Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 13.07.2023, RV/7103357/2022

Schädlicher Studienwechsel nach dem dritten inskribierten Semester bedingte Wartefrist von drei Semestern

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Regina Vogt in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen für den Zeitraum Juli 2020 bis Juli 2022, SVNr. ***1***, zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.

Die Rückforderung wird auf den Zeitraum Dezember 2020 bis Juli 2022 eingeschränkt.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin (Bf.) stellte am den Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe. Sie sei Studentin des Bachelorstudiums Lehramt Primärstufe und legte den Studienerfolgsnachweis beginnend mit dem Wintersemester 2018/2019 vor. Weiteres ergibt sich aus dem Antrag, dass die Bf. seit ***Datum***.2020 verheiratet ist.

Die Familienbeihilfe wurde zunächst gewährt.

Mit Bescheid vom wurde diese jedoch für den Zeitraum Juli 2020 bis Juli 2022 zurückgefordert und dies wie folgt begründet:

"Gem. § 6 Abs. 2 FLAG 1967 haben volljährige Kinder Anspruch auf die Familienbeihilfe, wenn

ihnen nicht Unterhalt von ihrem Ehegatten oder ihrem früheren Ehegatten zu leisten ist.

Ihr Ehegatte war bis tt.10.2020 in der Türkei wohnhaft. Ein Nachweis über das Einkommen

liegt von Juli bis Oktober 2020 nicht vor.

It. Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2020 und 2021 liegt das monatliche Einkommen

des Ehegatten über dem Richtsatz It. § 293 ASVG von 2020 mtl. € 966,65 und 2021 mtl €

1.000,48.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde vom .

Ihr Mann habe lt. Einkommensteuerbescheiden im Jahr 2020 ein Jahreseinkommen von € 2.321,59 und im Jahr 2021 von € 13.086,70 bezogen.

Die monatliche Ausgleichszulage habe allgemein 2020 € 966,65 und 2021 € 1.000,48 betragen. Damit habe er im Jahr 2020 die jährliche Einkommensgrenze von € 11.599,80 nicht überschritten.

Es sei richtig, dass ihr Ehemann bis tt.10.2020 in der Türkei gewesen sei, dort habe er jedoch nichts verdient.

Die Studienbeihilfenbehörde habe keine fiktiven Unterhaltspflichten ihres Ehemannes ihr gegenüber abgezogen und Studienbeihilfe 2020/2021 und 2021/2022 gewährt.

Die Rückforderung für Juli 2020 bis Dezember 2020 sei somit unrechtmäßig und der Rückforderungsbetrag um sechs Monate zu reduzieren.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Bechwerde als unbegründet abgewiesen.

Als Begründung wurde folgendes ausgeführt:

Die Familienbeihilfe steht unter folgenden Voraussetzungen zu:

• Das Studium wurde nicht mehr als zwei Mal gewechselt

• Das Studium wurde vor dem 3. gemeldeten Semester gewechselt

Rechtshinweis: § 2 Abs. 1 lit. b des Familienlastenausgleichgesetzes 1967 (FLAG 1967) in

Verbindung mit § 17 Studienförderungsgesetz 1992 (StudFG).

Bei einem Studienwechsel nach dem 3. gemeldeten Semester steht Familienbeihilfe dann zu,

wenn die absolvierten Semester aus dem Vorstudium zur Gänze angerechnet wurden (§ 17

Studienförderungsgesetz 1992).

Für verheiratete oder geschiedene Kinder besteht kein Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn

der (frühere) Ehepartner Unterhalt zu leisten hat (§ 5 Abs. 2 Familienlastenausgleichsgesetz

1967).

Gern. § 2 Abs. 1 lit b FLAG 1967 besteht nach dem ersten Studienjahr Anspruch auf die

Familienbeihilfe, wenn ein Prüfungsnachweis im Ausmaß von 8 Semesterwochenstunden

oder 16 ECTS Punkten erreicht wurde.

Lt. der vorliegenden Daten der Universitäten studierten Sie wie folgt:

Wintersemester 2016/2017 Bachelor English and American Studies - Universität Wien

Sommersemester 2017 bis Sommersemester 2018 Bachelor Wirtschaftsrecht -

Wirtschaftsuniversität Wien

Wintersemester 2018 bis Wintersemester 2021/2022 Bachelor LA Primarstufe - Pädagogische

Hochschule Wien

Der für den Fortbezug der Familienbeihilfe notwendige Studienerfolgsnachweis aus dem 1.

Studienjahr 2016/2017 wurde nicht erfüllt.

Es erfolgte ein schädlicher StudienWechsel nach dem dritten Semester - Sommersemester

2018.

Der Studienerfolgsnachweis (24 ECTS) wurde im Wintersemester 2018 erbracht.

Die Stehzeit für den Bezug der Familienbeihilfe beträgt somit 4 Semester - 2 Studienwechsel

- und beginnt im Sommersemester 2019(bis Februar 2021).

Ab März 2021 ist der Ehegatte auf Grund seines Einkommens zum Unterhalt verpflichtet."

Im Vorlageantrag vom rügt die Bf. zunächst, dass auf ihr Vorbringen gar nicht eingegangen worden sei. Hinsichtlich des nun argumentierten verspäteten Studienwechsels verweist die Bf. darauf, dass es zwar richtig sei, dass ein verspäteter Studienwechsel nach 3 Semestern vorliege, das habe jedoch nichts mit der Rückforderung von Juli 2020 bis Juli 2022 zu tun. Die sich daraus errechnete Wartezeit von 3 Semestern sei ihr ohnehin keine Familienbeihilfe ausbezahlt worden. Für das Wintersemester2018, das Sommersemester 2019

und das Wintersemester 2019 habe sie keine Familienbeihilfe erhalten. Das eine Semester BA Englisch (Wintersemester 2016) sei bei der Berechnung der Stehzeit nicht zu berücksichtigen, weil sie dieses Studium rechtzeitig nach einem Semester gewechselt habe.

Die Bf. legte u.a. die Abgangsbescheinigung der WU vor, aus der ersichtlich ist, dass sie in jedem der drei Semester zu Prüfungen angetreten ist (insges. sechs), von denen fünf mit Nicht genügend und eine mit Genügend beurteilt wurden.

Lt. vorgelegten Studiendaten der Pädagogischen Hochschule wurden im Jänner 2019 16 ECTS-Punkte erreicht.

Mit Beginn des Sommersemesters 2020 sei die Wartezeit abgelaufen gewesen, ein Leistungsnachweis sei vorgelegen.

Hinsichtlich der Unterhaltspflicht ihres Ehemannes verwies die Bf. auf ihr bisheriges Vorbringen. Von ihren Eltern habe sie keine Unterstützung erhalten. Im Studienjahr 2020/2021 bezog sie Studienbeihilfe.

Über Ersuchen des Bundesfinanzgerichtes legte die Bf. am die Monatslohnzettel für November und Dezember 2020 vor. Demnach betrug der Auszahlungsbetrag:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
November 2020
Dezember 2020
Bf.
1.184,20
590,43
Ehemann
1.213,53
2.374,55

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Da die Bf. in der Beschwerde die Rückforderung für den Zeitraum Juli 2020 bis Dezember 2020 bekämpfte wird der Sachverhalt nur insoweit dargestellt, als er diesen Zeitraum betrifft.

Die Bf., geb. ***Datum***.1997, studierte im Wintersemester 2016/2017 das Bachelorstudium English and American Studies.

Danach ab dem Sommersemester 2017 bis zum Sommersemester 2018, also drei Semester, das Bachelorstudium Wirtschaftsrecht.

Danach, beginnend mit dem Wintersemester 2018/2019, wechselte sie auf das Bachelorstudium Lehramt Primärstufe, dass sie erfolgreich betrieb.

Die Bf. ist seit ***Datum***.2020 verheiratet.

Ihr Ehemann lebte bis Anfang Oktober in der Türkei und war dort nicht erwerbstätig.

Seit tt.10.2020 wohnt er im gemeinsamen Haushalt mit der Bf..

Lt. den vorliegenden Einkommensteuerbescheiden bezog die Bf. im Zeitraum bis ein Einkommen von € 6.632,84.

Das Einkommen ihres Ehemannes betrug lt. Einkommensteuerbescheid 2.321,59.-

Lt. den von der Bf. vorgelegten Lohnzetteln für die Monate November bis Dezember 2020 wurde an die Bf. und ihren Ehemann folgende Beträge ausbezahlt:

Bf.: 11/20: 1.199,76 Ehemann: 11/20: 1.258

12/20: 593,69 12/20: 2.274.-

2. Beweiswürdigung

Beweis wurde aufgenommen durch Einsicht in den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt sowie weitere Ermittlungen des Bundesfinanzgerichtes.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I.

Die Bf. beantragte in der Beschwerde die Abänderung des Rückforderungsbescheides insoweit, als von der Rückforderung der für die Monate Juli 2020 bis Dezember 2020 ausbezahlten Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen abgesehen werde.

§ 2 Abs. 1 lit. b Familienlastenausgleichsgesetz 1967 bestimmt (auszugsweise):

Anspruch auf Familienbeihilfe haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. Bei volljährigen Kindern, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, genannte Einrichtung besuchen, ist eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn sie die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester oder die vorgesehene Ausbildungszeit um nicht mehr als ein Ausbildungsjahr überschreiten. Wird ein Studienabschnitt in der vorgesehenen Studienzeit absolviert, kann einem weiteren Studienabschnitt ein Semester zugerechnet werden. Die Studienzeit wird durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis (z.B. Krankheit) oder nachgewiesenes Auslandsstudium verlängert. Dabei bewirkt eine Studienbehinderung von jeweils drei Monaten eine Verlängerung der Studienzeit um ein Semester. ….. Bei einem Studienwechsel gelten die in § 17 Studienförderungsgesetz 1992, BGBl. Nr. 305, angeführten Regelungen auch für den Anspruch auf Familienbeihilfe. Die Aufnahme als ordentlicher Hörer gilt als Anspruchsvoraussetzung für das erste Studienjahr. Anspruch ab dem zweiten Studienjahr besteht nur dann, wenn für ein vorhergehendes Studienjahr die Ablegung einer Teilprüfung der ersten Diplomprüfung oder des ersten Rigorosums oder von Prüfungen aus Pflicht- und Wahlfächern des betriebenen Studiums im Gesamtumfang von acht Semesterwochenstunden oder im Ausmaß von 16 ECTS-Punkten nachgewiesen wird; Gleiches gilt, wenn alle Lehrveranstaltungen und Prüfungen der Studieneingangs- und Orientierungsphase nach § 66 des Universitätsgesetzes 2002, BGBl. I Nr. 120/2002, erfolgreich absolviert wurden, sofern diese mit mindestens 14 ECTS-Punkten bewertet werden. Der Nachweis ist unabhängig von einem Wechsel der Einrichtung oder des Studiums durch Bestätigungen der im § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannten Einrichtungen zu erbringen. Für eine Verlängerung des Nachweiszeitraumes gelten die für die Verlängerung der Studienzeit genannten Gründe sinngemäß.

§ 17 Studienförderungsgesetz 1992 bestimmt:

Studienwechsel

(1) Ein günstiger Studienerfolg liegt nicht vor, wenn der Studierende

1. das Studium öfter als zweimal gewechselt hat oder

2. das Studium nach dem jeweils dritten inskribierten Semester (nach dem zweiten Ausbildungsjahr) gewechselt hat oder

3. nach einem Studienwechsel aus dem vorhergehenden Studium keinen günstigen Studienerfolg nachgewiesen hat, bis zum Nachweis eines günstigen Studienerfolges aus dem neuen Studium.

(2) Nicht als Studienwechsel im Sinne des Abs. 1 gelten:

1. Studienwechsel, bei welchen die gesamte Studienzeit des vor dem Studienwechsel betriebenen Studiums für die Anspruchsdauer des nach dem Studienwechsel betriebenen Studiums berücksichtigt wird, weil auf Grund der besuchten Lehrveranstaltungen und absolvierten Prüfungen Gleichwertigkeit nach Inhalt und Umfang der Anforderungen gegeben ist,

2. Studienwechsel, die durch ein unabwendbares Ereignis ohne Verschulden des Studierenden zwingend herbeigeführt wurden,

3. Studienwechsel, die unmittelbar nach Absolvierung der Reifeprüfung einer höheren Schule erfolgen, wenn für das während des Besuchs der höheren Schule betriebene Studium keine Studienbeihilfe bezogen wurde,

4. die Aufnahme eines Masterstudiums gemäß § 15 Abs. 3,

5. die Aufnahme eines Doktoratsstudiums gemäß § 15 Abs. 4.

(3) Ein Studienwechsel im Sinne des Abs. 1 Z 2 ist nicht mehr zu beachten, wenn die Studierenden danach so viele Semester zurückgelegt haben, wie sie in dem gemäß Abs. 1 Z 2 zu spät gewechselten Studium verbracht haben. Anerkannte Prüfungen aus dem verspätet gewechselten Vorstudium verkürzen diese Wartezeiten; dabei ist auf ganze Semester aufzurunden.

§ 10 FLAG 1967 lautet auszugsweise:

§ 10. (1) Die Familienbeihilfe wird, abgesehen von den Fällen des § 10a, nur auf Antrag gewährt………………

(2) Die Familienbeihilfe wird vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt…………..

(4) Für einen Monat gebührt Familienbeihilfe nur einmal.

§ 15 FLAG 1967 lautet:

§ 15. (1) Für Personen, die im Zeitraum von einschließlich März 2020 bis einschließlich Februar 2021 für zumindest einen Monat Anspruch auf Familienbeihilfe für ein Kind haben, finden die während dieses Zeitraumes vorliegenden Anspruchsvoraussetzungen im unmittelbaren Anschluss an den Anspruchszeitraum bis März 2021 in Bezug auf dieses Kind weiter Anwendung, solange während dieses Zeitraumes keine andere Person anspruchsberechtigt wird.

§ 26 Abs. 1 FLAG 1967 lautet:

Wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, hat die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen (vgl. z.B. )

Gemäß § 33 Abs. 3 EStG 1988 steht Steuerpflichtigen, denen auf Grund des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 Familienbeihilfe gewährt wird, im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag zu. Wurden Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen, ist § 26 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 anzuwenden.

Gemäß § 5 Abs. 2 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) besteht kein Anspruch auf Familienbeihilfe für Kinder, denen Unterhalt von ihrem Ehegatten oder ihrem früheren Ehegatten zu leisten ist.

Die Verehelichung führt zum Verlust der Familienbeihilfe, wenn der Unterhalt vom Ehegatten zu leisten ist.

Schon der Wortlaut des § 5 Abs. 2 FLAG 1967 spricht eindeutig dafür, dass jeder Unterhaltsanspruch gegenüber dem Ehegatten die Gewährung von Familienbeihilfe ausschließt. Dass nur eine ausschließliche Unterhaltsleistung durch den Ehegatten dem Bezug von Familienbeihilfe entgegenstünde, kann dem Gesetz nicht entnommen werden (vgl. Csazsar/Lenneis/Wanke, FLAG-Kommentar § 6 Rz. 9 und ).

Das Bundesfinanzgericht geht in freier Beweiswürdigung davon aus, dass die Bf. keine finanzielle Unterstützung von ihren Eltern erhielt.

Art und Umfang des Unterhaltsanspruches eines Ehegatten gegenüber dem anderen Ehegatten ergeben sich aus dem Zivilrecht. Die umfassende Lebensgemeinschaft, die die Ehegatten eingehen, bedingt auch die gegenseitige Unterhaltsverpflichtung.

Gemäß § 94 Abs 1 ABGB haben die Ehegatten nach ihren Kräften und gemäß der Gestaltung ihrer ehelichen Lebensgemeinschaft zur Deckung der ihren Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse gemeinsam beizutragen.

Gemäß § 94 Abs 2 ABGB leistet der Ehegatte, der den gemeinsamen Haushalt führt, dadurch seinen Beitrag im Sinn des Abs. 1; er hat an den anderen einen Anspruch auf Unterhalt, wobei eigene Einkünfte angemessen zu berücksichtigen sind.

Der Unterhaltsanspruch bei aufrechter Ehe richtet sich grundsätzlich nach der verbindlichen autonomen Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft (OGH 8 Ob 210/02v). Der Unterhalt wird grundsätzlich nicht (nur) durch Geld, sondern (auch) durch Naturalleistungen (Wohnung, Nahrungsmittel, Bekleidung, Haushaltsgegenstände usw.) erbracht.

Maßgebend für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit des (der) Unterhaltspflichtigen ist in erster Linie seine (ihre) wirtschaftliche Lage, wobei sein (ihr) hier relevantes Einkommen die Summe aller ihm (ihr) tatsächlich zufließenden Mittel ist.

Zu Prüfen ist noch, ob die Einkünfte des (der) potentiell Unterhaltsverpflichteten über die eigenen bescheidensten Unterhaltsbedürfnisse hinausgehen (vgl. ). Der Gesetzgeber geht davon aus, dass Personen zur Befriedigung ihrer einfachsten Lebensbedürfnisse eines bestimmten Mindestbetrages bedürfen.

Bei der Prüfung, ob die Einkünfte des (der) potentiell Unterhaltsverpflichteten über die eigenen bescheidensten Unterhaltsbedürfnisse hinausgehen, ist es sachgerecht, sich bei der Höhe der "bescheidensten Bedürfnisse" an den zivilrechtlichen Begriffen "notwendiger bzw notdürftiger" Unterhalt zu orientieren. Diese wiederum orientieren sich nach der Judikatur am "Existenzminimum", das die Ausgleichszulagenrichtsätze des § 293 ASVG als Basis hat.

Es ist daher sachgerecht, bei der Höhe des Mindestbetrages zur Deckung der "bescheidensten Bedürfnisse" den Ausgleichszulagenrichtsatz nach § 293 Abs 1 lit a sublit bb ASVG für Alleinstehende heranzuziehen (vgl. Lenneis/Wanke (Hrsg.), FLAG 2 § 6 Rz 9ff).

Beziehen beide Ehegatten Einkommen, jedoch in wesentlich verschiedener Höhe, hat der schlechter verdienende Partner, dessen zumutbarerweise erzielbares Einkommen für seinen angemessenen Unterhalt nicht ausreicht, einen entsprechenden Ergänzungsanspruch gegen den besser verdienenden Gatten (Schwimann/Ferrari in Schwimann ABGB³ § 94 Rz 24; ). Dem weniger verdienenden Ehegatten gebührt idR 40% des Nettofamilieneinkommens, abzüglich des eigenen Einkommens (Stabentheiner in Rummel³, §94 Rz 5 mwN und ).

Der Ausgleichszulagenrichtsatz betrug 2020: 966,65 € pro Monat.

Ob die Voraussetzungen für die Gewährung von Familienbeihilfe vorliegen ist gem. § 10 Abs. 2 und Abs. 4 FLAG 1967 monatlich zu überprüfen.

Feststeht, dass der Ehemann der Bf. erst ab November 2020 eigene Einkünfte erzielte.

Wie sich aus den von der Bf. vorgelegten Bezugszetteln für die Monate November und Dezember ergibt, haben beiden Eheleute im November annähernd gleich verdient.

Ein Unterhaltsanspruch der Bf. ist daher auszuschließen.

Im Dezember konnte die Bf. über 593,43 € verfügen, der Ehemann über 2.374,55 €.

Die Einkünfte der Bf. lagen daher deutlich unter dem Ausgleichzulagenrichtsatz, die des Ehemannes deutlich darüber.

Die Anwendung der obigen Formel ergibt daher folgenden Unterhaltsanspruch der Bf.:

Das Familieneinkommen betrug im Dezember 2.967,98 €x 40%=1.187,19.

- 593,43

Unterhaltsanspruch 593,76

Daraus folgt, dass im Dezember 2020 der Unterhaltsanspruch der Bf. gegenüber ihrem Ehemann den Familienbeihilfenanspruch ausschließt.

Die Rückforderung für die Monate Juli 2020 bis Dezember 2020 begründete die belangte Behörde in der abweisenden Beschwerdevorentscheidung wie folgt:

"Lt. der vorliegenden Daten der Universitäten studierten Sie wie folgt:

Wintersemester 2016/2017 Bachelor English and American Studies - Universität Wien

Sommersemester 2017 bis Sommersemester 2018 Bachelor Wirtschaftsrecht -

Wirtschaftsuniversität Wien

Wintersemester 2018 bis Wintersemester 2021/2022 Bachelor LA Primarstufe - Pädagogische

Hochschule Wien

Der für den Fortbezug der Familienbeihilfe notwendige Studienerfolgsnachweis aus dem 1.

Studienjahr 2016/2017 wurde nicht erfüllt.

Es erfolgte ein schädlicher Studienwechsel nach dem dritten Semester - Sommersemester

2018.

Der Studienerfolgsnachweis (24 ECTS) wurde im Wintersemester 2018 erbracht.

Die Stehzeit für den Bezug der Familienbeihilfe beträgt somit 4 Semester - 2 Studienwechsel

- und beginnt im Sommersemester 2019(bis Februar 2021). "

Dazu ist folgendes auszuführen:

Aus der Beschwerdevorentscheidung ist nicht ersichtlich, auf welchen Tatbestand des § 17 StudFG die belangte Behörde die Rückforderung ab Juli 2020 stützt.

Jeder der in § 17 Abs.1, Zif. 1-3- genannten Tatbestände stellt ein selbstständiges Ausschlussmerkmal dar (). Wenn feststeht, dass ein Studienwechsel vorliegt, ist § 17 StudFG anzuwenden, Ein Studienwechsel liegt vor, wenn das begonnene und bisher betriebene aber noch nicht abgeschlossene Studium nicht mehr fortgesetzt wird und statt dessen ein anderes Studium begonnen wird (vgl. z.B. ).

Nach diesen drei Semestern wechselte sie im Wintersemester 2018/2019 zum Studium an der Pädagogischen Hochschule und schloss dieses Studium erfolgreich ab.

Dieser Wechsel stellt einen schädlichen Studienwechsel nach § 2 Abs. 1 li.b FLAG 1967 iVm § 17 Abs. 1 Zif.2 StudFG dar.

Gem. Abs. 4 dieser Bestimmung ist der Wechsel nicht mehr zu beachten-d.h. dass wieder Anspruch auf Familienbeihilfe besteht- wenn die Studierenden danach so viele Semester zurückgelegt haben, wie sie in dem gemäß Abs. 1 Z 2 zu spät gewechselten Studium verbracht haben.

Anerkannte Prüfungen aus dem verspätet gewechselten Vorstudium verkürzen diese Wartezeiten; dabei ist auf ganze Semester aufzurunden.

Dass im Falle der Bf. Prüfungen aus Vorstudien anerkannt worden wären, ergibt sich aus dem Sachverhalt nicht.

In den Erläuterungen, Besonderer Teil, zur Änderung des StudFG 1992 mit BGBl. I Nr. 54/2016 (1122 der Beilagen XXV. GP - Regierungsvorlage) wird ausgeführt:

- zu § 17 Abs. 2 StudFG:

" … Nach der derzeitigen Formulierung des Abs. 2 Z 1 ist für die Anwendbarkeit des

Abs. 2 Z 1 bei Vorliegen mehrerer Studienwechsel die Anrechnung der Zeiten sämtlicher

Vorstudien erforderlich, was weder dem Zweck der Regelung entspricht noch praktisch

erfüllbar ist. Die vorgeschlagene Änderung sieht daher vor, dass es für die Anwend-

barkeit des Abs. 2 Z 1 genügt, wenn die Studienzeit des vor dem Wechsel betriebenen

Studiums zur Gänze für das nach dem Studienwechsel betriebene Studium berück-

sichtigt wird. …"

- zu § 17 Abs. 3 StudFG:

" … Inhaltlich soll die Änderung des Abs. 4 (nunmehr Abs. 3) insofern eine Verbesserung

für Studierende bringen, als nur die Studienzeiten eines verspätet - also nach dem

dritten Semester - gewechselten Studiums für die sogenannte Wartezeit bis zur

Wiedererlangung des Beihilfenanspruches berücksichtigt werden. Studienzeiten aus

allfälligen Vorstudien, die nicht zu spät gewechselt wurden, verlängern daher die

Wartezeit nicht. Dies entspricht der Intention der Regelung, dass nur verspätete Studien-

wechsel zu negativen Konsequenzen für den Beihilfenanspruch führen sollen."

Die Wartezeit nach dem verspätet gewechselten Studium bis zur Weitergewährung der Familienbeihilfe bemisst sich lt. ausdrücklicher Formulierung des § 17 Abs. 3 StudFG nach der Anzahl der im davor betriebenen Studium verbrachten Semester, im konkreten Fall also drei Semester.

Dass in den vor dem Wechsel liegenden Semestern Familienbeihilfe bezogen worden sein muss ist dem § 17 Abs. 3 StudFG nicht zu entnehmen (siehe auch Lenneis in FLAG, Kommentar, 2. Aufl. Rz 107 zu § 2 und ).

Im Erkenntnis vom , 2011/16/0060) hat der Verwaltungsgerichtshof überdies ausgesprochen:

"Bei der Auslegung des Begriffes des Studienwechsels im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG ist aus dem Gesamtzusammenhang des FLAG auch die hg. Rechtsprechung zu berücksichtigen, wonach die Gewährung von Familienbeihilfe für volljährige Kinder nach den näheren Regelungen des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG ersichtlich darauf abstellt, dass sich das Kind einer Berufsausbildung mit dem ernstlichen und zielstrebigen Bemühen um den Ausbildungserfolg unterzieht (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/13/0142)",

"Der von der belangten Behörde mit der eine bestimmte Aussage nicht erkennen lassenden Floskel "bzw." verknüpfte Umstand, dass S nach dem Sommersemester 2005 "keine Prüfungen mehr abgelegt" habe, berechtigt allein noch nicht dazu, von einem Abbruch des Studiums zu sprechen. Von der Frage eines Studienabbruchs ist die Frage eines Studienerfolgs oder der Zielstrebigkeit des Studierenden zu unterscheiden."

Unstrittig ist, dass die Bf. nach einem Semester "English and American Studies" das Studium Wirtschaftsrecht an der WU Wien vom Sommersemester 2017 bis zum Sommersemester 2018, somit drei Semester lang studierte. Für diese Studien wurde kein Erfolgsnachweis erbracht und daher keine Familienbeihilfe gewährt.

Wie aus der von der Bf. vorgelegten Abgangsbescheinigung ersichtlich, ist sie jedoch in jedem der drei Semester zu Prüfungen angetreten (insges. sechs), von denen fünf mit Nicht genügend und eine mit Genügend beurteilt wurden.

Diese Tatsache führte dazu, dass der Bf. zwar aus diesem Grund keine Familienbeihilfe gewährt wurde, verlängert jedoch nicht die Wartezeit von drei Semestern.

Sollte die belangte Behörde die Rückforderung ab Juli 2020 auf § 17 Abs. 1 Zif. 3 StudFG gestützt haben (kein günstiger Studienerfolg aus dem vorhergehenden Studium), so würde ihr auf Grund des positiven Studienerfolges an der Pädagogischen Hochschule mit Jänner 2019 die Familienbeihilfe ab dem Sommersemester 2019 zustehen. Die belangte Behörde vertritt jedoch die nicht nachvollziehbare Ansicht, dass die Wartezeit mit dem Sommersemester 2019 beginnt.

Da die Bf. nach dem Sommersemester 2018 (nach drei Semestern Wirtschaftsrecht) gewechselt hat, beginnt die Wartezeit mit dem Wintersemester 2018/2019 und dauert drei Semester, da sie vor dem Wechsel drei Semester im dem vorigen Studium verbrachte. Die Wartezeit dauert daher bis inklusive Ende Wintersemester 2019/2020, d.i. Februar 2020. Ab dem Sommersemester 2020 (März 2020) besteht Anspruch auf Familienbeihilfe, zumal die Bf. auch erfolgreich studierte.

Die Rückforderung war daher auf die Monate Dezember 2020 bis Juli 2022 einzuschränken.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Eine solche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt im gegenständlichen Fall nicht vor. Die Definition und die Folgen eines für den Beihilfenbezug schädlichen Studienwechsels ergibt sich unmittelbar aus §17 StudFG und der dazu ergangenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Gleiches gilt für den Umfang der Unterhaltsverpflichtung zwischen Eheleuten und die grundsätzliche Zulässigkeit der Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen nach § 26 FLAG 1967.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7103357.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at