigen Lebenshaltungskosten verbleibendes wirtschaftliches Nettoeinkommen (einschließlich Pflegegeld und sonstiger Kostenbeiträge) und ist die Verwertung von Vermögen des Elternteils entweder mangels eines solchen nicht möglich oder aber - etwa bei einer Wohnung im eigenen Haus oder einer selbst genutzten Eigentumswohnung (vgl UFS Wien , RV/3175-W/09, zu Ehegatten) - nicht zumutbar und kommen andere Unterhaltspflichtige nicht (ganz oder teilweise) zur Leistung in Betracht, ist das Kind im Rahmen des § 234 ABGB (s § 33 Anm 100, vor dem KindNamRÄG 2013: § 143 ABGB) zur Unterhaltsleistung verpflichtet, wobei derartige Unterhaltsleistungen soweit den nach Abs 7 Z 4 abzugsfähigen Unterhaltsleistungen zuzuordnen sind, als sie das nach Abzug der Lebenshaltungskosten und allfälliger sonstiger zwingender Aufwendungen zur Verfügung stehende Nettoeinkommen des Elternteils übersteigen (vgl UFS Wien , RV/3036-W/11, und UFS Wien , RV/2453-W/12, jeweils zur 24-Stunden-Betreuung in der eigenen Wohnung) (Wanke in Wiesner/Grabner/Knechtl/Wanke, EStG [Stand , rdb.at] § 34 Anm 52).

Der Beschwerdeführer unterlag als Schwiegersohn des zu pflegenden Ehepaars S. keiner rechtlichen Verpflichtung zu Unterhaltsleistungen nach § 234 ABGB.

Fraglich ist, ob den Beschwerdeführer eine sittliche Pflicht gegenüber seinen Schwiegereltern, die Angehörige nach § 25 Abs 1 Z 3 BAO sind, trifft.

Peyerl führt dazu unter Verweis auf Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes in Jakom EStG16, § 34 Rz 44 aus:

"Der StPfl darf sich der Leistung nach dem Urteil billig und gerecht denkender Menschen nicht entziehen können (). Es reicht nicht aus, dass das Handeln des StPfl menschl verständl, wünschenswert, lobenswert () oder förderungswürdig () erscheint bzw eine ungünstige Nachrede in der Öffentlichkeit vermieden werden soll. Dass eine Handlung von der Sittenordnung gutgeheißen wird, genügt noch nicht (); es muss die Sittenordnung dieses Handeln vielmehr gebieten bzw fordern (). Ausschlaggebend ist nicht die subj Meinung des Helfenden, sondern die obj Lage des Hilfsbedürftigen, wie sie sich dem zu Hilfe Gerufenen bei obj Betrachtung darstellt ()."

Der VwGH verweist auf das, was die "Sittenordnung" bzw. das "Rechtsgefühl der Gemeinschaft" () verlangt bzw. darauf, dass der objektive Pflichtbegriff nach den herrschenden moralischen Anschauungen entscheidend ist (). Es reicht nicht aus, dass die Leistung menschlich verständlich ist, es muss vielmehr die Sittenordnung das Handeln gebieten (vgl. mit weiteren Verweisen).

Eine Möglichkeit der Beurteilung der sittlichen Pflicht wäre nach Peyerl, diese davon abhängig zu machen, unter welchen Voraussetzungen der Betroffene einen Beitrag der Allgemeinheit in Form einer Steuerersparnis erwarten darf. (Peyerl aaO Rz 45)

"Dem Konzept der außergewöhnlichen Belastung liegt der Gedanke zu Grunde, dass die inländischen Stpfl eine Gemeinschaft bilden, die in Ausnahmefällen die Belastung Einzelner mitträgt. Im Wesentlichen sollen durch die Vorschriften der außergewöhnlichen Belastung den einzelnen Stpfl betreffende Sachverhaltskonstellationen berücksichtigt werden, die es rechtfertigen, den durch die Steuerermäßigung eintretenden Steuerausfall auf die Allgemeinheit abzuwälzen." (Fuchs in Hofstätter/Reichel EStG 54. Lfg. § 34 Abs 1 mit Verweis auf und ).

Eine sittliche Verpflichtung des Steuerpflichtigen wird sich in der Regel nur gegenüber nahen Angehörigen (§ 25 BAO) ergeben (Fuchs aaO § 34 Abs 2 bis 5 EStG Rz 21).

"Werden vom StPfl Aufwendungen getragen, die ansonsten der Allgemeinheit zur Last fallen, wird die Erfüllung einer sittlichen Verpflichtung zu bejahen sein." (Wiesner aaO Rz 34 mit Verweis auf UFS Innsbruck , RV/0482-I/02)

Nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts bestand eine sittliche Pflicht des Beschwerdeführers zur Zahlung von Pflege-/Krankheitskosten von 5.380,68 €.

Unstrittig hatten die Schwiegereltern des Beschwerdeführers wie oben dargestellt weder verwertbares Vermögen noch entsprechende laufende Einnahmen zur gänzlichen Deckung der angefallenen Kosten für Pflege, Heilbehandlung und Lebensführung.

Wesentlich ist, dass seitens der Schwiegereltern der Wunsch geäußert wurde, zu Hause gepflegt zu werden, was auch durch den Zeugen M. S. (seine Mutter "arbeitete einige Jahre in einem Seniorenwohnhaus gearbeitet und kannte daher dort die Abläufe") bestätigt wurde.

Der Beschwerdeführer konnte aufgrund der Umstände (seit Jahren alleinerziehender Vater, Teilzeitbeschäftigung etc.) davon ausgehen, dass der Schwager finanziell nicht in der Lage war, einen Beitrag zu den Pflege-, Krankheitskosten des pflegebedürftigen Ehepaars zu leisten. Dass der Beschwerdeführer einen Beitrag zu den Pflegekosten seinem Schwager (rechtlich) nicht geltend machte, ist aufgrund der geringen Erfolgschance nachvollziehbar.

Da auch seine Gattin lediglich geringe Einkünfte ohne Aussicht auf eine Verbesserung und kein verwertbares Vermögen hatte, da das Eigenheim, welches im Eigentum seiner Gattin stand, von seinen Schwiegereltern bewohnt wurde, konnte der Beschwerdeführer davon ausgehen, dass es keinem Unterhaltsverpflichteten möglich war, die Pflegekosten zu übernehmen.

Den Beschwerdeführer verband mit seinen Schwiegereltern ein sehr gutes persönliches Verhältnis. Er fühlte sich daher nicht bloß persönlich, sondern auch seiner Gattin gegenüber verpflichtet, den Wunsch der Schwiegereltern finanziell zu ermöglichen.

Aus gesellschaftsethischen/kulturellen und ökonomischen Gesichtspunkten bestand jedoch darüber hinaus eine, vom VwGH als aufgrund der moralischen Ordnung bezeichnete, objektive (sittliche) Pflicht (). Sein Verhalten war von der Sittenordnung geboten.

Der Beschwerdeführer erfüllte durch sein Verhalten nicht einen beliebigen wirtschaftlichen Wunsch (zB Bürgschaftszahlungen, siehe ), sondern ermöglichte es durch seinen finanziellen Beitrag ihm nahestehende Personen, ihren letzten Lebensabschnitt zu Hause zu verbringen. Aus dem Blickwinkel der Gesellschaft stellt sich die Frage, welches Handeln vom Beschwerdeführer angesichts der intensiven Pflegebedürftigkeit und den Vorstellungen seiner Schwiegereltern über einen Verbleib in der gewohnten Umgebung bzw. der räumlichen Entfernung der Wohnsitze des Beschwerdeführers (und seiner Gattin) und der Schwiegereltern erwartet bzw. verlangt werden kann.

Drei Viertel aller Österreicherinnen und Österreicher haben den Wunsch, im Falle einer Pflegebedürftigkeit zu Hause gepflegt zu werden. Nur 21% aller Pflegegeldbezieherinnen und -bezieher werden stationär gepflegt (https://www.wienerzeitung.at/h/der-anteil-der-stationaren-pflege-wird-enorm-uberschatzt mit Verweis auf eine Studie des Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz https://broschuerenservice.sozialministerium.at/Home/Download?publicationId=664). Eine Betreuung rund um die Uhr in der eigenen Wohnung durch eine Pflegeperson wird von der öffentliche Hand bei Vorliegen unter bestimmten Voraussetzungen gefördert (https://www.oesterreich.gv.at/themen/soziales/pflege/1/Seite.360534.html). Öffentlich diskutiert bzw. auch bereits Realität sind Anstellungsverhältnisse für pflegende Angehörige durch die Länder (https://www.soziale-dienste-burgenland.at/pflegeberatung/anstellungsmodell-betreuende-angehoerige/). Die überwiegende Pflege zuhause ist demnach nicht nur Realität, sondern auch Wunsch der überwiegenden Mehrheit in Österreich. Auf das Vorliegen eines Werts in der Gesellschaft kann daraus zweifellos geschlossen werden. Ein Verhalten, welches, der Allgemeinheit wertvollen, Zielvorstellungen zur Umsetzung verhilft, wird von der Sittenordnung verlangt.

Im Falle einer Unterbringung und Betreuung der Schwiegereltern in einem Pflegeheim hätte zudem die Allgemeinheit die Kosten zumindest zum Teil getragen.

Eine Sitte ist eine durch moralische Werte, Regeln oder soziale Normen bedingte, in einer bestimmten Gruppe oder Gemeinschaft entstandene und für den Einzelnen verbindlich geltende Verhaltensnorm (https://de.wikipedia.org/wiki/Sitte#:~:text=Eine%20Sitte%20ist%20eine%20durch,Gewohnheit%20(%3D%20%E2%80%9EUsus%E2%80%9C mit Verweis auf Ferdinand Tönnies, Die Sitte, 1908).

In Anbetracht der vom Beschwerdeführer eingeschätzten finanziellen Fähigkeiten der Unterhaltsverpflichteten, dem Wunsch der Pflegebedürftigen auf eine Pflege zuhause und der damit verbundenen Kostenersparnis der Allgemeinheit scheint unter Berücksichtigung gesellschaftlich bestehender Werte das vom Beschwerdeführer gesetzte Verhalten seitens der Gesellschaft als geboten.

Der Beschwerdeführer durfte somit zu Recht einen Beitrag der Allgemeinheit in Form einer Steuerersparnis erwarten. Dieser Erwartung liegt im Übrigen das Konzept der Geltendmachung von grundsätzlich nicht abzugsfähigen privaten Ausgaben als außergewöhnliche Belastungen zu Grunde.

Aufwendungen können nur insoweit als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden, als sie vom Steuerpflichtigen endgültig aus eigenem getragen werden müssen. Beträge, die der Steuerpflichtige zunächst verausgabt, die ihm aber später ersetzt werden, gelten nicht als Aufwendungen im Sinn des § 34 EStG 1988. Verzichtet der Steuerpflichtige auf einen ihm zustehenden Aufwandersatz liegt keine Zwangsläufigkeit vor, weil in diesem Fall die endgültige Tragung der Aufwendungen auf einen freien Entschluss des Steuerpflichtigen zurückzuführen ist ( mwN). Davon, dass der Beschwerdeführer seine Ausgaben gegenüber den Pflegebedürftigen oder gegen die Unterhaltsverpflichteten mit Erfolg hätte durchsetzen können, kann nicht ausgegangen werden.

Laut Sachverhalt hatte der Beschwerdeführer die von ihm vorgebrachten Zahlungen tatsächlich aus eigenem Vermögen geleistet. Die Abzugsfähigkeit der Krankheits- und Pflegekosten ist auf jenen Teil beschränkt, der das wirtschaftliche Nettoeinkommen der Schwiegereltern übersteigt. Dies gilt gleichermaßen für rechtlich und sittlich verpflichtete Steuerpflichtige. Eine außergewöhnliche Belastung vor Berücksichtigung des Selbstbehalts ist daher in Höhe von 5.380,68 € anzuerkennen. Ein Anwendungsfall von § 34 Abs 6 EStG 1988 liegt nicht vor.

Der davon abzuziehende Selbstbehalt wird im beigeschlossenen Berechnungsblatt dargestellt.

4. Unzulässigkeit einer Revision (Spruchpunkt II.)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Aufgrund der unter Punkt 3. angeführten Rechtsprechung des VwGH, der das Bundesfinanzgericht folgt, liegt eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung nicht vor. Die ordentliche Revision war daher nicht zuzulassen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7101804.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at