Objektive Rückzahlungsverpflichtung von Familienbeihilfe trotz Meldung des Wechsels der Haushaltszugehörigkeit des Kindes bei Weiterbezug
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Regina Vogt in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen für den Zeitraum September 2022 bis November 2022, SVNr. ***1***, zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Per Anbringen vom teilte die Beschwerdeführerin (Bf.) der belangten Behörde folgendes mit:
"Sehr geehrte Damen und Herren, hiermit möchte ich Sie
informieren, dass meine Tochter ab auf der
Adresse ihres Vaters gemeldet und dort wohnhaft sein wird.
Daher ersuche ich höflichst um Einstellung der Auszahlung
auf mein Konto, da ein neuer Antrag gestellt wird."
Die Familienbeihilfe und die Kinderabsetzbeträge wurden weiterhin und zwar für die Monate September bis November auf das Konto der Bf. überwiesen und mit Bescheid vom zurückgefordert. Zur Begründung verwies die belangte Behörde darauf, dass das Kind nicht in ihrem Haushalt lebe und sie leiste auch nicht überwiegend die Unterhaltskosten für das Kind (§ 2 Abs. 2 Familienlastenausgleichsgesetz 1967). Die Familienbeihilfe sei daher gem. § 26 FLAG 1967 zurückzufordern.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde vom , in der die Bf. darauf hinweist, dass sie die Behörde im August 2022 rechtzeitig vom bevorstehenden Wohnungswechsel ihrer Tochter in Kenntnis gesetzt habe. Die Familienbeihilfe sei jedoch weiterhin auf ihr Konto angewiesen worden. Die Auszahlung sei nicht ihr Verschulden und sie habe die Familienbeihilfe somit nicht zu Unrecht bezogen. Der Betrag sei an ihre Tochter weitergegeben worden bzw. für ihre medizinisch notwenigen Behandlungen verwendet worden.
Die Beschwerde wurde mit Beschwerdevorentscheidung vom 23.22023 als unbegründet abgewiesen.
Das Kind habe unbestritten ab nicht mehr ihrem Haushalt angehört. Damit sei eine Voraussetzung des § 2 Abs. 2 FLAG 1967 für den Bezug der Familienbeihilfe nicht gegeben.
Gemäß § 26 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) sei zu Unrecht bezogene
Familienbeihilfe rückzuzahlen.
Die im § 26 FLAG 1967 geregelte Rückzahlungsverpflichtung sei so weitgehend, dass sie auf
subjektive Momente wie Verschulden und Gutgläubigkeit keine Rücksicht nehme und die von
der Finanzverwaltung zu Unrecht ausbezahlten Familienbeihilfenbeträge auch dann
zurückzuzahlen seien, wenn der Überbezug ausschließlich auf eine Fehlleistung der
Abgabenbehörde zurückzuführen sei.
Im Vorlageantrag vom verwies die Bf. nochmals darauf, dass siedie Familienbeihilfe an den Kindesvater weitergeleitet und nicht zu Unrecht bezogen habe.
Als Nachweis für ihr Vorbringen legte sie eine auch vom Kindesvater unterfertigte Bestätigung vor, wonach dieser die Familienbeihilfe für die Monate September bis November 2022 von der Bf. erhalten habe.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Die Bf. brachte am bei der belangten Behörde ein Anbringen ein, wonach ihre Tochter, für die sie Familienbeihilfe bezieht, ab bei ihrem Vater wohne und sie daher um Einstellung der Auszahlung ersuche.
Die Familienbeihilfe wurde weiterhin an die Bf. ausbezahlt und von dieser ab September 2022 an den Kindesvater weitergeleitet.
2. Beweiswürdigung
Beweis wurde aufgenommen durch Einsicht in den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I.
Nach § 2 Abs. 2 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) hat bei Vorliegen der
Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 FLAG 1967 die Person Anspruch auf Familienbeihilfe, zu
deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die
jedoch die Unterhaltskosten überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe,
wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist.
Unstrittig ist, dass die Tochter der Bf. ab nicht mehr ihrem Haushalt angehörte, sondern dem Haushalt des Kindesvaters.
Dass sie die Unterhaltskosten des Kindes überwiegend getragen hätte, ergibt sich aus dem Sachverhalt nicht.
§ 10 FLAG 1967 lautet:
§ 10. (1) Die Familienbeihilfe wird, abgesehen von den Fällen des § 10a, nur auf Antrag gewährt.
(2) Die Familienbeihilfe wird vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.….
(4) Für einen Monat gebührt Familienbeihilfe nur einmal.
Die Familienbeihilfe (und der Kinderabsetzbetrag) sind monatsbezogene Leistungen. Das Bestehen des Familienbeihilfenanspruches kann je nach dem Eintritt von Änderungen der Sach- und/oder Rechtslage von Monat zu Monat anders zu beurteilen sein (vgl. etwa ; ).
Da die Haushaltszugehörigkeit u.a. Voraussetzung für die Gewährung der Familienbeihilfe nach § 2 Abs. 5 FLAG 1967 ist, ergibt sich in einem Fall wie dem vorliegenden bei Anwendung des § 10 Abs. 2 FLAG 1967 eine Konkurrenz zwischen der Bf. und dem Kindesvater.
Da Familienbeihilfe gem. § 10 Abs. 4 FLAG 1967 für einen Monat nur einmal gewährt wird, ist daher wie folgt vorzugehen (vgl. FLAG, Kommentar, Lenneis/Wanke, 2. Aufl., S. 352):
"Die Regelung des § 10 Abs 2 nimmt keine Anspruchsreihung dahingehend vor, dass nach den Verhältnissen am Monatsbeginn zu entscheiden wäre, wem der Anspruch auf FB zusteht. Der erste Satz der genannten Bestimmung trifft eine Aussage darüber, dass, selbst wenn die Anspruchsvoraussetzungen erst im Laufe des Monats eintreten (beispielsweise die Geburt des Kindes oder hier überwiegende Haushaltszugehörigkeit), die FB trotzdem bereits ab dem 1. des Monats gebührt (vgl ).
Der zweite Satz des § 10 Abs 2 ist in Verbindung mit § 10 Abs 4 und § 7 zu lesen. Da FB für einen Monat nur einmal gebührt, ist im Fall des bloßen Wechsels des Anspruchsberechtigten im Fall einer "Doppelresidenz" oder vergleichbaren Fällen von Monat zu Monat zu entscheiden und nicht dem Elternteil, der im vorangegangenen Monat bezugsberechtigt war und dies im laufenden Monat nicht mehr ist, gemäß § 10 Abs 2 zweiter Satz für den Monat, in dem die Anspruchsvoraussetzung wegfällt, noch zu gewähren. Die Konkurrenz zwischen den Ansprüchen der beiden Eltern ist so zu lösen, dass demjenigen Elternteil, bei dem das Kind im einzelnen Monat überwiegend haushaltszugehörig ist, für dieses Monat FB zusteht, und dem anderen Elternteil nicht ()." Demgemäß war die Bf. im August noch bezugsberechtigt, ab September der Kindesvater.
§ 25 FLAG 1967 lautet:
§ 25. Personen, denen Familienbeihilfe gewährt oder an Stelle der anspruchsberechtigten Person ausgezahlt (§ 12) wird, sind verpflichtet, Tatsachen, die bewirken, daß der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt, sowie Änderungen des Namens oder der Anschrift ihrer Person oder der Kinder, für die ihnen Familienbeihilfe gewährt wird, zu melden. Die Meldung hat innerhalb eines Monats, gerechnet vom Tag des Bekanntwerdens der zu meldenden Tatsache, bei dem nach § 13 zuständigen Finanzamt zu erfolgen.
§ 26 FLAG 1967 lautet:
§ 26. (1) Wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, hat die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt es nur auf die objektive Rechtswidrigkeit des Bezugs der Familienleistungen an (vgl. etwa ; ), also auf das Fehlen der Anspruchsvoraussetzungen für den Leistungsbezug (vgl. ; ). Subjektive Momente, wie Verschulden an der (ursprünglichen oder weiteren) Auszahlung der Familienleistungen (etwa durch unrichtige Angaben im Antrag gemäß § 10 FLAG 1967 oder Verstoß gegen die Meldepflicht gemäß § 25 FLAG 1967), Gutgläubigkeit des Empfangs der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrags oder die Verwendung der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrags, sind nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die Verpflichtung zur Rückerstattung unrechtmäßiger Beihilfenbezüge unerheblich. Gleiches gilt für den gutgläubigen Verbrauch der Beträge (vgl. die bei Wanke in Lenneis/Wanke, FLAG 2. A. 2020 § 26 Rz 13 zitierte Rechtsprechung). Entscheidend ist lediglich, ob der Empfänger die Beträge zu Unrecht erhalten hat (vgl. etwa oder ), also ohne dass er anspruchsberechtigt gewesen wäre.
Die Bf. hat zwar den Wechsel der Haushaltszugehörigkeit ihrer Tochter gemeldet, die Beträge aber weiterhin erhalten. Dass sie die Familienbeihilfe weitergeleitet hat ändert nichts daran, dass sie zunächst noch, bis zu einer Entscheidung der belangten Behörde wer nunmehr Anspruchsberechtigter ist, Bezieherin der Familienbeihilfe war.
Diese objektive Erstattungspflicht hat zur Folge, dass der Behörde, sobald die Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag nicht mehr gegeben sind, hinsichtlich der Rückforderung von bereits bezogener Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag kein Ermessensspielraum bleibt (vgl. ).
Einer Rückforderung steht auch nicht entgegen, wenn der unrechtmäßige Bezug ausschließlich durch das Finanzamt verursacht worden ist (die bei Wanke in Lenneis/Wanke, FLAG 2. Aufl., 2020 § 26 Rz 16und die dort zitierte Rechtsprechung). Allerdings kann ein Grund für eine Nachsicht nach § 236 BAO vorliegen (vgl. ; ). Ein Antrag auf Nachsicht gem. § 236 BAO ist beim Finanzamt Österreich einzubringen.
Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Dass es sich bei der Rückzahlungsverpflichtung gem. § 26 FLAG 1967 von zu Unrecht bezogener Familienbeihilfe um eine verschuldensunabhängige, objektive Rückzahlungsverpflichtung handelt, wurde in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bereits ausreichend geklärt, sodass die ordentliche Revision auszuschließen war.
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie | Steuer FLAG |
betroffene Normen | § 26 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2023:RV.7101468.2023 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at