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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 31.07.2023, RV/6100198/2020

Übernahme von Bestattungskosten und Gewinnfreibetrag gem § 10 Abs 1 Z 3 EStG 1988 als Betriebsausgabe bei der Ermittlung von Einkünften gem § 22 Z 4 EStG 1988

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/6100198/2020-RS1
Die Bestattungsbeihilfe stellt eine Leistung der Wohlfahrtseinrichtungen der Ärztekammern dar, welche auf Beitragszahlungen des verstorbenen Kammermitglieds beruht. Diese Pflichtbeitragszahlungen stellten Betriebsausgabe im Einzelunternehmen des verstorbenen Kammermitglieds (Zahnärztin) dar. Die von der beschwerdeführenden Partei (bP) getragenen Kosten können nur dann Betriebsausgaben darstellen, wenn diese Kosten für sich selbst – und nicht als bloße Bedingung für den Erhalt eines Kostenersatzes – betrieblich veranlasst sind. Bei Begräbniskosten für Angehörige ist eine betriebliche Veranlassung nicht erkennbar. Vielmehr handelt es sich im vorliegenden Fall um Kosten der privaten Lebensführung der bP, die von den Wohlfahrtseinrichtungen der Ärztekammer ersetzt wurden. Kosten der privaten Lebensführung sind gem § 20 EStG 1988 nicht abzugsfähig.
RV/6100198/2020-RS2
Ein Gewinnfreibetrag gem § 10 Abs 1 Z 3 EStG 1988 (Grundfreibetrag) kann bei der „Gewinnermittlung eines Betriebes“ gewinnmindernd geltend gemacht werden. An einem solchen „Betrieb“ fehlt es im vorliegenden Fall. Die beschwerdeführende Partei (bP) hat die den Leistungen der Wohlfahrtseinrichtungen der Ärztekammer zugrundeliegende Tätigkeit nicht ausgeübt. § 22 Z 4 EStG 1988 bewirkt die bloße Zuordnung dieser Leistungen zu den Einkünften aus selbständiger Arbeit der bP. Bei der Ermittlung der Einkünfte aus selbständiger Arbeit der bP kann daher kein Gewinnfreibetrag gem § 10 Abs 1 Z 3 EStG 1988 geltend gemacht werden, weil es an der „Gewinnermittlung eines Betriebes“ mangelt.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Albert Salzmann in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Schwaighofer Wirtschaftstreuhand GmbH Steuerberatungsgesellschaft, Landesstraße 7a, 5302 Henndorf am Wallersee, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Salzburg-Land (nunmehr Finanzamt Österreich) vom betreffend Einkommensteuer 2015 zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Der Bescheid vom wird entsprechend der Beschwerdevorentscheidung vom abgeändert.
Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind der Beschwerdevorentscheidung vom zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Zu Beginn eines Außenprüfungsverfahrens hat die beschwerdeführende Partei (bP) am eine Einkommensteuererklärung für 2015 übergeben und Selbstanzeige gem § 29 FinStrG erstattet.

Im Anschluss an dieses Außenprüfungsverfahren hat das Finanzamt (FA) am einen Einkommensteuerbescheid für 2015 erlassen und ist dabei von der Steuererklärung bzw Selbstanzeige der bP abgewichen.

Mit Schriftsatz des steuerlichen Vertreters vom hat die bP innerhalb offener Frist Beschwerde gegen den og Einkommensteuerbescheid erhoben.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom hat das FA der Beschwerde nicht Folge gegeben und den Bescheid abgeändert (Verböserung).

Mit Schriftsatz des steuerlichen Vertreters vom hat die bP die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht beantragt.

Mit Vorlagebericht vom hat das FA die Beschwerde elektronisch dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die bP hat nach dem Tod ihrer Schwiegermutter im Jahr 2015 von der Ärztekammer eine Hinterbliebenenunterstützung in Höhe von € 6.000,00 und eine Bestattungsbeihilfe in Höhe von € 2.990,40 erhalten.

Um die Bestattungsbeihilfe zu erhalten, musste die bP die Begräbniskosten selbst tragen. Erst nach der Vorlage der Rechnungen über die Begräbniskosten und der Zahlungsnachweise wurden die von der bP getragen Begräbniskosten von der Wohlfahrtskasse der Ärztekammer als Bestattungsbeihilfe an die bP ausbezahlt.

2. Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ergibt sich aus den vorgelegten Akten, insbesondere aus der Steuererklärung, der Selbstanzeige vom , dem BP-Bericht vom , der Beschwerde vom , der Beschwerdevorentscheidung vom und dem Vorlageantrag vom .

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist zwischen den Verfahrensparteien unstrittig.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Rechtsgrundlagen

§ 4 Abs 4 EStG 1988 lautet:
Betriebsausgaben sind die Aufwendungen oder Ausgaben, die durch den Betrieb veranlasst sind. Betriebsausgaben sind jedenfalls:
1. a) ….
b) Pflichtbeiträge zu Versorgungs- und Unterstützungseinrichtungen der Kammern der
selbständig Erwerbstätigen, soweit diese Einrichtungen der Kranken-, Unfall-, Alters-,
Invaliditäts- und Hinterbliebenenversorgung dienen, weiters Beiträge zu einer
inländischen gesetzlichen Krankenversicherung. Beiträge zu Einrichtungen, die der
Krankenversorgung dienen, sowie Beiträge zu inländischen gesetzlichen
Krankenversicherungen sind nur insoweit abzugsfähig, als sie der Höhe nach insgesamt
Pflichtbeiträgen in der gesetzlichen Sozialversicherung entsprechen.
c) …."

§ 10 EStG 1988 lautet:
(1) Bei natürlichen Personen kann bei der Gewinnermittlung eines Betriebes ein Gewinnfreibetrag nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen gewinnmindernd geltend gemacht werden:
1. Bemessungsgrundlage für den Gewinnfreibetrag ist der Gewinn, ausgenommen
- Veräußerungsgewinne (§ 24),
- Einkünfte im Sinne des § 27 Abs. 2 Z 1 und 2, auf die ein besonderer Steuersatz gemäß § 27a
Abs. 1 angewendet wird.
2. Der Gewinnfreibetrag beträgt:
- Für die ersten 175 000 Euro der Bemessungsgrundlage 13%,
- für die nächsten 175 000 Euro der Bemessungsgrundlage 7%,
- für die nächsten 230 000 Euro der Bemessungsgrundlage 4,5%,
insgesamt somit höchstens 45 350 Euro im Veranlagungsjahr.
3. Bis zu einer Bemessungsgrundlage von 30 000 Euro, höchstens daher mit 3 900 Euro, steht der Gewinnfreibetrag dem Steuerpflichtigen für jedes Veranlagungsjahr einmal ohne Investitionserfordernis zu (Grundfreibetrag).
…."

§ 22 Z 4 EStG 1988 lautet:
Bezüge und Vorteile aus Versorgungs- und Unterstützungseinrichtungen der Kammern der selbständig Erwerbstätigen, soweit sie nicht unter § 25 fallen.

§ 32 Abs 1 EStG 1988 lautet:
Zu den Einkünften im Sinne des § 2 Abs. 3 gehören auch:
1. ….
2. - Einkünfte aus einer ehemaligen betrieblichen Tätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 3 Z 1 bis 3 (zB
Gewinne aus dem Eingang abgeschriebener Forderungen oder Verluste aus dem Ausfall
von Forderungen),
- ….
und zwar jeweils auch beim Rechtsnachfolger. …"

§ 34 EStG 1988 lautet:
(1) Bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen sind nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muß folgende Voraussetzungen erfüllen:
1. Sie muß außergewöhnlich sein (Abs. 2).
2. Sie muß zwangsläufig erwachsen (Abs. 3).
3.
Sie muß die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4).
Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein.
(2)
Die Belastung ist außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst.
(3)
Die Belastung erwächst dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.
…"

3.2. Zu Spruchpunkt I. (Abänderung)

Strittig ist die steuerrechtliche Behandlung der von der bP getragenen Bestattungskosten für die verstorbene Schwiegermutter und ob für 2015 ein Gewinnfreibetrag gem § 10 Abs 1 Z 3 EStG 1988 geltend gemacht werden kann.

Unstrittig ist die grundsätzliche Steuerpflicht gem § 22 Z 4 iVm § 32 Abs 1 Z 2 EStG 1988 der von den Wohlfahrtseinrichtungen der Ärztekammer an die bP geleistete Hinterbliebenenunter-stützung iHv € 6.000,00 und der Bestattungsbeihilfe iHv € 2.990,40. Unstrittig ist auch, dass die og Bestattungsbeihilfe zwingend mit der Tragung der tatsächlichen Bestattungskosten durch die bP verbunden war.
Zur Steuerpflicht von Leistungen der Wohlfahrtseinrichtungen der Ärztekammern wird auf die erschöpfenden Ausführungen in BFG-Erkenntnis vom , RV/7103601/2019, verwiesen (vgl dazu auch ).

Bestattungskosten:
Die bP führt in der Beschwerde im Wesentlichen aus, dass die Bezahlung der Bestattungs-kosten durch die bP Voraussetzung für den Erhalt der Bestattungsbeihilfe gewesen sei. Die Zahlung der Bestattungskosten sei daher durch die Einkünfteerzielung "veranlasst" gewesen und stelle daher Betriebsausgaben bei der Ermittlung der Einkünfte gem § 22 Z 4 EStG 1988 dar.

Die bP übersieht dabei, dass zwar die Tragung der Begräbniskosten eine Bedingung für den Erhalt der Bestattungsbeihilfe darstellt, aber die erhaltene Bestattungsbeihilfe selbst eine Leistung der Wohlfahrtseinrichtung der Ärztekammer darstellt, welche wiederum auf Beitragszahlungen der Schwiegermutter beruht. Diese Pflichtbeitragszahlungen stellten Betriebsausgaben im Einzelunternehmen der Schwiegermutter (Zahnärztin) dar (siehe dazu Jakom, Einkommensteuerkommentar, 16. Auflage, § 22, RZ 136 ff).

Die von der bP getragenen Kosten können nur dann Betriebsausgaben darstellen, wenn diese Kosten für sich selbst - und nicht als bloße Bedingung für den Erhalt eines Kostenersatzes - betrieblich veranlasst sind. Bei Begräbniskosten für Angehörige ist eine betriebliche Veranlassung nicht erkennbar. Vielmehr handelt es sich im vorliegenden Fall um Kosten der privaten Lebensführung der bP, die von den Wohlfahrtseinrichtungen der Ärztekammer ersetzt wurden. Kosten der privaten Lebensführung sind gem § 20 EStG 1988 nicht abzugsfähig.

Da die Übernahme der Begräbniskosten durch die bP freiwillig erfolgt ist, die Kosten in erster Linie vom Nachlass zu bestreiten gewesen wären und selbst für den Fall der Vermögenslosig-keit des Nachlasses im vorliegenden Fall auch keine wirtschaftliche Belastung für die bP vor-läge (Ersatz der Kosten durch Bestattungsbeihilfe - als Belastung verbliebe somit ausschließ-lich die Steuernachforderung aufgrund der Steuerpflicht der Bestattungsbeihilfe), stellen die Begräbniskosten auch keine außergewöhnlichen Belastungen iSd § 34 EStG 1988 dar.

Gewinnfreibetrag gem § 10 Abs 1 Z 3 EStG 1988:
Die bP beantragt die Berücksichtigung des Grundfreibetrages gem § 10 Abs 1 Z 3 EStG 1988 iHv € 780,00. Ein solcher kann gem leg cit bei der "Gewinnermittlung eines Betriebes" gewinnmindernd geltend gemacht werden. An einem solchen "Betrieb" fehlt es im vorliegenden Fall. Die bP ist nicht aufgrund eines Betriebes steuerpflichtig, sondern aufgrund der Bestimmungen des § 22 Z 4 iVm § 32 Abs 1 Z 2 EStG 1988. Diese Bestimmungen erfassen Bezüge und Vorteile aus Versorgungs- und Unterstützungseinrichtungen der Kammern der selbständigen Erwerbstätigen. Da die bP die den og Leistungen der Wohlfahrtseinrichtungen der Ärztekammer zugrundeliegende Tätigkeit nicht ausgeübt hat und die genannten Bestimmungen eine bloße Zuordnung dieser Leistungen zu den Einkünften aus selbständiger Arbeit der bP bewirken, kann bei der Ermittlung der Einkünfte aus selbständiger Arbeit kein Gewinnfreibetrag gem § 10 Abs 1 Z 3 EStG 1988 geltend gemacht werden, weil es an der "Gewinnermittlung eines Betriebes" mangelt.

Diese wörtliche Interpretation des § 10 Abs 1 Z 3 EStG 1988 entspricht auch dessen Telos:
Mit dem StRefG 2009 hat der Gesetzgeber § 10 Abs 1 Z 3 EStG 1988 als Äquivalent zur "Sechstelbesteuerung" gem § 67 EStG 1988 ausgebaut. Der Grundfreibetrag wirkt dabei wie eine Tarifermäßigung, welche umfänglich der begünstigten Besteuerung von Sonderzahlungen bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit nachempfunden ist.

§ 22 Z 4 EStG 1988 regelt die Steuerpflicht von Bezügen und Vorteilen aus Versorgungs- und Unterstützungseinrichtungen der Kammern der selbständigen Erwerbstätigen. Die Besteuerung beim Empfänger solcher Bezüge und Vorteile korrespondiert mit der gewinnmindernden Berücksichtigung der verpflichtenden Beiträge an die Wohlfahrtseinrichtungen der Ärztekammern. Die der Hinterbliebenenunterstützung und der Bestattungsbeihilfe zugrundeliegende Tätigkeit wurde von der bP selbst nie ausgeübt. Es handelt sich im vorliegenden Fall um eine Leistung der Wohlfahrtseinrichtungen der Ärztekammern an eine Begünstigte, die aufgrund der genannten Bestimmung der Steuerpflicht unterliegen. Weder stellen die gegenständlichen Leistungen der Wohlfahrtseinrichtungen der Ärztekammern laufende Einkünfte der bP dar, welche dem Willen des Gesetzgebers nach mittels Tarifsenkung entlastet werden sollten, noch ist für das BFG ein sachlicher Grund erkennbar, warum der Gesetzgeber für den vorliegenden Fall eine äquivalente Begünstigung iSd § 67 EStG 1988 schaffen hätte wollen, wenn dies dem Gesetzestext nicht zu entnehmen ist.

3.3. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da zur Geltendmachung eines Gewinnfreibetrags gem § 10 Abs 1 Z 3 EStG 1988 bei Einkünften gem § 22 Z 4 EStG 1988 keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besteht, war die (ordentliche) Revision zuzulassen.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise

Zitiert/besprochen in
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.6100198.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at