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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 23.08.2023, RV/7500435/2023

Kein fahrlässiges Verhalten bei Nutzung einer Kopie eines Parkausweises für Behinderte infolge besonderer Umstände

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK


Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Robert Posch in der Verwaltungsstrafsache gegen ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** wegen Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs. 2 Wiener Parkometerabgabeverordnung, Amtsblatt der Stadt Wien Nr. 51/2005, in Verbindung mit § 4 Abs. 1 Wiener Parkometergesetz 2006, Landesgesetzblatt für Wien Nr. 9/2006 in der Fassung LGBl. für Wien Nr. 24/2012, über die Beschwerde der Beschuldigten vom gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien vom , Zahl: MA67/Nr/2023, zu Recht erkannt:

Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde insofern Folge gegeben als gemäß § 38 VwGVG in Verbindung mit § 45 Abs. 1 VStG von der Verhängung einer Strafe abgesehen und der beschwerdeführenden Partei unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit ihres Verhaltens eine Ermahnung erteilt wird.

Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG hat die beschwerdeführende Partei keinen Beitrag zu den
Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.

Eine Revision durch die beschwerdeführende Partei wegen Verletzung in Rechten nach Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG ist gemäß § 25a Abs. 4 VwGG kraft Gesetzes nicht zulässig.

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine ordentliche Revision durch die belangte Behörde nach Art. 133 Abs. 6 Z 2 B-VG nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Straferkenntnis vom , Zahl: MA67/Nr/2023, hat der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 67, als belangte Behörde Frau ***Bf1*** (in weiterer Folge: Beschwerdeführerin) angelastet, sie habe die Parkometerabgabe fahrlässig verkürzt in dem sie das mehrspurige Kraftfahrzeug mit dem behördlichen Kennzeichen ***1*** am um 16:44 Uhr in einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone in 1030 Wien, ***2***, abgestellt habe, ohne für seine Kennzeichnung mit einem für den Beanstandungszeitpunkt gültigen Parkschein gesorgt zu haben. Im Fahrzeug habe sich lediglich die Farbkopie des Ausweises gemäß § 29b StVO 1960 mit der Nummer 245709 befunden.
Dadurch habe die Beschwerdeführerin die Rechtsvorschrift des § 5 Abs. 2 Parkometerabgabeverordnung, ABl. der Stadt Wien Nr. 51/2005, in der geltenden Fassung, in Verbindung mit § 4 Abs. 1 Parkometergesetz 2006, LGBl. für Wien Nr. 9/2006, in der geltenden Fassung, verletzt.
Wegen dieser Verwaltungsübertretung werde über die Beschwerdeführerin gemäß § 4 Abs. 1 Parkometergesetz 2006 eine Geldstrafe in der Höhe von € 60,00 sowie im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 14 Stunden verhängt.
Ferner habe die Beschwerdeführerin gemäß § 64 Abs. 2 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG einen Betrag von € 10,00 als Mindestbeitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu zahlen.
Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) betrage daher € 70,00.

Das Straferkenntnis wurde folgendermaßen begründet:

"Das verfahrensgegenständliche Kraftfahrzeug wurde von einem Organ der Landespolizeidirektion Wien beanstandet, da es an der im Spruch bezeichneten Örtlichkeit und zu den dort angeführten Zeiten im Bereich einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone ohne gültigen Parkschein abgestellt war und im Fahrzeug lediglich eine Farbkopie des § 29b StVO-Ausweises Nr. 245709, hinterlegt war.

Die Übertretung wurde Ihnen mit Strafverfügung angelastet.

Im Einspruch wendeten Sie im Wesentlichen ein, dass Sie Inhaberin eines Behindertenpasses sind und deshalb Ihnen auch vor der Liegenschaft in Wien 1030, ***2*** die Benützung einer Verkehrsfläche eingeräumt wurde, welche mit einem Verkehrszeichen nach § 52 Z 13b StVO mit dem Zusatz "Mo. bis Fr. von 07:00 bis 15:00 Uhr, ausgenommen ***3***" kundgemacht ist. Bereits am waren Sie in einem Verkehrsunfall verwickelt, wo es bei Ihrem Fahrzeug zu einem Totalschaden gekommen ist. Aus diesem Grund nützten Sie seitdem ein Ersatzfahrzeug, worin auch jedes Mal gegenständlicher Parkausweis für Behinderte hinterlegt wurde. Am Vorabend des mussten Sie das Ersatzfahrzeug unvorhergesehen in die Werkstätte zurückstellen, wobei Sie bedauerlicherweise den Parkausweis im Handschuhfach zurückgelassen haben.

Am Beanstandungstag nutzten Sie das Fahrzeug Ihrer Tochter mit dem behördlichen Kennzeichen ***1***, in Verbindung mit einer Farbkopie Ihres Ausweises um auf die grundsätzliche Berechtigung der Parkfläche hinzuweisen. Weiters fügten Sie an, dass Sie keine Absicht hatten die Parkometerabgabe zu verkürzen und merkten Sie an, unbescholten zu sein.

Aus den genannten Gründen liegt keine Schädigung in nicht unerheblichen Maße an der Erleichterung des innerstädtischen Verkehrs und an der Rationierung des in Wien vorhandenen Parkraumes bestehende öffentliche Interesse dem die Strafdrohung dient vor, weshalb das Verfahren eingestellt bzw. von einer Bestrafung unter Ausspruch einer Ermahnung abgesehen werden soll.

Beweis wurde durch Einsicht in den Verwaltungsstrafakt erhoben.

Dazu wird festgestellt:

Die Anzeige ist als taugliches Beweismittel anzusehen (Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 90/18/0079).

Es besteht für die erkennende Behörde keinerlei Veranlassung, die schlüssigen und widerspruchsfreien Angaben des meldungslegenden Organs der Landespolizeidirektion Wien in Zweifel zu ziehen, zumal einem derartigen Organ die Wahrnehmung und richtige Wiedergabe maßgeblicher Sachverhalte, insbesondere bezüglich eines im ruhenden Verkehr befindlichen Kraftfahrzeuges, wohl zugemutet werden kann. Es besteht kein Grund, an der Objektivität des meldungslegenden Organs der Landespolizeidirektion Wien zu zweifeln und ergibt sich kein Anhaltspunkt, dass dieses eine ihm unbekannte Person wahrheitswidrig belasten wollte.

Bei Abwägung der Angaben des anzeigelegenden Organs und Ihrer Rechtfertigung als Beschuldigte, die in der Wahl ihrer Verteidigung völlig frei ist, kann der angezeigte Sachverhalt als erwiesen angesehen werden.

Ihrem Einwand, dass das gegenständliche Fahrzeug in Ihrer kennzeichenbezogenen Behindertenzone stand, wird entgegengebracht, dass dieses in der allgemeinen Behindertenzone stand - dies ergibt sich aus den zum Beanstandungszeitpunkt angefertigten Fotos, insbesondere aus dem Anzeigefoto Nr. 3 des Verfahrens MA67/236700309927/2023, in welchem die Abstellung des Fahrzeuges entgegen der Bestimmung des § 24 Abs. 1 lit a StVO geahndet wird.

Wie den Anzeigeangaben zu entnehmen ist, stand das Fahrzeug nicht in Ihrer kennzeichenbezogenen Behindertenzone, sondern in einer "allgemeinen Behindertenzone" und war im Fahrzeug lediglich eine in Form (Größe) und Aussehen (Laminierung) nachgemachte Farbkopie Ihres § 29b StVO-Ausweis angebracht.

Die Abgabe ist nicht zu entrichten, wenn die Fahrzeuge mit dem Ausweis gemäß § 29b Abs. 1 oder 5 StVO 1960 gekennzeichnet sind (siehe § 6 Abs. 1 lit. g Parkometerabgabeverordnung).

Aus der Regelung ergibt sich, dass die Kennzeichnung mit dem Ausweis im Original zu erfolgen hat. Die Ausnahmebestimmung konnte daher nicht zur Anwendung gelangen.

Jeder Lenker eines mehrspurigen Kraftfahrzeuges, der ein solches in einer Kurzparkzone abstellt, muss bei Beginn des Abstellens die Parkometerabgabe entrichten (§ 5 Abs. 2 der Parkometerabgabeverordnung).

Ein Rechtfertigungsgrund, also eine Norm, die das tatbestandsmäßige Verhalten ausnahmsweise erlaubt bzw. welche die Strafbarkeit aufheben würde, liegt im gegenständlichen Fall nicht vor.

Sie haben daher den objektiven Tatbestand der angelasteten Übertretung verwirklicht.

Zur Strafbarkeit genügt fahrlässiges Verhalten. Fahrlässig handelt, wer die Sorgfalt außer Acht lässt, zu der er nach den Umständen verpflichtet, nach seinen geistigen und körperlichen Verhältnissen befähigt und die ihm zuzumuten ist, und deshalb nicht erkennt, dass er einen Sachverhalt verwirklichen könne, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht.

Mit der Einhaltung der gebotenen und zumutbaren Aufmerksamkeit und Sorgfalt wäre die Übertretung - bei allem Verständnis für die eingewendeten Umstände - zu vermeiden gewesen, weshalb der Ihnen angelastete strafbare Tatbestand auch subjektiv als erwiesen anzusehen ist.

Handlungen oder Unterlassungen, durch die die Abgabe hinterzogen oder fahrlässig verkürzt wird, sind als Verwaltungsübertretungen mit Geldstrafen bis zu EUR 365,00 zu bestrafen (§ 4 Abs. 1 Parkometergesetz 2006).

Die verhängte Geldstrafe soll durch ihre Höhe dazu geeignet sein, Sie wirksam von einer Wiederholung abzuhalten.

Grundlage für die Bemessung der Strafe sind gemäß § 19 VStG die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat.

Jedes fahrlässige Verkürzen der Parkometerabgabe, d.h. jedes Abstellen eines mehrspurigen Kraftfahrzeuges in einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone, ohne dass hierfür die nach der Parkometerabgabeverordnung vorgeschriebene Parkometerabgabe durch einen ordnungsgemäß entwerteten Parkschein entrichtet wird, schädigt in nicht unerheblichem Maße sowohl das öffentliche Interesse an der Entrichtung von Abgaben, als auch an der Erleichterung des innerstädtischen Verkehrs und an der Rationierung des in Wien vorhandenen Parkraumes, dem die Strafdrohung dient.

Der Unrechtsgehalt der gegenständlichen Verwaltungsübertretung ist im Hinblick auf den Sachverhalt - selbst bei Fehlen sonstiger nachteiliger Folgen - nicht gerade gering.

Dass die Einhaltung der Vorschriften eine besondere Aufmerksamkeit erfordert habe oder dass die Verwirklichung des Tatbestandes aus besonderen Gründen nur schwer hätte vermieden werden können, ist auf Grund der Tatumstände nicht anzunehmen und es kann daher Ihr Verschulden nicht als geringfügig angesehen werden.

Die Behörde hat von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat und das Verschulden des Beschuldigten gering sind (§ 45 Abs. 1 Z. 4 VStG).

Der Akteninhalt bietet keinen Anhaltspunkt dafür, dass Sie nach Ihren persönlichen Verhältnissen zum Zeitpunkt der Übertretung nicht fähig gewesen wären, die objektiv gebotene Sorgfalt und die zumutbare Aufmerksamkeit einzuhalten oder dass Ihnen rechtmäßiges Verhalten in der konkreten Situation unzumutbar gewesen wäre und damit kein geringes Verschulden vorliegt, sodass eine Einstellung/Ermahnung nicht in Betracht kam.

Bei der Strafbemessung wurden Ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse sowie allfällige Sorgepflichten, soweit diese der Behörde bekannt waren, berücksichtigt. Zudem wurde auf eventuell vorhandene verwaltungsstrafrechtliche Vormerkungen Bedacht genommen.

Unter Bedachtnahme auf diese Strafzumessungsgründe und den bis zu EUR 365,00 reichenden Strafsatz, den Unrechtsgehalt der Tat und das Verschulden ist die verhängte Geldstrafe selbst bei ungünstigen wirtschaftlichen Verhältnissen, durchaus angemessen und keineswegs zu hoch.

Die Auferlegung des Beitrages zu den Kosten des Verfahrens stützt sich auf die zwingende Vorschrift des § 64 Abs. 2 des VStG 1991."

In der Beschwerde vom wurde ausgeführt:

"Gegen das Straferkenntnis des Magistrats der Stadt Wien vom , zugestellt am , GZ: MA67/236700309927/2023 wird binnen offener Frist von vier Wochen nachstehende Beschwerde erhoben und dabei unrichtige Tatsachenfeststellung und mangelhafte Strafzumessung geltend gemacht.

Zum Geschehensablauf wird auf die umfassende Darstellung im Einspruch gegen die Strafverfügung des Magistrats der Stadt Wien vom verwiesen.

Zur unrichtigen Tatsachenfeststellung:

Auf Seite -3- des Straferkenntnisses wird mir zum vorgeworfen, ich habe eingewendet, dass das gegenständliche Fahrzeug (gemeint ***1***) in meiner kennzeichenbezogenen Behindertenzone stand. Diese Argumentation ist grundlegend falsch und wurde auch so nicht im Rechtsmittelschreiben dargelegt.

Zudem habe ich mich gegen den erhobenen Tatvorwurf geständig verantwortet.

Zur mangelhaften Strafzumessung:

Bei der Strafbemessung handelt es sich laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () innerhalb des gesetzlichen Strafrahmens um eine Ermessensentscheidung, die nach den Kriterien des § 19 VStG vorzunehmen ist. Demgemäß obliegt es der Behörde in der Begründung ihres Bescheides die für die Ermessensausübung maßgebenden Umstände und Erwägungen insoweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien und für die Nachprüfung des Ermessensaktes auf eine Übereinstimmung mit dem Sinn des Gesetztes erforderlich ist.

Gem. § 19 VStG sind Grundlage für die Bemessung der Strafe, die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat.

Gemäß § 45 Abs. 1 Z 4 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat und das Verschulden des Beschuldigten gering sind. Anstatt die Einstellung zu verfügen, kann die Behörde dem Beschuldigten im Fall der Z 4 unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid eine Ermahnung erteilen, wenn dies geboten erscheint, um ihm von der Begehung strafbarer Handlungen gleicher Art abzuhalten.

Im Erkenntnis des , setzte sich dieser mit der Bestimmung des § 45 Abs. 1 Z 4 VStG auseinander. Der dortige Revisionswerber begründete die Zulässigkeit seiner Revision damit, dass es noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der seit geltenden neuen Rechtslage des § 45 Abs. 1 VStG, und zwar insbesondere in Bezug auf § 45 Abs. 1 Z 4 und den letzten Absatz des § 45 Abs. 1 VStG, gebe. Zu prüfen sei die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes, die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat und inwieweit das Verschulden eines Beschuldigten als gering anzusehen sei.

Der VwGH führte dazu aus, dass mit dem Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetz 2013, BGBl. I Nr. 33/2013 § 45 VStG ua um den - im gegenständlichen Fall maßgeblichen -Einstellungstatbestand der Z 4 erweitert wurde, wonach von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen ist, wenn die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat und das Verschulden des Beschuldigten gering sind. Anstatt die Einstellung zu verfügen, kann die Behörde - nach dem Schlusssatz des § 45 Abs. 1 VStG - dem Beschuldigten in diesem Fall unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid eine Ermahnung erteilen, wenn dies geboten erscheint, um ihm von der Begehung strafbarer Handlungen gleicher Art abzuhalten.

§ 45 Abs. 1 Z 4 VStG und der neue Schlusssatz dieses Absatzes entsprächen im Wesentlichen § 21 Abs. 1 VStG (alte Fassung). Zu der zuletzt genannten Bestimmung, die ein Absehen von der Verhängung einer Strafe (bei allfälliger Ermahnung des Beschuldigten) vorsah, "wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind", besteht eine gesicherte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, anhand derer auch die Rechtsfragen, die der vorliegende Fall aufwirft gelöst werden können, sodass es keiner neuen Leitlinien bedarf.

Für das Vorgehend es § 45 Abs. 1 Z 4 VStG müssen also im Wesentlichen zwei Kriterien vorliegen.

> das Verschulden des Beschuldigten muss gering sein und
> die Folgen der Übertretung unbedeutend.

Unter geringfügigen Verschulden versteht die Rsp solche Fälle, in den das tatbildmäßige Verhalten des Täters hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Schuld- und Unrechtsgehalt zurückbleibt (zB. , , 2001/10/0049). Durch eine solche Auslegung ist gleichzeitig klargestellt, dass die Bestimmungen des § 21 VStG nicht nur im Fall der leichten Fahrlässigkeit angewendet werden können.

Neben der Voraussetzung des Vorliegens von bloß geringfügigem Verschulden, bei dessen Nichtvorliegen nach der Judikatur des VwGH die zweite Voraussetzung in aller Regel nicht mehr geprüft wird, darf die Verwaltungsübertretung nur unbedeutende Folgen nach sich ziehen. Beide Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen.

Wie bereits anlässlich des Rechtsmittels gegen die Strafverfügung dargelegt liegen keine konkreten Anhaltspunkte vor, dass eine Wiederholungsgefahr bestehen könnte und daher aus spezialpräventiven Gründen jedenfalls die Verhängung einer Strafe unbedingt erforderlich wäre, liegt doch keine Schädigung in nicht unerheblichen Maße das an der Erleichterung des innerstädtischen Verkehrs und an der Rationierung des in Wien vorhandenen Parkraumes bestehende öffentliche Interesse dem die Strafdrohung dient, vor.

Die Verwaltungsstrafbehörde ist in ihrem Straferkenntnis nicht darauf eingegangen, aus welchen Gründen mit einer Ermahnung gemäß § 45 Abs. 1 VStG bei Überwiegen der Milderungsgründe über die Erschwerungsgründe nicht das Auslangen gefunden werden hätte können.

Wie sich aus den Darlegungen ergibt, ist von einem bloß geringen Verschulden meinerseits auszugehen - habe ich doch gutgläubig versucht durch das Hinterlegen der Farbkopie des Parkausweises samt Original des Behindertenausweises auf die grundsätzliche Berechtigung zur Benützung der ausgewiesenen Parkfläche hinzuweisen und diese nicht "vorsätzlich ignoriert".

Gegenständlich hätte daher mit einer Ermahnung das Auslangen gefunden werden können. Eine solche hätte ausgereicht, um die mich für künftig auf die Einhaltung der einschlägigen Bestimmungen zu sensibilisieren.

Vor dem Hintergrund obiger Ausführung werden daher gestellt die ANTRÄGE, das Verwaltungsgericht möge

  1. der Beschwerde Folge bzw. stattgeben und das bekämpfte Straferkenntnis beheben und das Verfahren einstellen, bzw.

in eventu

  1. unter Anwendung des § 45 VStG Abs. 1 letzter Satz von einer Bestrafung allenfalls unter Ausspruch einer Ermahnung absehen, da die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität meiner Beeinträchtigung durch die Tat und das Verschulden meinerseits nicht gegeben sind."

Über die Beschwerde wurde erwogen:


Das kontrollierende Parkraumüberwachungsorgan (Meldungsleger) hat das Abstellen des mehrspurigen Kraftfahrzeuges mit dem amtlichen Kennzeichen ***1*** am um 16:44 Uhr in der im dritten Wiener Gemeindebezirk befindlichen, gebührenpflichtigen Kurzparkzone, ***2***, ohne Kennzeichnung mit einem für den Beanstandungszeitpunkt gültigen Parkschein beanstandet. Fotografisch festgehalten und in der Anzeige vermerkt wurde, dass es sich bei dem gemeinsam mit dem Behindertenpass hinter der Windschutzscheibe angebrachten Parkausweis (für Behinderte gemäß § 29b StVO 1960) mit der Ausweisnummer 245709 wegen zu matter Farbe und eines Kopierrandes rechts um eine Farbkopie gehandelt habe.

Nicht bestritten werden der Abstellort des verfahrensgegenständlichen Fahrzeuges und der Beanstandungszeitpunkt sowie die Tatsache, dass hinter der Windschutzscheibe des verfahrensgegenständlichen Fahrzeuges eine Ausweiskopie des Parkausweises mit der Nummer 245709 angebracht war.

§ 1 Wiener Parkometerabgabeverordnung normiert:
"Für das Abstellen von mehrspurigen Kraftfahrzeugen in Kurzparkzonen (§ 25 StVO 1960) ist eine Abgabe zu entrichten."

§ 5 Wiener Parkometerabgabeverordnung normiert:
"(1) Die Abgabe gilt mit der ordnungsgemäßen Entwertung des Parkscheins (der Parkscheine) oder mit der Bestätigung der Abstellanmeldung als entrichtet.

(2) Zur Entrichtung der Abgabe sind der Lenker, der Besitzer und der Zulassungsbesitzer zur ungeteilten Hand verpflichtet. Jeder Lenker, der ein mehrspuriges Kraftfahrzeug in einem Gebiet abstellt, für das eine Abgabepflicht besteht, hat die Parkometerabgabe bei Beginn des Abstellens des Fahrzeuges zu entrichten. Die Lenker haben bei der Durchführung der angeordneten Kontrollmaßnahmen mitzuwirken."

§ 6 Wiener Parkometerabgabeverordnung normiert:
"Die Abgabe ist nicht zu entrichten für:
g) Fahrzeuge, die von Inhabern eines Parkausweises für Behinderte gemäß § 29b StVO 1960 abgestellt oder in denen solche Personen befördert werden, sofern die Fahrzeuge beim Abstellen mit diesem Ausweis gekennzeichnet sind"

§ 29b StVO 1960 normiert:
"(1) Inhabern und Inhaberinnen eines Behindertenpasses nach dem Bundesbehindertengesetz, BGBl. Nr. 283/1990, die über die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" verfügen, ist als Nachweis über die Berechtigungen nach Abs. 2 bis 4 auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen ein Ausweis auszufolgen. Die näheren Bestimmungen über diesen Ausweis sind durch Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz zu treffen.

(3) Ferner dürfen Inhaber eines Ausweises gemäß Abs. 1 das von ihnen selbst gelenkte Fahrzeug oder Lenker von Fahrzeugen in der Zeit, in der sie einen Inhaber eines Ausweises gemäß Abs. 1 befördern,

b) in einer Kurzparkzone ohne zeitliche Beschränkung, parken.
(4) Beim Parken gemäß Abs. 3 sowie beim Halten oder Parken auf den nach § 43 Abs. 1 lit. d freigehaltenen Straßenstellen hat der Ausweisinhaber den Ausweis bei mehrspurigen Kraftfahrzeugen hinter der Windschutzscheibe und durch diese gut erkennbar, bei anderen Fahrzeugen an einer sonst geeigneten Stelle gut wahrnehmbar anzubringen."

Da zum Beanstandungszeitpunkt nicht der Parkausweis, womit nur das Originaldokument gemeint sein kann, sondern eine Farbkopie dieses Ausweises hinter der Windschutzscheibe des verfahrensgegenständlichen Fahrzeuges angebracht war, lagen die Voraussetzungen für die Befreiung von der Parkometerabgabe nicht vor.

§ 45 VStG 1991 normiert:

(1) Die Behörde hat von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn

Z 4. die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat und das Verschulden des Beschuldigten gering sind; Anstatt die Einstellung zu verfügen, kann die Behörde dem Beschuldigten im Fall der Z. 4 unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid eine Ermahnung erteilen, wenn dies geboten erscheint, um ihn von der Begehung strafbarer Handlungen gleicher Art abzuhalten."

In den Gesetzesmaterialien zum Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetz 2013 (ErlRV 2009 BlgNR 24. GP, 19) wird erläutert, dass mit dem neu formulierten § 45 Abs. 1 VStG 1991 insbesondere die bisher in § 21 Abs. 1 VStG 1991 enthaltenen Bestimmungen an systematisch richtiger Stelle zusammengeführt werden sollen. § 45 Abs. 1 Z 4 VStG 1991 und der neue Schlusssatz dieses Absatzes entsprächen im Wesentlichen § 21 Abs. 1 VStG 1991 (alte Fassung). Zu der zuletzt genannten Bestimmung besteht eine gesicherte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, sodass es keiner neuen Leitlinien höchstgerichtlicher Rechtsprechung bedarf (vgl. ).

Voraussetzung für die Anwendung des § 21 Abs. 1 VStG 1991 ist das kumulative Vorliegen beider in dieser Gesetzesstelle genannten Kriterien, nämlich ein geringfügiges Verschulden und lediglich unbedeutende Folgen. Von geringem Verschulden im Sinn des § 21 VStG 1991 ist jedoch nur dann zu sprechen, wenn das tatbildmäßige Verhalten des Täters hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechtsgehalt und Schuldgehalt erheblich zurückbleibt ().

Das BFG stellte im Zuge weiterer Ermittlungshandlungen fest, dass die Beschwerdeführerin als Zulassungsbesitzerin eines Fahrzeuges, Marke Volkswagen, Kennzeichen Kz1, Anmeldung am , dieses am behördlich abgemeldet hat.
In weiterer Folge wurde von ihr ein Kraftfahrzeug, Marke Audi mit (identem) Kennzeichen Kz1 am neu angemeldet.
Die gegenständliche Verwaltungsübertretung erfolgte am , somit im Zeitraum zwischen Abmeldung des alten Fahrzeuges und vor Anmeldung des neuen Kfz.
Am Tag der Verwaltungsübertretung hat die Beschwerdeführerin nach ihren Angaben das Fahrzeug mit dem behördlichen Kennzeichen ***1*** (Zulassungsbesitzerin K) auf dem Parkplatz in der Kurzparkzone 1030 Wien, ***2*** abgestellt.
Bei K handelt es sich um die Tochter der Beschwerdeführerin.
Für den fraglichen Parkplatz wurde gem. § 52 Z 13b StVO ein Halte- und Parkverbot von (werktags) 6 bis 15 Uhr verordnet, gemäß Zusatztafel ist davon der Halter des Fahrzeuges mit dem Kennzeichen Kz1, somit die Beschwerdeführerin ausgenommen.

Die Darstellung der Beschwerdeführerin, wonach sie am in einen Verkehrsunfall mit Sachschaden verwickelt und gezwungen war, sich eines Ersatzfahrzeuges zu bedienen, steht (zeitlich bezogen) im Einklang mit dem erhobenen Sachverhalt.
Das BFG folgt daher in freier Beweiswürdigung der Darstellung der Beschwerdeführerin, wonach sie das ihr von der Werkstätte zur Verfügung gestellte Ersatzfahrzeug zurückstellen musste, wobei sie ihren Parkausweis im Handschuhfach zurückließ, den Irrtum erst außerhalb der Öffnungszeiten der Werkstätte bemerkte und somit keinen Zugriff auf den Originalausweis hatte.

Es ist glaubhaft, dass sich die Beschwerdeführerin am des Kraftfahrzeuges ihrer Tochter bediente und dabei unter der Windschutzscheibe (wie ein Foto des Meldungsleger belegt) eine Farbkopie des Parkausweises für Behinderte sowie ihren Behindertenpass hinterlegte.
Die Beschwerdeführerin ist bei dieser Sachlage durch eine (sonst unzulässige) Verwendung einer Farbkopie des Parkausweises für Behinderte kein fahrlässiges Verhalten vorzuwerfen, weshalb von einem nur geringfügigen Verschulden auszugehen ist.
Die subjektiven Voraussetzungen der Strafbarkeit liegen somit nicht vor.

Auch das als sehr bedeutend einzustufende öffentliche Interesse an der Bewirtschaftung des knappen innerstädtischen Parkraumes wurde nicht geschädigt, da der Parkplatz bei ordnungsgemäßer Verwendung des Originales des Parkausweises für Behinderte der Beschwerdeführerin zur Nutzung ohnedies zugestanden wäre.

Da somit die Voraussetzungen des § 45 Abs. 1 Z 4 VStG gegeben sind, ist von einer Bestrafung der Beschwerdeführerin abzusehen.
Aus spezialpräventiven Gründen, insbesondere um der Beschwerdeführerin die Relevanz einer ordnungsgemäßen Verwendung des Originalausweises vor Augen zu führen, ist eine Ermahnung auszusprechen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Kostenentscheidung

Infolge des Entfalles der Bestrafung ist der nur für Straferkenntnisse geltende Beitrag zu den Kosten des verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens nicht mehr einschlägig, sodass dieser Kostenbeitrag entfällt.

Weiters sind gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG dem Beschwerdeführer die Kosten des Beschwerdeverfahrens nicht aufzuerlegen, wenn - wie hier - der Beschwerde auch nur teilweise Folge gegeben wird.

Zur Unzulässigkeit der Revision

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine (ordentliche) Revision durch die belangte Behörde nach Art. 133 Abs. 6 Z 2 B-VG nicht zulässig, weil das Erkenntnis angesichts der eindeutigen Rechtslage nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukäme (vgl. ). Die beurteilten Tatfragen können nicht Thema einer ordentlichen Revision sein.

Für den Beschwerdeführer hingegen geht die absolute Unzulässigkeit einer Revision gemäß § 25a Abs. 4 VwGG vor, welche im letzten Satz von Art. 133 Abs. 4 B-VG verfassungsrechtlich vorgezeichnet ist.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Verwaltungsstrafsachen Wien
betroffene Normen
§ 5 Abs. 2 Wiener Parkometerabgabeverordnung, ABl. Nr. 51/2005
§ 4 Abs. 1 Wiener Parkometergesetz 2006, LGBl. Nr. 09/2006
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7500435.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at