zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 04.08.2023, RV/4100537/2019

Haftung des ständigen Vertreters gem § 9 BAO iVm § 80 BAO für Primärschuldnerin mit Personalstatut eines EU Mitgliedstaats

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Mirus Steuerberatungs GmbH, Platz am Graben 3, 9300 St.Veit/Glan, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Klagenfurt vom , Steuernummer ***BF1StNr1***, betreffend Haftung gemäß § 9 BAO .iV.m. § 80 BAO zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird ersatzlos aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Strittig ist die Haftung von ***Bf1*** (in Folge: Beschwerdeführerin) gem. § 9 BAO i.V.m. § 80 BAO als ständige Vertreterin der inländischen Zweigniederlassung für aushaftende Abgabenschuldigkeiten der ***PS*** (in Folge: Primärschuldnerin).

Die belangte Behörde zog mit Haftungsbescheid vom die Beschwerdeführerin für aushaftende Abgabenschuldigkeiten der Primärschuldnerin i.H.v. € 7.746,05 zur Haftung heran. Die Abgaben wurden der Höhe nach aufgegliedert und nach deren Fälligkeit im Rückstandsausweis, wie folgt dargestellt:

Die belangte Behörde führte begründend aus, dass gemäß § 80 BAO i.V.m. § 9 BAO die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen haben, die den von ihnen Vertretenen obliegen. Sie haften als Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können. Die am Abgabenkonto der Primärschuldnerin aushaftenden Abgaben iHv. € 7.746,05 seien während der Vertretungstätigkeit der Beschwerdeführerin angefallen und nicht bezahlt worden. Dadurch habe sie die ihr auferlegten Pflichten schuldhaft verletzt und sie sei zur Haftung heranzuziehen.

Die Beschwerdeführerin erhob mit Schreiben vom Beschwerde gegen den Haftungsbescheid und brachte vor, dass sie hinsichtlich ihrer Vertretungsbefugnis in Österreich mit Beschluss vom (gemeint wohl: ) durch die Geschäftsführung der Primärschuldnerin in ihrer gesetzlichen Vertretung eingeschränkt worden sei. Mit Schreiben vom sei die RLB Kärnten darüber informiert worden, dass die Beschwerdeführerin keine Verfügungsberechtigung über die Finanzgebarung im Inland habe und somit die Einschränkung als Abberufung zu qualifizieren sei. Somit habe sie den erst am fällig gewordenen Abgaben nicht mehr nachkommen können und eine Haftung gem. § 80 BAO i.V.m. § 9 BAO habe nicht bestanden. Die firmenbuchrechtliche Umsetzung sei erst verspätet erfolgt, da die Gesellschaft die vorgenommenen Beschlüsse nicht dem Firmenbuch übermittelt habe.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Begründet wurde dies damit, dass die Beschwerdeführerin als Rechtvertreterin der Primärschuldnerin u.a. auch für die Erfüllung der abgabenrechtlichen Verpflichtungen verantwortlich gewesen sei und richtigerweise die Entrichtung der Abgabenforderungen an den Fälligkeitstagen erfolgen hätte müssen. Mit Beschluss vom sei in der Sitzung der Direktoren der Primärschuldnerin die Gründung einer Niederlassung in Österreich beschlossen worden. Die Beschwerdeführerin sei zur Rechtsvertreterin mit der Vertretungsart "Geschäfte bis zu einem Wert von € 5.000,-- zusammen oder einzeln, für die Geschäfte über diesen Wert immer zusammen" bestellt worden. Da die Beschwerdeführerin von Beginn ihrer Bestellung zur Rechtsvertreterin nur über Geschäfte bis zu einem Wert von € 5.000,-- alleine entscheiden habe können und darüber hinaus eine zweite Unterschrift erforderlich gewesen sei, habe der Beschluss vom zwar die Abwicklung der Geschäfte erschwert, da mit Wirkung vom für alle Geschäfte ein zweite Unterschrift notwendig gewesen sei, jedoch sei dies nicht als Abberufung zu sehen. Im Übrigen seien auch nach dem Überweisungen getätigt worden, nämlich drei Zahlungen vom iHv. € 10.390,22. Dies widerlege das Vorbringen, dass die Beschwerdeführerin keine Verfügungsberechtigung im Inland gehabt habe. Eine von der Vertretung abberufene Rechtsvertreterin hätte auch nicht die Löschung der Zweigniederlassung der Primärschuldnerin im Firmenbuch veranlassen können. Dies sei jedoch mit dem Antrag der Beschwerdeführerin vom erfolgt.

Mit Schreiben vom beantragte die Beschwerdeführerin ihre Bescheidbeschwerde zur Entscheidung dem Bundesfinanzgericht vorzulegen und führte ergänzend aus, dass nach der hA eine Beschränkung der Vertretungsbefugnis unzulässig sei. Da jedoch die Vertretungsmacht im Zeitpunkt der Fälligkeit eingeschränkt gewesen sei, sei dies einer Abberufung gleichgekommen. Um die Austragung aus dem Firmenbuch zu erreichen, sei auf Empfehlung eines Notars, nur der Antrag vom möglich gewesen. Die Beschwerdeführerin habe als ständige Vertreterin aus dem Firmenbuch gelöscht werden und ihre Büroadresse nicht mehr als Zweigniederlassung zur Verfügung stellen wollen.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Primärschuldnerin ist ***PS***, bei welcher es sich um eine bulgarische Kapitalgesellschaft handelt, die einer Aktiengesellschaft (AG) sehr ähnlich ist. Sie wurde mit Gesellschaftsvertrag vom gegründet. Als Geschäftsanschrift schien im österreichischen Firmenbuch die Adresse Gemeinde ***PS-Adr*** Dorf auf. Als Stammkapital sind im Firmenbuch BGN 2.362.100 ausgewiesen.

In der Sitzung des Rats der Direktoren der Primärschuldnerin am wurde der Beschluss zur Gründung der Zweigniederlassung gefasst. Weiters wurden im Rahmen des Beschlusses die Beschwerdeführerin und ***GF 1*** als Rechtsvertreter bestimmt, nämlich für Geschäfte mit einem Wert bis € 5.000 oder ihrer Gleichwertigkeit in einer anderen Währung- zusammen oder einzeln, für Geschäfte über diesen Wert- immer zusammen. Die Beschwerdeführerin wurde beauftragt, sämtliche erforderlichen Handlungen zur Gründung der Niederlassung entsprechend der österreichischen Gesetzgebung vorzunehmen, sowie alle normativen Dokumente in Verbindung mit der geschäftlichen Tätigkeit der Niederlassung auf dem Territorium der Republik Österreich in die entsprechenden Institutionen einzureichen. Sämtliche Mitglieder des Rats der Direktoren, nämlich ***GF 1***, ***GF 2*** und ***GF 3***, waren bei Beschlussfassung anwesend.

Im österreichischen Firmenbuch wurde am die inländische Zweigniederlassung mit der Geschäftsanschrift ***ZgN-Adr***, auf Antrag der Beschwerdeführerin eingetragen.

Laut Eintragung im österreichischen Firmenbuch vertrat ***GF 1*** seit die bulgarische Gesellschaft selbständig. Nicht vertretungsbefugt waren ***GF 3*** und ***GF 2*** seit .

Die Beschwerdeführerin vertrat die Gesellschaft seit selbständig als ständige Vertreterin.

Mit Beschluss am des Direktorenrates der Primärschuldnerin waren ab Dispositionen betreffend das österreichische Konto der Primärschuldnerin nur mehr gemeinschaftlich (Beschwerdeführerin und ***GF 1***) möglich.

Seit ist die Zweigniederlassung auf Antrag der Beschwerdeführerin vom im Firmenbuch gelöscht.

Mit sind Abgabenschuldigkeiten der Primärschuldnerin iHv. insgesamt € 7.596,40 (Umsatzsteuer 02/2018 iHv. € 6.831,04 fällig am , Säumniszuschlag 1 iHv. € 61,37 fällig am , Säumniszuschlag 1 iHv. € 59,64 fällig am , Pfändungsgebühr iHv. € 126,24 fällig am , Barauslagenersatz iHv. € 0,68 fällig am , Säumniszuschlag 1 iHv. € 226,01 fällig am , Pfändungsgebühr iHv. € 129,77 fällig am , Barauslagenersatz iHv. € 5,38 fällig am , Pfändungsgebühr iHv. € 78,49 fällig am , Barauslagenersatz iHv. € 5,38 fällig am , Säumniszuschlag 2 iHv. € 72,40 fällig am ) fällig.

Folgende im Haftungsbescheid ausgewiesenen Beträge wurden erst nach Löschung der Zweigniederlassung fällig: Pfändungsgebühr iHv. € 75,96 am , Barauslagenersatz iHv. € 5,38 am und Säumniszuschlag 3 iHv. € 68,31 am .

Mit Bescheid vom wurde die Beschwerdeführerin für Abgabenschuldigkeiten in Höhe von € 7.746,05 als Haftungspflichtige der Primärschuldnerin gemäß § 9 BAO i.V.m. §§ 80 ff. BAO zur Haftung herangezogen.

Am ging ein Betrag iHv. € 3.759,12 auf das Abgabenkonto der Primärschuldnerin ein, der den aushaftendenden Betrag betreffend Umsatzsteuer 02/2018 auf € 3.071,92 reduzierte. Der zum Zeitpunkt der Löschung aushaftende Gesamtbetrag reduziert sich somit auf € 4.524,48.

2. Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt betreffend die Gründung der Primärschuldnerin und der Zweigniederlassung sowie der Vertretungsbefugnisse basieren auf dem österreichischen Firmenbuchauszug bzw. dem Protokoll zur Errichtung der österreichischen Niederlassung.

Feststellungen hinsichtlich der Dispositionseinschränkung das österreichische Konto der Primärschuldnerin betreffend ergeben sich aus dem der Beschwerde angeschlossenen Mailverkehr.

Die Löschung der Zweigniederlassung ist aus dem Firmenbuch zu entnehmen.

Die Feststellungen der aushaftenden Abgabenschuldigkeiten gründen sich auf die Einsichtnahme des Gerichts in das Abgabeninformationssystem und den vorgelegten Akteninhalt (insb. Haftungsbescheid).

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

Gemäß § 9 Abs. 1 Bundesabgabenordnung (BAO) haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Liegt der Sitz einer Aktiengesellschaft im Ausland, so ist gemäß § 254 Abs. 1 Aktiengesetz (AktG) die Gesellschaft durch den Vorstand zur Eintragung in das Firmenbuch anzumelden, wenn sie eine inländische Zweigniederlassung hat.

Gemäß § 254 Abs. 2 AktG haben Gesellschaften, deren Personalstatut nicht das Recht eines Mitgliedstaats der Europäischen Union oder eines Vertragsstaats des Abkommens über die Schaffung eines Europäischen Wirtschaftsraumes, BGBl. Nr. 909/1993, ist, für den gesamten Geschäftsbetrieb der Zweigniederlassung mindestens eine Person zu bestellen, die zur ständigen gerichtlichen und außergerichtlichen Vertretung der Gesellschaft befugt ist und ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat; eine Beschränkung des Umfangs ihrer Vertretungsmacht ist Dritten gegenüber unwirksam. Die Vertretungsbefugnis kann jedoch an mehrere Personen gemeinschaftlich erteilt werden (Gesamtvertretung). Gesellschaften, deren Personalstatut das Recht eines Mitgliedstaats der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraums ist, können einen solchen ständigen Vertreter bestellen.

Im vorliegenden Fall handelt es sich bei der bulgarischen Gesellschaft um eine Gesellschaft, deren Personalstatut das Recht eines EU Mitgliedstaates ist. Dies hat zur Folge, dass die Gesellschaft ein Wahlrecht hat, ob sie einen ständigen Vertreter für ihre inländische Zweigniederlassung bestellt oder nicht. Zur Eintragung der Zweigniederlassung ist die Bestellung eines inländischen Vertreters jedoch nicht zwingend notwendig. Für Rechtsgeschäfte, die der Sphäre der inländischen Zweigniederlassung zugeordnet werden können, wären Handlungen der gesetzlich vertretungsbefugten Organe der Primärschuldnerin ausreichend.

Nach Karollus in Artmann/Karollus, AktG6 § 254 Rz 16 ist der ständige Vertreter kein organschaftlicher, sondern ein gewillkürter Vertreter. Nach Kalss in Doralt/Novotny/Kalss, AktG3 § 254 Rz 15 sind bei organschaftlicher Vertretung die Regelungen des Personalstatuts des ausländischen Rechtsträgers anzuwenden (§ 12 Internationales Privatrecht Gesetz), auf die rechtsgeschäftliche Stellvertretung ist das Sachrecht des Ortes der Zweigniederlassung anzuwendenden (§ 49 Internationales Privat Gesetz). Der Umfang der Vertretungsbefugnis des ständigen Vertreters unterliegt somit gemäß § 49 Internationales Privatrecht Gesetz österreichischem Recht (Kalss in Doralt/Novotny/Kalss, AktG3 § 254 Rz 27). Sie erstreckt sich auf alle mit der Zweigniederlassung verbundenen gerichtlichen und außergerichtlichen Handlungen. Im Vergleich zur Prokura ist die Vertretungsmacht der ständigen Vertretung in einer Zweigniederlassung weiter gefasst, weil die Einschränkung gemäß § 49 Abs. 2 Unternehmensgesetzbuch (Veräußerung und Belastung von Grundstücken) fehlt (Kalss in Doralt/Novotny/Kalss, AktG3 § 254 Rz 16).

Organe einer bulgarischen Aktiengesellschaft sind die Hauptversammlung der Aktionäre und der Direktorenrat (im einstufigen System) nach Art. 219 des bulgarischen Handelsgesetzes. Die Mitglieder des Direktorenrates vertreten die Gesellschaft gemeinsam, sofern in der Satzung nichts anderes festgesetzt ist. Die Beschwerdeführerin war laut festgestelltem Sachverhalt nicht Mitglied des Direktorenrates und somit kein gesetzlicher Vertreter der bulgarischen Gesellschaft.

Eine § 254 Abs. 2 AktG vergleichbare Bestimmung kennt § 107 Abs. 2 Gesetz über Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG), die den inländischen Vertreter ausländischer Gesellschaften mit beschränkter Haftung anspricht. Daher sind die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH), die er im Zusammenhang mit GmbHs ausgesprochen hat, ebenso bei Beurteilungen von Sachverhalten in Zusammenhang mit AGs heranzuziehen.

Der VwGH hat im Zusammenhang mit dem Prokuristen einer GmbH in seinem Erkenntnis vom , 89/08/0223, zur mit § 80 BAO i.V.m. § 9 BAO gleichlautenden Bestimmung des § 67 Abs. 10 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG) ausgesprochen, dass ein Prokurist nicht eine "zur Vertretung juristischer Personen berufene Person" im Sinne des § 67 Abs. 10 ASVG ist, weil er gewillkürter Vertreter ist. Im Gegensatz zu einem gesetzlichen Vertreter, ohne den die Gesellschaft nicht handeln kann, sei der Prokurist ein gewillkürter Vertreter, mag auch der Umfang der ihm rechtsgeschäftlich erteilten Bevollmächtigung im Gesetz geregelt sein. Andernfalls würden ja auch gewillkürte Vertreter natürlicher Personen sowie Prokuristen von Einzelkaufleuten haften; beides ist dem Gesetz nicht zu entnehmen (ebenso ).

Wie bereits ausgeführt, könnte im vorliegenden Fall die bulgarische Gesellschaft sehr wohl im Rahmen ihrer österreichischen Zweigniederlassung lediglich mit ihren gesetzlichen Vertretern handeln. Eines ständigen Vertreters bedarf es hierfür nicht.

Der VwGH hat in seinem Erkenntnis vom , 96/08/0268, zur Bestimmung des § 107 Abs. 1 GmbHG in der Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 304/1996 ausgesprochen, dass aus der Bestellung eines Inlandsvertreters im Sinne der §§ 107, 108 GmbHG nicht der Schluss gezogen werden kann, dass der solcherart bestellte Inlandsvertreter auch zur Vertretung der Gesellschaft schlechthin berufen sei, vor allem aber dem Vertretungsorgan der Gesellschaft - als Voraussetzung einer Haftung gemäß § 25a Abs. 7 Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz (BUAG) - angehöre. Die Frage, wer organschaftlich zur Vertretung der in Ungarn ansässigen Gesellschaft berufen ist, richtet sich vielmehr nach ungarischem Recht, während sich die Voraussetzungen und Wirkungen der gewillkürten Stellvertretung (und um eine solche und nicht um die Berufung in eine Organfunktion handelt es sich bei der Bestellung des inländischen Vertreters iSd § 108 Z. 2 GmbHG) nach österreichischem Recht bestimmen. Die Haftungsbestimmung des § 25a Abs. 7 BUAG erfasst jedoch - wie auch die Bestimmung des § 67 Abs. 10 ASVG - nur gesetzliche, nicht aber auch gewillkürte Vertreter juristischer Personen.

In einem weiteren Erkenntnis des führt dieser aus, dass gemäß § 9 Abs. 1 Verwaltungsstrafgesetz für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften (sofern die Verwaltungsvorschriften nichts anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte bestellt sind) strafrechtlich verantwortlich ist, wer zur Vertretung nach außen berufen ist. Damit sind jedoch nur die durch die Verfassung der juristischen Person (Gesetz, Satzung, Gesellschaftsvertrag) zur Vertretung berufene Organe gemeint. Darunter fällt aber nicht der ständige Vertreter im Sinne des § 107 Abs. 2 GmbH-Gesetz. Durch den Bestellungsakt der ausländischen Gesellschaft zu einem solchen wird dieser nämlich nicht zum Organ der Gesellschaft, sondern nur zu deren rechtsgeschäftlichen Vertreter (vgl. Frauenberger-Pfeiler in WK-GmbHG, Rz 71 zu § 107-114, sowie , zur im wesentlichen gleichlautenden Bestimmung des § 254 Aktiengesetz, mit zahlreichen weiteren Hinweisen).

Nach den Erkenntnissen des VwGH umfasst die Haftung "zur Vertretung juristischer Personen berufener Personen" nicht jene Personen, die lediglich rechtsgeschäftliche (gewillkürte) Vertreter sind.

Da im streitgegenständlichen Fall die Beschwerdeführerin als ständige Vertreterin der inländischen Zweigniederlassung nur gewillkürte Vertreterin, jedoch kein durch die Verfassung der juristischen Person zur Vertretung berufenes Organ war und der Primärschuldnerin aufgrund ihres Personalstatuts eines Mitgliedstaats der Europäischen Union in Bezug auf die Bestellung eines ständigen Vertreters lediglich ein Wahlrecht zugekommen ist, haftet die Beschwerdeführerin nicht gemäß § 9 BAO iVm § 80 BAO für Abgabenschuldigkeiten der Primärschuldnerin.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob ein ständiger Vertreter einer inländischen Zweigniederlassung gemäß § 9 BAO i.V.m. § 80 BAO für Abgabenschuldigkeiten der ausländischen Gesellschaft zur Haftung herangezogen werden kann, fehlt. Daher war auszusprechen, dass die ordentliche Revision zulässig ist.

Klagenfurt am Wörthersee, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 80 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 9 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 254 AktG, Aktiengesetz 1965, BGBl. Nr. 98/1965
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.4100537.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at