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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 30.08.2023, RV/3100314/2023

Familienbonus Plus bei Beantragung durch Familienbeihilfenberechtigten und Unterhaltsleister

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/3100314/2023-RS1
Bei Beantragung des Familienbonus Plus durch den Familienbeihilfenberechtigten und jener Person, dem für das Kind der Unterhaltsabsetzbetrag zusteht, ist der Familienbonus Plus im Verhältnis 50:50 aufzuteilen. Eine alternative Aufteilung findet keine rechtliche Grundlage. Daher ist es nicht zulässig, den Familienbonus Plus in solchen Konstellationen zur Gänze einer anspruchsberechtigten Person zuzusprechen, selbst wenn diese nahezu sämtliche Lebenshaltungskosten für das Kind trägt.
RV/3100314/2023-RS2
Ein rückwirkendes Ereignis iSd § 295a BAO könnte - wie dies die Erläuterungen, durch den Verweis auf einen Antrag nach einem "vorangegangenen Bescheid" ausführen (vgl. 190 BlgNR 26. GP 10) - in einem Fall vorliegen, in welchem nach dem Ergehen des Einkommensteuerbescheides gegenüber dem einen Anspruchsberechtigten der zweite Anspruchsberechtigte ebenfalls einen Antrag auf Familienbonus Plus stellt ().

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2022, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Im Fokus des gegenständlichen Verfahrens steht einerseits die Rechtsfrage, ob der Antrag auf Familienbonus Plus eines Anspruchsberechtigen nach Ergehen des Einkommensteuerbescheides eines anderen Anspruchsberechtigten und bei Berücksichtigung des ganzen Familienbonus Plus bei diesem als rückwirkendes Ereignis iSd § 295a BAO angesehen werden kann. Andererseits wird geprüft, ob der Familienbonus Plus einem Anspruchsberechtigen bei behaupteter Tragung nahezu sämtlicher Lebenshaltungskosten des Kindes zur Gänze zusteht.

I. Verfahrensgang

Mit Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2022 vom beantragte der Beschwerdeführer (in Folge kurz: Bf) (u. a.) die Berücksichtigung des ganzen Familienbonus Plus für seine Tochter ***x.x*** (VNR ***1234***).

Mit Einkommensteuerbescheid vom wurde der ganze Familienbonus Plus iHv € 650,16 gewährt.

Mit Bescheid vom wurde der Einkommensteuerbescheid vom gem § 295a BAO geändert und der Familienbonus Plus nur mehr zur Hälfte anerkannt. Begründend führte die Abgabenbehörde aus, der Familienbonus Plus sei nunmehr von der Familienbeihilfenbezieherin zur Hälfte beantragt worden und deshalb stehe dem Bf nur die andere Hälfte zu.

In weiterer Folge erhob der Bf am Beschwerde gegen den Bescheid vom und brachte zusammengefasst vor, seine Tochter habe nachweislich den gerichtlich festgelegten Unterhaltsbetrag von monatlich € 360,- von ihm erhalten. Außerdem habe er einen "Zusatzunterhalt" von € 1.505,- geleistet. Die Kindesmutter habe die Familienbeihilfe bezogen und diese der Tochter als Kostenbeitrag zur Mitfinanzierung der Unterkunft ausbezahlt. Weitere Beiträge zu den Lebenshaltungskosten erbringe die Kindesmutter nicht. Es werde daher beantragt, die Kindesmutter solle belegen, welche zusätzlichen Unterhaltszahlungen sie erbringe. Da nahezu sämtliche Lebenshaltungskosten vom Bf getragen worden seien, stehe auch der ganze Familienbonus Plus dem Bf zu.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Die Abgabenbehörde führte unter Zitierung der gesetzlichen Bestimmung aus, dass die Kindesmutter Familienbeihilfenbezieherin sei und ihr deshalb der halbe Familienbonus Plus zustehe.

Schließlich brachte der Bf am einen Vorlageantrag ein und führte ergänzend aus, der "steuerbelastete Staatsbürger" dürfe erwarten, dass nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes eine Behörde vor Bescheiderlassung gründliche und fachlich hochstehende Erhebungen tätige. Der Bf habe eine umfassende, aufwendig recherchierte und rechtsgetreue Beschwerde verfasst. Es werde daher um genaue Untersuchung der vorgebrachten Argumente ersucht.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der Bf ist Beamter i. R. und erzielte im Veranlagungsjahr 2022 Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit vom Land ***x***. Er ist Vater von ***x.x*** (VNR ***1234***). Die Tochter studierte im verfahrensgegenständlichen Zeitraum an der Medizinischen Universität in Graz und war dem Haushalt der Kindesmutter (der geschiedenen Ehegattin des Bf) haushaltszugehörig.

Im Jahr 2022 bezog die Kindesmutter die Familienbeihilfe für die Tochter.

Am beantragte die Kindesmutter - nach Ergehen des Einkommensteuerbescheides des Bf vom - die Berücksichtigung des halben Familienbonus Plus in ihrer Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2022.

Der Bf leistete für seine Tochter den gesetzlichen Unterhalt. Der Unterhaltsabsetzbetrag stand ihm im Veranlagungsjahr 2022 zu.

2. Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ergibt sich widerspruchsfrei aus den Familienbonus Plus relevanten Abgabenakten und ist im Wesentlichen zwischen den Verfahrensparteien unstrittig. Das Bundesfinanzgericht kann sich daher bedenkenlos diesen Feststellungen anschließen und diese seiner Entscheidung zugrunde legen.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Gemäß § 33 Abs 3a EStG 1988 steht auf Antrag ein Familienbonus Plus für ein Kind, für das Familienbeihilfe nach dem Familienlastenausgleichsgesetz 1967 gewährt wird und das sich ständig in einem Mitgliedstaat der EU oder Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz aufhält, nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen zu:

1. Der Familienbonus Plus beträgt

a) bis zum Ablauf des Monats, in dem das Kind das 18. Lebensjahr vollendet, für jeden Kalendermonat 166,68 Euro,

b) nach Ablauf des Monats, in dem das Kind das 18. Lebensjahr vollendet, für jeden Kalendermonat 54,18 Euro.

3. Der Familienbonus Plus ist in der Veranlagung entsprechend der Antragstellung durch den Steuerpflichtigen wie folgt zu berücksichtigen:

[…]

b) Für ein Kind, für das im jeweiligen Monat ein Unterhaltsabsetzbetrag nach Abs. 4 Z 3 zusteht:

- Beim Familienbeihilfenberechtigten oder vom Steuerpflichtigen, dem für das Kind der Unterhaltsabsetzbetrag zusteht, der nach Z 1 oder Z 2 zustehende Betrag oder

- beim Familienbeihilfenberechtigten und dem Steuerpflichtigen, dem für das Kind der Unterhaltsabsetzbetrag zusteht, jeweils die Hälfte des nach Z 1 oder Z 2 zustehenden Betrages.

Für einen Monat, für den kein Unterhaltsabsetzbetrag zusteht, steht dem Unterhaltsverpflichteten kein Familienbonus Plus zu.

Vorauszuschicken ist zunächst, dass gem § 295a BAO ein Bescheid auf Antrag der Partei oder von Amts wegen insoweit abgeändert werden kann, als ein Ereignis eintritt, das abgabenrechtliche Wirkung für die Vergangenheit auf den Bestand oder Umfang eines Abgabenanspruchs hat.

§ 295a BAO ist nur der Verfahrenstitel zur Durchbrechung der materiellen Rechtskraft von vor Eintritt des Ereignisses erlassenen Bescheiden. Es ist eine Frage des Inhalts bzw. der Auslegung der materiell-rechtlichen Abgabenvorschriften, welchen Ereignissen Rückwirkung (bezogen auf den Zeitpunkt des Entstehens des Abgabenanspruchs) zukommt (vgl. , sowie Ritz, BAO6, § 295a Tz 3 f und die dort zitierte hg. Judikatur).

Ein rückwirkendes Ereignis iSd § 295a BAO könnte - wie dies die Erläuterungen, durch den Verweis auf einen Antrag nach einem "vorangegangenen Bescheid" ausführen (vgl. 190 BlgNR 26. GP 10) - in einem Fall vorliegen, in welchem nach dem Ergehen des Einkommensteuerbescheides gegenüber dem einen Anspruchsberechtigten der zweite Anspruchsberechtigte ebenfalls einen Antrag auf Familienbonus Plus stellt ().

Im gegenständlichen Fall hat die Familienbeihilfenbezieherin - als eine Anspruchsberechtigte für den Familienbonus Plus - nach Ergehen des Einkommensteuerbescheides des Bf - als weiterer Anspruchsberechtigter - einen Antrag auf Berücksichtigung des Familienbonus Plus für das Kind ***x.x*** (VNR ***1234***) gestellt. Von einem verfahrensrechtlichen Standpunkt aus betrachtet, ist es folglich grundsätzlich zulässig, in derartigen Konstellationen Abänderungen von Einkommensteuerbescheiden nach § 295a BAO durchzuführen.

In materiell-rechtlicher Hinsicht ist auszuführen, dass der Familienbonus Plus nach eindeutigem Gesetzeswortlaut je Kind zur Gänze von einem anspruchsberechtigten Steuerpflichtigen oder je zur Hälfte von zwei anspruchsberechtigten Steuerpflichtigen beantragt werden kann. Eine andere Aufteilung ist nicht zulässig. Die Aufteilung erfolgt durch Antragstellung in der Steuererklärung (vgl. ErlRV 190 BlgNR XXVI. GP, 10 ff; Kanduth-Kristen in Jakom EStG, 16. Aufl. (2023), § 33, II. Absetzbeträge (§ 33 Abs 2 bis 6) [Rz 38]).

Anspruchsberechtigte Personen des Familienbonus Plus im gegenständlich anwendbaren Fall sind einerseits die Familienbeihilfenberechtigte und andererseits der Bf, dem für das Kind ***x.x*** (VNR ***1234***) der Unterhaltsabsetzbetrag zusteht. Beantragt haben beide Personen den Familienbonus Plus, wonach nach der gesetzlichen Bestimmung der Familienbonus Plus zwingend im Verhältnis 50:50 aufzuteilen ist. Demzufolge dem Bf der halbe Familienbonus Plus für das Kind ***x.x*** (VNR ***1234***) zusteht.

Unerheblich ist hingegen, dass der Bf nahezu ausschließlich sämtliche monetären Lebenshaltungskosten für seine Tochter trägt, zumal - wie zuvor erläutert - § 33 Abs 3a Z 3 EStG 1988 ausdrücklich auf den Familienbeihilfenberechtigten und die Person, die der Unterhaltsabsetzbetrag zusteht, abstellt. Vor diesem Hintergrund darf jedoch nicht außer Acht gelassen werden, dass es der allgemeinen Lebenserfahrung entspricht, dass in einem Haushalt, in dem ein Kind lebt, neben - wenn auch nur geringen - finanziellen Zuwendungen auch Naturalleistungen für das Kind erbracht werden. Sachverhaltsmäßig wurde festgestellt, dass die Tochter dem Haushalt der Kindesmutter zugehörig ist.

Der "Antrag" des Bf, die Kindesmutter solle belegen, welche zusätzlichen Unterhaltszahlungen sie erbringe, geht damit ins Leere, da es nicht darauf ankommt, welche Zahlungen sie leistet. Entscheidend ist ausschließlich, dass sie Familienbeihilfenberechtigte für ihre Tochter ist.

Abschließend ist noch festzuhalten, dass die Abgabenbehörde den entscheidungswesentlichen Sachverhalt - insbesondere die Person der Familienbeihilfenberechtigten und jene Person, die der Unterhaltsabsetzbetrag zusteht - festgestellt hat. Der Vorwurf des Bf, die Abgabenbehörde habe vor Bescheiderlassung keine "gründlichen und fachlich hochstehenden Erhebungen" getätigt, erweist sich somit als unbegründet.

Im Ergebnis konnte dem Beschwerdebegehren kein Erfolg beschieden sein und war die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Beschwerdefall wurden keine Rechtsfragen aufgeworfen, welche iSd Art 133 Abs 4 B-VG grundsätzlicher Bedeutung zukämen. Das Bundesfinanzgericht orientierte sich bei der zu lösende Rechtsfrage an den eindeutigen Wortlaut des Gesetzes und der höchstgerichtlichen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes. Überdies hing die Entscheidung im Wesentlichen von den Umständen des Einzelfalles sowie auf der Ebene der Beweiswürdigung zu beantwortenden Sachfragen ab. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist daher nicht zulässig.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 33 Abs. 3a EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 295a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.3100314.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at