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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 05.09.2023, RV/7106182/2019

Aufhebung eines gemäß § 295 Abs. 1 BAO geänderten Einkommensteuerbescheides, weil der Grundlagenbescheid einen "Nichtbescheid" darstellt und damit keine Rechtswirkung entfaltet hat. Falsche Bescheidadressierung bei Beendigung einer Miteigentümergemeinschaft führt zu nichtigem Feststellungsbescheid.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Sonja Stradner über die Beschwerde der ***Bf***, ***Bf-Adr***, vertreten durch Mazars Austria GmbH Wirtschaftsprüfungs- & Steuerberatungsgesellschaft, Hafnerplatz 12, 3500 Krems, vom , gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 2/20/21/22 (nunmehr FA Österreich) vom , betreffend Einkommensteuer 2017 St.Nr. ***Bf StNr***, zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird ersatzlos aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin (Bf.) erklärte im Jahr 2017 Einkünfte aus der Grundstücksveräußerung der Liegenschaft ***E*** sowie Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung eben dieses Zinshauses.

Mit Datum vom wurde der Einkommensteuerbescheid 2017 gemäß § 295 Abs. 1 BAO aufgrund der bescheidmäßigen Feststellungen des Finanzamtes zur Miteigentümer-gemeinschaft "***Mitges. und Mitb.***" (***StNr***) vom abgeändert.

Dagegen erhob die Bf. fristgerecht am Beschwerde und führte aus, dass gegen die erlassenen Steuerbescheide der Hausgemeinschaft "***Mitges. und Mitb.***" (***StNr***) ein offenes Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht zur GZ RV/7100704/2016 anhängig sei, dessen Ausgang von wesentlicher Bedeutung für die Entscheidung über die Beschwerde sei. Im Übrigen werde beantragt, den Einkommensteuerbescheid 2017 gemäß der eingereichten Erklärung zu veranlagen.

Das Finanzamt wies die Beschwerde vom gegen den Einkommensteuerbescheid 2017 mit Beschwerdevorentscheidung vom gemäß § 260 BAO zurück. Begründend wurde ausgeführt, dass ein Bescheid, dem Entscheidungen zugrunde liegen, die in einem Feststellungsverfahren getroffen werden, nicht mit der Begründung angefochten werden kann, dass die im Feststellungsbescheid getroffenen Entscheidungen unzutreffend seien.

Daraufhin stellte die Bf. am einen Vorlageantrag an das Bundesfinanzgericht und ersuchte, den Veräußerungsgewinn der Immobilie ***E***, entsprechend des Verhältnisses der tatsächlich geleisteten Zinszahlungen auf die Miteigentümer aufzuteilen. Dem Vorlageantrag war die Aufteilung des Veräußerungsgewinnes sowie eine Aufstellung mit den gesamten Zinsen und die auf die Bf. und ihren Ehemann entfallenden Zinsen von 1999 bis 2016 beigefügt.

Dem Bundesfinanzgericht wurde der Akt am vorgelegt, wobei der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung der Fall am zur Bearbeitung zugewiesen wurde.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die Bf. und ihr Ehemann waren je zur Hälfte Eigentümer der Liegenschaft in ***E***. Dieses Grundstück wurde mit Kaufvertrag vom um einen Kaufpreis von insgesamt 5.224.000,00 € verkauft. Die Änderung der Eigentumsverhältnisse wurde am im Grundbuch eingetragen.

Im Rahmen der Miteigentümergemeinschaft "***Mitges. und Mitb.***" (***StNr***) wurden die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gemäß § 188 BAO gesondert festgestellt und anteilig der Bf. und ihrem Ehemann zugewiesen.

Die Feststellungsbescheide 2009 bis 2014 der Miteigentümergemeinschaft wurden von dieser mit Beschwerde bekämpft. Hinsichtlich der Feststellungsbescheide 2012 bis 2014 stellte das Bundesfinanzgericht zu GZ RV/7100704/2016 vom rechtskräftig fest, dass für die Jahre 2012 bis 2014 Nichtbescheide vorgelegen seien. Mit Verweis auf die Judikatur (; , 2013/15/0278; ebenso ) führte das Bundesfinanzgericht aus, dass eine Miteigentümergemeinschaft durch die Veräußerung und die grundbücherliche Übertragung der bis dahin im Miteigentum stehenden Liegenschaft beendet wird. Wird ein Feststellungsbescheid an eine nicht mehr bestehende Gemeinschaft gerichtet, so entfaltet er keine Rechtswirkungen. Es steht damit fest, dass es sich bei den Feststellungsbescheiden 2012 bis 2014 um Nichtbescheide gehandelt hat, die keine Rechtswirkungen entfaltet haben.

Der Feststellungsbescheid 2017 vom war adressiert an die Miteigentümer-gemeinschaft "***Mitges. und Mitb.***". Aufgrund dieses Feststellungsbescheides wurde die Einkommensteuer 2017 der Bf. gemäß § 295 Abs. 1 BAO mit Einkommensteuer-bescheid vom neu festgesetzt.

2. Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ergibt sich aus den bescheidmäßigen Erledigungen des Finanzamtes in Zusammenschau mit den Eingaben (Erklärung, Beschwerde, Vorlageantrag) der Bf. und dem Kaufvertrag. Die Feststellungen zu dem Verfahren der Miteigentümergemeinschaft "***Mitges. und Mitb.***" ergeben sich zweifelsfrei aus der zitierten Entscheidung des Bundesfinanzgerichts bzw. sind Folge dieser Entscheidung.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

Die maßgeblichen Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO) lauten auszugsweise:

§ 19. (2) Mit der Beendigung von Personenvereinigungen (Personengemeinschaften) ohne eigene Rechtspersönlichkeit gehen deren sich aus Abgabenvorschriften ergebende Rechte und Pflichten auf die zuletzt beteiligt gewesenen Gesellschafter (Mitglieder) über. […]

§ 79. Für die Rechts- und Handlungsfähigkeit gelten die Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes. […]

§ 93. (1) Für schriftliche Bescheide gelten außer den ihren Inhalt betreffenden besonderen Vorschriften die Bestimmungen der Abs. 2 bis 6, wenn nicht nach gesetzlicher Anordnung die öffentliche Bekanntmachung oder die Auflegung von Listen genügt.

(2) Jeder Bescheid ist ausdrücklich als solcher zu bezeichnen, er hat den Spruch zu enthalten und in diesem die Person (Personenvereinigung, Personengemeinschaft) zu nennen, an die er ergeht. […]

Nach § 188 Abs. 1 lit. d BAO werden Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung unbeweglichen Vermögens einheitlich und gesondert festgestellt, wenn an den Einkünften mehrere Personen beteiligt sind.

§ 191.(1) lit. c Der Feststellungsbescheid ergeht in den Fällen des § 188 BAO: an die Personenvereinigung (Personengemeinschaft) ohne eigene Rechtspersönlichkeit, deren Gesellschaftern (Mitgliedern) gemeinschaftliche Einkünfte zugeflossen sind; […]

(2) Ist eine Personenvereinigung (Personengemeinschaft) ohne eigene Rechtspersönlichkeit in dem Zeitpunkt, in dem der Feststellungsbescheid ergehen soll, bereits beendigt, so hat der Bescheid an diejenigen zu ergehen, […] denen in den Fällen des Abs. 1 lit c gemeinschaftliche Einkünfte zugeflossen sind.

Gemäß § 191 Abs. 3 2. Satz BAO wirken Feststellungsbescheide gemäß § 188 BAO gegen alle, denen im Spruch des Bescheides Einkünfte zugerechnet bzw. nicht zugerechnet werden. […]

§ 295. (1) Ist ein Bescheid von einem Feststellungsbescheid abzuleiten, so ist er ohne Rücksicht darauf, ob die Rechtskraft eingetreten ist, im Fall der nachträglichen Abänderung, Aufhebung oder Erlassung des Feststellungsbescheides von Amts wegen durch einen neuen Bescheid zu ersetzen oder, wenn die Voraussetzungen für die Erlassung des abgeleiteten Bescheides nicht mehr vorliegen, aufzuheben. […]

Die Erlassung auf § 295 Abs. 1 BAO gestützter Bescheide setzt die Abhängigkeit (somit ein Verhältnis Grundlagenbescheid zu abgeleitetem Bescheid) voraus. Ein auf § 295 BAO gestützter Bescheid darf daher nur ergehen, wenn ein Feststellungsbescheid (Grundlagenbescheid) nachträglich erlassen oder abgeändert und wenn dieser nachträgliche Bescheid dem Adressaten gegenüber wirksam ist. Bestehen diese Bindungen bzw. Wirkungen nicht, liegt eine Abänderungsbefugnis der Abgabenbehörde gemäß § 295 Abs. 1 BAO nicht vor (vgl. ).

Als "Nichtbescheide" sind behördliche Dokumente anzusehen, die zwar Form und Inhalt eines Bescheides haben, aber als Folge fehlerhafter Adressierung, mangelhafter tatsächlicher Zustellung, fehlenden Hinweises auf die Zustellfiktion des § 101 Abs. 3 BAO oder einer Zustellung nicht an die nach § 81 BAO vertretungsbefugte Person zur Gänze unwirksam sind (vgl. Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3, § 209a Rz 21).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Personenumschreibung notwendiger Bestandteil eines Bescheidspruches, mit der Wirkung, dass ohne gesetzmäßige Bezeichnung des Adressaten im Bescheidspruch - zu dem auch das Adressfeld zählt - kein individueller Verwaltungsakt gesetzt wird (; , 2004/15/0131).

Ist eine Personenvereinigung (Personengemeinschaft) ohne eigene Rechtspersönlichkeit in dem Zeitpunkt, in dem der Feststellungsbescheid ergehen soll, bereits beendigt, so hat der Bescheid gemäß § 191 Abs. 2 BAO in den Fällen des § 191 Abs. 1 lit c BAO an diejenigen zu ergehen, denen gemeinschaftliche Einkünfte zugeflossen sind.

Der Begriff der Beendigung einer Miteigentümergemeinschaft ist ein zivilrechtlicher (vgl. Ritz/Koran, BAO7, § 19 Rz 14 und 15).

§ 825 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB) bestimmt: So oft das Eigentum der nämlichen Sache, oder ein und dasselbe Recht mehreren Personen ungeteilt zukommt, besteht eine Gemeinschaft.

Eine Miteigentümergemeinschaft wird durch die Veräußerung und die grundbücherliche Übertragung der bis dahin im Miteigentum stehenden Liegenschaft beendet (vgl. ). Durch den am abgeschlossenen Kaufvertrag und die grundbücherliche Übertragung des im Miteigentum der Bf. stehenden Grundstückes am fand die Miteigentümergemeinschaft ihr Ende und verlor die Eignung als tauglicher Bescheidadressat.

Der über die Einkünfte der vormaligen Miteigentümergemeinschaft absprechende Feststellungsbescheid hätte nach § 191 Abs. 2 BAO an diejenigen ergehen müssen, die am Gegenstand der Feststellung ehemals beteiligt waren. Da der Feststellungsbescheid 2017 vom dessen ungeachtet an die Miteigentümergemeinschaft "***Mitges. und Mitb.***" adressiert war, konnte er keine Rechtswirkung entfalten (vgl auch ).

Mangels Entfaltung der Rechtswirksamkeit dieses Bescheides hat dem Finanzamt aber ein tauglicher Feststellungsbescheid (Grundlagenbescheid) gefehlt, um den bereits gegenüber der Bf. erlassenen Einkommensteuerbescheid 2017 gemäß § 295 Abs. 1 BAO abzuändern.

Da sich aus den dargestellten Gründen die Abänderung des Einkommensteuerbescheides 2017 als unzulässig erweist, ist der angefochtene Bescheid ersatzlos aufzuheben (vgl. dazu schon ), wodurch der durch die nunmehr als rechtswidrig erkannte Abänderung verdrängte Einkommensteuerbescheid 2017 vom wieder in Rechtsbestand tritt.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II (Revision)

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Beschwerdefall lag keine Rechtsfrage vor, der grundsätzliche Bedeutung zukam, insbesondere weil keine uneinheitliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes vorliegt. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits im Erkenntnis vom , 93/14/0203, ausgesprochen, dass im Falle einer unzulässigen, weil auf Grundlage von Nichtbescheiden erfolgten Änderung gemäß § 295 Abs. 1 BAO der abgeänderte Bescheid aufzuheben ist. Die Voraussetzungen für eine Revisionszulassung nach Art 133 Abs. 4 B-VG liegen somit nicht vor.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 295 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 295 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 191 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 191 Abs. 1 lit. c BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7106182.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at