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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 29.08.2023, RV/3100176/2023

Vergleich mit bestimmter oder unbestimmter Dauer? § 15 BewG 1955: Leistungen von unbestimmter Dauer sind mit dem Neunfachen des Jahreswertes zu bewerten

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch ***2***, ***3***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom , ErfNr. ***4***, betreffend Rechtsgebühr (Vergleichsgebühr gem. § 33 TP 20 GebG), Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

1. Verfahrensgang/Sachverhalt

1. Am schlossen der Beschwerdeführer (in der Folge: BF) und seine Ehegattin eine Scheidungsfolgenvereinbarung.
Laut Punkt I. vereinbarten sie im Fall der einvernehmlichen Scheidung, dass der BF die Miete wie auch die Betriebs- und Bewirtschaftungskosten in Höhe von monatlich 1.460 Euro und die Möblierung der Wohnung in ***5*** für die Ehegattin übernimmt. Zusätzlich werden 267,11 Euro monatlich vom BF an die Hausverwaltung und ein monatlicher Lebensunterhalt in Höhe von 2.000 Euro vom BF an die Ehegattin überwiesen und die Leasingraten für den PKW seiner Ehegattin übernommen. Alle Verpflichtungen für den BF werden erlöschen, wenn die Ehegattin über den Erlös aus einer Teilungsversteigerung verfügen kann, längstens jedoch mit Beendigung ihres Doktoratsstudiums der klinischen Psychologie. Laut Vorhaltbeantwortung vom betrugen die Mietkosten der Wohnung in ***5*** monatlich 1.460 Euro, die Möblierungskosten 10.000 Euro und die monatliche Leasingrate für den PKW 1.298,80 Euro.

2. Mit Bescheid vom , wurde die Gebühr gemäß § 33 TP 20 Abs. 1 lit b GebG 1957 mit 8.666,17 Euro festgesetzt.
Die Bemessungsgrundlage für die Gebühr iHv. 2% wurde wie folgt ermittelt: Die Mietkosten (1.460 Euro monatlich), das Wohngeld (267,11 Euro monatlich) und die Studiengebühren (2.000 Euro monatlich) wurden gemäß § 15 BewG 1955 auf 9 Jahre berechnet. Daraus ergibt sich die Summe von 402.527,88 Euro. Hinzugerechnet wurden die Leasingraten für 16 Monate (in Summe 20.780,80 Euro) und Möblierungskosten iHv. 10.000 Euro.

3. In der Beschwerde vom , eingelangt beim Finanzamt am , gegen diesen Bescheid wurde ausgeführt, dass der Basiswert zwar richtig sei, aber die Hochrechnung auf eine unbestimmte Dauer (9 Jahre) nicht gerechtfertigt sei, weil die Teilungsversteigerung mit Dezember 2022, spätestens Jänner 2023 stattfinde und die Ehegattin das Doktoratsstudium spätestens Anfang 2024 beenden werde. Ausgehend von einer Verpflichtungsdauer von 8 Monaten werde die Herabsetzung der Gebühr auf 1.211,95 Euro beantragt.

4. Mit E-mail vom wurde als Termin der Teilungsversteigerung der mitgeteilt.

5. Die abweisende Beschwerdevorentscheidung vom wurde dahingehend begründet, dass Leistungen aus der Scheidungsfolgenvereinbarung zwischen den Ehegatten sofort in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen seien, da bedingte Leistungen und Lasten gemäß § 26 GebG als unbedingte, betagte Leistungen und Lasten als sofort fällig zu behandeln seien. Die Gebührenpflicht für die Scheidungsfolgenvereinbarung im Zeitpunkt der Beurkundung ergebe sich aus § 33 TP 20 GebG in Verbindung mit § 17 Abs. 4 GebG.

6. Im Vorlageantrag vom wurde die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht beantragt.
Ergänzend wurde vorgebracht, in der Scheidungsfolgenvereinbarung sei eine mit der Teilungsversteigerung der Wohnung in ***5***, zeitlich bestimmte Frist festgesetzt. Diese Versteigerung sollte, wie vom Amtsgericht ***5*** mit bestätigt, am stattfinden und sei nur aufgrund behördlicher Unstimmigkeiten verschoben worden. Dieser Termin habe bereits stattgefunden, wodurch die Verpflichtungen des BF mittlerweile entfallen. Es werde daher die Anpassung des Gebührenbescheides in Hinblick auf die Bestimmtheit der gesetzlichen Dauer beantragt.

7. Am legte die belangte Behörde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht vor und beantragte die Abweisung. Es wurde wie folgt Stellung genommen:
"Durch das Erlöschen der Leistungsverpflichtungen des Beschwerdeführers für den Fall, dass Frau ***1*** über den Erlös aus der Teilungsversteigerung verfügen kann, längstens jedoch mit Beendigung ihres Doktoratsstudiums liegt eine Leistung von unbestimmter Dauer vor und wurden somit zu Recht die jährlichen Mietkosten, das Wohngeld und die Studiengebühren gemäß § 15 BewG mit dem 9-fachen Jahreswert sofort der Gebührenbemessung zu Grunde gelegt.

Nach dem Urkundenprinzip gemäß § 17 GebG findet auch der spätere Eintritt der auflösenden Bedingung (Teilungsversteigerung bzw. Beendigung des Studiums Anfang 2024) keine Berücksichtigung und führt zu keiner nachträglichen Änderung der Gebührenbemessung."

2. Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ergibt sich aus den vom Finanzamt mit dem Vorlagebericht vorgelegten Akten, insbesondere der Scheidungsfolgenvereinbarung vom .

3. Rechtliche Beurteilung

a. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Rechtslage

§ 17 Abs. 1 Gebührengesetz 1957 (GebG 1957) normiert, dass für die Festsetzung der Gebühren der Inhalt der über das Rechtsgeschäft errichteten Schrift (Urkunde) maßgebend ist. Zum Urkundeninhalt zählt auch der Inhalt von Schriften, der durch Bezugnahme zum rechtsgeschäftlichen Inhalt gemacht wird.

Nach § 26 GebG 1957 gelten für die Bewertung der gebührenpflichtigen Gegenstände, insoweit nicht in den Tarifbestimmungen abweichende Regelungen getroffen sind, die Vorschriften des Bewertungsgesetzes (BewG) 1955, BGBl Nr. 148, mit der Maßgabe, dass bedingte Leistungen und Lasten als unbedingte, betagte Leistungen und Lasten als sofort fällige zu behandeln sind und dass bei wiederkehrenden Leistungen die Anwendung der Bestimmungen des § 15 Abs. 1 über den Abzug der Zwischenzinsen unter Berücksichtigung von Zinseszinsen und des § 16 Abs. 3 des vorerwähnten Gesetzes ausgeschlossen ist.

§ 15 Abs. 1 BewG 1955 lautet:
"Der Gesamtwert von Nutzungen oder Leistungen, die auf bestimmte Zeit beschränkt sind, ist die Summe der einzelnen Jahreswerte abzüglich der Zwischenzinsen unter Berücksichtigung von Zinseszinsen. Dabei ist von einem Zinssatz in Höhe von 5,5 v. H. auszugehen. Der Gesamtwert darf das Achtzehnfache des Jahreswertes nicht überstiegen."

§ 15 Abs. 2 BewG 1955 lautet:
"Immerwährende Nutzungen oder Leistungen sind mit dem Achtzehnfachen des Jahreswertes, Nutzungen oder Leistungen von unbestimmter Dauer vorbehaltlich des § 16 mit dem Neunfachen des Jahreswertes zu bewerten."

Gemäß § 33 TP 20 Abs. 1 lit a GebG 1957 unterliegen außergerichtliche Vergleiche über anhängige Rechtsstreitigkeiten einer Gebühr von 1 v. H. und gem. dessen lit b in allen sonstigen Fällen, dh über nicht anhängige Rechtsstreitigkeiten, einer Gebühr von 2 v. H. vom Gesamtwert der von jeder Partei übernommenen Leistungen.

Rechtliche Beurteilung

Strittig ist, ob die gegenständlichen wiederkehrenden Leistungen mit bestimmter oder -wie vom Finanzamt angenommen- mit unbestimmter Dauer vereinbart wurden.

Nutzungen oder Leistungen, die auf bestimmte Zeit beschränkt sind, liegen vor, wenn der Zeitpunkt ihres Wegfalls kalendermäßig feststeht oder sich im Bewertungszeitpunkt mit Sicherheit bestimmen lässt (Twaroch/Wittmann/Frühwald, Kommentar zum Bewertungsgesetz, 27. Lfg 2017, zu § 15 BewG, Rz 3).

Wiederkehrende Nutzungen und Leistungen von unbestimmter Dauer sind hingegen solche, bei denen das Ende in absehbarer Zeit sicher, der Zeitpunkt des Fortfalls aber ungewiss ist ( 348/75, und , 0048).

Als wesentlicher Grundsatz des Gebührenrechts ist im § 17 Abs 1 GebG 1957 bestimmt, dass für die Festsetzung der Gebühren der Inhalt der über das Rechtsgeschäft errichteten Schrift (Urkunde) maßgebend ist (zB ).

Im Abs 1 des § 17 GebG ist damit als Prinzip - Urkundenprinzip - festgelegt, dass für die Beurteilung der Gebührenschuld der schriftlich festgelegte Inhalt der Urkunde maßgebend ist (vgl ).
Der Gebührenfestsetzung können damit andere als die in der Urkunde festgehaltenen Umstände nicht zu Grunde gelegt werden, mögen auch die anderen Umstände den tatsächlichen Vereinbarungen entsprechen. Dies ist auch unter dem Aspekt zu sehen, dass eine Urkunde auch nur Beweis über das schafft, was in ihr beurkundet ist (vgl ).

Der BF bringt als Begründung für die Vereinbarung einer bestimmten Dauer vor, dass gemäß Punkt I. (auf Seite drei) der Scheidungsfolgenvereinbarung die Leistungsverpflichtung des BF erlischt, sobald die Ehegattin über den Erlös aus der Teilversteigerung verfügt.
Die Leistungsverpflichtung erlischt außerdem spätestens mit Beendigung ihres Doktoratsstudiums der klinischen Psychologie.
Damit sei eine zeitlich bestimmte Frist festgesetzt.
Die Teilungsversteigerung der Wohnung der Ehegattin habe am stattgefunden, wodurch die Leistungsverpflichtung des BF inzwischen erloschen sei.

Für das Bundesfinanzgericht ist der schriftlich festgelegte Inhalt der Urkunde maßgebend.
Demgemäß ist festzustellen, dass in der Scheidungsfolgenvereinbarung kein Termin für die Teilungsversteigerung genannt ist und sich kein konkreter Hinweis findet, wann die Teilungsversteigerung voraussichtlich stattfinden werde und welches Wirtschaftsgut denn versteigert wird.
Die Formulierung "Frau ***1*** hat aus einer Teilungsversteigerung einen namhaften Geldbetrag zu erwarten" lässt keine Rückschlüsse auf einen bestimmten zeitlichen Horizont zu.
Ebensowenig ist mit der Formulierung "mit Beendigung ihres Doktoratsstudiums der klinischen Psychologie" eine zeitlich bestimmte Frist festgesetzt. Im Fall eines Studienabbruchs würde dieser Fall niemals eintreten.

Es ist somit der Auffassung der belangten Behörde beizupflichten, dass der Zeitpunkt des Fortfalls der Leistungsverpflichtung sich im Bewertungszeitpunkt nicht mit Sicherheit bestimmen lässt und damit eine Leistung von unbestimmter Dauer vorliegt, die mit dem Neunfachen des Jahreswertes zu bewerten ist.

Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.

b. zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Das Bundesfinanzgericht folgt der zitierten, einheitlichen Judikatur des VwGH. Fragen der Beweiswürdigung im Einzelfall sind einer ordentlichen Revision nicht zugänglich.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.3100176.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at