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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 28.07.2023, RV/7400032/2015

Haftung nach § 9 Abs 5 Wr Gebrauchsabgabegesetz; kein Nachweis zur Überprüfung der Gläubigergleichbehandlung erbracht

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Lisa Pucher in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 6, Rechnungs- und Abgabewesen vom betreffend die Haftung des Beschwerdeführers als Geschäftsführer der ***Primärschuldnerin*** für den entstandenen Rückstand an Gebrauchsabgabe (Haftungsbetrag gesamt: € 873,38), zu den Abgabenkontonummern ***AbgKtoNr1*** sowie ***AbgKtoNr2***, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Am erging ein Schreiben des Magistrates der Stadt Wien an den Beschwerdeführer (nachfolgend "Bf") betreffend eine von der ***Primärschuldnerin*** (nachfolgend auch "Primärschuldnerin") geschuldete Gebrauchsabgabe für das Jahr 2014. Der Bf sei bis zur Eröffnung des Sanierungsverfahrens mit ***Datum*** über die ***Primärschuldnerin*** im Firmenbuch als Geschäftsführer dieser Gesellschaft eingetragen gewesen. Nach § 9 Abs 5 Wiener Gebrauchsabgabegesetz 1966 haften die in § 80 BAO bezeichneten Vertreter juristischer Personen neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten abgabenrechtlichen oder sonstigen Pflichten nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden können, insbesondere im Fall der Konkurseröffnung. Im gegenständlichen Fall sei für 2014 insgesamt ein Betrag von € 873,38 an Gebrauchsabgabe nicht fristgerecht entrichtet worden. Der Betrag entfalle auf die Abgabenkontonummern ***AbgKtoNr1*** (betreffend Standorte in Wien 12) sowie ***AbgKtoNr2*** (betreffend Standorte in Wien 19). Es werde dem Bf gemäß § 183 Abs 4 BAO Gelegenheit zur Stellungnahme dazu gegeben.

Der Bf äußerte sich wie folgt: Er habe zur wirtschaftlichen Besserstellung der ***Primärschuldnerin*** damals einen Vorschlag ausgearbeitet, einen wirtschaftlich starken Partner an dem Unternehmen zu beteiligen. Sein Vorschlag sei von den Gesellschaftern abgelehnt worden, worauf er seine Funktion als Geschäftsführer am ***Datum Rücktritt GF*** zurückgelegt habe. Sein Nachfolger als handels- und gewerberechtlicher Geschäftsführer sei der Gesellschafter ***Dr. R*** gewesen. Am ***Datum*** sei ein Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung eingeleitet worden. Dieses Sanierungsverfahren sei von den Gläubigern "zu 100% angenommen und bestätigt worden". Eine Woche nach der "Gläubigerhauptversammlung" hätten die Gesellschafter ihre Anteile zur Gänze an die ***X*** Gruppe verkauft. Durch sein Ausscheiden als Geschäftsführer der ***Primärschuldnerin*** habe der Bf keinen Einfluss mehr auf die getroffenen Entscheidungen und unternommenen Schritte gehabt. Die Insolvenz wäre durch die vom Bf vorgeschlagene strategische Firmenbeteiligung vermeidbar gewesen. Der Bf ersuche demgemäß um "Entlastung" von der Haft- und Zahlungspflicht.

Am erließ der Magistrat der Stadt Wien einen Haftungsbescheid an den Bf. Der Bescheid wurde von der belangten Behörde am per Post verschickt und dem Bf am zugestellt. Der Haftungsbetrag wurde im Bescheid wie folgt gegliedert:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Konto Nr: ***AbgKtoNr1***
Abgabe
Zeitraum
Beträge in
Gebrauchsabgabe
1/2014
541,37
Quote von 20% aus dem Sanierungsverfahren
-108,33
Haftungsbetrag
433,34


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Konto Nr: ***AbgKtoNr2***
Abgabe
Zeitraum
Beträge in
Gebrauchsabgabe
1/2014
550,05
Quote von 20% aus dem Sanierungsverfahren
-110,01
Haftungsbetrag
440,04

Begründend führte die belangte Behörde wie folgt aus: Es stehe nach der Aktenlage fest und sei auch nicht bestritten worden, dass die im angefochtenen Bescheid angeführten Abgabenforderungen entstanden sind. Der gegenständliche Abgabenanspruch resultiere aus dem Gebrauch des öffentlichen Grundes bzw des darüber befindlichen Luftraumes durch die Anbringung von Leuchtschildern senkrecht zur Wand (Jahresabgabe nach Tarif B Post 21 Wiener Gebrauchsabgabegesetz 1966). Es stehe auch fest, dass der Bf bis zur Eröffnung des Sanierungsverfahrens per ***Datum*** im Firmenbuch als Geschäftsführer der ***Primärschuldnerin*** eingetragen und daher verantwortlicher Vertreter der Primärschuldnerin gewesen war. Die Gebrauchsabgabe für das Jahr 2014 sei vor Eröffnung des Sanierungsverfahrens fällig geworden. Es sei nicht ersichtlich, warum der verantwortliche Vertreter im Zeitpunkt der Fälligkeit der Abgaben nicht dazu verpflichtet gewesen sein sollte, für die Entrichtung der betreffenden Abgaben Sorge zu tragen. Dass er zu diesem Zeitpunkt Versuche zur wirtschaftlichen Besserstellung der Schuldnerin und Abwendung einer Insolvenz unternommen hätte, ändere daran nichts. Ebenso stehe fest, dass der Sanierungsplan bestätigt und das Sanierungsverfahren mit Beschluss vom ***Datum*** aufgehoben wurde. Daraus folge, dass der die Sanierungsquote von 20% übersteigende Abgabenrückstand bei der Primärschuldnerin uneinbringlich ist und die Haftung des verantwortlichen Vertreters für den Differenzbetrag zum Tragen komme.

Am erhob der Bf fristgerecht Beschwerde beim Magistrat der Stadt Wien gegen den Haftungsbescheid vom , wobei folgendes vorgebracht wurde: Der Bf sei nicht wie in der Bescheidbegründung angegeben, zum Zeitpunkt der Eröffnung des Sanierungsverfahrens (per ***Datum***) Geschäftsführer der ***Primärschuldnerin*** und daher deren verantwortlicher Vertreter gewesen. Vielmehr sei er am ***Datum Rücktritt GF*** als Geschäftsführer zurückgetreten, weil er eine Insolvenz auf Grund von alternativen Möglichkeiten nicht unterzeichnet hätte. Am ***Datum Rücktritt GF*** sei der Gesellschafter ***Dr. R*** als handels- und gewerberechtlicher Geschäftsführer berufen worden. Dass die Gebrauchsabgabe für das Jahr 2014 im Jänner 2014 fällig gewesen war, stellte der Bf nicht in Abrede. Die ***Primärschuldnerin*** sei zu dieser Zeit wirtschaftlich nicht gut aufgestellt gewesen war und habe Engpässe in ihrer Liquidität zu verzeichnen gehabt.

Am erging die abweisende Beschwerdevorentscheidung, die wie folgt begründet wurde: Voraussetzungen für die Haftung seien eine Abgabennachforderung gegen den Vertretenen (Primärschuldner), die Stellung als Vertreter, die erschwerte Einbringung der Abgabenforderung, eine Pflichtverletzung des Vertreters, dessen Verschulden an der Pflichtverletzung und die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die erschwerte Einbringung. Es werde nicht bestritten, dass der Bf am ***Datum Rücktritt GF*** seine Geschäftsführerfunktion bei der ***Primärschuldnerin*** zurückgelegt hat. Ebenfalls sei aber unstrittig, dass die verfahrensgegenständlichen Abgabenrückstände zum Fälligkeitszeitpunkt nicht entrichtet worden waren und bei der ***Primärschuldnerin*** nur eine Einbringlichkeit bis zur im Sanierungsverfahren festgesetzten Quote von 20% gegeben war. Der Bf habe nur pauschal vorgebracht, die ***Primärschuldnerin*** sei im Zeitpunkt der Abgabenfälligkeit wirtschaftlich nicht gut aufgestellt gewesen und habe Engpässe in der Liquidität zu verzeichnen gehabt. Dazu sei aber darauf hinzuweisen, dass nicht die Abgabenbehörde das Ausreichen von Mittel zur Abgabenentrichtung nachzuweisen hat, sondern der zur Haftung herangezogene Vertreter das Fehlen von Mittel. Der Rücktritt des Bf als Geschäftsführer stelle keinen schuldbefreienden Nachweis für die Nichtentrichtung der betreffenden Abgabe zum Fälligkeitszeitpunkt dar. Der Geschäftsführer hafte für nicht entrichtete Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel zur Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft nicht ausreichen, es sei denn, er weist nach, dass diese Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet wurden. Widrigenfalls hafte der Geschäftsführer für die Abgabe zu Gänze. Es sei kein Grund evident, der rechtfertigt, den Bf von der Haftung zu entbinden.

Am ging beim Bundesfinanzgericht ein mit datierter Vorlageantrag ein, dessen Begründung sich im Wesentlichen mit den in der Beschwerde enthaltenen Ausführungen deckt. Das Schreiben wurde am selben Tag an den Magistrat der Stadt Wien weitergeleitet.

Am erfolgte die Vorlage an das Bundesfinanzgericht.

Durch den Beschluss des Geschäftsverteilungsausschusses vom wurde der gegenständliche Fall mit Wirkung der Gerichtsabteilung 1054 abgenommen und der Gerichtsabteilung 1090 neu zugeteilt.

Mit Schreiben vom forderte das Bundesfinanzgericht den Bf auf, einen ordnungsgemäßen Gläubigergleichbehandlungsnachweises zu erbringen. Falls Mittel vorhanden waren, diese jedoch nicht zur Begleichung sämtlicher Schulden ausreichten, stehe dem Bf offen, den Nachweis zu erbringen, welcher Betrag - unter Berücksichtigung der im relevanten Zeitraum vorhandenen Mittel - bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre ("Errechnung des Quotenschadens"). Das Schreiben enthielt eine Anleitung zur ordnungsgemäßen Quotenberechnung; die Aufstellung der liquiden Mittel sowie der Gesamtverbindlichkeiten müsse rechnerisch nachvollziehbar sowie durch entsprechende Unterlagen belegt sein.

Ein Nachweis der Gläubigergleichbehandlung wurde durch den Bf nicht erbracht. Der Bf brachte vor, dass er selbst nicht über Geschäftsunterlagen der ***Primärschuldnerin*** für den hier relevanten Zeitraum verfüge. Zweckdienliche Unterlagen seien momentan auch nicht von der ***X Vertriebs GmbH***("Nachfolgefirma") erlangbar gewesen. Er habe in Erfahrung gebracht, dass das Tankstellengeschäft an eine polnische Mineralölfirma verkauft worden ist und sich alle "Geschäftsabteilungen" derzeit im Stadium der Übergabe befinden. Rückblickend könne der Bf nur mitteilen, dass es in den Monaten Jänner und Februar immer eine angespannte Liquiditätssituation gegeben habe; in den Wintermonaten seien die schwächsten Umsätze erwirtschaftet worden, es seien aber viele Zahlungen fällig gewesen. Man habe immer alle Forderungen, wenn auch leicht verspätet, erfüllt. Auch der Rückstand an Gebrauchsabgabe wäre letztlich - unter der Geschäftsführung des Bf - (mit Verspätung) erfüllt worden. Die Sanierungsquote von 20% sei bereits nach 3 Monaten erwirtschaftet worden, was das Funktionieren des Verkaufsgeschäftes bestätige.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der Bf war ab Geschäftsführer der ***Primärschuldnerin***. Am ***Datum Rücktritt GF*** hat der Bf seine Geschäftsführerfunktion zurückgelegt.

Die betreffenden - dem Bf im Haftungsweg vorgeschriebenen - Abgaben (siehe Aufgliederung Haftungsbescheid) sind von der Primärschuldnerin nicht rechtzeitig zum Fälligkeitstermin bezahlt worden.

Mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom ***Datum*** (Geschäftszahl ***XY***) wurde über das Vermögen der Primärschuldnerin das Sanierungsverfahren eingeleitet. Bei der Primärschuldnerin haftete damals ein Rückstand an Gebrauchsabgabe für 2014 in Höhe von € 541,67 (für Abgabenkontonummer ***AbgKtoNr1***, Adresse: 1120 Wien, Gasse 1, Gasse 2) und in Höhe von € 550,05 (für Abgabenkontonummer ***AbgKtoNr2***, Adresse: 1190 Wien, Gasse 3, Gasse 4) aus. Diese Abgabenrückstände wurde von der belangten Behörde im Sanierungsverfahren angemeldet. Die Forderungen der belangten Behörde wurden anerkannt (Sanierungsplanquote 20%). Das Sanierungsverfahren wurde mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom ***Datum*** aufgehoben.

Die Quotenzahlungen sind eingegangen.

2. Beweiswürdigung

Die Feststellungen zur Vertreterstellung des Bf ergeben sich aus einem Firmenbuchauszug der Primärschuldnerin (Akt Blätter 16 bis 18).

Dass die betreffenden - dem Bf im Haftungsweg vorgeschriebenen - Abgaben von der Primärschuldnerin nicht rechtzeitig zum Fälligkeitstermin bezahlt worden sind, ist unstrittig.

Die Feststellungen zum Sanierungsverfahren gründen sich auf die Eintragungen im Firmenbuch, aus denen hervorgeht, dass das Handelsgericht Wien ein Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung eröffnet und, nachdem der Sanierungsplan rechtskräftig bestätigt wurde, das Sanierungsverfahren wieder aufgehoben hatte. Dass die Sanierungsplanquote 20% betrug und die Sanierungsplanquote auch erfüllt wurde, ergibt sich aus dem Vorbringen der belangten Behörde und wurde vom Bf im Verfahren nicht bestritten.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Zu klären war, ob die Haftungsinspruchnahme des Bf für die hier gegenständlichen Gebrauchsabgaben zu Recht erfolgt ist:

(1) Rechtliche Rahmenbedingungen

§ 9 Abs 5 Wiener Gebrauchsabgabegesetz 1966 (idF LGBl Nr 20/1966) regelt: "Die in den §§ 80 ff Bundesabgabenordnung - BAO bezeichneten Vertreter haften neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffende Gebrauchsabgabe insoweit, als diese Abgabe infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten abgabenrechtlichen oder sonstigen Pflichten nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden kann, insbesondere im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. § 9 Abs. 2 Bundesabgabenordnung - BAO gilt sinngemäß."

§ 80 Abs 1 BAO (idF BGBl 194/1961) sieht vor: "Die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen haben alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, daß die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden."

Demnach setzt die Geltendmachung der Haftung gemäß § 9 Abs 5 Wiener Gebrauchsabgabegesetz in Verbindung mit § 80 BAO folgendes voraus:

1. Vertreterstellung gemäß den §§ 80 ff BAO

2. Erschwerte Einbringlichkeit der betreffenden Abgabenforderung beim Vertretenen (Primärschuldner)

3. Verletzung von abgabenrechtlichen oder sonstigen Pflichten

4. Verschulden des Vertreters

5. Kausalität zwischen schuldhafter Pflichtverletzung und erschwerter Einbringlichkeit

Die Erlassung von Haftungsbescheiden (§ 224 BAO) liegt im Ermessen der Abgabenbehörde (siehe Ritz/Koran, BAO7 § 7 Rn 5 mwN). Nach § 20 BAO müssen sich Ermessensentscheidungen in den Grenzen halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Wesentliches Ermessenskriterium bei der Geltendmachung persönlicher Haftungen ist die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalles. Dem Begriff "Billigkeit" ist die Bedeutung "Angemessenheit in Bezug auf berechtigte Interessen der Partei", dem Begriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Interesse, insbesondere an der Einbringung der Abgaben" beizumessen (vgl zB ). Neben der Nachrangigkeit der Haftung wäre bei der Ermessensübung in diesem Sinn beispielsweise ein behördliches Mitverschulden an der Erschwerung der Einbringung beim Hauptschuldner (etwa durch Säumigkeit der Abgabenbehörde bei der Eintreibung der Abgaben bei der Primärschuldnerin), die Geringfügigkeit des haftungsgegenständlichen Betrages oder die Uneinbringlichkeit beim Haftungspflichtigen selbst zu berücksichtigen (siehe dazu Ritz/Koran, BAO7 § 7 Rn 7 mwN).

(2) Schlussfolgerungen

Die Geltendmachung der Haftung für die offenen Beträge an Gebrauchsabgabe beim Bf durch die belangte Behörde erfolgte aus nachfolgend angeführten Gründen zu Recht:

Erstens sind die oben angeführten - aus § 9 Abs 5 Wiener Gebrauchsabgabegesetz sowie den §§ 80 ff BAO ableitbaren - Haftungsvoraussetzungen im vorliegenden Fall erfüllt:

  1. Als GmbH-Geschäftsführer gehörte der Bf zum in den §§ 80 ff BAO angesprochenen Personenkreis.

  2. Die in § 9 Abs 5 Wiener Gebrauchsabgabegesetz normierte "erschwerte Einbringlichkeit" als Voraussetzung für die Haftungsinanspruchnahme ist durch die Eröffnung des Sanierungsverfahrens (= Insolvenzverfahren im Sinne des § 9 Abs 5 Wiener Gebrauchsabgabegesetz) gegeben. Ein Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung (früher: Zwangsausgleich) hat eine Restschuldbefreiung der Primärschuldnerin für den die Quote übersteigenden Teil der Abgabenschuldigkeiten zur Folge. Eine (auch nur teilweise) Einbringung der noch aushaftenden Abgabenverbindlichkeiten bei der Primärschuldnerin ist nicht mehr möglich.

  3. Zu den Pflichten des Geschäftsführers einer GmbH gehört es, die abgabenrechtlichen Verpflichtungen der Gesellschaft wahrzunehmen und für die Entrichtung der Abgaben aus den verwalteten Mitteln zu sorgen (siehe zB , , ). Die hier gegenständliche Gebrauchsabgabe wäre bis zu entrichten gewesen: Die Fälligkeit der hier betroffenen Gebrauchsabgabe (Jahresabgabe für 2014) ergibt sich aus § 11 Abs 3 Wiener Gebrauchsabgabegesetz ("Die Jahresabgabe ist für jedes begonnene Abgabenjahr zu entrichten; Abgabenjahr ist das Kalenderjahr. Für das begonnene Abgabenjahr, für das die Gebrauchserlaubnis erteilt wurde, wird die Abgabe mit Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe des die Gebrauchserlaubnis erteilenden Bescheides bzw. des gesonderten Abgabenbescheides fällig; für jedes spätere Abgabenjahr ist die Abgabe jeweils bis 31. Jänner im vorhinein zu entrichten."). Die Gebrauchserlaubnis wurde vom Magistrat der Stadt Wien bereits am ***Datum 1998*** bzw am ***Datum August 2001*** bzw am ***Datum April 2001*** mit Bescheid erteilt (Anmerkung: Die am bescheidmäßige Neufestsetzung der Gebrauchsabgabe aufgrund der Anhebung der betreffenden Tarifposten des Wiener Gebrauchsabgabegesetzes 1966 mit Wirkung hatte bloß zur Folge, dass die neu festgesetzte Jahresabgabe für das Abgabenjahr 2013 innerhalb eines Monates nach Zustellung der Neufestsetzungsbescheide zu entrichten war; für jedes weitere Abgabenjahr - also auch für das hier betroffene Jahr 2014 - war die Gebrauchsabgabe im Vorhinein bis Ende Jänner zu entrichten). Da die Fälligkeit somit in den Zeitraum der (alleinigen) Geschäftsführungstätigkeit des Bf fiel, wäre der Bf prinzipiell dazu verpflichtet gewesen, für die Entrichtung der (am fälligen) Abgabe Sorge zu tragen und zwar insoweit als hierfür liquide Mittel vorhanden waren (vgl zB ; ; ). Der Umstand, dass der Bf am ***Datum Rücktritt GF*** als Geschäftsführer zurückgetreten ist, ändert nichts daran. Auch Anhaltspunkte für das völlige Fehlen von Mitteln zur Abgabenentrichtung ergeben sich nicht aus dem Akteninhalt; der Bf hat nur vorgebracht, dass die Primärschuldnerin im Zeitpunkt der Abgabenfälligkeit "wirtschaftlich nicht gut aufgestellt" gewesen und "Engpässe in der Liquidität" zu verzeichnen gehabt hätte. Sofern die Primärschuldnerin (aufgrund dieser Liquiditätsengpässe) nicht über ausreichende Mittel zur Befriedigung aller Verbindlichkeiten verfügte, hätte den Bf die Verpflichtung getroffen, alle Schulden im gleichen Verhältnis zu befriedigen (Gleichbehandlungsgrundsatz); Abgabenschulden dürfen nicht schlechter behandelt werden als die übrigen Schulden (zB ; ; ). Die - hier betroffene - am fällige Gebrauchsabgabe ist von der Primärschuldnerin (auch nicht anteilig) bezahlt worden (erst aufgrund des Sanierungsverfahren wurde letztlich eine Quote von 20% entrichtet). Den Nachweis, dass auch alle anderen Gläubiger dem entsprechend behandelt worden sind, hat der Bf nicht erbracht. Daher ist grundsätzlich das Vorliegen einer Pflichtverletzung des Bf anzunehmen.

  4. Nur schuldhafte Verletzungen abgabenrechtlicher Pflichten berechtigen zur Haftungsinanspruchnahme. Eine bestimmte Schuldform ist nicht gefordert (auch leichte Fahrlässigkeit reicht aus, zB ; ). Nach ständiger Rechtsprechung hat der Vertreter darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich war, widrigenfalls angenommen wird, dass die Pflichtverletzung schuldhaft war (zB ; ; ; ; ). Dem Vertreter obliegt dabei kein negativer Beweis, sondern die konkrete (schlüssige) Darstellung der Gründe, die zB der gebotenen rechtzeitigen Abgabenentrichtung entgegenstanden (; ; zumindest "qualifizierte Behauptungs- und Konkretisierungslast"; siehe Ritz/Koran, BAO7 § 7 Rn 22). Damit der organschaftliche Vertreter seine qualifizierte Behauptungs- und Konkretisierungslast erfüllt, ist die Darstellung der konkreten finanziellen Situation der Gesellschaft und ihrer Gebarung im fraglichen Zeitraum erforderlich (vgl ); er hat für die Möglichkeit des Nachweises seines pflichtgemäßen Verhaltens vorzusorgen (), etwa durch das Erstellen und Aufbewahren von Ausdrucken (zB ). Dem Vertreter, der fällige Abgaben der Gesellschaft nicht oder nicht zur Gänze entrichten kann, ist es schon im Hinblick auf seine mögliche Inanspruchnahme als Haftungspflichtiger zumutbar, jene Informationen zu sichern, die ihm im Falle der Inanspruchnahme als Haftungspflichtiger die Erfüllung der Darlegungspflicht im oben beschriebenen Sinn ermöglichen (vgl ; ). Für die verfahrensgegenständlichen Abgabenbeträge konnte der Bf keinerlei Nachweise vorlegen, die auf ein fehlendes Verschulden seinerseits deuten würden. Auf Ebene des Verschuldens ist zu prüfen, ob dem Vertreter die objektive Rechtswidrigkeit seines Verhaltens (nämlich die Nichtentrichtung der Gebrauchsabgabe) auch subjektiv vorwerfbar ist. Dies wäre etwa nicht der Fall, wenn der Bf die Unrichtigkeit (hier nicht fristgerechte Entrichtung der Abgabe) nicht hätte erkennen können (vgl etwa ). Dafür bestehen keine Anhaltspunkte. Der Bf hat nur vorgebracht, dass er sich zur wirtschaftlichen Besserstellung der Primärschuldnerin für eine strategische Firmenbeteiligung eingesetzt habe, womit auch eine Insolvenz hätte vermieden werden können; sein Vorschlag sei aber von den Gesellschaftern abgelehnt worden und er habe deshalb seine Geschäftsführerfunktion zurückgelegt. Eine fehlende subjektive Vorwerfbarkeit der Nichtentrichtung der betreffenden Abgaben bis zum Fälligkeitszeitpunkt (also per ) ergibt sich daraus nicht. Seine Bemühungen befreien den Bf nicht von seiner Verantwortung, sich um die rechtzeitige Entrichtung der von der Gesellschaft geschuldeten Abgaben zu kümmern. Auch das Vorbringen, dass es in den Monaten Jänner und Februar immer eine angespannte Liquiditätssituation gegeben habe, jedoch immer alle Forderungen, wenn auch leicht verspätet, erfüllt worden seien, ist nicht geeignet, eine schuldhafte Pflichtverletzung hinsichtlich der nicht (rechtzeitigen und vollständigen) Begleichung der Abgabenschuldigkeiten der Primärschuldnerin auszuschließen. Vielmehr hätte sich der Bf aufgrund der stets angespannte Liquiditätssituation zu Jahresbeginn als Geschäftsführer dazu veranlasst sehen können, ein besonderes Augenmerk auf die Fälligkeiten (und allenfalls auch eine gleichmäßige Verteilung der liquiden Mittel) zu legen. Im Übrigen wurde die Primärschuldnerin sogar von der belangten Behörde mit Lastschriftanzeigen vom an die Entrichtung der Gebrauchsabgaben für das Jahr 2014 bis spätestens erinnert.

  5. Der Vertreter haftet für sämtliche Abgabenschulden des Vertretenen im Umfang der Kausalität zwischen seiner schuldhaften Pflichtverletzung und dem Entgang der Abgaben. Reichten die liquiden Mittel nicht zur Begleichung sämtlicher Schulden aus und haftet der Vertreter nur deswegen, weil er die Abgabenforderungen nicht wenigstens anteilig befriedigt und den Abgabengläubiger somit benachteiligt hat, dann erstreckt sich die Haftung des Vertreters auch nur auf den Betrag, um den der Abgabengläubiger bei gleichmäßiger Befriedigung aller Forderungen mehr erlangt hätte, als er infolge des pflichtwidrigen Verhaltens des Vertreter tatsächlich erhalten hat (). Die Verletzung der Gleichbehandlungspflicht wird nur als kausal für den anteiligen Abgabenausfall angesehen (siehe Ritz/Koran, BAO7 § 7 Rn 27). Die Rechtsprechung des VwGH zur Haftung des Vertreters in der Höhe des Quotenschadens setzt den Nachweis voraus, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger - bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits - an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre. Erbringt der Geschäftsführer nicht den ihm obliegenden Nachweis, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre, haftet er für die in Rede stehenden Abgabenschulden zur Gänze (vgl ; ). Eine entsprechende Quotenberechnung wurde vom Bf nicht vorgelegt. Zum Vorbringen des Bf, dass er keine Unterlagen dazu habe und diese auch nicht über die ***X Vertriebs GmbH*** ("Nachfolgefirma") erlangbar waren, ist auf die oben bereits angesprochene Beweisvorsorgepflicht des Geschäftsführers hinzuweisen.

Zweitens sind Gründe, die es - im Rahmen der Ermessensübung - rechtfertigen, von der Haftungsinanspruchnahme Abstand zu nehmen bzw die Haftung einzuschränken, nicht ersichtlich: Die Zweckmäßigkeit der Geltendmachung der Haftung liegt darin, dass nur durch diese Maßnahme eine Einbringlichkeit der angeführten Abgaben gegeben ist und nur so dem öffentlichen Interesse an der Erhebung der Abgaben nachgekommen werden kann. Sachverhaltselemente, die eine Inanspruchnahme zur Haftung als unbillig (also einem berechtigten Interesse des Bf widersprechend) erscheinen lassen, wurden nicht geltend gemacht und ergeben sich auch nicht aus der Aktenlage.

Es war daher wie im Spruch zu befinden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Über die sich im gegenständlichen Fall stellende Rechtsfrage der Heranziehung des organschaftlichen Vertreters einer GmbH zur Haftung für deren Abgabenschulden wurde im Sinne der oben wiedergegebenen ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entschieden. Eine Revision ist daher unzulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Landesabgaben Wien
betroffene Normen
§ 9 Abs. 5 Wiener Gebrauchsabgabegesetz 1966, LGBl. Nr. 20/1966
§ 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7400032.2015

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at