Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 11.08.2023, RV/7100409/2023

Aufwendungen im Zusammenhang mit der Behinderung der Ehegattin

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Anna Radschek in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Steirer, Mika & Comp. Wirtschaftstreuhandgesellschaft m.b.H., Franz-Josefs-Kai 53/2/10, 1010 Wien, über die Beschwerden vom und gegen die Bescheide des Finanzamtes Österreich vom , 27. September2022, und vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2017 bis 2021, Steuernummer ***BF1StNr1***, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am in Anwesenheit der Schriftführerin FOIin Andrea Newrkla

I.a.zu Recht erkannt:

a.a. Den Beschwerden gegen die Bescheide betreffend Einkommensteuer 2017, 2018 und 2021 wird im eingeschränkten Umfang Folge gegeben.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgaben der Einkommensteuerbescheide 2017, 2018 und 2021 sind den als Beilage angeschlossenen Berechnungsblättern zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

b.b. Die Beschwerde gegen den Bescheid betreffend Einkommensteuer 2019 wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

b.beschlossen:

Die Beschwerde gegen den Bescheid betreffend Einkommensteuer 2020 vom wird gemäß § 260 Abs. 1 lit. b BAO als nicht fristgerecht eingebracht zurückgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis und diesen Beschluss ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Weil der Beschwerdeführer in den einzelnen Kalenderjahren gleichzeitig lohnsteuerpflichtige Einkünfte von zwei auszahlenden Stellen erhalten hatte, war er verpflichtet, Einkommensteuererklärungen abzugeben. Da er dieser Verpflichtung nur für die Jahre 2017, 2018 und 2021 nachkam, wurden die Veranlagungen für 2020 mit Einkommensteuerbescheidvom und für 2019 mit Einkommensteuerbescheid vom von Amts wegen vorgenommen.

Für die Jahre 2017, 2018 und 2021 wurden mit Datum vom Erklärungen zur Arbeitnehmerveranlagung eingebracht, in denen auch die Berücksichtigung der aus der Behinderung der Ehepartnerin entstandenen Kosten als außergewöhnliche Belastungen in Höhe von 9.366,76 € (2017), 10.005,93 € (2018) und 11.115,22 € (2021) begehrt wurde.

Nachdem ein Ersuchen um Vorlage von Unterlagen zu den geltend gemachten Kosten im Veranlagungsjahr 2021 nicht beantwortet worden war, erfolgten die Veranlagungen zur Einkommensteuer 2017 und 2018 mit Bescheiden vom und die Veranlagung zur Einkommensteuer 2021 mit Bescheid vom .

In den angefochtenen Einkommensteuerbescheiden 2017 bis 2021 wurde die Berücksichtigung der sich aus der Krankheit und Behinderung der Ehegattin ergebenden Kosten als außergewöhnliche Belastung im Sinne des § 34 ohne Abzug eines Selbstbehaltes verwehrt. Desgleichen wurden keine über den Pauschalbetrag hinausgehende Sonderausgaben berücksichtigt.

Begründend wurde ausgeführt, dass die Einkünfte der Ehegattin über 6.000 € liegen, und daher die Voraussetzungen für die Berücksichtigung ihrer Krankheitskosten als außergewöhnliche Behinderung nicht vorliegen würden.

Mit Schreiben vom wurde die Erstreckung der Frist zur Einbringung einer Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2020 bis beantragt. Im Rahmen eines Telefonates (Aktenvermerk vom ) wurde von der belangten Behörde eine weitere Erstreckung der Rechtsmittelfrist bis gewährt.

Mit Schreiben vom und wurde gegen die Einkommensteuerbescheide 2020 und 2019 Beschwerde erhoben. Begründend wurde ausgeführt, dass Sonderausgaben und außergewöhnliche Belastungen nicht berücksichtigt worden seien. Als außergewöhnliche Belastungen ohne Selbstbehalt wurden tatsächliche Kosten auf Grund einer Behinderung der Ehegattin in Höhe von 3.296,66 € (2020) und 6.441,40 € (2019) geltend gemacht.

Mit Schreiben vom wurde gegen die Einkommensteuerbescheide 2017, 2018 und 2021 Beschwerde erhoben. Begründend wurde u.a. ausgeführt, dass es sich bei den geltend gemachten außergewöhnlichen Belastungen um Pflegekosten der Ehegattin des Beschwerdeführers handle und diese als außergewöhnliche Belastungen ohne Selbstbehalt zu berücksichtigen wären.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde der angefochtene Einkommensteuerbescheid 2020 zwar laut Spruch abgeändert, es kam aber zu keiner inhaltlichen Änderung. In der Begründung wurde angeführt, die geltend gemachten außergewöhnlichen Belastungen infolge Behinderung der Ehegattin in Höhe von 3.296,66 € hätten nicht anerkannt werden, da die jährlichen Einkünfte der Ehepartnerin im Kalenderjahr 2020 die Grenze von € 6.000,00 überschritten hätten. Es werde aber darauf hingewiesen, dass die Kosten für die Ehegattin noch im Wege einer Arbeitnehmerveranlagung für 2020 bei dieser beantragt werden könnten. Die darüber hinaus geltend gemachten Aufwendungen für außergewöhnliche Belastungen hätten nicht berücksichtigt werden können, da sie niedriger als der für den Beschwerdeführer gültige Selbstbehalt in Höhe von 9.593,30 € seien. Der Freibetrag für Behinderung hätte nicht berücksichtigt werden können, weil der Beschwerdeführer ganzjährig Pflegegeld bzw. andere pflegebedingte Geldleistungen bezogen habe. Die Topf-Sonderausgaben hätten nur mit 60 € berücksichtigt werden können, weil der Gesamtbetrag der Einkünfte des Beschwerdeführers 36.400 € übersteige.

Mit Beschwerdevorentscheidungen vom wurden die Beschwerden gegen die Einkommensteuerbescheide 2017, 2018, 2019 und 2021 abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass die außergewöhnlichen Belastungen infolge der Behinderung der Ehegattin nicht als außergewöhnliche Belastungen anerkannt werden könnten, da die jährlichen Einkünfte der Ehepartnerin die Grenze von 6.000,00 € überschritten hätten.

Mit Schreiben vom wurde um Erstreckung der Vorlagefrist betreffend Einkommensteuer 2020 bis zum ersucht.

Mit Schreiben vom wurde hinsichtlich Einkommensteuer 2020 und mit Schreiben vom hinsichtlich Einkommensteuer 2017, 2018, 2019 und 2021 die Vorlage an das Bundesfinanzgericht und eine mündliche Verhandlung vor dem Einzelrichter beantragt.

Begründet wurden die Vorlageanträge damit, dass es sich bei den geltend gemachten Kosten um Pflegekosten der Ehefrau des Beschwerdeführers nach Abzug des Pflegegeldes handeln würde. Im Rahmen einer häuslichen Pflege (siehe Rz 899 LStR) seien die damit verbundenen Aufwendungen absetzbar.

Der besondere Pflege- oder Betreuungsbedarf sei durch ein ärztliches Gutachten oder durch Bezug von Pflegegeld nachzuweisen. Dabei können alle im Zusammenhang mit der Betreuung und Pflege anfallenden Aufwendungen und Ausgaben, wie zum Beispiel Kosten für das Pflegepersonal, eventuelle Aufwendungen für die Vermittlungsorganisation sowie für Pflegehilfsmittel geltend gemacht werden - gekürzt um die erhaltenen steuerfreien Zuschüsse (zB Pflegegeld). Beziehe die zu betreuende Person kein oder ein zu niedriges eigenes Einkommen, könne die unterhaltsverpflichtete Person, die die Aufwendungen trage, diese als außergewöhnliche Belastung geltend machen.

Gemäß Rz 899a LStR sei die Kostenübernahme auch durch Angehörige (rechtliche, sittliche Verpflichtung) möglich (vgl. Rz 887a - steuerliches Existenzminimum).

Aus Sicht des Beschwerdeführers - sowie auch nach der allgemeinen Auffassung - bestehe gegenüber der Ehefrau eine sittliche Verpflichtung, wenn diese selbst wirtschaftlich nicht in der Lage sei, die nicht durch Pflegegeld gedeckten Kosten zu übernehmen. Der Pflegebedarf sei durch den Bezug des Pflegegeldes nachgewiesen. Die außergewöhnlichen Belastungen seien somit ohne Selbstbehalt anzuerkennen.

Die belangte Behörde legte die Beschwerden dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und hielt im Vorlagebericht vom nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens Folgendes fest:

Die sittliche Verpflichtung des Beschwerdeführers zur Übernahme der Unterhaltskosten für seine Ehegattin bei unzureichendem Einkommen werde außer Streit gestellt. Somit sei aus Sicht der Abgabenbehörde nicht das grundsätzliche Vorliegen einer außergewöhnlichen Belastung strittig, sondern die Frage, ob diese außergewöhnliche Belastung beim Beschwerdeführer mit oder ohne Selbstbehalt zu berücksichtigen sei. Nach Rechtsansicht der Abgabenbehörde sei diese außergewöhnliche Belastung unter Berufung auf die §§ 34 und 35 EStG1988 nur mit Selbstbehalt zu berücksichtigen, weil der Beschwerdeführer in den Jahren 2017 bis 2021 keinen Anspruch auf den Alleinverdienerabsetzbetrag gehabt habe, und die Einkünfte der Ehegattin in diesen Jahren den Betrag von 6.000 € überstiegen hätten. Die Kosten könnten daher nur als Unterhaltskosten mit Selbstbehalt berücksichtigt werden, wobei nur der Selbstbehalt des Beschwerdeführers, nicht aber jener der unterhaltsberechtigten Ehegattin zu berücksichtigen sei.

Für das Tragen von Krankheitskosten des (Ehe)Partners ergebe sich aus der Unterhaltspflicht eine rechtliche Verpflichtung. Die Höhe des aus dem Titel der Krankheit zu leistenden Unterhalts hänge nach zivilrechtlichen Grundsätzen von den finanziellen Rahmenbedingungen des Unterhaltsverpflichteten und dem Bedarf des Unterhaltsberechtigten ab. Aus Vereinfachungsgründen werde seitens der Finanzverwaltung bei der Berechnung auf das steuerliche Existenzminimum gemäß § 33 Abs. 1 EStG 1988 abgestellt.

Grundsätzlich seien Krankheitskosten vom erkrankten (Ehe)Partner selbst zu tragen. Würden Krankheitskosten für den erkrankten (Ehe)Partner gezahlt, stellten sie beim zahlenden (Ehe)Partner insoweit eine außergewöhnliche Belastung dar, als diese Aufwendungen das Einkommen des erkrankten (Ehe)Partners derart belasten würden, dass das steuerliche Existenzminimum gemäß § 33 Abs. 1 EStG 1988 (11.000 € jährlich) unterschritten würde.

Wie aus der beiliegenden Vorhaltsbeantwortung betreffend die verstorbene Ehegattin des Beschwerdeführers ersichtlich, seien bei dieser folgende Kosten der häuslichen Betreuung (nach Abzug des Pflegegeldes) angefallen:

2017: 20.900,70 €
2018: 21.900,25 €
2019: 18.793,60 €
2020: 16.192,70 €
2021: 24.369,60 €

Nach Abzug des steuerlichen Existenzminimums (11.000 €) vom steuerlichen Einkommen nach § 33 Abs. 1 EStG 1988 seien bei der Ehegattin des Beschwerdeführers folgende Kosten zu berücksichtigen:

2017: 22.533,94 € - 11.000 € = 11.533,94 €
2018: 22.894,32 € - 11.000 € = 11.894,32 €
2019: 23.352,20 € - 11.000 € = 12.352,20 €
2020: 23.896,04 € - 11.000 € = 12.896,04 €
2021: 24.254,38 € - 11.000 € = 13.254,38 €

Von den gesamten Kosten der häuslichen Betreuung verblieben nach Abzug der bei der verstorbenen Ehegattin zu berücksichtigenden außergewöhnlichen Belastungen (ohne Selbstbehalt auf Grund der eigenen Behinderung) die folgenden Beträge als außergewöhnliche Belastung mit Selbstbehalt beim Beschwerdeführer aus dem Titel des Unterhaltes (§ 34 Abs. 7 Z 4 EStG 1988):

2017: 20.900,70 € - 11.533,94 € = 9.366,76 €
2018: 21.900,25 € - 11.894,32 € = 10.005,93 €
2019: 18.793,60 € - 12.352,20 € = 6.441,40 €
2020: 16.192,70 € - 12.896,04 € = 3.296,66 €
2021: 24.369,60 € - 13.254,38 € = 11.115,22 €

Die Abgabenbehörde beantrage somit die vom Beschwerdeführer geltend gemachten außergewöhnlichen Belastungen in Höhe von 9.366,76 € (2017), 10.005,93 € (2018), 6.441,40 € (2019), 3.296,66 € (2020) und 11.115,22 € (2021) als Unterhaltskosten gemäß § 34 Abs. 7 Z 4 EStG 1988 mit Selbstbehalt zu berücksichtigen, da die Voraussetzungen gemäß § 34 Abs. 6 EStG 1988 für eine Berücksichtigung ohne Selbstbehalt nicht vorlägen.

In der antragsgemäß durchgeführten mündlichen Verhandlung erklärten die Vertreterinnen des Beschwerdeführers nach Erörterung der Sach- und Rechtslage, dass sie gegen die Ausführungen des Finanzamtes im Vorlagebericht keine Einwendungen mehr hätten. Sie nahmen auch zur Kenntnis, dass die Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2020 im Hinblick darauf, dass es nur eine telefonische Fristverlängerung gegeben habe, als verspätet eingebracht angesehen werden müsse.

Der Vertreter des Finanzamtes verwies auf seine Ausführungen im Vorlagebericht.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

a. Nachdem mit Schreiben vom erstmals die Erstreckung der Frist zur Einbringung einer Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2020 bis beantragt worden war, wurde im Rahmen eines Telefonates am eine weitere Fristverlängerung zur Einbringung einer Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2020 bis beantragt und telefonisch gewährt.

b. Dem Beschwerdeführer entstanden in den Jahren 2017 bis 2021 einerseits Aufwendungen aufgrund eigener Erkrankung in der in den angefochtenen Bescheiden ausgewiesenen Höhe sowie im Zusammenhang mit der Behinderung seiner mittlerweile verstorbenen Ehefrau, zu deren Tragung er in nachfolgend angeführter Höhe verpflichtet war:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
2017
9.366,76 €
2018
10.005,93 €
2019
6.441,40 €
2020
3.296,66 €
2021
11.115,22 €

Die Ehefrau des Beschwerdeführers verfügte in den einzelnen Jahren über ein eigenes 6.000,00 € übersteigendes Einkommen und war auch in der Lage, die durch ihre Behinderung entstandenen Kosten in der von der belangten Behörde errechneten Höhe selbst zu tragen.

2. Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den übereinstimmenden Angaben beider Parteien, hinsichtlich der Fristverlängerung zur Einbringung einer Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2020 aus dem Aktenvermerk der belangten Behörde vom .

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Zurückweisung/teilweise Stattgabe)

a. Betreffend Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2020

Gemäß § 260 Abs. 1 lit. b BAO ist eine Beschwerde mit Beschluss zurückzuweisen, wenn sie nicht fristgerecht eingebracht wurde.

Gemäß § 245 Abs. 1 BAO beträgt die Beschwerdefrist einen Monat. Enthält ein Bescheid die Ankündigung, dass noch eine Begründung zum Bescheid ergehen wird, so wird die Beschwerdefrist nicht vor Bekanntgabe der fehlenden Begründung oder der Mitteilung, dass die Ankündigung als gegenstandslos zu betrachten ist, in Lauf gesetzt. Dies gilt sinngemäß, wenn ein Bescheid auf einen Bericht (§ 150 BAO) verweist.

Zur Einbringung einer Bescheidbeschwerde ist gemäß § 246 Abs. 1 BAO jeder befugt, an den der den Gegenstand der Anfechtung bildende Bescheid ergangen ist.

Gemäß § 245 Abs. 3 BAO ist die Beschwerdefrist auf Antrag von der Abgabenbehörde aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erforderlichenfalls auch wiederholt, zu verlängern. Durch einen Antrag auf Fristverlängerung wird der Lauf der Beschwerdefrist gehemmt.

Gemäß § 85 Abs. 1 BAO sind Anbringen zur Geltendmachung von Rechten oder zur Erfüllung von Verpflichtungen (insbesondere Erklärungen, Anträge, Beantwortungen von Bedenkenvorhalten, Rechtsmittel) vorbehaltlich der Bestimmungen des § 85 Abs. 3 BAO schriftlich einzureichen (Eingaben).

Gemäß § 85 Abs. 3 BAO hat die Abgabenbehörde mündliche Anbringen der im Abs. 1 leg. cit. bezeichneten Art entgegenzunehmen,

a. wenn dies die Abgabenvorschriften vorsehen, oder

b. wenn dies für die Abwicklung des Abgaben­verfahrens zweckmäßig ist, oder

c. wenn die Schriftform dem Einschreiter nach seinen persönlichen Verhältnissen nicht zugemutet werden kann.

Ein Antrag auf Verlängerung der Beschwerdefrist ist ein Anbringen zur Geltendmachung von Rechten im Sinne des § 85 Abs. 1 BAO. Diese Bestimmung sieht telefonische Anbringen nicht vor (vgl. ), sodass telefonische Mitteilungen auch keine "mündlichen" Anbringen im Sinne des § 85 BAO sind (vgl. ; Ritz/Koran, BAO7, § 85 Tz 9). Eine telefonische Mitteilung stellt des Weiteren keinen für eine Bescheiderlassung hinreichenden Formalakt dar (vgl. , mwN).

Telefonische "Anträge" und telefonische "Bewilligungen" sind daher rechtlich wirkungslos (vgl. ; , RV/1200003/2018; sowie Ritz/Koran, BAO7, § 245 Rz 12).

Die laut Aktenvermerk vom im Rahmen eines Telefonates (Aktenvermerk) der steuerlichen Vertretung des Beschwerdeführers gewährte weitere Erstreckung der Rechtsmittelfrist bis bewirkte daher mangels eines fristhemmenden Anbringens im Sinne des § 245 Abs. 3 BAO keine weitere Verlängerung der Beschwerdefrist.

Dementsprechend wurde die am eingebrachte Beschwerde außerhalb der bis erstreckten Beschwerdefrist erhoben. Die Beschwerde wurde daher nicht fristgerecht eingebracht. Der Umstand, dass das Finanzamt auf Grund des Telefonates die Frist telefonisch bis erstreckt hat, ändert daran nichts, weil die zitierten gesetzlichen Bestimmungen keinen Ermessensspielraum einräumen (vgl. Stoll, BAO Seite 1300).

b. Betreffend Einkommensteuer 2017, 2018, 2019, 2021:

§ 34 EStG 1988 in der für den Streitzeitraum geltenden Fassung normiert - soweit im gegenständlichen Fall relevant-:

"(1) Bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen sind nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muß folgende Voraussetzungen erfüllen:

1.Sie muß außergewöhnlich sein (Abs. 2).

2.Sie muß zwangsläufig erwachsen (Abs. 3).

3.Sie muß die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4).

Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein.

(2) Die Belastung ist außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst.

(3) Die Belastung erwächst dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.

(4) Die Belastung beeinträchtigt wesentlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, soweit sie einen vom Steuerpflichtigen von seinem Einkommen (§ 2 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 5) vor Abzug der außergewöhnlichen Belastungen zu berechnenden Selbstbehalt übersteigt. Der Selbstbehalt beträgt bei einem Einkommen

von […]

mehr als 36 400 Euro 12%.

Der Selbstbehalt vermindert sich um je einen Prozentpunkt

- wenn dem Steuerpflichtigen der Alleinverdienerabsetzbetrag oder der Alleinerzieherabsetzbetrag zusteht

- wenn dem Steuerpflichtigen kein Alleinverdiener- oder Alleinerzieherabsetzbetrag zusteht, er aber mehr als sechs Monate im Kalenderjahr verheiratet oder eingetragener Partner ist und vom (Ehe-)Partner nicht dauernd getrennt lebt und der (Ehe-)Partner Einkünfte im Sinne des § 33 Abs. 4 Z 1 von höchstens 6 000 Euro jährlich erzielt

- […].

(5) Sind im Einkommen sonstige Bezüge im Sinne des § 67 enthalten, dann sind als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit für Zwecke der Berechnung des Selbstbehaltes die zum laufenden Tarif zu versteuernden Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, erhöht um die sonstigen Bezüge gemäß § 67 Abs. 1 und 2, anzusetzen.

(6) Folgende Aufwendungen können ohne Berücksichtigung des Selbstbehaltes abgezogen werden:

- […]

- […]

- […]

- Aufwendungen im Sinne des § 35, die an Stelle der Pauschbeträge geltend gemacht werden (§ 35 Abs. 5).

- Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung, wenn die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 vorliegen, soweit sie die Summe pflegebedingter Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage) übersteigen.

Der Bundesminister für Finanzen kann mit Verordnung festlegen, in welchen Fällen und in welcher Höhe Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung ohne Anrechnung auf einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3 und ohne Anrechnung auf eine pflegebedingte Geldleistung zu berücksichtigen sind.

(7) Für Unterhaltsleistungen gilt folgendes:

1. […]

2. […]

3. […]

4. Darüber hinaus sind Unterhaltsleistungen nur insoweit abzugsfähig, als sie zur Deckung von Aufwendungen gewährt werden, die beim Unterhaltsberechtigten selbst eine außergewöhnliche Belastung darstellen würden. Ein Selbstbehalt (Abs. 4) auf Grund eigener Einkünfte des Unterhaltsberechtigten ist nicht zu berücksichtigen.

5. […]

(8) […]"

§ 35 Abs. 1 EStG 1988 in der für den Streitzeitraum geltenden Fassung normiert:

"(1) Hat der Steuerpflichtige außergewöhnliche Belastungen

- durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung,

- bei Anspruch auf den Alleinverdienerabsetzbetrag durch eine Behinderung des (Ehe)Partners (§ 106 Abs. 3),

- ohne Anspruch auf den Alleinverdienerabsetzbetrag durch eine Behinderung des (Ehe)Partners, wenn er mehr als sechs Monate im Kalenderjahr verheiratet oder eingetragener Partner ist und vom (Ehe-)Partner nicht dauernd getrennt lebt und der (Ehe-)Partner Einkünfte im Sinne des § 33 Abs. 4 Z 1 von höchstens 6 000 Euro jährlich erzielt,

- durch eine Behinderung eines Kindes (§ 106 Abs. 1 und 2), für das keine erhöhte Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 gewährt wird, und erhält weder der Steuerpflichtige noch sein (Ehe-)Partner noch sein Kind eine pflegebedingte Geldleistung (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage), so steht ihm jeweils ein Freibetrag (Abs. 3) zu."

Gemäß § 35 Abs. 5 EStG 1988 können anstelle des Freibetrages auch die tatsächlichen Kosten aus dem Titel der Behinderung geltend gemacht werden (§ 34 Abs. 6 EStG 1988).

Mit dem Entfall des Alleinverdienerabsetzbetrages für kinderlose Paare ab 2011 entfiel auch die Bestimmung des § 34 Abs 7 Z 3 zur Abgeltung der Unterhaltsleistungen durch den Alleinverdienerabsetzbetrag. Dies schließt aber den Abzug etwa behinderungsbedingter Mehraufwendungen oder Krankheitskosten des (Ehe)Partners als außergewöhnliche Belastung ohne Selbstbehalt nach § 34 Abs. 6 EStG 1988 oder mit Selbstbehalt nach § 34 Abs. 7 Z 4 EStG 1988 nicht aus (vgl. Fuchs in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG20, § 34, Rz 56/3).

In den Erläuterungen RV 981 BlgNR XXIV. GP heißt es dazu:

"Steuerpflichtige ohne Kinder, die bisher Anspruch auf den Alleinverdienerabsetzbetrag hatten, sollen auch weiterhin behinderungsbedingte Mehraufwendungen des (Ehe)Partners als außergewöhnliche Belastung ohne Selbstbehalt geltend machen können. Voraussetzung ist allerdings, dass der (Ehe)Partner Einkünfte von nicht mehr als 6.000 Euro jährlich erzielt. Diese Einkunftsgrenze entspricht dem für den Alleinverdienerabsetzbetrag maßgebenden Grenzbetrag, somit sind auch die in § 33 Abs. 4 Z 1 genannten steuerfreien Einkünfte sowie weiters endbesteuerungsfähige Kapitalerträge einzubeziehen.

Die einheitliche Einkunftsgrenze von 6.000 Euro beim Ehepartner gilt sowohl für Steuerpflichtige, die Anspruch auf den Alleinverdienerabsetzbetrag haben, als auch für jene Personen, die keinen Anspruch auf den Alleinverdienerabsetzbetrag haben, somit nunmehr auch für kinderlose Ehepartner. Wird diese Einkommensgrenze überschritten, können die behinderungsbedingten Mehraufwendungen im Rahmen der Unterhaltsverpflichtung als außergewöhnliche Belastung mit Selbstbehalt geltend gemacht werden. Die geänderten Bestimmungen sind erstmals bei der Veranlagung für das Kalenderjahr 2011 anzuwenden."

Anzumerken ist, dass nach dem letzten Satz des § 34 Abs. 7 Z 4 EStG 1988 eine Art erweiterter Selbstbehalt beim Steuerpflichtigen nicht in Betracht kommt, wenn der Unterhaltsberechtigte selbst Einkünfte bezieht. Dies ändert allerdings nichts daran, dass Zwangsläufigkeit nur soweit angenommen werden kann, als die gesetzliche Unterhaltspflicht reicht (vgl , betreffend Krankheitskosten der selbst verdienenden Ehegattin). Im Übrigen ist die Abziehbarkeit der nach § 34 Abs. 7 Z 4 EStG 1988 abzugsfähigen Aufwendungen nicht an die Bedingung knüpft, dass daneben auch laufende Unterhaltsleistungen erbracht werden (vgl. Fuchs, Die Einkommensteuer [EStG 1988] Band III - Kommentar [54. Lfg 2013] zu § 34 Abs. 6 bis 9 Rz 34).

Werden Krankheitskosten für den erkrankten (Ehe-)Partner bezahlt, stellt dies beim zahlenden (Ehe-)Partner insoweit eine außergewöhnliche Belastung dar, als diese Aufwendungen das Einkommen des erkrankten (Ehe-)Partners derart belasten würden, dass das steuerliche Existenzminimum gemäß § 33 Abs. 1 EStG 1988 (11.000 € jährlich) unterschritten würde (vgl. Fuchs in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn EStG20 § 34 Rz 58/1)

Gemäß § 34 Abs. 6 fünfter Teilstrich EStG 1988 iVm § 35 Abs. 5 EStG 1988 entfällt der Selbstbehalt für Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 EStG 1988, soweit sie die Summe pflegebedingter Geldleistungen übersteigen.

Gemäß § 35 Abs. 1 EStG 1988 kann auch der (Ehe-)Partner die behinderungsbedingten Mehraufwendungen geltend machen, sofern entweder Anspruch auf den Alleinverdienerabsetzbetrag besteht oder die Einkünfte des (Ehe-)Partners höchstens 6.000 Euro jährlich betragen.

Im Beschwerdefall waren diese Voraussetzungen unstrittig nicht erfüllt, da das Einkommen der verstorbenen Ehegattin des Beschwerdeführers in allen Jahren diesen Betrag überschritt, sodass die als außergewöhnliche Belastung geltend gemachten Aufwendungen nur im Rahmen der Unterhaltsverpflichtung mit Selbstbehalt berücksichtigt werden konnten (vgl. ).

Damit sind 2017 bis 2019 und 2021 Aufwendungen in folgender Höhe als außergewöhnliche Belastung gemäß § 34 Abs. 7 Z 4 EStG 1988 zu berücksichtigen:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Jahr
2017
2018
2019
2021
eigene Krankheitskosten
149,35 €
529,65 €
638,95 €
2.558,33 €
Aufwendungen aufgrund der Behinderung der Ehegattin
9.366,76 €
10.005,93 €
6.441,40 €
11.115,22 €
ergibt
9.516,11 €
10.535,58 €
7.080,35 €
13.673,55‬ €
Abzüglich Selbstbehalt *)
9.027,12 €
9.142,33 €
9.424,46 €
9.739,90 €
außergewöhnliche Belastung
488,99 €
1.393,25 €
0,00 €
3.933,65 €

*) Berechnung des Selbstbehaltes:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Jahr
2017
2018
2019
2021
Einkommen vor ag. Bel.
64.433,62 €
65.182,10 €
67.267,42 €
69.492,42 €
Sonstige Bezüge:
6.312,58 €4.720,54 €
6.452,51 €4.796,06 €
6.627,25 €4.891,98 E
6.877,68 €5.053,46 €
SV-Beiträge/Sonstige Bezüge
- 240,74 €
- 244,60 €
- 249,50 €
- 257,72 €
Bemgrdlg. für Selbstbehalt
75.226 €
76.186,07‬ €
78.537,15 €
81.165,84 €
Selbstbehalt 12%
9.027,12 €
9.142,33 €
9.424,46 €
9.739,90 €

Eine außergewöhnliche Belastung kann daher nur in den Jahren 2017, 2018 und 2021 in der oben angeführten Höhe berücksichtigt werden. Die Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2019 war somit als unbegründet abzuweisen.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da sich die Beurteilung der Rechtsfragen, ob die Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2021 rechtzeitig eingebracht wurde, und inwieweit die Aufwendungen im Zusammenhang mit der Behinderung der Ehegattin des Beschwerdeführers beim Beschwerdeführer als außergewöhnliche Belastung gemäß § 34 EStG 1988 zu berücksichtigen sind, im Sinne der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs erfolgte, war die Unzulässigkeit der ordentlichen Revision auszusprechen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 260 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 85 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 85 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 245 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 34 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 34 Abs. 6 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 34 Abs. 7 Z 4 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Verweise





Ritz/Koran, BAO7, § 245 Rz 12
Fuchs in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG20, § 34, Rz 56/3
Fuchs, Die Einkommensteuer [EStG 1988] Band III - Kommentar [54. Lfg 2013] zu § 34 Abs. 6 bis 9 Rz 34
Fuchs in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn EStG20 § 34 Rz 58/1

ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7100409.2023

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