Unrechtmäßiger Haftungsbescheid mangels Inkenntnissetzung der Abgabenfestsetzung gegenüber der Haftungspflichtigen anlässlich der Haftungsinanspruchnahme
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Mag. Elke Theissl-Schulmeister LL.M., Bahnhofstraße 12A, 7471 Rechnitz, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Haftungsbescheid / Sonstige Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird ersatzlos aufgehoben.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
1. Verfahren betreffend die Primärschuldnerin
Bei der ***PS*** (Primärschuldnerin) wurde eine Außenprüfung betreffend die Umsatzsteuer 2015 und eine Nachschau betreffend die Umsatzsteuerzeiträume 1/2016-2/2017 durchgeführt. Der Bericht hierzu erging am . Als Ergebnis der Prüfung wurde der Erstbescheid zur Umsatzsteuer 2015 vom gemäß § 299 BAO aufgehoben und ein neuer Erstbescheid am erlassen. Dieser wies eine Abgabenschuld i.H.v. € 1.263.667,82 aus. Betreffend den Zeitraum 01-11/2016 wurde mit ein Bescheid über die Festsetzung der Umsatzsteuer erlassen, wonach sich eine Abgabenschuld i.H.v. € 1.331.709,38 ergab. Betreffend den Zeitraum 12/2016 wurde ebenfalls mit ein Bescheid über die Festsetzung der Umsatzsteuer erlassen, wonach sich eine Abgabenschuld i.H.v. € 105.048,22 ergab. Für den Zeitraum 1-2/2017 wurde mit ein Bescheid über die Festsetzung der Umsatzsteuer erlassen, wonach sich eine Abgabenschuld i.H.v. € 187.871,99 ergab. In sämtlichen Umsatzsteuerbescheiden wurde in der Begründung auf die Niederschrift über die Schlussbesprechung sowie auf den Bericht der Außenprüfung verwiesen. Sämtliche aufgrund der Außenprüfung erlassenen Umsatzsteuerbescheide wurden von der Primärschuldnerin mit Beschwerde bekämpft, woraufhin die belangte Behörde abweisende Beschwerdevorentscheidungen erließ. Die Primärschuldnerin beantragte daraufhin die Entscheidung über die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht vorzulegen.
Das Bundesfinanzgericht entschied in Form eines Beschlusses über den Vorlageantrag. Der Beschluss vom lautete: "Von der Abgabenfestsetzung wird gemäß § 206 BAO abgesehen und das Beschwerdeverfahren eingestellt. Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig." Begründet wurde dies damit, dass die Primärschuldnerin aufgelöst und seit im Firmenbuch gelöscht ist. Ein Vermögen der Primärschuldnerin konnte nicht festgestellt werden. Selbst bei Stattgabe der Beschwerde würde kein Vermögen der Primärschuldnerin zu Tage treten, da die damals streitgegenständlichen Abgaben nicht entrichtet wurden. Zur persönlich haftenden ehemaligen Komplementärin (nunmehr Beschwerdeführerin) wurde festgestellt, dass sie ungarische Staatsbürgerin, in Ungarn aufhältig und nach Auskunft der ungarischen Steuerbehörden vermögens- und arbeitslos ist.
2. Gegenständliches Verfahren der Haftung der Beschwerdeführerin
In weiterer Folge erließ die belangte Behörde am streitgegenständlichen Haftungsbescheid gegen die Beschwerdeführerin als Haftungspflichtige gemäß § 12 BAO für die aushaftenden Abgabenschuldigkeiten der Primärschuldnerin im Ausmaß von € 575.313,86 und forderte die Beschwerdeführerin auf, diesen Betrag innerhalb eines Monats ab Zustellung des Bescheides zu entrichten.
Mit Schreiben vom erhob die Beschwerdeführerin sowohl Beschwerde gegen den Haftungsbescheid vom , als auch gegen den Umsatzsteuerbescheid 2015, den Bescheid über die Festsetzung von Umsatzsteuer für 1-11/2016, den Bescheid über die Festsetzung von Umsatzsteuer für 12/2016, den Bescheid über die Festsetzung von Umsatzsteuer für 1-2/2017 (alle vom ) und beantragte die Aussetzung der Einhebung der geforderten Haftungen gemäß § 212a BAO. Begründet wurde die Beschwerde damit, dass die Haftungsinanspruchnahme im Ermessen der Abgabenbehörde liege und die Ermessensübung nach Maßgabe des § 93 Abs. 3 lit. BAO zu begründen sei. Die Ermessensübung im gegenständlichen Haftungsbescheid sei von der belangten Behörde nicht begründet. Es wird von der Beschwerdeführerin beantragt, das Verfahren einzustellen und von einer Abgabenfestsetzung abzusehen. Zum Umsatzsteuerbescheid 2015 und den Festsetzungsbescheiden betreffend die Umsatzsteuerzeiträume 1/2016-2/2017 gab es kein substantiiertes Vorbringen.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die belangte Behörde die Beschwerde der Beschwerdeführerin als unbegründet ab. Die belangte Behörde begründete die Abweisung, dass die eingewendete Einstellung des Verfahrens die Primärschulderin betroffen habe und das Gericht hierzu ausdrücklich ausgeführt habe, dass eine Geltendmachung der Haftung gegenüber persönlich Haftenden durch eine Abstandnahme von der Abgabenfestsetzung nicht berührt werde. Die Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Primärschuldnerin sei im Hinblick auf den Gerichtsbeschluss vom festgestanden. Da die haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten nur bei der Beschwerdeführerin einbringlich gemacht werden könnten, sei im gegenständlichen Fall dem Interesse der Allgemeinheit an der Abgabeneinbringung der Vorzug zu geben gegenüber dem Interesse der Partei nicht zur Haftung in Anspruch genommen zu werden. Gründe für ein Absehen von der Geltendmachung der Haftung als Ausfluss des Ermessens seien im gegenständlichen Fall nicht vorgelegen.
Mit Vorlageantrag vom stellte die Beschwerdeführerin den Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde gegen den Haftungsbescheid durch das Bundesfinanzgericht mit der Begründung, dass der Entscheidung über die Heranziehung zur Haftung kein Abgabenbescheid vorangegangen sei. Die Beschwerdeführerin werde im Haftungsbescheid zur Haftung im Teilumfang von € 575.313,86 herangezogen, ohne dass das Bestehen der Abgabenschuld oder die Höhe einer allfälligen Schuld begründet worden sei.
Aufgrund eines schriftlichen Vorhalts des Bundesfinanzgerichtes gab die belangte Behörde bekannt, dass der Entscheidung über die Heranziehung zur Haftung der Umsatzsteuerbescheid 2015 sowie die Bescheide über die Festsetzung von Umsatzsteuer für 1-11/2016, 12/2016 und 1-2/2017 vorangingen. Die Bescheide seien dem Haftungsbescheid nicht beigelegt worden, da die Zustellung der Bescheide mittels RSb an die steuerliche Vertreterin ***STB*** (sowohl steuerliche Vertreterin der Primärschuldnerin als auch der Beschwerdeführerin) bereits im Verfahren betreffend die Primärschuldnerin erfolgt sei. Hinsichtlich der Höhe des Haftungsbetrages führte die belangte Behörde aus, dass zum Zeitpunkt der Haftungsinanspruchnahme 20 % der bei der Primärschuldnerin aushaftenden Umsatzsteuerbeträge geltend gemacht worden seien. Dies sei im Rahmen des Ermessens in Anlehnung an eine 20 %ige Quote im Insolvenzverfahren erfolgt. Im Zuge der Haftungsprüfung sei kein Vermögen der Beschwerdeführerin festgestellt worden, sämtliche Abfragen und Erhebungen seien negativ verlaufen. Die Haftungsinanspruchnahme erfolge jedoch aus general-und spezialpräventiven Gründen, um Missbräuchen entgegenwirken zu können. Aufgrund der Aktenlage und der mit großer Wahrscheinlichkeit nicht vorhandenen Einbringlichkeit sei die Inanspruchnahme im Rahmen des Ermessens von nur 20 % Umsatzsteuernachforderung erfolgt.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Die Beschwerdeführerin war ab Gründung der Primärschuldnerin unbeschränkt haftende Gesellschafterin der Primärschuldnerin und vertrat die KG selbständig.
Aufgrund einer bei der Primärschuldnerin durchgeführten Außenprüfung wurde am ein neuer Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2015 mit einer Nachforderung i.H.v. € 1.261.786,15 erlassen, die Umsatzsteuer für den Zeitraum 1-11/2016 mit einer Abgabennachforderung i.H.v. € 1.333.075,87, die Umsatzsteuer für den Zeitraum 12/2016 mit einer Abgabennachforderung i.H.v. € 103.032,84 sowie die Umsatzsteuer für den Zeitraum 1-2/2017 mit einer Abgabennachforderung i.H.v. € 187.980,17 festgesetzt. Begründet wurden sämtliche Bescheide mit dem Verweis auf die Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung, der darüber aufgenommenen Niederschrift bzw. dem Prüfungsbericht.
Im Zuge des darauffolgenden Rechtsmittelverfahrens entschied das Bundesfinanzgericht in Form eines Beschlusses über den Vorlageantrag. Der Beschluss vom lautete: "Von der Abgabenfestsetzung wird gemäß § 206 BAO abgesehen und das Beschwerdeverfahren eingestellt. Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig."
Die am erlassenen Bescheide wurden von der belangten Behörde nicht abgeändert. Sie blieben im Rechtsbestand.
Mit erfolgte die Löschung der Primärschuldnerin im Firmenbuch.
Mit Bescheid vom wurde die Beschwerdeführerin von der belangten Behörde als Haftungspflichtige gemäß § 12 BAO für die aushaftenden Abgabenschuldigkeiten der Primärschuldnerin zur Haftung herangezogen und aufgefordert, den Betrag von insgesamt € 575.313,86 innerhalb eines Monats ab Zustellung des Bescheides zu entrichten.
Die Beträge wurden tabellarisch, wie folgt, dargestellt:
Begründet wurde der Haftungsbescheid wie folgt: "Gem. § 4 des Erwerbsgesellschaftsgesetzes (EEG) sind auf die eingetragenen Erwerbsgesellschaften die Vorschriften des Unternehmensgesetzbuches (UGB) anzuwenden, sodass gem. § 161 UGB die Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft den Gläubigern als Gesamtschuldner persönlich haften. Als persönlich haftende Gesellschafterin der - ***PS*** - haften Sie für die Abgabenschulden der Gesellschaft persönlich, unbeschränkt und unmittelbar."
Abgabenbescheide wurden der Beschwerdeführerin nicht übermittelt.
Nicht mitgeteilt wurde der Beschwerdeführerin, ob dem Haftungsbescheid Abgabenbescheide vorangegangen sind bzw. welcher Sachverhalt, welche Rechtsgrundlagen und welche rechtliche Würdigung den aushaftenden Beträgen zugrunde liegen. Ermessen wurde keines geübt. Im Haftungsbescheid finden sich keine Ausführungen über die konkrete Berechnung des Ausmaßes der Haftungsinanspruchnahme der Beschwerdeführerin.
Aufgrund der von der Beschwerdeführerin eingebrachten Beschwerde erließ die belangte Behörde am eine abweisende Beschwerdevorentscheidung. In der Beschwerdevorentscheidung wird u.a. festgestellt, dass im Zuge einer Außenprüfung die Umsatzsteuer 2015, die FSU 01-11/2016 und FSU 01-02/2017 nach Aberkennung der Vorsteuerabzugsberechtigung festgesetzt wurden. Hinsichtlich der Ermessensentscheidung der belangten Behörde ist neben allgemeinen Ausführungen zur Ermessensübung in der Berufungsvorentscheidung ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin als einzige unternehmensrechtliche Komplementärin eingetragen ist, keine Unbilligkeit angesichts langer verstrichener Zeit bis zur Ausstellung des Haftungsbescheides vorliegt und die Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Primärschuldnerin mit dem Beschluss des Bundesfinanzgerichtes vom feststand.
Abgabenbescheide wurden der Beschwerdeführerin im Rahmen der Erlassung der Beschwerdevorentscheidung nicht übermittelt.
Nicht mitgeteilt wurde der Beschwerdeführerin, ob dem Haftungsbescheid Abgabenbescheide bzw. welcher Sachverhalt, welche Rechtsgrundlagen und welche rechtliche Würdigung den im Haftungsbescheid geltend gemachten Beträgen zugrunde liegen. Im Haftungsbescheid befinden sich keine Ausführungen über die konkrete Berechnung des Ausmaßes der Haftungsinanspruchnahme der Beschwerdeführerin.
Weder dem Haftungsbescheid noch der Beschwerdevorentscheidung ist die Höhe der gegen die Primärschuldnerin erlassenen Bescheide zu entnehmen.
2. Beweiswürdigung
Der Sachverhalt ist aufgrund von Auszügen aus dem Firmenbuch, Abfragen aus dem Abgabeninformationssystems und des vorgelegten Beschlusses des Bundesfinanzgerichtes vom sowie durch den Haftungsbescheid, die Bescheidbeschwerde, Beschwerdevorentscheidung und den Vorlageantrag als erwiesen anzunehmen.
Der Vorhalt des Bundesfinanzgerichtes ist Aktenbestandteil und wurde berücksichtigt.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)
Gemäß § 12 BAO haften Gesellschafter von als solche abgabepflichtigen und nach bürgerlichem Recht voll oder teilweise rechtsfähigen Personenvereinigungen ohne eigene Rechtspersönlichkeit persönlich für die Abgabenschulden der Personenvereinigung. Der Umfang ihrer Haftung richtet sich nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes.
Gemäß § 128 UGB haften die Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft den Gläubigern als Gesamtschuldner unbeschränkt. Eine entgegenstehende Vereinbarung ist Dritten gegenüber unwirksam.
Gemäß § 161 Abs. 1 UGB ist eine Kommanditgesellschaft eine unter eigener Firma geführte Gesellschaft, bei der die Haftung gegenüber den Gesellschaftsgläubigern bei einem Teil der Gesellschafter auf einen bestimmten Betrag (Haftsumme) beschränkt ist (Kommanditisten), beim anderen Teil dagegen unbeschränkt ist (Komplementäre).
Gemäß § 224 BAO werden die in Abgabenvorschriften geregelten persönlichen Haftungen durch Erlassung von Haftungsbescheiden geltend gemacht. In diesen ist der Haftungspflichtige unter Hinweis auf die gesetzliche Vorschrift, die seine Haftungspflicht begründet, aufzufordern, die Abgabenschuld, für die er haftet, binnen einer Frist von einem Monat zu entrichten.
Diese Haftung trifft demnach Gesellschafter einer OG und Komplementäre einer KG. Der Umfang der Haftung richtet sich nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes. Der Komplementär einer KG haftet für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft unmittelbar, primär, unbeschränkt, unbeschränkbar, persönlich und solidarisch (Ritz, BAO7, § 12 Tz 3).
Gemäß § 248 BAO kann der nach Abgabenvorschriften Haftungspflichtige unbeschadet der Einbringung einer Bescheidbeschwerde gegen seine Heranziehung zur Haftung (Haftungsbescheid, § 224 Abs. 1) innerhalb der für die Einbringung der Bescheidbeschwerde gegen den Haftungsbescheid offenstehenden Frist auch gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch Bescheidbeschwerde einbringen. Beantragt der Haftungspflichtige die Mitteilung des ihm noch nicht zur Kenntnis gebrachten Abgabeanspruches, so gilt § 245 Abs. 2, 4 und 5 sinngemäß.
Die Bekanntgabe des Abgabenanspruches an den Haftungspflichtigen hat anlässlich der Geltendmachung der Haftung durch Zusendung einer Ausfertigung des maßgeblichen Bescheides zu erfolgen (Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3 § 248 Rz 1).
Einem mittels Haftungsbescheides für eine fremde Abgabenschuld in Anspruch genommenen persönlich Haftungspflichtigen ist im Hinblick auf die sich aus § 193 WAO [entspricht § 248 BAO] ergebende Möglichkeit, auch gegen den Abgabenanspruch (Abgabenbescheid) zu berufen, anlässlich der Erlassung des Haftungsbescheides von der Behörde über den haftungsgegenständlichen Abgabenanspruch (und zwar über Grund und Höhe des feststehenden Anspruches) Kenntnis zu verschaffen (vgl. Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3 § 248 E47; , 0141, 0142, ÖStZB 1986, 420 = Slg 6062/F; , ÖStZB 1988, 280; ).
Diese Kenntnisverschaffung hat in Fällen des § 248 BAO insbesondere durch Zusendung einer Ausfertigung (Ablichtung) des/der Abgabenbescheide(s) an den Haftungspflichtigen, allenfalls durch konkrete Mitteilung des Bescheidinhaltes zu geschehen, und ist selbst dann unerlässlich, wenn der Haftungspflichtige, etwa weil ihm die betreffenden Bescheide als Geschäftsführer einer GmbH zugestellt wurden, vom Abgabenanspruch Kenntnis haben muss (Ritz, BAO7 § 248 Rz. 8 und Rz. 9 mwN).
Eine solche Bekanntmachung hat durch Zusendung einer Ausfertigung (Ablichtung) des maßgeblichen Bescheides über den Abgabenanspruch, allenfalls durch Mitteilung des Bescheidinhalts zu erfolgen (vgl zB Ellinger/Wetzel, BAO, 194). Das Unterbleiben einer solchen Bekanntmachung macht den Haftungsbescheid rechtswidrig (; vgl auch Stoll, JBl 1982, 9).
Sind dem Haftungspflichtigen die für die Festsetzung des Abgabenanspruches maßgeblich gewesenen Grundlagen infolge unterlassener bzw. unvollständiger Kenntnisverschaffung anlässlich der Erlassung des Haftungsbescheides unbekannt, dann führt dies im Ergebnis zu einem massiven Rechtsschutzdefizit.
Eine solche Beschneidung des Haftungspflichtigen in seinen Verteidigungsrechten begründet nach ständiger Rechtsprechung einen Verfahrensmangel, der im Verfahren über die Beschwerde gegen den Haftungsbescheid nicht sanierbar ist, sondern zur Aufhebung des Haftungsbescheides zu führen hat (; ; Ritz, BAO7 § 248 Rz. 8).
Im vorliegenden Sachverhalt steht unstrittig fest, dass der Beschwerdeführerin anlässlich der Erlassung des angefochtenen Haftungsbescheides weder Bescheidablichtungen zu den haftungsgegenständlichen, bereits gegenüber der Primärschuldnerin festgesetzten, Abgaben übermittelt wurden, noch zu diesem Zeitpunkt der Heranziehung konkret Kenntnis über die Bescheidinhalte bzw. -grundlagen (Sachverhalt, Spruch, Begründung) verschafft wurde. Die Übermittlung der Abgabenbescheide an die steuerliche Vertretung der Primärschuldnerin als Folge des Außenprüfungsverfahrens bei der Primärschuldnerin ist dafür keinesfalls ausreichend.
Damit ist der Haftungsbescheid, im Hinblick auf die zitierte einschlägige Judikatur deswegen aufzuheben, weil die Beschwerdeführerin durch die anlässlich der strittigen Haftungsinanspruchnahme versäumte Kenntnisverschaffung über den Umsatzsteuerbescheid bzw. die bescheidmäßigen Festsetzungen der haftungsgegenständlichen Umsatzsteuer maßgeblich gewesenen Grundlagen in seiner durch § 248 erster Satz BAO eingeräumten Rechtsverteidigungsmöglichkeit beschnitten worden ist.
Aus den genannten Gründen war spruchgemäß zu entscheiden und der Beschwerde stattzugeben.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Diese Voraussetzungen treffen im Beschwerdefall nicht zu.
Zur gegenständlichen Thematik der Haftungsinsanspruchnahme bzw. Information des Haftungspflichtigen über den Abgabenanspruch bzw. dessen Festsetzung gibt es eine umfangreiche Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes.
Die Entscheidung ist im Einklang mit dieser Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, sodass keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen wurde.
Klagenfurt am Wörthersee, am
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2023:RV.4100011.2022 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at