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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 13.09.2023, RV/7102146/2023

Österreichischer Progressionsvorbehalt bei unterjähriger Verlagerung des Mittelpunktes der Lebensinteressen ins Ausland

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht (BFG) hat durch den Richter Mag. Christian Seywald in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, (Beschwerdeführer, abgekürzt: Bf.) über die Beschwerde des Bf. vom gegen den Einkommensteuerbescheid 2019 des Finanzamtes Österreich vom zu Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 Abs. 1 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine (ordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Der Beschwerdeführer (abgekürzt: Bf.) ist deutscher Staatsbürger und war im Streitjahr 2019 vom 1. Jänner bis 15. September in Österreich nichtselbständig tätig. Hierfür wurde vom Arbeitgeber ein Lohnzettel an das (österreichische) Finanzamt übermittelt.

Der Bf. war im Streitjahr 2019 ab 16. September in niederländischeStadt bei der Z B.V. angestellt. Der Bf. wohnte im Streitjahr 2019 ab 16. September im Hotel in niederländischeStadt und kaufte in den Niederlanden nach dem Ende des Streitjahres ein Haus und zog dort ein. Am wurde dem Bf. eine niederländische Bürgerservicenummer zugeteilt.

Der Bf. war laut (am durchgeführter) Abfrage des Finanzamtes Österreich im Zentralen Melderegister (ZMR) vom bis mit Hauptwohnsitz an der Adresse österreichischesHaus gemeldet sowie vom bis an der Adresse Y Wien mit Hauptwohnsitz gemeldet sowie ab an der Adresse österreichischesHaus mit Hauptwohnsitz gemeldet.

Der Bf. ist laut (am durchgeführter) Abfrage des Finanzamtes Österreich im Grundbuch seit 2010 als Hälfteeigentümer der Liegenschaft mit der Adresse österreichischesHaus im Grundbuch eingetragen.

Das Finanzamt Österreich setzte im angefochtenen Einkommensteuerbescheid 2019 die Einkünfte aus dem Lohnzettel des österreichischen Arbeitgebers für den Zeitraum bis als steuerpflichtig an, sodass das Einkommen 57.602,91 Euro ausmachte. Den auf dieses Einkommen anzuwendenden Steuersatz ermittelte das Finanzamt Österreich, indem es ausländische Einkünfte (aus der Anstellung in niederländischeStadt vom 16. September bis ) in Höhe von 30.516,00 Euro zum Einkommen addierte und für diese Summe (88.118,91 Euro) die progressive Tarifsteuer mit 31.977,08 Euro ermittelte. Diese Tarifsteuer machte 36,29% von 88.118,91 Euro aus. Diesen Durchschnittssteuersatz wendete das Finanzamt auf das Einkommen (57.602,91 Euro) an.
Diese Methode der Ermittlung der Einkommensteuer wird die Anwendung eines ´Progressionsvorbehaltes´ genannt.

Der Bf. wendet sich gegen die Einbeziehung seiner niederländischen Einkünfte in den angefochtenen Einkommensteuerbescheid 2019, denn er habe seinen wirtschaftlichen Wohnsitz am in die Niederlande verlegt und sei ab nicht mehr in Österreich wohnhaft, tätig und steuerpflichtig. Er habe die Steuern für den Zeitraum ab über den niederländischen Dienstgeber in den Niederlanden abgeführt.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1.) Sachverhalt:

Das vom Bf. unstrittig bis zum Wohnen genutzte Haus mit der Adresse österreichischesHaus, muss bis zum Wohnen ausstattungsmäßig geeignet gewesen sein. Dieses Haus war damit auch vom 16. September bis zum Wohnen geeignet. Denn nichts deutet darauf hin, dass dieses Haus die Eignung, darin zu wohnen, verloren hätte. Vielmehr hat der Partner des Bf. dieses Haus vorerst weiterbenützt.

Der Bf. hat den Eigentumsanteil an der Liegenschaft mit dem vorgenannten Haus und die behördliche Meldung an der vorgenannten Adresse nach dem beibehalten. Nach dem unbedenklichen Vorbringen des Bf. benützte der Partner des Bf. das Haus weiter, weil er zunächst in Österreich geblieben ist; danach ist das Haus zeitweise Freunden zur Verfügung gestellt worden, damit der Garten genutzt wurde; während der Abwesenheit haben sich Nachbarn um das Haus gekümmert; das Haus wurde nicht vermietet.
Diese Umstände deuteten (und deuten) darauf hin, dass das Haus - und damit die darin befindliche Wohnstätte - beibehalten werden sollte.

Der Bf. wohnte vom 16. September bis (zumindest) nach seinem Vorbringen und bestätigt durch seine Anschrift auf den eingereichten Lohnzetteln und Lohnkonto in der XstraßeV in niederländischeStadt. Dort befindet sich das Hotel "U", welches laut Internet-Auftritt auf Hotelkette ein Hotel der gehobenen Klasse ist. Es ist davon auszugehen, dass der Bf. mit seinem dortigen Hotelzimmer eine geeignete Wohnung innehatte, die er nach den Umständen für mehrere Monate beibehalten und nutzen werde.

Der Bf. kaufte - belegt durch beim Finanzamt eingebrachte Unterlagen - mit Vertrag vom Jänner 2020 ein Haus in der Stadt T, welche in der Nähe von niederländischeStadt liegt. Auf dem Lohnzettel vom ist die Adresse dieses Hauses als Anschrift des Bf. angegeben.

Nach dem unbedenklichen Vorbringen des Bf. in Beantwortung des Ergänzungsersuchens des Finanzamtes Österreich vom hat der Bf. keine Kinder sowie einen Freundeskreis in Deutschland, Österreich und den Niederlanden; weiters ist der Bf. kein Vereinsmitglied. All dies liefert keine Anhaltspunkte für die stärksten Beziehungen zu einem der Wohnsitze.

Die Beendigung der Beschäftigung des Bf. beim österreichischen Arbeitgeber per und die Aufnahme der Beschäftigung in den Niederlanden ab in Kombination mit dem (besonders wesentlichen) Kauf eines Hauses in den Niederlanden in der Nähe von niederländischeStadt deutet auf die stärkeren Beziehungen des Bf. ab zu seinem jeweiligen Wohnsitz in den Niederlanden als in Österreich hin, zumal (bzw. wenn) der Partner des Bf. nur zunächst in Österreich verblieb. Da die stärkeren Beziehungen des Bf. zum niederländischen Wohnsitz von 16. September bis aber nicht ganz klar zu erkennen sind, wird (schlussendlich mit demselben Ergebnis) festgehalten, dass die Anstellung des Bf. in den Niederlanden ab und der Aufenthalt dort darauf hindeuteten, dass der Bf. in den Niederlanden nicht nur vorübergehend verweilen werde.

2.) Rechtslage und rechtliche Würdigung:

2.1)
§ 26 Abs. 1 Bundesabgabenordnung (BAO) bestimmt: "Einen Wohnsitz im Sinn der Abgabenvorschriften hat jemand dort, wo er eine Wohnung innehat unter Umständen, die darauf schließen lassen, daß er die Wohnung beibehalten und benutzen wird."

Anwendung auf den vorliegenden Fall des Bf.:

  1. Das Beibehalten des Eigentumsanteiles des Bf. an der Liegenschaft mit Haus an der Adresse österreichischesHaus, nach dem (bis jetzt)

  2. und die Beibehaltung der behördliche Meldung des Bf. an der vorgenannten Adresse nach dem (bis )

  3. und die Weiterbenützung des Hauses mit der vorgenannten Adresse durch den Partner des Bf.

bedeuten das Vorliegen von Umständen, die darauf schließen lassen, dass der Bf. die Wohnung an der vorgenannten Adresse über den hinaus - hier relevant: bis - beibehalten und benutzen werde. Das Vorliegen eines dortigen Wohnsitzes für 1. Jänner bis ist unstrittig, sodass der Bf. dort durchgehend von 1. Jänner bis einen Wohnsitz im Sinne des österreichischen Steuerrechtes hatte.

Das mehrere Monate lang benützte Hotelzimmer in niederländischeStadt ist als Wohnung anzusehen, wobei die Umstände (Tätigkeit in niederländischeStadt) darauf hindeuten, dass es auf mehrere Monate beibehalten und benutzt werden sollte. Der Bf. hatte dort vom bis (zumindest) einen Wohnsitz im Sinne des österreichischen Steuerrechtes. (Es ist möglich, mehr als einen derartigen Wohnsitz gleichzeitig innezuhaben.)

2.2)
§ 26 Abs. 2 Satz 1 BAO bestimmt: "Den gewöhnlichen Aufenthalt im Sinn der Abgabenvorschriften hat jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, daß er an diesem Ort oder in diesem Land nicht nur vorübergehend verweilt."

Anwendung auf den vorliegenden Fall: Der Bf. hielt sich ab unter Umständen (Anstellung in niederländischeStadt) in den Niederlanden auf, die erkennen ließen, dass er nicht nur vorübergehend in den Niederlanden verweile. Der Bf. hatte somit seinen gewöhnlichen Aufenthalt ab in den Niederlanden. Es ist nicht möglich, zugleich mehr als einen gewöhnlichen Aufenthalt zu haben. Der Bf. hatte bis , nicht aber ab , seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich.

2.3)
§ 1 Abs. 2 Einkommensteuergesetz 1988 (EStG) bestimmt: "Unbeschränkt steuerpflichtig sind jene natürlichen Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Die unbeschränkte Steuerpflicht erstreckt sich auf alle in- und ausländischen Einkünfte."

Anwendung auf den vorliegenden Fall des Bf.:

Der vom 1. Jänner bis vorhandene, österreichische Wohnsitz des Bf. im Sinne von § 26 Abs. 1 BAO bedeutet, dass der Bf. im gesamten Jahr 2019 in Österreich unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist, und dass deshalb seine in- und ausländischen Einkünfte (das sogenannte "Welteinkommen") des Jahres 2019 der österreichischen Einkommensteuer unterliegen, außer das Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Königreich der Niederlande zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (abgekürzt: DBA Ö-NL) schränkt das österreichische Besteuerungsrecht ein.

2.4)
Die im gesamten Jahr 2019 gegebene unbeschränkte Steuerpflicht führt gemäß § 39 EStG dazu, dass der angefochtene Einkommensteuerbescheid 2019 das gesamte Jahr 2019 betrifft und nicht etwa nur den Zeitraum 1. Jänner bis , auch wenn ab dem keine Einkünfte mit österreichischem Besteuerungsrecht vorliegen.

2.5)
Der Vollständigkeit halber ist festzuhalten, dass die Verordnung des Bundesministers für Finanzen betreffend inländische Zweitwohnsitze, BGBl. II 528/2003 (Zweitwohnsitzverordnung), im vorliegenden Fall des Bf. für das Jahr 2019 aus folgendem Grund keine Einschränkung des österreichischen Besteuerungsrechtes bewirken kann, obwohl der österreichische Wohnsitz an der Adresse österreichischesHaus, ab als Zweitwohnsitz des Bf. angesehen werden könnte: Denn § 2 der Zweitwohnsitzverordnung bestimmt: "Die Wirkungen des §1 [Anm.: Nichtvorliegen eines Wohnsitzes im Sinne des § 1 EStG unter bestimmten Umständen] treten bei Auswärtsverlagerungen des Mittelpunktes der Lebensinteressen erstmals im folgenden Kalenderjahr und bei Einwärtsverlagerungen letztmals im vorhergehenden Kalenderjahr ein."

2.6)
Zum Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Königreich der Niederlande zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (abgekürzt: DBA Ö-NL), BGBl. 191/1971:

2.6.1)
Die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH) zur Wirkung von Doppelbesteuerungsabkommen geht aus dem Erkenntnis des -5, Randzahl 9 hervor: "Doppelbesteuerungsabkommen entfalten bloß eine Schrankenwirkung insofern, als sie eine sich aus dem innerstaatlichen Steuerrecht ergebende Steuerpflicht begrenzen. Ob Steuerpflicht besteht, ist also zunächst stets nach innerstaatlichem Steuerrecht zu beurteilen. Ergibt sich aus dem innerstaatlichen Steuerrecht eine Steuerpflicht, ist in einem zweiten Schritt zu beurteilen, ob das Besteuerungsrecht durch ein DBA eingeschränkt wird (vgl. , mwN)."

2.6.2)
Artikel 4 DBA Ö-NL mit der Überschrift "Steuerlicher Wohnsitz" bestimmt:
"(1) Im Sinne dieses Abkommens bedeutet der Ausdruck "eine in einem der beiden Staaten ansässige Person" eine Person, die nach dem Recht dieses Staates dort auf Grund ihres Wohnsitzes, ihres ständigen Aufenthaltes, des Ortes ihrer Geschäftsleitung oder eines anderen ähnlichen Merkmals steuerpflichtig ist.
(2)
[irrelevant; betrifft Diplomaten und Konsuln]
(3) Ist nach Absatz 1 eine natürliche Person in beiden Staaten ansässig, so gilt folgendes:
a)
Die Person gilt als in dem Staat ansässig, in dem sie über eine ständige Wohnstätte verfügt. Verfügt sie in beiden Staaten über eine ständige Wohnstätte, so gilt sie als in dem Staat ansässig, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat (Mittelpunkt der Lebensinteressen).
b)
Kann nicht bestimmt werden, in welchem Staat die Person den Mittelpunkt der Lebensinteressen hat, oder verfügt sie in keinem der beiden Staaten über eine ständige Wohnstätte, so gilt sie als in dem Staat ansässig, in dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat.
c)
Hat die Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt in beiden Staaten oder in keinem der beiden Staaten, so gilt sie als in jenem der beiden Staaten ansässig, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt.
(4)
[irrelevant; betrifft juristische Personen]"

Anwendung auf den vorliegenden Fall des Bf.:

Der Bf. war im Streitjahr 2019 von 1. Jänner bis 15. September im Sinne des Art. 4 Abs. 1 DBA Ö-NL nur in Österreich ansässig, weil er in diesem Zeitraum nur einen - österreichischen - Wohnsitz hatte, und auch weil er in diesem Zeitraum seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich hatte. Für diesen Zeitraum ist daher Art. 4 Abs. 3 DBA Ö-NL nicht anzuwenden.

Der Bf. war ab im Sinne des Art. 4 Abs. 1 DBA Ö-NL in Österreich und in den Niederlanden ansässig. Der Bf. war ab im Sinne des Art. 4 Abs. 3 DBA Ö-NL aus folgenden Gründen nur in den Niederlanden ansässig:

  1. Die - allerdings nicht klar erkennbaren - stärkeren Beziehungen des Bf. vom 16. September bis zum (und darüber hinaus) zu seinem jeweiligen Wohnsitz in den Niederlanden bedeuten, dass der Bf. ab seinen Mittelpunkt der Lebensinteressen in den Niederlanden hatte und damit Art. 4 Abs. 3 lit. a DBA Ö-NL erfüllte.

  2. Jedenfalls erfüllte der Bf. Art. 4 Abs. 3 lit. b DBA Ö-NL, weil er ab seinen gewöhnlichen Aufenthalt in den Niederlanden hatte.

2.6.3)
Art 16 Abs. 1 des DBA Ö-NL bestimmt: "Vorbehaltlich der Artikel 17, 19, 20 und 21, Absatz 2, dürfen Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen, die eine in einem der beiden Staaten ansässige Person aus unselbständiger Arbeit bezieht, nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn, daß die Arbeit in dem anderen Staat ausgeübt wird. Wird die Arbeit dort ausgeübt, so dürfen die dafür bezogenen Vergütungen in dem anderen Staat besteuert werden."

Angewendet auf den vorliegenden Fall des Bf. bedeutet dies: Da der Bf. seine unselbständige Tätigkeit von 16. September bis (zumindest) in den Niederlanden ausübte, wo er ab ansässig war, dürfen die Bezüge (Gehalt, Lohn) des Bf. aus dieser unselbständigen Tätigkeit nur in den Niederlanden besteuert werden.

2.6.4)
Art. 24 Abs. 3 DBA Ö-NL bestimmt: "Bezieht eine in Österreich ansässige Person Einkünfte oder hat sie Vermögen und dürfen diese Einkünfte oder dieses Vermögen nach diesem Abkommen in den Niederlanden besteuert werden, so nimmt Österreich, vorbehaltlich des Absatzes 4, diese Einkünfte oder dieses Vermögen von der Besteuerung aus; Österreich darf aber bei der Festsetzung der Steuer für das übrige Einkommen oder das übrige Vermögen dieser Person den Steuersatz anwenden, der anzuwenden wäre, wenn die betreffenden Einkünfte oder das betreffende Vermögen nicht von der Besteuerung ausgenommen wären."

Dieser Abs. 3 des Art. 24 DBA Ö-NL kann so aufgefasst werden, dass er der Republik Österreich den vom Bf. angefochtenen Progressionsvorbehalt gestattet. Dieser Abs. 3 könnte aber auch so aufgefasst werden, dass er nur auf Fälle der gleichzeitigen Ansässigkeit in Österreich und des gleichzeitigen Erzielens von Einkünften mit niederländischem Besteuerungsrecht anzuwenden wäre, sodass für den Fall des Bf. im DBA Ö-NL keine ausdrückliche Erlaubnis für die Republik Österreich zur Anwendung des strittigen Progressionsvorbehaltes enthalten wäre. (Ein ausdrückliches Verbot ist aber auch nicht enthalten.) Diese Unklarheit ist im Sinne der anschließend dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aber im Ergebnis nicht relevant, weil auch ohne ausdrückliche Erlaubnis im DBA der Progressionsvorbehalt anzuwenden ist.

2.6.5) Zur Anwendung des Progressionsvorbehaltes, wenn das Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) keine ausdrückliche Regelung enthält, ob unter den gegebenen Umständen die Republik Österreich den Progressionsvorbehalt anwenden darf:

Englmair in Aigner et al., DBA-Kommentar2, Seite 1510, stellt die Ansichten von einerseits dem Bundesministerium für Finanzen (BMF) und andererseits dem Verwaltungsgerichtshof einander folgendermaßen gegenüber:

  1. Das BMF geht von der konstitutiven Wirkung eines im DBA angeführten Progressionsvorbehaltes aus; nach dieser Ansicht würde das Fehlen einer auf den Fall des Bf. anwendbaren Erlaubnis zur Vornahme des Progressionsvorbehaltes im DBA Ö-NL das Verbot der Anwendung des Progressionsvorbehaltes bedeuten.

  2. Der VwGH geht von einer nur deklaratorischen Klarstellung des - bereits aufgrund der §§ 1, 2 und 33 EStG sowie des Grundsatzes der Gleichmäßigkeit der Besteuerung anzuwendenden - Progressionsvorbehaltes in den DBA aus.

Der Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes entsprechen beispielsweise seine Erkenntnisse vom , 2010/15/0021 und vom , Ra 2021/13/0067.

Auszug aus betreffend DBA Österreich - Italien: "Wenn sich die belangte Behörde weiters auf die Rechtsprechung des deutschen Bundesfinanzhofes bezieht (Urteil vom 12.Jänner1983, IR90/79), ist ergänzend auszuführen, dass der deutsche Bundesfinanzhof von dieser Rechtsprechung ausdrücklich abgegangen ist (Urteil vom 19. Dezember2001, IR63/00; vgl.zuletzt Beschluss vom 10.Dezember2008, IB60/08): Soweit das einschlägige Doppelbesteuerungsabkommen die Berücksichtigung eines Progressionsvorbehalts nicht verbiete, sei allein nach dem innerstaatlichen Steuerrecht zu beurteilen, ob ein Progressionsvorbehalt anzuwenden sei; eine den Progressionsvorbehalt einräumende Bestimmung in einem Doppelbesteuerungsabkommen habe lediglich deklaratorische Bedeutung.
Entgegen der Meinung des Mitbeteiligten in der Gegenschrift kann schließlich aus dem Umstand, dass in Art.
19DBA normiert ist, dass diese Einkünfte "nur" von Italien besteuert werden dürfen, während andere Bestimmungen lediglich (ohne die Einschränkung mit "nur") normieren, dass ein Vertragsstaat bestimmte Einkünfte besteuern dürfe, nicht abgeleitet werden, dass diese Einkünfte nicht für die Ermittlung des Steuersatzes angesetzt werden dürfen. Diese Einschränkung ("nur") bewirkt vielmehr, dass diese Einkünfte nicht im Sinne der im Methodenartikel (Art.23 Abs.3 lit.aDBA) an sich zugrunde gelegten Anrechnungsmethode zu berücksichtigen sind."

Auszüge aus betreffend DBA Österreich - Türkei:
(aus Randnummer 10): "… Die unbeschränkte Steuerpflicht erstreckt sich auf alle in- und ausländischen Einkünfte. Der Steuersatz bemisst sich nach dem (Gesamt)Einkommen, worin innerstaatlich der Progressionsvorbehalt seine Rechtsgrundlage findet (vgl. und abermals , 2010/15/0021)."
(Randnummer 19): "Im Lichte dessen ist Art.22 des DBA-Türkei so zu verstehen, dass für den Quellenstaat ein Progressionsvorbehalt weder eingeräumt noch verboten wurde. Das DBA-Türkei entfaltet somit hinsichtlich des Progressionsvorbehalts keine Schrankenwirkung."

Die Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes, wonach der sogenannte Methodenartikel in einem Doppelbesteuerungsabkommen (hier Art. 24 DBA Ö-NL) der innerstaatlich bereits bestehenden Steuerpflicht (inkl. Progressionsvorbehalt, d.h. der Anwendung des progressiven Steuertarifes auf das Welteinkommen) Schranken setzt, ist konsequent. Denn bei anderen Artikeln der Doppelbesteuerungsabkommen (insbesondere bei den die Zuteilung der Besteuerungsrechte regelnden Artikeln) ist es wohl unbestritten, dass diese der bereits bestehenden innerstaatlichen (österreichischen) Steuerpflicht Schranken setzen und nicht eine innerstaatliche Steuererhebung ohne gesetzliche Grundlage allein auf Basis des DBA erlauben.
Deshalb wird hier der Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes und nicht der des BMF gefolgt.

Da das DBA Ö-NL die Anwendung des Progressionsvorbehaltes durch die Republik Österreich auf den vorliegenden Fall des Bf. nicht verbietet, muss der sich aus dem innerstaatlichen Recht ergebende Progressionsvorbehalt (infolge Anwendung des progressiven Steuertarifes auf das Welteinkommen) angewendet werden. Der angefochtene Einkommensteuerbescheid 2019 des Finanzamtes Österreich erweist sich somit als richtig. Die dagegen vom Bf. erhobene Beschwerde ist daher gemäß § 279 Abs. 1 BAO als unbegründet abzuweisen.

Zur Unzulässigkeit einer (ordentlichen) Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. (Art. 133 Abs. 4 B-VG)

Mit dem vorliegenden Erkenntnis folgt das Bundesfinanzgericht der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ( und ), weshalb die (ordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig ist.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 2 Inländische Zweitwohnsitze, BGBl. II Nr. 528/2003
§ 26 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 26 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 1 Abs. 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Art. 16 Abs. 1 DBA NL (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Niederlande (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. Nr. 191/1971
Art. 24 Abs. 3 DBA NL (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Niederlande (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. Nr. 191/1971
Verweise

ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7102146.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at