Ist ein Antrag gem. § 30 Abs. 8 EStG auch außerhalb des Veranlagungsverfahrens zulässig?
Entscheidungstext
IM NAMEN dER REPUBLIk
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin ***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Abweisung eines Antrages gemäß § 30 Abs. 8 EStG 1988, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:
I. Der Spruch des Bescheides vom wird gemäß § 279 BAO dahingehend abgeändert, dass der Antrag von ***Bf1*** gemäß § 30 Abs. 8 EStG 1988, eingebracht am , nicht ab-, sondern als unzulässig zurückgewiesen wird.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Mit Eingabe vom beantragte der Beschwerdeführer (Bf.) gem. § 30 Abs. 8 EStG 1988 die im Zusammenhang mit der Veräußerung der Liegenschaft EZ ***EZ***, KG ***KG***, angefallene Immobilienertragsteuer (ImmoEst) iHv 63.000,00 € im Ausmaß der entrichteten Grunderwerbsteuer (GrESt) iHv 30.757,65 € zu erlassen.
Mit Bescheid des Finanzamtes Österreich vom wurde der Antrag abgewiesen und hinsichtlich der Begründung auf den BP-Bericht vom verwiesen.
In diesem findet sich ausgeführt, dass der Antrag nur im Rahmen einer Veranlagung gestellt werden könne. Eine Doppelbelastung könne nur insoweit vorliegen, als die Bemessungsgrundlage für diese Steuern die ursprünglichen Anschaffungskosten bzw. im Fall der pauschalen Einkünfteermittlung nach § 30 Abs. 4 EStG 1988 die anzuwendenden fiktiven Anschaffungskosten überstiegen habe. Bei Grundstücken und Gebäuden, bei denen die Erbschafts- und Schenkungssteuer, die Grunderwerbsteuer oder die Stiftungseingangssteuer nach dem dreifachen Einheitswert bemessen werde, sei keine Anrechnung vorzunehmen, es sei denn, der dreifache Einheitswert liege über den ursprünglichen Anschaffungskosten.
In der gegen den Abweisungsbescheid eingebrachten Beschwerde wird vom Bf. vorgebracht, dass er die Liegenschaft EZ ***EZ*** KG ***KG*** mit Einantwortungsbeschluss vom geerbt habe. Die auf Grund der vorgenommenen Selbstberechnung ermittelte Grunderwerbsteuer (GrESt) iHv 30.757,65 € habe er am entrichtet.
Mit Kaufvertrag vom habe er die Liegenschaft um 1.500.000,00 € veräußert. Die darauf entfallende Immobilienertragsteuer (ImmoEst) iHv 63.000,00 € habe er fristgerecht überwiesen.
Da keine Veranlagung im Wege der Regelbesteuerung im Sinne des § 30 a Abs 1 EStG beantragt worden sei, habe die entrichtete ImmoEst auch keinen Niederschlag in seiner sonstigen Einkommensteuer gefunden, zumal diese besonderen Einkünfte weder beim Gesamtbetrag der Einkünfte noch beim Einkommen (§ 2 Abs 2) zu berücksichtigen sind. Daher habe er einen selbständigen Antrag auf Anrechnung der Grest gestellt.
Insoweit das Finanzamt die Auffassung vertrete, der Antrag könne nur im Wege der Jahresveranlagung gestellt werden, irre es; im Gesetz finde sich keine entsprechende Bestimmung.
Aber selbst, wenn diese Ansicht richtig wäre, hätte das Finanzamt den Antrag nicht abweisen dürfen, sondern allenfalls als verfrüht zurückweisen müssen. Eine Abweisung intendiere eine endgültige Erledigung, während das Finanzamt die Auffassung vertrete, der Antrag sei mit der Einkommensteuererklärung (fraglich mit welcher und bis wann) zu verbinden und daher gesondert unzulässig.
Ein sich aus dem Gesetz ergebender Antrag (siehe § 30 Abs 8 "wird auf Antrag") könne daher stets eingebracht werden, zumal ja die ImmoEst mit der sonstigen Regelbesteuerung nichts zu tun habe.
Die Ausführungen des Finanzamtes, dass es zu keiner Doppelbesteuerung käme und daher kein Recht auf Erstattung bestünde, gingen am klaren Wortlaut des Gesetzes vorbei. Telos des Gesetzes sei es, den Steuerpflichtigen nicht sowohl mit der Grunderwerbsteuer als auch mit der ImmoEst zu belasten, wenn der Erwerbsvorgang innerhalb von 3 Jahren vor dem Veräußerungsvorgang gelegen ist. Deshalb habe der Gesetzgeber die Bestimmung des § 30 Abs 8 aufgenommen.
Das Argument, dass keine Doppelbesteuerung vorliege, sei schon aufgrund der Textierung des Gesetzestextes nicht richtig. Es liege auf der Hand, dass es sich nicht um gleichartige Steuern, sondern um unterschiedliche handle. Der Gesetzgeber habe daher die 2-fach Zahlung unterschiedlicher Steuern vor Augen gehabt, weil er die anzurechnenden sogar taxativ aufzähle.
Daher wäre die von ihm entrichtete GrEst iHv 30.757,65 € auf die ImmoEst anzurechnen gewesen.
Mit Beschwerdevorentscheidung des Finanzamtes Österreich vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
In der Begründung wird unter Hinweis auf den Wortlaut des § 30 Abs. 8 EStG ausgeführt, dass sich aus der Formulierung "im AUSMASS der sonst entstehenden Doppelbesteuerung" bereits ableiten lasse, dass die Bestimmung jene Fälle erfassen wolle, wo Einkunftsbestandteile aus privaten Grundstücksveräußerungen auch mit Grunderwerbsteuer belastet würden und so die Doppelbesteuerung entstehe. Dies könne nur dann der Fall sein, wenn die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer HÖHER sei als die (pauschalen) Anschaffungskosten für die Ermittlung der Einkünfte aus privaten Grundstücksveräußerungen.
Dies decke sich auch mit der Rechtsprechung des Bundesfinanzgerichtes (; , RV/7100616/2014).
Im beschwerdegegenständlichen Fall beliefen sich die pauschalen Anschaffungskosten auf 1.290.000,00 €, die Bemessungsrundlage für die Grunderwerbsteuer betrage 1.157.631,32 €. Eine Doppelbesteuerung im Sinne des § 30 Abs. 8 EStG könne demnach nicht vorliegen, da die Einkünfte aus privaten Grundstücksveräußerung (1.500.000 € - 1.290.000 € = 210.000 €) nicht mit Grunderwerbsteuer belastet seien.
Eine "Doppelbelastung" liege nur dann vor, wenn die Einkünfte aus privaten Grundstücksveräußerungen (also die Wertsteigerung, im übertragenen Sinn "die stillen Reserven") mit Einkommensteuer und Grunderwerbsteuer belastet sei (vgl. Bodis/Hammerl in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG21 § 30 Rz 314).
Hingewiesen wurde auf die in Rz 6680 der EStR angeführten Beispiele 2 und 3.
Angemerkt wurde weiters, dass der Antrag auf Anrechnung gem. § 30 Abs. 8 EStG nur im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung des Jahres erfolgen könne, in dem die Einkünfte aus privaten Grundstücksveräußerung erzielt wurden. Ein gesonderter Antrag außerhalb der Veranlagung sei nicht vorgesehen.
Im Ergebnis mache es keinen Unterschied, ob der Antrag ab- oder zurückgewiesen werde. Mangels Zulässigkeit eines derartigen gesonderten Antrages außerhalb der Veranlagung wäre vermutlich eine Zurückweisung vorzunehmen gewesen.
Dem beschwerdegegenständlichen Antrag wäre aber auch dann nicht zu entsprechen gewesen, wenn dieser im Rahmen des Veranlagungsverfahrens zur Einkommensteuer 2018 eingebracht worden wäre.
Eine Doppelbelastung im Sinne des § 30 Abs. 8 EStG liege nicht vor, da eine solche nur dann vorliegen könne, wenn Einkünfte aus privaten Grundstücksveräußerungen (gemeint die Wertsteigerung = "stille Reserven" = in diesem Fall demnach die 210.000,00 €) sowohl mit Einkommensteuer UND Grunderwerbsteuer belastet sind (nochmaliger Hinweis auf Bodis/Hammerl in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG21 § 30 Rz 314.)
Dies liege im vorliegenden Fall nicht vor, weshalb die Beschwerde abzuweisen sei.
Mit Eingabe vom wurde ein Vorlageantrag eingebracht und in diesem auf die Beschwerdeausführungen verwiesen sowie ein ergänzendes Vorbringen in Aussicht gestellt.
Mit Vorlagebericht vom legte das Finanzamt Österreich die Beschwerde dem BFG zur Entscheidung vor.
Angemerkt wird, dass trotz Ankündigung im Vorlageantrag keine Ergänzungen seitens des Bf. vorgebracht wurden.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Mit Einantwortungsbeschluss des BG Hernals vom , GZ ***GZ***, im Verlassenschaftsverfahren nach Frau ***T*** ging die Liegenschaft Einlagezahl ***EZ*** Katastralgemeinde ***KG***, Bezirksgericht Hernals, im Erbweg in das Alleineigentum des Bf. über.
Die Grunderwerbssteuer für diesen Vorgang wurde vom Bf. unter Zugrundelegung des unter Heranziehung des Finanzamtrechners ermittelten Grundstückswertes von 1,157.361,32 € mit 30.757,65 € berechnet und am an das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern entrichtet.
Mit Kaufvertrag vom veräußerte der Bf. das Grundstück an die ***GmbH*** um den Kaufpreis iHv 1,500.000,00 €. Die ImmoEst wurde durch Selbstberechnung mit 63.000,00 € ermittelt und an die Abgabenbehörde abgeführt.
Der letzte entgeltliche Erwerb der beschwerdegegenständlichen Liegenschaft liegt vor dem .
Mit Eingabe vom beantragte der Bf. gem. § 30 Abs. 8 EStG 1988 die Ermäßigung der ImmoEst im Ausmaß der entrichteten Grunderwerbsteuer iHv 30.757,65.
Mit dem beschwerdegegenständlichen Bescheid vom wies das Finanzamt den Antrag des Bf. ab.
2. Beweiswürdigung
Der vorstehende, der Entscheidung zu Grunde gelegte Sachverhalt gründet auf dem Akteninhalt und dem Vorbringen des Bf. und ist unstrittig.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I.
Gemäß § 30 Abs 8 EStG 1988 wird die Einkommensteuer, die auf Grundstücksveräußerungen entfällt, im Ausmaß der sonst entstehenden Doppelbelastung der Einkünfte aus Grundstücksveräußerungen auf Antrag ermäßigt oder erlassen, wenn der Steuerpflichtige infolge des Erwerbes der Grundstücke innerhalb der letzten drei Jahre Erbschafts- oder Schenkungssteuer, Grunderwerbsteuer oder Stiftungseingangssteuer entrichtet hat.
Die in § 30 Abs. 8 EStG normierte Ermäßigung ist antragsgebunden.
Während die Abgabenbehörde unter Bezugnahme auf die Rechtsansicht des BMF die Auffassung vertritt, dass der entsprechende Antrag nur im Rahmen einer Veranlagung gestellt werden kann, ist nach Ansicht des Bf. die Einbringung des Antrags auf Anrechnung der entrichteten GrESt auch außerhalb des Veranlagungsverfahrens zulässig, zumal keine Veranlagung im Wege der Regelbesteuerung im Sinne des § 30 a Abs 1 EStG beantragt wurde.
Zutreffend wurde vom Bf. eingewandt, dass sich dem Gesetz nicht entnehmen lässt, dass der Antrag im Veranlagungsverfahren eingebracht werden müsse, doch handelt es sich bei der Einkommensteuer um eine Steuer, die grundsätzlich im Wege der Veranlagung des Jahreseinkommens erhoben wird. Dementsprechend erfolgt der Erlass der Einkommensteuer im Einkommensteuerveranlagungsverfahren des Jahres, in dem die Einkünfte aus privaten Grundstücksveräußerung erzielt wurden. Es entspricht sohin dem Konzept des Gesetzgebers, dass der Antrag grundsätzlich in der Steuererklärung des betreffenden Jahres zu stellen ist. Diesbezüglich wird auf die insoweit vergleichbare Bestimmung des § 24 Abs. 5 EStG verwiesen, die nach ihrem Wortlaut auch nicht explizit eine Antragstellung im Veranlagungsverfahren vorsieht, an einer solchen aber nach der herrschenden Literatur und Rechtsprechung kein Zweifel besteht.
Auch zur Bestimmung des § 30 Abs. 8 EStG wird in der Literatur die Auffassung vertreten, dass die Ermäßigung im Veranlagungsverfahren erfolgt (Kanduth-Kristen, in Jakom, EStG13, § 30 Rz 91, unter Hinweis auf HR/Büsser/Hofstätter [46. EL April 2010] § 30 Rz 12).
Dem steht nach Dafürhalten des BFG nicht entgegen, dass - wie im vorliegenden Beschwerdefall - die Regelbesteuerungsoption nicht ausgeübt wurde, zumal ein Antrag auf Ermäßigung der Einkommensteuer unabhängig von einer Regelbesteuerung eingebracht werden kann.
Es ist daher der Abgabenbehörde zuzustimmen, dass ein gesonderter Antrag außerhalb der Veranlagung nicht zulässig ist. Demnach hätte aber keine materiell-rechtliche Entscheidung erfolgen dürfen, sondern das Finanzamt hätte den Antrag des Bf. vom auf Erlass der ImmoEst im Ausmaß der entrichteten GrEst iHv 30.757,65 € zurückzuweisen gehabt.
Gemäß § 279 BAO ist das Bundesfinanzgericht berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.
Die Abänderungsbefugnis "nach jeder Richtung" ist durch die Sache begrenzt. Einen anderen Sachverhaltsbereich darf das Verwaltungsgericht dabei allerdings nicht annehmen (Ritz, BAO6, § 279, Rz 10 sowie ).
Als Sache des Beschwerdeverfahrens, somit als Prozessgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, ist jene Angelegenheit anzusehen, die den Inhalt des Spruches des Bescheides der belangten Behörde gebildet hat (vgl. für viele etwa oder ).
"Sache" des gegenständlichen Beschwerdeverfahrens war die ablehnende Entscheidung über den Antrag des Bf. vom auf Erlass der ImmoEst. Der Spruch des Abweisungsbescheides vom war daher dahingehend abzuändern, dass der Antrag nicht abzuweisen, sondern zurückzuweisen ist (vgl. ). Diese Zurückweisung ist von der Änderungsbefugnis nach § 279 BAO umfasst (vgl. Ritz,a.a.O., § 279 Rz 14).
Angemerkt wird, dass selbsteinem im Rahmen des Veranlagungsverfahrens zur Einkommensteuer 2018 eingebrachten Antrag kein Erfolg beschieden gewesen wäre:
Gemäß § 30 Abs. 1 EStG 1988 sind private Grundstücksveräußerungen Veräußerungsgeschäfte von Grundstücken, soweit sie keinem Betriebsvermögen angehören. Der Begriff des Grundstückes umfasst Grund und Boden, Gebäude und Rechte, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegen. Bei unentgeltlich erworbenen Grundstücken ist auf den Anschaffungszeitpunkt des Rechtsvorgängers abzustellen. Bei Tauschvorgängen ist § 6 Z 14 sinngemäß anzuwenden.
Gemäß § 30 Abs. 4 Z 2 EStG Z 2 1988 sind, soweit Grundstücke am ohne Berücksichtigung von Steuerbefreiungen nicht steuerverfangen waren, als Einkünfte der Unterschiedsbetrag zwischen dem Veräußerungserlös und den mit 86% des Veräußerungserlöses anzusetzenden Anschaffungskosten anzusetzen.
§ 30 Abs 4 EstG sieht für Grundstücke die am nicht steuerverfangen waren (Altgrundstücke) eine Pauschalbesteuerung vor. Ein prozentueller Anteil des Veräußerungserlöses wird als Gewinn angesetzt.
Bei der beschwerdegegenständlichen Liegenschaft handelt es sich um Altvermögen, die fiktiven Anschaffungskosten betragen 1.290.000,00 € (86% von 1,500.000,00 €).
Die Einkünfte aus privater Grundstücksveräußerung errechnen sich nach § 30 Abs. 4 Z 2 EStG mit 210.000,00 € (1,500.000,00 € - 1,290.000,00 €).
Der durch den Erbanfall bewirkte unentgeltliche Erwerbsvorgang löst Steuerpflicht nach dem Grunderwerbsteuergesetz aus. Als Bemessungsrundlage für die Ermittlung der Grunderwerbsteuer wurde ein Grundstückswert iHv 1.157.631,32 € herangezogen.
Eine Doppelbelastung liegt nur dann vor, wenn die Einkünfte aus privaten Grundstücksveräußerungen (also die Wertsteigerung, im übertragenen Sinn "die stillen Reserven") mit Einkommensteuer und Grunderwerbsteuer belastet sind. Die auf die Anschaffungskosten entfallende Grunderwerbsteuer bewirkt daher keine Doppelbelastung, weil in Höhe der Anschaffungskosten nur eine Grunderwerbsteuer, aber keine Einkommensteuer anfällt. Dieser Begriff der Doppelbelastung ergibt sich aus § 24 Abs. 5 (Bodis/Hammerl in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG21 § 30 Rz 314; ; , RV/7105057/2015; , RV/7100616/2014).
Eine Doppelbelastung liegt daher nur vor, wenn die Bemessungsgrundlage für die Erbschafts- oder Schenkungssteuer, Grunderwerbsteuer oder Stiftungseingangssteuer die Anschaffungskosten (fiktiven Anschaffungskosten bei pauschaler Einkünfteermittlung) überstiegen hat (vgl. Kanduth-Kristen in Jakom, EStG13, § 30 Rz 91).
Liegt die Grunderwerbsteuerbemessungsgrundlage unter den (fiktiven) Anschaffungskosten, ist demnach eine Doppelbelastung des Veräußerungsgewinnes mit Grunderwerbsteuer nicht gegeben. Bei Grundstücken und Gebäuden, bei denen die Grunderwerbsteuer nach dem dreifachen Einheitswert bemessen wird, ist keine Anrechnung vorzunehmen, es sei denn, der dreifache Einheitswert liegt über den ursprünglichen Anschaffungskosten.
Unstrittig ist, dass der Bf. infolge des unentgeltlichen Erwerbs der Liegenschaft im Jahr 2016, sohin innerhalb der letzten drei Jahre vor der Veräußerung GrESt entrichtet hat, wobei die Grunderwerbsteuerbemessungsgrundlage mit 1.157.631,32 € ermittelt wurde.
Wenn der Bf. im Rahmen seiner Beschwerdeausführungen auf die Intention des Gesetzgebers, den Steuerpflichtigen nicht sowohl mit Grunderwerbsteuer als auch mit Einkommensteuer zu belasten, abstellt, ist ihm zwar grundsätzlich beizupflichten; er übersieht aber bei seiner Argumentation, dass gerade eine solche Doppelbelastung im vorliegenden Fall nicht gegeben ist, weil die fiktiven Anschaffungskosten 1.290.000,00 € betragen und damit die Grunderwerbsteuerbemessungsgrundlage übersteigen. Eine Doppelbelastung des Veräußerungsgewinnes mit Grunderwerbsteuer ist gegenständlich somit nicht gegeben.
Gleiches gilt hinsichtlich des Einwandes des Bf., dass sich durch die Einführung der ImmoEst die Steuerlast gegenüber der früheren Rechtslage vervielfacht habe, weshalb die Bestimmung des § 30 Abs 8 in das EStG aufgenommen worden sei. Ist doch der Wortfolge der genannten Bestimmung "im Ausmaß der sonst entstehenden Doppelbelastung" eindeutig zu entnehmen, dass die auf dem Veräußerungsgewinn lastende Einkommensteuer in Höhe der anteilig auf die Einkünfte aus privaten Grundstücksveräußerungen entfallenden Grunderwerbsteuer erlassen werden soll.
Zutreffend hat daher die Abgabenbehörde in der Beschwerdevorentscheidung darauf hingewiesen, dass lediglich in dem Ausmaß, in dem die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer die Anschaffungskosten des Grundstückes übersteigt, eine Doppelbesteuerung vorliegt, weil in diesem Ausmaß die stillen Reserven sowohl mit ESt als auch mit GrESt belastet wären. Dieses Interpretationsergebnis entspricht damit dem Wortlaut des § 30 Abs. 8 EStG 1988.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Zur Frage, ob ein Antrag gem. § 30 Abs. 8 EStG ausschließlich im Veranlagungsverfahren oder auch außerhalb der Veranlagung gestellt werden kann, liegt - soweit ersichtlich - keine Rechtsprechung vor. Die Revision ist daher zulässig.
Wien, am
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 30 Abs. 8 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2023:RV.7100240.2022 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at