Keine Umdeutung eines eindeutigen, von einem Parteienvertreter gestellten Vorlageantrages in eine Beschwerde; Zurückweisung
Entscheidungstext
BESCHLUSS
Das Bundesfinanzgericht fasst durch die Richterin Mag. Andrea Ebner in der Rechtssache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Heinz Neuböck Wirtschaftstreuhand Gesellschaft m.b.H., Bauernmarkt 24, 1010 Wien, betreffend den Vorlageantrag vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Feststellung der Einkünfte § 188 BAO 2017, Steuernummer ***BF1StNr1*** den Beschluss:
I. Der Vorlageantrag wird gemäß § 264 Abs 4 lit e BAO iVm § 260 Abs 1 lit a BAO als nicht zulässig zurückgewiesen.
II. Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Begründung
Sachverhalt
Mit Bescheid vom stellte die belangte Behörde die Einkünfte der Beschwerdeführerin gemäß § 188 BAO für das Jahr 2017 antragsgemäß fest.
Am stellte die steuerliche Vertretung der Beschwerdeführerin einen Antrag auf Wiederaufnahme des Einkünftefeststellungsverfahrens für das Jahr 2017 gemäß § 303 BAO. Darin wurde die Berücksichtigung der vom Beteiligten ***1*** bezahlten Sozialversicherungsbeiträge als Sonderbetriebsausgaben begehrt.
Mit Bescheid vom wies die belangte Behörde den Verfahrenswiederaufnahmeantrag ab und führte begründend aus, dass die bezahlte Sozialversicherung zum Zeitpunkt der Bescheidausfertigung bekannt gewesen sei und somit kein Grund für eine Wiederaufnahme auf Antrag § 303 BAO vorliege.
Der abweisende Bescheid enthielt auszugsweise wie folgt lautende Rechtsmittelbelehrung:
"Sie haben das Recht, gegen diesen Bescheid Beschwerde einzulegen. Die Beschwerde muss innerhalb eines Monats nach der Zustellung des Bescheides beim oben angeführten Amt eingereicht oder bei der Post aufgegeben werden. […] In der Beschwerde sind der Bescheid zu bezeichnen (Bescheid für 2017 vom ) sowie die gewünschten Änderungen anzuführen und zu begründen. […]"
Gegen die Abweisung des Wiederaufnahmeantrages betreffend das Einkünftefeststellungsverfahren gemäß § 188 BAO für das Jahr 2017 brachte der berufsmäßige Parteienvertreter der Beschwerdeführerin am ein als Vorlageantrag bezeichnetes auszugsweise wie folgt lautendes Schreiben ein:
"St.Nr. ***2***
***Bf1***
- Bescheid über Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO 2017 vom 23.10.1019
- Antrag vom auf Wiederaufnahme gem. § 303 BAO, in eventu Ansuchen um antswegige WA
Bescheid vom Abweisung Antrag auf WA vom
VORLAGEANTRAG
Sehr geehrte Damen und Herren!
Zu obiger Steuernummer erging der Bescheid vom , zugestellt am , womit der Antrag vom auf Wiederaufnahme gem. § 303 BAO, in eventu Ansuchen um amtswegige WA, betreffend Bescheid vom über Feststellung von Einkünften gem. § 188 BAO 2017 abgewiesen wird.
Hiermit wird innerhalb offener Frist erhoben nachstehender
VORLAGEANTRAG,
und beantrag, den Antrag vom auf Wiederaufnahme gem. § 303 BAO, in eventu Ansuchen um amtswegige WA, dem Finanzgericht zur Entscheidung vorzulegen.
Zur Begründung wird auf die Ausführungen im Wiederaufnahmeantrag verwiesen und zur - sehr kurzen und unzutreffenden - Begründung des Finanzamtes ausgeführt, dass damit die Behörde in keiner Weise auf die Argumente im ausführlich begründeten Wiederaufnahmeantrag eingegangen ist. […]
Zusammenfassend ist sohin jedenfalls mit Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich der bezahlten Sozialversicherungsbeiträge vorzugehen und wird höflich beantragt, dem Antrag vom auf Wiederaufnahme gem. § 303 BAO, in eventu Ansuchen um amtswegige WA, stattzugegeben und eine mündliche Verhandlung anzuberaumen. […]"
Das Unterbleiben einer Beschwerdevorentscheidung wird im Schriftsatz vom nicht beantragt. Eine Beschwerdevorentscheidung ist im Beschwerdefall nicht ergangen.
Die Fußzeile des Schreibens beinhaltet folgenden Speicherpfad des Dokumentes, der ebenfalls den Dokumentnamen "Vorlageantrag" enthält:
"T:\_hn\C\ ***3*** 200311\FA\2023\Vorlageantrag betr. WA Einkünfte 2017.doc, 7, Au"
Die belangte Behörde übermittelte den elektronischen Verwaltungsakt samt Vorlageantrag am dem Bundesfinanzgericht. Im Vorlagebericht vom selben Tag wird die Zurückweisung des gegenständlichen Vorlageantrages begehrt, weil von einem berufsrechtlichen Parteienvertreter dezidiert ein "Vorlageantrag" gegen einen abweisenden Bescheid der belangten Behörde gestellt worden sei.
Die Sachverhaltsfeststellungen gründen sich auf den Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes. Nach dem Gesamtbild der Verhältnisse durfte das Bundesfinanzgericht daher in freier Beweiswürdigung von den obigen Sachverhaltsfeststellungen ausgehen.
Rechtliche Beurteilung
Nach § 243 BAO sind gegen Bescheide, die Abgabenbehörden erlassen, Beschwerden (Bescheidbeschwerden) an die Verwaltungsgerichte zulässig, soweit in den Abgabenvorschriften nicht anderes bestimmt ist.
Der mit der Überschrift "10. Vorlageantrag" übertitelte § 264 BAO lautet wie folgt:
§ 264. (1) Gegen eine Beschwerdevorentscheidung kann innerhalb eines Monats ab Bekanntgabe (§ 97) der Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Verwaltungsgericht gestellt werden (Vorlageantrag). Der Vorlageantrag hat die Bezeichnung der Beschwerdevorentscheidung zu enthalten.
(2) Zur Einbringung eines Vorlageantrages ist befugt
a) der Beschwerdeführer, ferner
b) jeder, dem gegenüber die Beschwerdevorentscheidung wirkt.
(3) Wird ein Vorlageantrag rechtzeitig eingebracht, so gilt die Bescheidbeschwerde von der Einbringung des Antrages an wiederum als unerledigt. Die Wirksamkeit der Beschwerdevorentscheidung wird durch den Vorlageantrag nicht berührt. Bei Zurücknahme des Antrages gilt die Bescheidbeschwerde wieder als durch die Beschwerdevorentscheidung erledigt; dies gilt, wenn solche Anträge von mehreren hiezu Befugten gestellt wurden, nur für den Fall der Zurücknahme aller dieser Anträge.
(4) Für Vorlageanträge sind sinngemäß anzuwenden:
a) § 93 Abs. 4 und 5 sowie § 245 Abs. 1 zweiter Satz und Abs. 2 bis 5 (Frist),
b) § 93 Abs. 6 und § 249 Abs. 1 (Einbringung),
c) § 255 (Verzicht),
d) § 256 (Zurücknahme),
e) § 260 Abs. 1 (Unzulässigkeit, nicht fristgerechte Einbringung),
f) § 274 Abs. 3 Z 1 und 2 sowie Abs. 5 (Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung).
(5) Die Zurückweisung nicht zulässiger oder nicht fristgerecht eingebrachter Vorlageanträge obliegt dem Verwaltungsgericht.
(6) Erfolgt die Vorlage der Bescheidbeschwerde an das Verwaltungsgericht nicht innerhalb von zwei Monaten ab Einbringung des Vorlageantrages bzw. in den Fällen des § 262 Abs. 3 und 4 (Unterbleiben einer Beschwerdevorentscheidung) ab Einbringung der Bescheidbeschwerde, so kann die Partei (§ 78) beim Verwaltungsgericht eine Vorlageerinnerung einbringen. Diese wirkt wie eine Vorlage der Beschwerde. Sie hat die Bezeichnung des angefochtenen Bescheides, der Beschwerdevorentscheidung und des Vorlageantrages zu enthalten.
(7) Durch die Aufhebung einer Beschwerdevorentscheidung scheidet der Vorlageantrag aus dem Rechtsbestand aus."
Gemäß § 260 Abs 1 BAO ist die Bescheidbeschwerde mit Beschluss zurückzuweisen, wenn sie a) nicht zulässig ist oder b) nicht fristgerecht eingebracht wurde. Diese Bestimmung gilt nach § 264 Abs 4 lit e BAO sinngemäß für unzulässig eingebrachte Vorlageanträge.
Für die Beurteilung von Anbringen kommt es auf den Inhalt und auf das erkennbare oder zu erschließende Ziel des Parteischritts an. Bei einem eindeutigen Inhalt eines Anbringens ist eine davon abweichende, nach außen nicht zum Ausdruck kommende Absicht des Einschreiters nicht maßgebend. Bei undeutlichem Inhalt eines Anbringens ist die Behörde gehalten, die Absicht der Partei zu erforschen (). Es besteht keine Befugnis oder Pflicht der Behörde, von der Partei tatsächlich nicht erstattete Erklärungen aus der Erwägung als erstattet zu fingieren, dass der Kontext des Parteienvorbringens die Erstattung der nicht erstatteten Erklärung nach behördlicher Beurteilung als notwendig, ratsam oder empfehlenswert erscheinen lässt (vgl ).
Parteierklärungen im Verwaltungsverfahren sind nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen, dh es kommt darauf an, wie die Erklärung unter Berücksichtigung der konkreten gesetzlichen Regelung, des Verfahrenszwecks und der der Behörde vorliegenden Aktenlage objektiv verstanden werden muss ().
Die unrichtige Bezeichnung eines Rechtsmittels, wie etwa der Beschwerde als "Vorlageantrag", allein vermag dessen Unzulässigkeit nicht zu begründen. Für die Beurteilung des Charakters einer Eingabe ist vielmehr ihr wesentlicher Inhalt, der sich aus dem gestellten Antrag erkennen lässt, und die Art des in diesem gestellten Begehrens maßgebend (vgl , mwN). Eine Umdeutung der unrichtig bezeichneten Eingabe in das vom Gesetz vorgesehene Rechtsmittel kommt allerdings dann nicht in Betracht, wenn sich aus der Rechtsmittelerklärung und dem Rechtsmittelantrag unmissverständlich das Begehren der Partei nach einer Entscheidung über das (unzulässige) Rechtsmittel - insbesondere durch eine im Instanzenzug unzuständige Behörde bzw ein unzuständiges Gericht - ergibt (vgl auch ; sowie , und ).
Einer Umdeutung steht im gegenständlichen Fall der klare Wortlaut des Schriftsatzes vom entgegen, in dem an mehreren Stellen von einem beruflichen Parteienvertreter ausgeführt wurde, dass ein "Vorlageantrag" erhoben wird. Zudem wird (wiederholt) in diesem Schriftsatz beantragt "den Antrag vom auf Wiederaufnahme gem. § 303 BAO" dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorzulegen" und nicht etwa die Bescheidbeschwerde. Ein bloßes Vergreifen im Ausdruck liegt jedenfalls nicht vor. Dies insbesondere vor dem Hintergrund als der von einem beruflichen Parteienvertreter eingebrachte gegenständliche Schriftsatz vom keinen Hinweis darauf enthält, dass es sich dabei um eine Bescheidbeschwerde gegen den Bescheid vom handelt, in der etwa gemäß § 262 Abs 2 BAO das Unterlassen einer Beschwerdevorentscheidung beantragt wird. Durch einen solchen Unterlassungsantrag würde die die Abgabenbehörde nämlich angehalten werden die Bescheidbeschwerde innerhalb von drei Monaten ab ihrem Einlangen dem Verwaltungsgericht ohne Erlassen einer Beschwerdevorentscheidung (direkt) vorzulegen. Im gegenständliche Schriftsatz vom wird jedoch vielmehr beantragt den "Antrag vom auf Wiederaufnahme gem. § 303 BAO, in eventu Ansuchen um amtswegige WA, dem Finanzgericht zur Entscheidung vorzulegen" und gerade nicht eine Bescheidbeschwerde, womit für eine Umdeutung des gegenständlichen als Vorlageantrag bezeichneten Schriftsatzes in eine Bescheidbeschwerde keinerlei Raum bleibt. Dass der (steuerverfahrens-)rechtskundige Parteienvertreter folglich entgegen dem eindeutigen Wortlaut eine Bescheidbeschwerde anstatt einem Vorlageantrag einbringen wollte, kann nicht unterstellt werden.
Es ist somit davon auszugehen, dass der steuerliche Vertreter der Beschwerdeführerin einen Vorlageantrag gemäß § 264 BAO gestellt hat. Ein solcher ist das ordentliche Rechtsmittel gegen eine Beschwerdevorentscheidung, die jedoch im Beschwerdefall schon mangels Bescheidbeschwerde nicht ergangen ist. Das gegen den Bescheid vom ergriffene Rechtsmittel des Vorlageantrages war im Beschwerdefalls ungeeignet eine inhaltliche Zuständigkeit des Bundesfinanzgerichtes auszulösen und damit unzulässig.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden und der Vorlageantrag vom gemäß § 264 Abs 4 lit e BAO iVm § 260 Abs 1 lit a BAO als nicht zulässig zurückzuweisen.
Bei der Zurückweisung gemäß § 264 Abs 4 lit e BAO iVm § 260 BAO kann gemäß § 274 Abs 5 BAO iVm § 274 Abs 3 Z 1 BAO von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung abgesehen werden. Vor dem Hintergrund der klaren Sach- und Rechtslage lässt eine mündliche Erörterung eine über die Aktenlage hinausgehende Klärung der Rechtssache nicht erwarten. Deshalb konnte im gegenständlichen Fall sowohl aus Billigkeits- als auch Zweckmäßigkeitsüberlegungen von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung abgesehen werden.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im gegenständlichen Fall ist das Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu verneinen, weil sich die die maßgebliche Rechtslage unmittelbar und klar aus dem Gesetz ergibt bzw die zu lösenden Rechtsfragen bereits durch die oben zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes geklärt sind.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 260 Abs. 1 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 264 Abs. 4 lit. e BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 260 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 274 Abs. 5 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 274 Abs. 3 Z 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 264 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 260 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2023:RV.7102204.2023 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at