Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 29.08.2023, RV/7500456/2023

Vollstreckungsverfügung zwecks Fahrnisexekution bei Uneinbringlichkeit

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/7500456/2023-RS2
Davon zu unterscheiden sind Beschränkungen der Entscheidungsbefugnis des BFG bei Teilbarkeit des Spruches des angefochtenen Bescheides (Schuldausspruch und Strafausspruch bzw. Bestrafung für mehrere Übertretungen in einem Straferkenntnis) und Anfechtung bloß eines Teiles des teilbaren Spruches.
RV/7500456/2023-RS3
Die Erlassung einer Vollstreckungsverfügung, welche auf Fahrnisexekution abzielt, ist bei evidenter Uneinbringlichkeit der Forderung bei der verpflichteten Partei, die überdies zum Antritt der Ersatzfreiheitsstrafe aufgefordert wurde, unzweckmäßig und unwirtschaftlich. Dies steht im Gegensatz zu den aus Art. 126b Abs. 5 B-VG abzuleitenden Anforderungen an das Handeln der Gebietskörperschaften und ihrer Behörden.
Folgerechtssätze
RV/7500456/2023-RS1
wie RV/7500440/2016-RS1
Die Entscheidungsbefugnis des BFG in Verfahren betreffend Verwaltungsübertretungen ist nicht durch die in der Beschwerde angegebenen Gründe der Rechtswidrigkeit beschränkt.
RV/7500456/2023-RS2
wie RV/7500440/2016-RS2
Die Entscheidungsbefugnis des BFG in Verfahren betreffend Verwaltungsübertretungen ist nicht durch den Antrag (Beschwerdebegehren) begrenzt.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht (BFG) hat durch den Richter Mag. Christian Seywald in der Verwaltungsstrafsache gegen ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, (Beschwerdeführerin, abgekürzt: Bf.) über die Beschwerde der Bf. vom gegen die Vollstreckungsverfügung der belangten Behörde, Magistrat der Stadt Wien, MA 6 - BA 32, vom , GZ. MA67/Zahl/2023, betreffend Zwangsvollstreckung (Fahrnisexekution) wegen Nichtzahlung der rechtskräftigen Strafe auf Grund der Strafverfügung vom , GZ. MA67/Zahl/2023, zu Recht erkannt:

Gemäß § 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) in Verbindung mit (iVm) § 24 Abs. 1 Bundesfinanzgerichtsgesetz (BFGG) und § 5 Gesetz über die Organisation der Abgabenverwaltung und besondere abgabenrechtliche Bestimmungen in Wien (WAOR) wird der Beschwerde Folge gegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

Eine Revision durch die beschwerdeführende Partei wegen Verletzung in Rechten nach Art. 133 Abs. 6 Z 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) ist gemäß § 25a Abs. 4 Verwaltungsgerichtshofgesetz (VwGG) kraft Gesetzes nicht zulässig.

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine (ordentliche) Revision durch die belangte Behörde nach Art. 133 Abs. 6 Z 2 B-VG nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang:

Das mehrspurige Kraftfahrzeug mit dem behördlichen Kennzeichen 123 wurde am um 10:01 Uhr in der gebührenpflichtigen Kurzparkzone in 1230 Wien, xStraßeY ggü., vom Kontrollorgan der Parkraumüberwachung DienstNr der Landespolizeidirektion Wien zur Anzeige gebracht, da es sich nach dessen eigenen Wahrnehmungen bei dem im Fahrzeug hinterlegten Parkausweis gemäß § 29b StVO 1960 mit der Nummer AusweisNr um einen manipulierten Parknachweis handelte. Gemäß Tatbeschreibung war der Parkausweis mit der Nummer AusweisNr (laut Liste des Sozialministeriumservice) seit ungültig.

Mit Schreiben des Magistrates / Magistratsabteilung 67 vom (Lenkererhebung) wurde die Beschwerdeführerin (im Folgenden als Bf. bezeichnet) als Zulassungsbesitzerin des in Rede stehenden mehrspurigen Kraftfahrzeuges aufgefordert, binnen zwei Wochen nach Zustellung Auskunft darüber zu erteilen, wem das genannte Kraftfahrzeug zum Beanstandungszeitpunkt überlassen wurde. Die Zustellung dieser Lenkererhebung erfolgte RSb gemäß § 17 ZustG durch Hinterlegung bei der Post-Geschäftsstelle 1235 Wien, mit Beginn der Abholfrist am . Datum der Ausfolgung: .

Das Schreiben des Magistrates / Magistratsabteilung 67 vom (Lenkererhebung) blieb unbeantwortet.

Mit Strafverfügung des Magistrates der Stadt Wien, GZ. MA67/Zahl/2023, vom , wurde der Bf. angelastet, sie habe dem ordnungsgemäß zugestellten Verlangen der Behörde vom , binnen zwei Wochen nach Zustellung des Schreibens Auskunft darüber zu geben, wem sie das Fahrzeug überlassen gehabt habe, sodass dieses zum vorher genannten Zeitpunkt am vorher genannten Ort gestanden sei, nicht entsprochen. Der Tatbestand der verfahrensgegenständlichen Verwaltungsübertretung sei am am Sitz der belangten Behörde verwirklicht worden. Wegen Verletzung der Rechtsvorschriften des § 2 in Verbindung mit § 4 Abs. 2 Wiener Parkometergesetz 2006 wurde über die Bf. eine Geldstrafe von € 365,00 verhängt sowie für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 3 Tagen und 15 Stunden festgesetzt. Die Zustellung der Strafverfügung an die Bf. erfolgte durch persönliche Übernahme am .

Der Magistrat der Stadt Wien richtete mit Schreiben vom (Versendung an diesem Tag um 08:58 Uhr) eine Mahnung an die Bf. und forderte die Bf. auf, den Strafbetrag und 5 Euro Mahngebühr, sohin insgesamt 370 Euro zu bezahlen.

Mit Schreiben vom , GZ. MA67/Zahl/2023, erließ der Magistrat der Stadt Wien (Magistratsabteilung 6, Buchhaltungsabteilung 32) die beschwerdegegenständliche Vollstreckungsverfügung (Bescheid) an die Bf., da die "mit der Strafverfügung vom , GZ. MA67/Zahl/2023" verhängte rechtskräftige Strafe bislang nicht bezahlt worden sei. Zusätzlich zu der Geldstrafe sei die Mahngebühr in Höhe von (iHv) 5,00 Euro offen und somit insgesamt eine Forderung von 370,00 Euro offen. (Für die Mahngebühr iHv 5,00 Euro wurde ein Rückstandsausweis ausgefertigt.) Schließlich erfolgte der Ausspruch: "Da der Bescheid inklusive Kostenbeitrag (Mahngebühr) vollstreckbar ist, wird zur Einbringung des Geldbetrages gemäß §§ 3, 10 Verwaltungsvollstreckungsgesetz 1991 (VVG), BGBl. Nr 53/1991 idgF die Zwangsvollstreckung verfügt und die Fahrnisexekution im Sinne des § 27 Abgabenexekutionsordnung (AbgEO), BGBl. Nr. 104/1949 idgF auf bewegliche körperliche Sachen der verpflichteten Partei angeordnet."

Hierzu wird seitens des BFG ergänzt:
In der Vollstreckungsverfügung wird auf die Strafverfügung GZ. MA67/Zahl/2023 Bezug genommen, welche dadurch eindeutig identifiziert wird, sodass das der Strafverfügung zugeschriebene Datum ( statt richtig ) unschädlich ist.
Die Strafverfügung ist - ebenso wie die Vollstreckungsverfügung - ein Bescheid.
Mit dem vollstreckbaren Bescheid im Spruch der Vollstreckungsverfügung ist daher die Strafverfügung gemeint.
Mit der verpflichteten Partei im Spruch der Vollstreckungsverfügung ist die Bf. gemeint.

Aktenkundig geworden ist das von einem Gerichtsvollzieher mit der Bf. aufgenommene Vermögensverzeichnis nach § 47 EO vom in Sachen einer anderen, vom Magistrat der Stadt Wien betriebenen Exekution von 3.731,10 Euro samt Anhang. Darin wird zu Ansprüchen der Bf. die Arbeitslosenunterstützung festgehalten. Zu Mietrechten an unbeweglichen Sachen ist festgehalten, dass die Bf. Hauptmieterin einer Wohnung sei. Zum Vorhandensein aller anderen Vermögenskategorien ist "Nein" festgehalten. Zu Unterhaltspflichten ist festgehalten: "1 Kind 1 Jahr alt."

Mit Schreiben vom (am selben Tag versendet, am hinterlegt), GZ. MA67/Zahl/2023 forderte der Magistrat der Stadt Wien die Bf. auf, innerhalb von zwei Wochen nach Erhalt des Schreibens die Ersatzfreiheitsstrafe bei der Landespolizeidirektion im dortigen Polizeianhaltezentrum anzutreten. Per ergebe sich ein offener Gesamtbetrag (Geldstrafe inkl. Kosten) iHv 370,00 Euro. Da die Geldstrafe uneinbringlich sei, müsse nunmehr die Ersatzfreiheitsstrafe vollstreckt werden. Gegen diese Aufforderung sei kein Rechtsmittel zulässig. Bei Nichtbefolgung der Aufforderung müsse mit zwangsweiser Vorführung zum Strafantritt gerechnet werden. Der Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe könne durch sofortige Zahlung der ausstehenden Geldstrafe abgewendet werden.

Mit Schreiben (E-Mail) vom mit dem Betreff: "Beschwerde MA67/Zahl/2023" brachte die Bf. vor, zu diesem Zeitpunkt [Anm.: gemeint ist wohl der ] hätten sie Besuch aus Land gehabt und ihm das Fahrzeug zur Verfügung gestellt. Weiters hätten sie SchnellGastroBetrieb mit Lieferanten, die das Fahrzeug zum Liefern verwenden würden. Sie wisse nicht genau, wer zur Tatzeit das Fahrzeug gelenkt habe. Sie ersuche um Nachsicht und die Strafe sei viel zu hoch. Sie möchte nachfragen, ob eine Verringerung der Strafhöhe möglich wäre, sodass es leistbar wäre.

Die Magistratsabteilung 67 wertete das Schreiben vom als Beschwerde gegen die Vollstreckungsverfügung vom und legte diese Beschwerde samt Verwaltungsakt mit Vorlagebericht vom dem Bundesfinanzgericht (BFG) zur Entscheidung vor (Datum des Einlangens: ).

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Zum Anfechtungsobjekt der Beschwerde vom :

Gemäß § 7 Abs. 4 VwGVG beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde 4 Wochen ab Zustellung.

Die am Donnerstag, um 20:30 Uhr ohne Rückschein versendete Vollstreckungsverfügung gilt gemäß § 26 Abs. 2 Zustellgesetz (ZustG) als am Dienstag, zugestellt (Übergabe an Post am Freitag, ; danach erster Werktag: Samstag, ; zweiter Werktag: Montag ; dritter Werktag: Dienstag ).
Die vierwöchige Beschwerdefrist gegen die einen Bescheid darstellende Vollstreckungsverfügung endete daher am Dienstag, .

Die am hinterlegte Aufforderung zum Antritt der Ersatzfreiheitsstrafe ist der Bf. erst nach der Einbringung der Beschwerde zugekommen, weshalb diese nicht das Anfechtungsobjekt der Beschwerde vom sein kann. Im Übrigen wäre eine Beschwerde gegen die Aufforderung zum Antritt der Ersatzfreiheitsstrafe, welche kein Bescheid ist (; Wessely in Raschauer/Wessely, VStG2, § 54b Rz 9), als unzulässig zurückzuweisen ().

Somit ist davon auszugehen, dass die Beschwerde vom gegen die mit datierte Vollstreckungsverfügung gerichtet ist und rechtzeitig eingebracht wurde.

Zum Beschwerdebegehren und zum Umfang der Entscheidungsbefugnis des BFG:

Das erkennbare Beschwerdebegehren ist die Nachsicht der Strafe, zumindest aber die Herabsetzung der Strafe. Als Begründung (Grund der Rechtswidrigkeit) ist erkennbar, dass die Strafe zu hoch sei.

Die Entscheidungsbefugnis und somit Entscheidungspflicht des Verwaltungsgerichtes (hier: Bundesfinanzgericht als Verwaltungsgericht des Bundes für Finanzen gemäß Art. 129 B-VG) in Angelegenheiten der Verwaltungsübertretungen (Strafsachen im Sinne des VStG) ist nicht durch die in der Beschwerde angegebenen Gründe der Rechtswidrigkeit und den Antrag (Beschwerdebegehren) beschränkt (Köhler/Wessely in Raschauer/Wessely, Kommentar zum VwGVG, Rz 4 zu § 50 VwGVG) [Davon zu unterscheiden sind die - hier nicht relevanten - Beschränkungen der Entscheidungsbefugnis bei der Teilbarkeit des Spruches des angefochtenen Bescheides (Schuldausspruch und Strafausspruch oder Bestrafung für mehrere Übertretungen in einem Straferkenntnis) und Anfechtung bloß eines Teiles des teilbaren Spruches.]

Die umfassende Entscheidungsbefugnis der Verwaltungsgerichte in Verwaltungsstrafsachen (und des BFG in allen Verfahren) ist in Art. 130 Abs. 3 B-VG vorgezeichnet.

Sachverhalt:

Die Strafverfügung (Titelbescheid) vom , GZ. MA67/Zahl/2023, wurde von der Bf. nachweislich am Dienstag, übernommen. Die Bf. bestreitet die Zustellung der Strafverfügung vom , GZ. MA67/Zahl/2023, auch nicht.

Gegen diese Strafverfügung wurde kein Einspruch erhoben.

Mit Schreiben vom mahnte die belangte Behörde die rechtskräftige Geldstrafe iHv 365 Euro ein, verhängte einen pauschalierten Kostenbeitrag (Mahngebühr) iHv 5 Euro und forderte die Bf. zur unverzüglichen Einzahlung des Gesamtbetrages auf.

Die in der Strafverfügung vom festgesetzte Geldstrafe iHv 365 Euro (zuzüglich 5 Euro Mahngebühr) war am noch nicht bezahlt worden.

Die angefochtene Vollstreckungsverfügung stimmt mit der Strafverfügung plus Rückstandsausweis über den pauschalierten Kostenbeitrag (Mahngebühr) überein.

Die über die Bf. verhängte Geldstrafe war von Anfang an uneinbringlich gewesen, wie sich nach der Erlassung der Vollstreckungsverfügung ergeben hat, indem die Aufnahme des Vermögensverzeichnisses nach § 47 EO vom zum Akt genommen wurde. Hinsichtlich Uneinbringlichkeit gibt es keine Anzeichen einer Änderung. Beide Streitparteien gehen von der Uneinbringlichkeit der 365 Euro Geldstrafe plus 5 Euro Mahngebühr aus: die belangte Behörde in der Aufforderung vom und implizit die Bf. in der Beschwerde.

Beweiswürdigung:

Die obigen Sachverhaltsfeststellungen ergeben sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt und werden von den Parteien nicht bestritten. Auch für das Bundesfinanzgericht haben sich keine Anhaltspunkte ergeben, an der Richtigkeit des festgestellten Sachverhaltes zu zweifeln. Vor diesem Hintergrund durfte das Bundesfinanzgericht die obigen Sachverhaltsfeststellungen in freier Beweiswürdigung als erwiesen annehmen.

Rechtsgrundlagen und rechtliche Würdigung des Sachverhaltes:

§ 49 Abs. 1 und 3 VStG bestimmen:
"(1)Der Beschuldigte kann gegen die Strafverfügung binnen zwei Wochen nach deren Zustellung Einspruch erheben und dabei die seiner Verteidigung dienlichen Beweismittel vorbringen. Der Einspruch kann auch mündlich erhoben werden. Er ist bei der Behörde einzubringen, die die Strafverfügung erlassen hat."
"(3)
Wenn ein Einspruch nicht oder nicht rechtzeitig erhoben oder zurückgezogen wird, ist die Strafverfügung zu vollstrecken."

Anwendung auf den vorliegenden Fall: Da kein Einspruch gegen die Strafverfügung, welcher bis Dienstag, möglich gewesen wäre, erhoben wurde, ist die Strafverfügung seit um 24:00 Uhr rechtskräftig.

§ 54b Verwaltungsstrafgesetz (VStG) mit der Überschrift "Vollstreckung von Geldstrafen" bestimmt:
"(1)Rechtskräftig verhängte Geldstrafen oder sonstige in Geld bemessene Unrechtsfolgen sind binnen zwei Wochen nach Eintritt der Rechtskraft zu bezahlen. Erfolgt binnen dieser Frist keine Zahlung, kann sie unter Setzung einer angemessenen Frist von höchstens zwei Wochen eingemahnt werden. Nach Ablauf dieser Frist ist die Unrechtsfolge zu vollstrecken. Ist mit Grund anzunehmen, dass der Bestrafte zur Zahlung nicht bereit ist oder die Unrechtsfolge uneinbringlich ist, hat keine Mahnung zu erfolgen und ist sofort zu vollstrecken oder nach Abs. 2 vorzugehen.
(1a)
Im Fall einer Mahnung gemäß Abs. 1 ist ein pauschalierter Kostenbeitrag in der Höhe von fünf Euro zu entrichten. Der Kostenbeitrag fließt der Gebietskörperschaft zu, die den Aufwand der Behörde zu tragen hat.
(1b)
Als Grundlage für die Einbringung der vollstreckbar gewordenen Mahngebühr ist ein Rückstandsausweis auszufertigen, der den Namen und die Anschrift des Bestraften, den pauschalierten Kostenbeitrag und den Vermerk zu enthalten hat, dass der Kostenbeitrag vollstreckbar geworden ist. Der Rückstandsausweis ist Exekutionstitel im Sinne des § 1 der Exekutionsordnung, RGBl. Nr. 79/1896.
(2)
Soweit eine Geldstrafe uneinbringlich ist oder dies mit Grund anzunehmen ist, ist die dem ausstehenden Betrag entsprechende Ersatzfreiheitsstrafe zu vollziehen. Der Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe hat zu unterbleiben, soweit die ausstehende Geldstrafe erlegt wird. Darauf ist in der Aufforderung zum Strafantritt hinzuweisen.
(3)
Einem Bestraften, dem aus wirtschaftlichen Gründen die unverzügliche Zahlung nicht zuzumuten ist, hat die Behörde auf Antrag einen angemessenen Aufschub oder Teilzahlung zu bewilligen, wodurch die Strafvollstreckung aufgeschoben wird. Die Entrichtung der Geldstrafe in Teilbeträgen darf nur mit der Maßgabe gestattet werden, dass alle noch aushaftenden Teilbeträge sofort fällig werden, wenn der Bestrafte mit mindestens zwei Ratenzahlungen in Verzug ist."

Anwendung auf den vorliegenden Fall:
Nach der Übergabe an die Post am Mittwoch, war der Donnerstag, ein Feiertrag (Fronleichnam). Freitag war der erste Werktag ab Übergabe an die Post, Samstag der zweite Werktag und Montag der der dritte Werktag und damit der Tag der Zustellung der Mahnung gemäß § 26 Abs. 2 ZustG. Die gesetzte Frist (unverzüglich, d.h. keine Frist) war nicht angemessen, wie von § 54b Abs. 1 VStG vorgeschrieben, weshalb hier die an dieser Gesetzesstelle vorgesehene Maximalfrist (zwei Wochen) angewendet wird: Die Frist endete daher mit Ablauf von Montag, . Danach war gemäß § 54b Abs. 1 VStG die Unrechtsfolge zu vollstrecken. Die Erlassung der Vollstreckungsverfügung vom war daher nicht verfrüht.

Der in der Vollstreckungsverfügung genannte § 3 Verwaltungsvollstreckungsgesetz (VVG) mit der Überschrift "Eintreibung von Geldleistungen" lautet:
"(1) Die Verpflichtung zu einer Geldleistung ist in der Weise zu vollstrecken, daß die Vollstreckungsbehörde durch das zuständige Gericht nach den für das gerichtliche Exekutionsverfahren geltenden Vorschriften die Eintreibung veranlaßt. In diesem Fall schreitet die Vollstreckungsbehörde namens des Berechtigten als betreibenden Gläubigers ein. Die Vollstreckungsbehörde kann die Eintreibung unter sinngemäßer Anwendung der Vorschriften über die Einbringung und Sicherung der öffentlichen Abgaben selbst vornehmen, wenn dies im Interesse der Raschheit und der Kostenersparnis gelegen ist.
(2) Der Vollstreckungstitel muss mit einer Bestätigung der Stelle, von der er ausgegangen ist, oder der Vollstreckungsbehörde versehen sein, dass er einem die Vollstreckbarkeit hemmenden Rechtszug nicht mehr unterliegt (Vollstreckbarkeitsbestätigung). Einwendungen gegen den Anspruch im Sinne des
§ 35 der Exekutionsordnung - EO, RGBl. Nr. 79/1896, sind bei der Stelle zu erheben, von der der Vollstreckungstitel ausgegangen ist.
(3) Natürliche Personen, juristische Personen des Privatrechts sowie der Bund, die Länder und die Gemeinden können die Eintreibung einer Geldleistung unmittelbar beim zuständigen Gericht beantragen. Andere juristische Personen des öffentlichen Rechts können dies nur, soweit ihnen zur Eintreibung einer Geldleistung die Einbringung im Verwaltungsweg (politische Exekution) gewährt ist."

Der in der Vollstreckungsverfügung genannte § 10 VVG mit der Überschrift "Verfahren" lautet in der im Wesentlichen seit geltenden Fassung durch BGBl. I Nr. 33/2013 und BGBl. I Nr. 14/2022:
"(1)Auf das Vollstreckungsverfahren sind, soweit sich aus diesem Bundesgesetz nicht anderes ergibt, der I. Teil, hinsichtlich der Rechtsmittelbelehrung die §§ 58 Abs. 1 und 61, der 2. und 3. Abschnitt des IV. Teiles und die §§ 80 und 80a des AVG sinngemäß anzuwenden.
(2)
Die Beschwerde beim Verwaltungsgericht gegen die Vollstreckungsverfügung hat keine aufschiebende Wirkung."

Vor der Novellierung durch BGBl. I Nr. 33/2013 hatte § 10 VVG gelautet:
"(1)Auf das Vollstreckungsverfahren sind, soweit sich aus diesem Bundesgesetz nicht anderes ergibt, der I. Teil, hinsichtlich der Rechtsmittelbelehrung die §§58 Abs.1 und 61, §61a und der IV. Teil mit Ausnahme der §§ 67a bis 67h des AVG sinngemäß anzuwenden. Im Verfahren vor dem unabhängigen Verwaltungssenat sind ferner die §§ 51 bis 51i VStG und, soweit sich aus dem VStG nicht anderes ergibt, die für dieses Verfahren geltenden Bestimmungen des AVG anzuwenden.
(2)
Die Berufung gegen eine nach diesem Bundesgesetz erlassene Vollstreckungsverfügung kann nur ergriffen werden, wenn
1.
die Vollstreckung unzulässig ist oder
2.
die Vollstreckungsverfügung mit dem zu vollstreckenden Bescheid nicht übereinstimmt oder
3.
die angeordneten oder angewendeten Zwangsmittel im Gesetz nicht zugelassen sind oder mit §2 im Widerspruch stehen.
(3) Die Berufung hat keine aufschiebende Wirkung. Sie geht
1.
in einer Angelegenheit der Sicherheitsverwaltung an die Sicherheitsdirektion,
2.
in einer sonstigen Angelegenheit der Bundesverwaltung an den Landeshauptmann und
3.
in einer Angelegenheit der Landesverwaltung an die Landesregierung,
4.
im Verfahren wegen Verwaltungsübertretungen jedoch an den unabhängigen Verwaltungssenat (§ 51 VStG).
Die demnach zuständige Behörde entscheidet endgültig."

Anwendung auf den vorliegenden Fall:

Wie der Verwaltungsgerichtshof zur Frage, wann eine Vollstreckungsverfügung iSd § 10 Abs. 2 Z 1 VVG idF vor dem BGBl. I 33/2013 unzulässig ist, in ständiger Rechtsprechung ausgeführt hat, ist Voraussetzung für eine Vollstreckung, dass überhaupt ein entsprechender Titelbescheid vorliegt, dass dieser gegenüber dem Verpflichteten wirksam geworden ist und dass der Verpflichtete seiner Verpflichtung innerhalb der festgesetzten Frist und bis zur Einleitung des Vollstreckungsverfahrens nicht nachgekommen ist (vgl. unter vielen ).

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom , GZ. FE 2016/05/0001, Rn 30 und 31, zur Novellierung des § 10 VVG durch das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetz 2013, BGBl. I 33/2013, ausgeführt:
Rn 30: "Während nach der bis zum Inkrafttreten des Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetzes 2013, BGBl. I Nr. 33, geltenden Rechtslage die Gründe für eine Berufung gegen eine Vollstreckungsverfügung auf den Rahmen des § 10 Abs. 2 VVG idF vor Inkrafttreten dieser Novelle (im Folgenden: § 10 Abs. 2 VVG aF) beschränkt waren (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2003/07/0062, mwN), ist im VVG in der im vorliegenden Fall anzuwendenden, oben angeführten [neuen] Fassung in Bezug auf Vollstreckungsverfügungen keine Beschränkung der Beschwerdegründe normiert (vgl. zum Ganzen etwa Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht10 Rz 1293)."
Rn 31: "Soweit sich eine gegen die bescheidmäßige Anordnung der Ersatzvornahme erhobene Beschwerde auf Gründe stützt, die inhaltlich Berufungsgründe im Sinne § 10 Abs. 2 VVG aF darstellen, kann auf die zu dieser Gesetzesbestimmung ergangene hg. Judikatur zurückgegriffen werden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Ro 2015/07/0037)."
Die Erkenntnisse des und vom , Ra 2021/05/0113 enthalten ähnliche Aussagen und verweisen auf das zitierte Erkenntnis vom , GZ. FE 2016/05/0001.

Die angefochtene Vollstreckungsverfügung vom dient laut ihrem Spruch (nur) der "Einbringung des Geldbetrages", wozu "die Zwangsvollstreckung verfügt und die Fahrnisexekution … auf bewegliche körperliche Sachen der verpflichteten Partei angeordnet" wird. Somit ist die angefochtene Vollstreckungsverfügung angesichts der derzeitigen Uneinbringlichkeit unzweckmäßig und nicht zielführend. Dies ist ein Umstand, welcher nach der früheren Rechtslage nicht (erfolgreich) gegen eine Vollstreckungsverfügung vorgebracht werden konnte. Hingegen ist es nach der Novellierung durch das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetz 2013, BGBl. I 33/2013 im Sinne von GZ. FE 2016/05/0001, Rn 30 zulässig, einen solchen Umstand in der Beschwerde gegen eine Vollstreckungsverfügung vorzubringen. Damit kann und muss ihn auch das BFG infolge seiner bereits dargestellten umfassenden Entscheidungsbefugnis und somit umfassenden Entscheidungspflicht aufgreifen. Aus Art. 126b Abs. 5 B-VG (Kriterien der Prüfung durch den Rechnungshof) ist abzuleiten, dass das Handeln der Gebietskörperschaften und ihrer Behörden innerhalb der rechtlichen Möglichkeiten nach den Kriterien der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit auszurichten ist. Demnach erweist sich die Erlassung der angefochtenen, auf Fahrnisexekution abzielenden Vollstreckungsverfügung wegen der Uneinbringlichkeit des geforderten Geldbetrages bei der Bf. als unzweckmäßig und unwirtschaftlich. Deshalb wird der angefochtene Bescheid (im Ergebnis stattgebend) aufgehoben.

Das Vorbringen der Bf., sie habe das Fahrzeug einem Besuch aus Land zur Verfügung gestellt und sie wisse nicht genau, wer zur Tatzeit das Fahrzeug gelenkt habe, da (auch) Lieferanten (gemeint wohl: Auslieferer) desSchnellGastroBetriebes das Fahrzeug zum Liefern verwenden würden, sowie die Beschwerdevorbringen hinsichtlich Nachsicht und der Strafhöhe, richten sich gegen den rechtskräftigen Titelbescheid (Strafverfügung vom ) und können in der Entscheidung über die Beschwerde gegen die vom Titelbescheid abgeleitete Vollstreckungsverfügung nicht berücksichtigt werden. Zum Vorbringen der Bf. hinsichtlich Nachsicht und Verringerung der Strafhöhe ist auch anzumerken: Derartige Maßnahmen nach Rechtskraft des Strafbescheides (Strafverfügung, Straferkenntnis) kämen einer (teilweisen) Begnadigung gleich. Eine Begnadigung ist hier bei einer Verwaltungsübertretung im Anwendungsbereich des VStG nicht vorgesehen (vgl. Grabenwarter/Frank, B-VG, Art. 65 Rz 14).

Zum Entfall einer öffentlichen mündlichen Verhandlung:

Die öffentliche mündliche Verhandlung entfiel gemäß § 44 Abs. 2 VwGVG, weil bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid (Vollstrekkungsverfügung) aufzuheben ist.

Zur Unzulässigkeit einer (ordentlichen) Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision an den Verwaltungsgerichtshof zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird (Art. 133 Abs. 4 B-VG).

Aus folgenden Gründen ist eine ordentliche Revision durch die belangte Behörde nicht zulässig:

  1. Die Auslegung eines Antrages geht in ihrer Bedeutung nicht über den Einzelfall hinaus und vermag sohin keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufzuwerfen (vgl. ; ).

  2. Nur die Einzelfallgerechtigkeit berührende Wertungsfragen sind keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung (vgl. ; ).

  3. Zur Rechtsfrage, ob auch nach der Novellierung des § 10 VVG durch das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetz 2013, BGBl. I Nr. 33/2013 die zuvor normiert gewesene Beschränkung der zulässigen Anfechtungsgründe gegen Vollstreckungsverfügungen gilt, wurde der nunmehr ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ( GZ. FE 2016/05/0001; ; ) gefolgt.

Für die Bf. hingegen geht die absolute Unzulässigkeit einer Revision gemäß § 25a Abs. 4 VwGG vor (siehe Rechtsmittelbelehrung).

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Verwaltungsstrafsachen Wien
betroffene Normen
§ 50 VwGVG, Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013
Art. 126b Abs. 5 B-VG, Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930
§ 54b VStG, Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52/1991
Verweise






ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7500456.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at