Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 29.08.2023, RV/7101726/2023

Ein gemäß § 295a BAO abgeänderter Bescheid ist nur hinsichtlich der Abänderung anfechtbar

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin ***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, betreffend Beschwerde vom gegen den gem. § 295a geänderten Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2019, Steuernummer ***Bf1-StNr***, beschlossen:

Die Beschwerde wird gemäß § 260 Abs. 1 lit. a BAO iVm § 278 Abs. 1 lit. a BAO als nicht zulässig zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

Die Beschwerdeführerin (Bf.) beantragte im Rahmen ihrer Erklärung zur Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung 2019 für das Kind ***Kind1***, geb. am **Datum1***, den (ganzen) Familienbonus Plus und für das Kind ***Kind2***, geb. am ***Datum2***, den Unterhaltsabsetzbetrag. Die im Jahr 2019 für den Sohn ***Kind2*** geleisteten Unterhaltszahlungen wurden mit 600 € angegeben (Höhe der monatlichen Unterhaltsverpflichtung 150 €).

Mit Ergänzungsersuchen des Finanzamtes Österreich vom wurde die Bf. hinsichtlich der Geltendmachung des Unterhaltsabsetzbetrages für das Kind ***Kind2*** um Vorlage der Unterhaltsverpflichtung und der Zahlungsnachweise ersucht.

In Beantwortung dieses Ersuchens übermittelte die Bf. am die mit September 2019 datierte Unterhaltsvereinbarung sowie eine Bestätigung des ***Kind2*** vom , dass er die Unterhaltszahlung iHv 600 € für die Monate September bis Dezember 2019 von seiner Mutter im Vorhinein in bar erhalten habe.

Mit dem Einkommensteuerbescheid vom berücksichtigte das Finanzamt einen Familienbonus Plus in der Höhe von 750 € und einen Unterhaltsabsetzbetrag iHv 29,20 €. Begründend wurde ausgeführt, dass der Familienbonus Plus für das Kind ***Kind1*** nur zur Hälfte berücksichtigt werden könne, weil die andere Hälfte des Familienbonus Plus vom (Ehe-)Partner beantragt worden sei.

Zum Unterhaltsabsetzbetrag wurde ausgeführt, dass der Unterhaltsabsetzbetrag nur für 1 Monat zum Ansatz kommen könne, weil die Bf. ihrer gesetzlichen Unterhaltsverpflichtung nicht zur Gänze nachgekommen sei.

Mit Bescheid vom wurde der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2019 gemäß § 295a BAO abgeändert und der Familienbonus Plus iHv insgesamt 958,40 € berücksichtigt.

Der Bescheid enthält folgenden Hinweis:

Die Abgabengutschrift wurde Ihrem oben angeführten Abgabenkonto gutgeschrieben.
Dieser Bescheid tritt nicht an die Stelle des Bescheides vom sondern ändert diesen auf Grund des rückwirkenden Ereignisses hinsichtlich folgender Punkte:

• Familienbonus Plus

In der Begründung wurde - wortgleich wie im Bescheid vom - ausgeführt, dass der Familienbonus Plus für das Kind ***Kind1*** nur zur Hälfte berücksichtigt werden könne, weil die andere Hälfte des Familienbonus Plus vom (Ehe-) Partner beantragt worden sei.

Gegen den gem. § 295a abgeänderten Bescheid brachte die Bf. am eine Beschwerde ein, die sich gegen die Berücksichtigung des Familienbonus Plus lediglich zur Hälfte für das Kind ***Kind1*** richtet. Die Bf. brachte vor, dass der andere Elternteil nach der Trennung in 2018 bereits aus dem gemeinsamen Haus ausgezogen sei. Der andere Elternteil habe in dieser Zeit (2019) keinen Unterhalt für die Tochter ***Kind1*** bezahlt. Die Teilung des Familienbonus Plus mit ihrem Ex-Gatten sei daher nicht korrekt.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde der Bescheid vom auf Grund der Beschwerde geändert.

In der Begründung wurde ausgeführt:

"Gemäß § 295a Bundesabgabenordnung kann ein Bescheid auf Antrag oder von Amts wegen insoweit abgeändert werden, als ein Ereignis eintritt, das abgabenrechtliche Wirkung für die Vergangenheit auf den Bestand oder Umfang eines Abgabenanspruches hat (=rückwirkendes Ereignis). Da ein Abänderungsbescheid gemäß § 295a Bundesabgabenordnung aufgrund der gesetzlich vorgeschriebenen Teilrechtskraft nur hinsichtlich der Abänderung (in Ihrem Fall: Familienbonus Plus für Ihr Kind ***Kind2***) mit Bescheidbeschwerde anfechtbar ist, war Ihre Beschwerde abzuweisen.

Der Familienbonus Plus kann für das Kind mit der Sozialversicherungsnummer/mit dem Geburtsdatum **Datum1*** nur zur Hälfte berücksichtigt werden, weil für dieses Kind die andere Hälfte des Familienbonus Plus von der/dem (Ehe-)Partner/in beantragt wurde."

Im rechtzeitig eingebrachten Vorlageantrag brachte die Bf. vor, dass der andere Elternteil die andere Hälfte des Familienbonus Plus nicht rechtmäßig bezogen habe, da er im Jahr 2019 keinen Unterhalt/Alimente bezahlt habe, OBWOHL er aus dem gemeinsamen Haushalt ausgezogen ist (It. Scheidungsklage vom , ***GZ***: ...infolge des plötzlichen Auszuges aus der Ehewohnung am böswilliges Verlassen und Imstichlassen der Ehefrau und der Kinder...). In diesem Zeitraum habe es auch keinerlei Unterhalts/Alimente-Zahlungen für das damals minderjährige Kind ***Kind1*** gegeben. Sie ersuche, dass der andere Elternteil etwaige Unterhalts/Alimente-Zahlungen für 2019 für das Kind ***Kind1*** dem Finanzamt belegen soll, denn diese Zahlungen seien nie erfolgt.

Mit Vorlagebericht vom legte die belangte Behörde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht vor.

Gemäß § 260 Abs. 1 BAO ist die Bescheidbeschwerde mit Beschluss zurückzuweisen, wenn sie a) nicht zulässig ist oder
b) nicht fristgerecht eingebracht wurde.

Aus der Systematik der §§ 278 und 279 BAO ergibt sich die Verpflichtung zur Überprüfung der Formalerfordernisse eines Rechtsmittels vor einer materiellen Erledigung.

Gemäß § 295a Abs. 1 BAO kann ein Bescheid auf Antrag der Partei (§ 78) oder von Amts wegen insoweit abgeändert werden, als ein Ereignis eintritt, das abgabenrechtliche Wirkung für die Vergangenheit auf den Bestand oder Umfang eines Abgabenanspruches hat.

Grundsätzlich verändern nach Entstehen des Abgabenanspruches eingetretene Ereignisse nicht den Bestand und Umfang des Abgabenanspruches (Stoll, BAO, 58 ff). Da sich die Rückwirkung von Ereignissen aus den Abgabenvorschriften ergeben muss, ist § 295a BAO nur der Verfahrenstitel zur Durchbrechung der (materiellen) Rechtskraft von vor Eintritt des Ereignisses erlassenen Bescheiden (; , 2007/13/0084; , 2006/15/0151; , 2007/15/0259). Es ist daher eine Frage des Inhaltes bzw. der Auslegung der Abgabenvorschriften, welchen Ereignissen Rückwirkung (bezogen auf den Zeitpunkt des Entstehens des Abgabenanspruches) zukommt (Ritz, BAO6, § 295a Tz 3f).

Das Ereignis, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat, muss nachträglich eintreten, weil nur dann die Notwendigkeit besteht, die Bestandskraft zu durchbrechen. Folglich darf das Ereignis bei Erlass des ursprünglichen Bescheides noch nicht eingetreten sein (Tipke/Kruse, Kommentar zur AO, § 175 Tz. 23).

Die Abänderung gemäß § 295a BAO ist lediglich eingeschränkt zulässig ("insoweit"). Durch diese Maßnahme wird die Rechtskraft eines Bescheides nur hinsichtlich der abgabenrechtlichen Folgen rückwirkender Ereignisse durchbrochen. Ein Bescheid gemäß § 295a BAO ist ein abändernder Bescheid. Diesem kommt somit die Wirkung einer Berichtigung des abgeänderten zu. Der abändernde Bescheid tritt nicht an Stelle eines Bescheides. Er ist daher nur hinsichtlich der Abänderung mit Beschwerde anfechtbar (Ritz, BAO6, § 295a Tz 42). Der vom rückwirkenden Ereignis unberührte Teil der Abgabenfestsetzung verbleibt in Teilrechtskraft (siehe auch Ellinger/Sutter/Urtz, BAO, § 295a, Anm 10).

Mit beschwerdegegenständlichem Bescheid vom wurde der Bescheid vom gem. § 295a BAO insoweit geändert, als der Familienbonus Plus von 750 € auf 958,40 € erhöht wurde, wobei der Bescheid keinerlei Feststellungen dahingehend enthält, was konkret vom Finanzamt als rückwirkendes Ereignis gemäß § 295a BAO qualifiziert wurde, das eine Erhöhung des Familienbonus Plus um 208,40 € zur Folge hat.

Der abändernde Bescheid enthält zwar den Hinweis, dass er den Bescheid vom "auf Grund des rückwirkenden Ereignisses" hinsichtlich des Familienbonus Plus ändert, die Bescheidbegründung erschöpft sich jedoch ausschließlich in - gegenüber dem abgeänderten Bescheid unverändert gebliebenen - Ausführungen im Zusammenhang mit der Gewährung des Familienbonus Plus für das Kind ***Kind1***; eine Begründung für die Abänderung bzw. eine Darstellung des rückwirkenden Ereignisses enthält der in Beschwerde gezogene Bescheid nicht.

Aus der Zusammenschau des Bescheides gemäß § 295a BAO mit der Begründung der Beschwerdevorentscheidung vom ist ersichtlich, dass die von der Abgabenbehörde durchgeführte Änderung die Anerkennung des Familienbonus Plus für das Kind ***Kind2*** betrifft. Abgesehen davon, dass sich der im gem. § 295a BAO abgeänderten Bescheid zusätzlich anerkannte Betrag von 208,40 € für das BFG nicht nachvollziehen lässt (Familienbonus Plus für 5 Monate?), kann auch der Beschwerdevorentscheidung nicht entnommen werden, aufgrund welchen rückwirkenden Ereignisses die Änderung betreffend Familienbonus Plus vorgenommen wurde.

Festzuhalten ist weiters, dass bei einer Bescheidabänderung nach § 295a BAO eine Ermessensentscheidung zu treffen ist. Das Ermessen ist iSd § 20 BAO zu begründen. Durch die Ermessensgebundenheit des § 295a BAO wird sichergestellt, dass die Abgabenbehörde die Umstände des Eintritts des rückwirkenden Ereignisses für die Frage der tatsächlichen Abänderung des Abgabenbescheides angemessen berücksichtigen kann (/00579. Der angefochtene Bescheid beinhaltet jedoch keine Ausführungen zur Ermessensentscheidung.

Der angeführten Bescheidbegründung kann daher weder entnommen werden, welches "rückwirkende Ereignis" das Finanzamt zu einer Änderung nach § 295a BAO veranlasst hat noch in welcher Weise das Ermessen geübt wurde. Dem BFG war es daher nicht möglich zu überprüfen, welche konkreten Erwägungen das Finanzamt seiner Entscheidung zugrunde legte.

Die Bestimmung des § 295a BAO stellt kein Instrument für die Korrektur einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung eines Sachverhaltes dar.

Eine Beseitigung dieses gemäß § 295a BAO ergangenen Änderungsbescheides zur Einkommensteuer 2019 durch (ersatzlose) Aufhebung nach § 279 BAO hat allerdings als meritorische Rechtmittelerledigung die formelle Ordnungsmäßigkeit des eingebrachten Rechtmittels zur Voraussetzung.

Wie im Sachverhalt dargestellt, zielt das an das BFG herangetragene Rechtmittel auf die Zuerkennung des ganzen Familienbonus Plus für das Kind ***Kind1*** ab. Die Beschwerde wendet sich somit gegen einen Bestandteil des Einkommensteuerbescheides, der nicht Gegenstand der Bescheidänderung nach § 295a BAO war, zumal der geänderte Bescheid vom den - mit dem verfahrensgegenständlichen Rechtmittel bekämpfte - Familienbonus Plus für das Kindes ***Kind1*** unverändert belassen hat und die durchgeführte Änderung die Anerkennung des Familienbonus Plus für das Kind ***Kind2*** betrifft.

Aufgrund der dargestellten rechtlichen Sondersituation von Bescheiden nach § 295a BAO (zum geänderten Bescheid hinzutretender Bescheid mit Wirkung nur für den Bereich der Änderung) ist der Anspruch auf Gewährung des vollen Familienbonus Plus für das Kind ***Kind1*** einer Überprüfung im Beschwerdeverfahren gegen den Änderungsbescheid vom daher nicht zugänglich. Das darauf abzielende Rechtsmittel der Bf. gegen diesen Bescheid war deshalb als unzulässig zurückzuweisen.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Beschwerdeverfahren wurden keine Rechtsfragen aufgeworfen, auf welche die genannten Voraussetzungen zutreffen. Die Entscheidung folgt dem klaren Wortlaut der angewendeten gesetzlichen Bestimmungen und der angeführten VwGH-Judikatur.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 260 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 295a Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7101726.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at