Sonderausgaben: Steuerberatungskosten eines potentiell Haftenden iZm der für den Primärschuldner getätigten Selbstanzeige
Rechtssätze
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Folgerechtssätze | |
RV/7102539/2023-RS1 | wie RV/7100628/2021-RS1 Gemäß § 18 Abs 1 Z 6 EStG sind Steuerberatungskosten, die an berufsrechtlich befugte Personen geleistet werden, als Sonderausgaben abzuziehen, soweit sie nicht Betriebsausgaben oder Werbungskosten sind. Nach dem Grundsatz der Individualbesteuerung ist davon auszugehen, dass von diesem Tatbestand nur die eigenen Steuerberatungskosten des jeweiligen Abgabepflichtigen gemeint sind, zumal § 18 Abs 3 Z 1 EStG explizit jene Ausnahmefälle nennt, in denen Ausgaben für andere Steuerpflichtige geltend gemacht werden können. |
RV/7102539/2023-RS2 | wie RV/7100628/2021-RS2 Der Haftungsverpflichtete hat nicht nur seine eigenen Abgabenschulden betreffend ein Rechtsschutzinteresse und -bedürfnis, sondern auch dann, wenn er zur Haftung herangezogen wird, womit er zum Abgabenschuldner hinsichtlich der fremden Abgabenschuld wird. Ihm kommt auch in jenem Abgabenverfahren Parteienstellung zu. Daher erscheint es folgerichtig, auch dann Steuerberatungskosten iSd § 18 Abs 1 Z 6 EStG anzunehmen, wenn die vom Steuerpflichtigen in Anspruch genommene Beratungsleistung das Abgabenverfahren des Vertretenen betrifft, für den er haftet. |
RV/7102539/2023-RS3 | wie RV/7100628/2021-RS3 Dass die Steuerberatungskosten, wären sie beim Vertretenen angefallen, bei diesen Betriebsausgaben gewesen wären, muss unschädlich sein, weil es keine subjektübergreifende Betrachtung geben kann. Da im konkret vorliegenden Fall die potentielle Haftung des Bf mit einem unentgeltlichen und daher ertragsteuerlich unbeachtlichen Engagement als Funktionär eines gemeinnützigen Sportvereins zusammenhängt, können die damit zusammenhängenden Ausgaben bei ihm weder Betriebsausgaben noch Werbungskosten darstellen. |
RV/7102539/2023-RS4 | wie RV/7100628/2021-RS4 Tatbestandsmerkmale der Selbstanzeige nach § 29 FinStrG sind die Offenlegung des Sachverhaltes und die rechtzeitige Entrichtung der verkürzten Beträge, die vom Anzeiger geschuldet werden, oder für die er zur Haftung herangezogen werden kann. Nach dem wirtschaftlichen Gehalt bewertet, betrifft der Aufwand, der iZm einer Selbstanzeige betrieben wird, zum allergrößten Teil jene Handlungen, die erforderlich sind, um die Bemessungsgrundlagen einer Abgabe zu ermitteln und die Steuer zu entrichten. Wären diese Handlungen bereits ursprünglich gesetzt worden, stellten sie zweifelsfrei Steuerberatungskosten dar. Keine andere Wertung kann diesbezüglich getroffen werden, wenn die damit zusammenhängenden Ausgaben erst im Zuge einer Selbstanzeige anfallen. Damit ist es folgerichtig, dass auch seitens des BMF anerkannt ist, dass Kosten einer Selbstanzeige Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben (EStR 2000 Rz 1621) sein können. Jener Teil der Beratung, der auf die tatsächliche Erstattung der Selbstanzeige entfällt, ist derart verschwindend gering, dass er vernachlässigbar ist und somit Kosten einer Selbstanzeige grundsätzlich zur Gänze steuerlich abziehbar sind. |
RV/7102539/2023-RS5 | wie RV/7100628/2021-RS6 Auch, wenn ein Verein eigentümerlos ist, so sind doch im Verhältnis zwischen Verein und Mitglied verdeckte Ausschüttungen (vgl ; , 97/15/0212) und folglich auch verdeckte Einlagen steuerrechtlich möglich, zumal auch das Vereinsrecht Einlagen von Mitgliedern kennt (§ 30 Abs 2 VerG). |
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Hans Blasina in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Caroline Toifl Rechtsanwalt GmbH, Geusaugasse 17, 1030 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer 2018 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:
I. Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 279 BAO abgeändert.
Das Einkommen beträgt 81.214,24 Euro, die Einkommensteuer beträgt nach Absetzbeträgen und Rundung (§ 39 EStG) 28.313 Euro.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Um Wiederholungen zu vermeiden, wird betreffend Verfahrensgang, Sachverhalt und Beweiswürdigung auf die umfassenden Ausführungen im h.g. Erkenntnis vom , RV/7100628/2021, verwiesen.
Gegen dieses Erkenntnis wurde Amtsrevision erhoben. Mit Erkenntnis vom , Ro 2023/13/0002, hat der VwGH das BFG-Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben (hg. eingelangt am ).
Die Parteien hatten Gelegenheit zur Stellungnahme, eine neuerliche mündliche Verhandlung erschien ihnen nicht erforderlich.
Eine gedrängte Darstellung von Sachverhalt und Beweiswürdigung wird zum besseren allgemeinen Verständnis hier nochmals wiedergegeben.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Der Bf war von April 2016 bis Juni 2017 Präsident eines Sportvereins. Zuvor übte er dort ab Februar 2015 die Funktion des zweiten Obmann-Stellvertreters aus und im Zeitraum von Juni 2014 bis März 2016 jene des Schriftführers.
Am wurde durch den Bf für sich und weitere vier Funktionäre aus seiner Funktionsperiode sowie für den Verein eine Selbstanzeige erstattet, weil beim Verein angestellte Sportler in den Jahren 2011 bis 2017 über die steuerfreien Pauschalen des § 3 Abs 1 Z 16c EStG hinaus Zahlungen geleistet worden sind, ohne dass Lohnkonten geführt wurden und die Lohnsteuer entrichtet worden wäre. Kenntnis hatte der Bf von diesen Vorgängen ab 2015.
Sämtliche mit der Selbstanzeige (72.272,06 Euro) und dem GPLA-Verfahren (1.650 Euro) zusammenhängenden Honorarnoten von Steuerberatungskanzleien waren auf den Namen des Beschwerdeführers ausgestellt und wurden alleine von ihm bezahlt und getragen. Die Selbstanzeige erfolgte am für die Jahre 2011-2017. Im Anschluss wurde eine Gemeinsame Prüfung Lohnabhängiger Abgaben (GPLA) beim Verein durchgeführt.
Der Bf hat weder für die Abgaben noch für die ihm erwachsenen Verfahrenskosten nennenswerte Regressanstrengungen gegenüber dem Verein unternommen, weil er sie freiwillig übernommen hat. Es ging ihm nicht um die Abwehr einer aus seiner Organtätigkeit drohenden Haftung nach § 9 BAO, sondern lediglich um die Abwehr eines allenfalls drohenden Finanzstrafverfahrens, ohne den gewohnten Ablauf des Vereinsbetriebes durch behördliche Verfahren oder Zahlungsverpflichtungen zu gefährden.
2. Beweiswürdigung
Der Sachverhalt ergibt sich aus der Aktenlage und den unbedenklichen Parteienvorbringen und ist größtenteils unstrittig.
Die Feststellung der freiwilligen Übernahme der Abgaben und insbesondere der Verfahrenskosten des Vereines ergibt sich aus folgenden Überlegungen:
Der Bf hat sich bereits im Jahr 2014 mit einem beträchtlichen Kapitaleinsatz (70.000 Euro) dafür eingesetzt, den Fortbestand des Vereines zu sichern. Der nunmehrige Einsatz im Rahmen der gänzlichen Tragung der Verfahrenskosten hat nicht damit zu tun, dass der Bf Haftungsansprüche gegen sich abwenden wollte, denn einer allenfalls drohenden Haftung ist er durch die Zahlung der Abgaben zuvorgekommen.
Ein fremder Dritter hätte sich beim Verein hinsichtlich jener Ausgaben regressiert, die er für den Verein entrichtet hat. Die Kosten einer der Selbstanzeige nachgelagerten abgabenrechtlichen Prüfung hätte ein fremder Dritter schon ursprünglich nicht übernommen, zumal wenn der Verein im Prüfungszeitpunkt hinreichend Mittel gehabt hat, die laufende Beratung zu finanzieren.
Es mag zwar - wie u.a. in der mündlichen Verhandlung geäußert - zutreffen, dass der Verein bei einer Vorschreibung der Abgaben insolvent geworden wäre und dass keine hinreichend lange Stundung durch die Abgabenbehörde hätte erzielt werden können. Es erscheint aber nicht plausibel, weshalb der Bf überhaupt nicht - weder anteilig noch mit einem langen Zahlungsziel - versucht hat, seine Auslagen vom Verein ersetzt zu erhalten. Immerhin hätte der Verein seinerseits die Möglichkeit gehabt, sich beim Trainer und den Spielern zu regressieren; die lapidare Behauptung, auch bei sämtlichen Spielern läge Uneinbringlichkeit vor, greift zu kurz und überdeckt die - ebenfalls konzedierte - Tatsache, dass seitens des Vereins (in Form des nachfolgenden Präsidiums) kein Wille und Interesse bestanden hat, derartigen Regressansprüchen nachzugehen.
Angesichts der Ertragslage des Vereines (Erlöse weit über 300.000 Euro) und der Regressmöglichkeiten des Vereines wäre es für den Bf aussichtsreich gewesen, seine Auslagen ersetzt zu bekommen. Diese Möglichkeiten nicht verfolgt zu haben, kann einzig damit erklärt werden, dass der Bf von vornherein intendiert hatte, die Verfahrenskosten des Vereines genauso freiwillig als finanzielle Unterstützung zu übernehmen, wie er bereits drei Jahre vorher den Verein durch unmittelbare Zahungsflüsse an den Verein vor der Zahlungsunfähigkeit bewahrt hat.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abänderung)
Der VwGH hat die Rechtsansicht des Bundesfinanzgerichtes bestätigt, dass Aufwendungen, die dadurch veranlasst sind, dass eine Selbstanzeige samt damit verbundener Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen erstellt wird, als Sonderausgaben zu berücksichtigen sind (vgl Rz 45 des dg. Erk).
Der VwGH ist auch jenen Erwägungen des Bundesfinanzgerichtes gefolgt, die in der Übernahme der Verfahrenskosten durch den Bf eine Handlung gesehen haben, die zu gleichen Teilen seinem Eigeninteresse entspringt wie auch aus seiner im Gesellschaftsverhältnis als Vereinsmitglied gelegenen Stellung wurzelt (vgl Rz 51 des dg. Erk). Der daraus gefolgerten Abziehbarkeit von lediglich 50 % der begehrten Steuerberatungskosten entgegenzutreten hat der VwGH keinen Anlass gesehen (vgl Rz 52 des dg. Erk).
Der Bf meint in seiner Stellungnahme, aus der Aussage des VwGH in Rz 42 seines Erkenntnisses, in Fällen einer drohenden Haftung für Abgaben Dritter handle es sich um eine Angelegenheit dieses Abgabepflichtigen in dessen Interesse, sei abzuleiten, dass die gesamten Steuerberatungskosten als Sonderausgaben abziehbar seien. Diese Ansicht wird nicht geteilt, weil es sich bei der Feststellung in Rz 42 um eine allgemeine Aussage handelt, die auf den konkreten Sachverhalt bezogen eingeschränkt werden kann. Die diesbezügliche Würdigung im Vorerkenntnis, aufgrund der gleichteilig persönlichen und gesellschaftlichen Veranlassung sei die Abziehbarkeit um die Hälfte zu reduzieren, hat der VwGH explizit geteilt. Auf die "ausführlich begründete Aufteilung der Kosten" im Erkenntnis vom , RV/7100628/2021, wird daher verwiesen.
Der VwGH hat jedoch nicht die Ansicht des Bundesfinanzgerichtes geteilt, wonach die Ausgaben für die Selbstanzeige nur in jenem Ausmaß anzuerkennen seien, in dem zumindest eine grundlegende Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme besteht. Da auch für Jahre vor dem Antritt der Funktion des Präsidenten eine Haftung rechtlich möglich erscheint, reicht dieses hypothetische Haftenmüssen bereits aus, weil der Ermessensspielraum der Abgabenbehörde die Einschätzung des Bf über die Wahrscheinlichkeit, in Anspruch genommen zu werden, als spekulativ erscheinen lasse (vgl Rz 52 des dg. Erk).
Somit waren nicht nur die auf die Jahre 2015-2017 entfallenden Kosten grundsätzlich anzuerkennen, sondern auch jene, die 2011-2014 betroffen haben.
Der VwGH hat die Berücksichtigung als Sonderausgabe weiters dahingehend eingeschränkt, dass sie aber grundsätzlich nur für jene Aufwendungen gelten soll, die unmittelbar mit der Erstellung der Selbstanzeige verbunden waren, nicht aber für die Kosten der abgabenrechtlichen Betreuung des Vereins in der auf die Selbstanzeige folgenden Prüfung.
Eine nähere Begründung dafür findet sich nicht. Besagte Prüfung war eine Folge der Selbstanzeige, und eine derartige Prüfung dient in der Regel dazu, seitens der Behörde die Vollständigkeit der Selbstanzeige zu überprüfen. Weshalb auf diese tatbestandswesentliche Überprüfung bezogen das eigene Rechtsschutzinteresse des potentiell Haftenden derart herabgesetzt sein sollte, dass die damit zusammenhängenden Ausgaben nicht mehr als Steuerberatungskosten abziehbar wären, ist auf den ersten Blick nicht ersichtlich.
Das gänzliche Abzugsverbot für die laufende Steuerberatung muss darin begründet sein, dass für laufende abgabenrechtliche Belange derjenige aufzukommen hat, dessen Abgaben betroffen sind. Der Verein hatte hinreichend finanzielle Mittel, die im Zuge der GPLA-Prüfung angefallenen Kosten von 1.650 Euro selbst zu tragen. Das VwGH-Erkenntnis bleibt in sich schlüssig, versteht man es so, dass die Übernahme auch dieser Ausgaben durch ein Vereinsmitglied zur Gänze societatis causa erfolgt sein muss.
Es werden daher - die Kosten der GPLA-Prüfung in Höhe von 1.650 Euro ausgenommen - 50 % der im Jahr 2018 vom Bf begehrten Steuerberatungskosten (sohin 36.136,03 Euro) als Sonderausgaben anerkannt.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Aufgrund des vorangegangenen VwGH-Erkenntnisses, dem diese Entscheidung folgt, war die Revision nicht zuzulassen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 9 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 30 Abs. 2 VerG, Vereinsgesetz 2002, BGBl. I Nr. 66/2002 § 8 Abs. 1 KStG 1988, Körperschaftsteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 401/1988 § 18 Abs. 1 Z 6 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Verweise | |
Zitiert/besprochen in | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2023:RV.7102539.2023 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at