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Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 31.08.2023, RV/7103606/2020

Vollbeendigung einer GmbH infolge Firmenbuchlöschung und mangels Abwicklungsbedarfes

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Ri. in der Beschwerdesache N.N. GmbH, zuletzt Adr.Bf., zuletzt vertreten durch stV GmbH., Adr.stV., über die Beschwerden vom und vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Wien 9/18/19 Klosterneuburg [nunmehr gemäß § 323b Bundesabgabenordnung (BAO) Finanzamt Österreich]
- vom betreffend Körperschaftsteuer 2012 bis einschließlich Körperschaftsteuer 2017,
- vom betreffend Bescheid über die Begrenzung der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer, und
- vom betreffend Umsatzsteuer 2012 bis einschließlich Umsatzsteuer 2017, Umsatzsteuerfestsetzung 01/2018, Umsatzsteuerfestsetzung 02/2018, Umsatzsteuerfestsetzung 03/2018, Umsatzsteuerfestsetzung 04/2018, Umsatzsteuerfestsetzung 05/2018, Umsatzsteuerfestsetzung 06/2018, Umsatzsteuerfestsetzung 07/2018 und Umsatzsteuerfestsetzung 08/2018,
Steuernummer xxx, beschlossen:

Die Beschwerden werden als gegenstandslos geworden erklärt.
Die Beschwerdeverfahren werden eingestellt.

Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 iVm Abs. 9 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

Die ehemalige Beschwerdeführerin (Bf.) war eine im Firmenbuch unter FN yyy eingetragene Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Geschäftszweig war laut Gesellschaftsvertrag vom "der Import und Export von elektronischen Bauteilen und der Handel mit Waren aller Art". Als Geschäftsführer fungierte laut historischen Firmenbuchauszug bis Herr X.X., Adresse Adr1-Italien, seit Frau Y.Y., Adresse Adr2-Italien. Seit war Frau Y.Y. auch Alleingesellschafterin. Als Geschäftsanschriften sind im Firmenbuch angeführt: Adr.stV., bis ; Adr3 Wien, bis ; Adr.stV., bis und Adr.4 Wien, bis zuletzt (BFG-Akt OZ 242). Die Vollmacht der steuerlichen Vertretung umfasste auch die Zustellvollmacht.

Bei der ehemaligen Bf. fand eine die Jahre 2012 bis 2018 betreffende Außenprüfung - Prüfungsbeginn bei der Bf. , Prüfungsauftrag vom btr. Körperschaft- Umsatz- und Kapitalertragsteuer 2015 bis 2017 und Nachschauauftrag btr. Umsatzsteuer 2018 - statt. Von Seiten des Außenprüfungsorgans wurde im Bericht gem. § 150 BAO im Wesentlichen festgestellt, dass die Bf. in Österreich seit 2012, zumindest aber seit Beginn 2018 keine wirtschaftliche Tätigkeit ausführe, die gemäß Artikel 28 UStG 1994 - Binnenmarktregelung die Erteilung einer UID rechtfertige. Aufgrund des Wegfalles dieser rechtlichen Voraussetzungen sei der Bescheid über die Erteilung der UID vom zurückzunehmen. Unter Tz 2 "Nicht anerkannte Vorsteuer" wurden auf Grund der Feststellung, dass keine unternehmerische Tätigkeit bestehe, die Vorsteuern im Prüfungszeitraum 2012 bis 2018 nicht anerkannt, in Tz 3 "Innergemeinschaftliche Erwerbe 2017" wurde ausgeführt, dass im Jahr 2017 innergemeinschaftliche Erwerbe festgestellt worden seien, welche nicht in den Umsatzsteuererklärungen enthalten seien.

Aufgrund der von der Prüferin getroffenen Feststellungen setzte die belangte Behörde mit Sachbescheiden vom die Körperschaftsteuer 2012 bis 2017 iHd. Mindestkörperschaftsteuer erstmals fest. Am wurde der Bescheid über die Begrenzung der Gültigkeit der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer erlassen und die erteilten Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (UID) ATUqqq mit begrenzt. Bezüglich Umsatzsteuer wurden mit erstmalige Jahresbescheide für den Zeitraum 2012 bis 2017 und für 01/2018 - 08/2018 Festsetzungsbescheide erlassen.

Die ehemalige Bf. brachte durch ihre ehemalige steuerliche Vertretung mit Anbringen vom
und Beschwerden gegen die Bescheide ein. In der Beschwerde vom btr. Umsatzsteuer beantragte die Bf. zudem die Aussetzung der Einhebung nach § 212a BAO für den Betrag von gesamt 28.779,80 Euro, welche mit Bescheid der belangten Behörde vom bewilligt wurde.

Nach umfangreichem Vorhalteverfahren zwischen der belangten Behörde und dem Vertreter der Bf. erließ die belangte Behörde mit die abweisenden Beschwerdevorentscheidungen btr. Beschwerde vom gegen den Bescheid über die Begrenzung der UID-Nummer vom .
Ebenfalls mit ergingen die Beschwerdevorentscheidungen btr. Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2012 bis 2017 und 01-08/2018 (alle datiert ), sowie btr. Körperschaftsteuerbescheide für die Jahre 2012 bis 2017 (alle vom ) und wurde ausgesprochen, dass sämtliche Bescheide verbösernd wie folgt abgeändert würden:
Umsatzsteuer: 2012: 88.350,49 Euro; 2013: 71.670,48 Euro ; 2014: 2.283,40 Euro; 2015: 4.366,61 Euro; 2016: 3.775,74 Euro; 2017: 2.464,61 Euro; 02/2018: 28.905,00 Euro; 03/2018: 170.228,00 Euro; 04/2018: 176.588,20 Euro; 05/2018: 47.871,00 Euro; 06/2018: 53.707,20 Euro; 07/2018 und 08/2018: 0,00 Euro.
Körperschaftsteuer: 2012 bis 2017: Keine Änderungen zu den Erstbescheiden (Mindestkörperschaftsteuer), jedoch Vorschreibung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb mit 0,00 Euro.

Die ehemalige Bf. brachte durch ihre ehemalige steuerliche Vertretung am den Antrag die Beschwerden dem Bundesfinanzgericht zu Entscheidung gem. § 264 BAO vorzulegen (Vorlageantrag) ein und beantragte die Aussetzung der Einhebung iHv. USt 2012: 88.350,49, USt 2013: 71.670,48, USt 2014: 2.283,40, USt 2015: 4.366,61, USt 2016: 3.775,74, USt 2017: 2.464,61 und USt 1-6/2018: 477.299,40.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom wurde die Aussetzung der Einhebung gem. § 212a BAO für die Umsatzsteuer in folgender Höhe bewilligt:
Umsatzsteuer 2012: 88.350,49 Euro,
Umsatzsteuer 2013: 71.670,48 Euro,
Umsatzsteuer 2014: 2.283,40 Euro,
Umsatzsteuer 2015: 3.332,03 Euro,
Umsatzsteuer 2016: 3.775,74 Euro,
Umsatzsteuer 2017: 2.280.50 Euro,
Umsatzsteuer 02/2018: 28.905,00 Euro,
Umsatzsteuer 03/2018: 170.228,00 Euro,
Umsatzsteuer 04/2018: 176.588,20 Euro,
Umsatzsteuer 05/2018: 47.871,20 Euro,
Umsatzsteuer 06/2018: 53.707,20 Euro,
Gesamt: 648.992,24 Euro.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom wurde die Aussetzung der Einhebung gem. § 212a BAO für die Säumniszuschläge 1 btr. Umsatzsteuer in folgender Höhe bewilligt:
Säumniszuschlag 2013: 1.632,42 Euro,
Säumniszuschlag 2014: 1.357,48 Euro,
Säumniszuschlag 2018: 578,10 Euro,
Säumniszuschlag 2018: 3.404,56 Euro,
Säumniszuschlag 2018: 3.531,76 Euro,
Säumniszuschlag 2018: 957,42 Euro,
Säumniszuschlag 2018: 1.074,14 Euro,
Gesamt: 12.535,88 Euro.

Mit Schreiben vom brachte die ehemalige Bf. durch ihre ehemalige steuerliche Vertretung eine Vorlageerinnerung gem. § 264 Abs. 6 BAO ein.

Die belangte Behörde legte die Bescheidbeschwerden schließlich gemäß § 265 Abs. 1 BAO dem Bundesfinanzgericht am vor.

Am fand eine Erörterung gem. § 269 Abs. 3 BAO statt und wurde in Folge die belangte Behörde vom Bundesfinanzgericht mit Beschluss gem. § 269 Abs. 2 BAO (Ermittlungsauftrag) beauftragt das Ermittlungsverfahren zu ergänzen.

Nach mehrmaliger Fristerstreckung legte die belangte Behörde mit die Ergebnisse des Ermittlungsauftrags inkl. umfangreichen Aktenkonvoluts dem Bundesfinanzgericht vor (BFG-Akt OZ 239 und 240).

Mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom zur Firmenbuchsache FN yyy, Geschäftsfall zzz, wurde die amtswegige Löschung wegen Vermögenslosigkeit gemäß § 40 FBG verfügt (BFG-Akt OZ 241, Firmenbuchauszug und OZ 249, Beschluss HG Wien).

Gemäß § 40 Abs. 1 FBG kann eine Kapitalgesellschaft, die kein Vermögen besitzt, auf Antrag der nach dem Sitz der Gesellschaft zuständigen gesetzlichen Interessenvertretung oder der Steuerbehörde oder von Amts wegen gelöscht werden; mit der Löschung gilt die Gesellschaft als aufgelöst. Eine Abwicklung findet nicht statt. Sofern das Vorhandensein von Vermögen nicht offenkundig ist, gilt eine Kapitalgesellschaft bis zum Beweis des Gegenteils auch dann als vermögenslos, wenn sie trotz Aufforderung durch das Gericht die Jahresabschlüsse und gegebenenfalls die Lageberichte (§§ 277 ff UGB) von zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren nicht vollständig vorlegt.

Wird eine GmbH nach dem Firmenbuchgesetz infolge rechtskräftiger Abweisung eines Antrages auf Konkurseröffnung mangels kostendeckenden Vermögens oder wegen Vermögenslosigkeit im Firmenbuch gelöscht, so ist ihre Rechtspersönlichkeit beendet, sofern und solange kein Aktivvermögen vorhanden ist (zum Amtslöschungsgesetz: ).

Die Löschung einer GmbH im Firmenbuch wirkt insofern nur deklarativ, als sie nicht zum Verlust der Parteifähigkeit führt, solange Vermögen vorhanden ist. Der Fortbestand der Rechtssubjektivität einer wegen Vermögenslosigkeit von Amts wegen gelöschten GmbH ist zu bejahen, solange noch ein Abwicklungsbedarf besteht, was dann der Fall ist, wenn Abgabenverbindlichkeiten einer solchen Gesellschaft bescheidmäßig festzusetzen sind. Für das Rechtsmittelverfahren ist zu prüfen, ob sich auf Grund des Rechtsstreits nachträglich ein abwickelbares Vermögen ergeben könnte, sodass die Rechtspersönlichkeit insoweit als fortdauernd anzusehen wäre. Sind keine Zahlungen auf die strittige Abgabenschuld erfolgt, besteht somit keine Aussicht auf einen Rückzahlungsanspruch, und wurde das Vorliegen eines anderweitigen Vermögens und damit Abwicklungsbedarfes nicht behauptet, kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Rechtspersönlichkeit fortbesteht (vgl. , mwA).

Nach herrschenden Lehre und Rechtsprechung führt die Löschung einer Gesellschaft nach § 40 FBG mit konstitutiver Wirkung auch zum Wegfall der organschaftlichen Vertretung der bisherigen Geschäftsführer oder Liquidatoren, selbst wenn die Gesellschaft trotz Löschung noch fortbesteht, weil etwa noch Aktivvermögen vorhanden ist (vgl. , mwA).

Aufgrund der Löschung im Firmenbuch gemäß § 40 FBG ist daher grundsätzlich davon auszugehen, dass die Rechtspersönlichkeit der Bf. untergegangen ist. Nach der zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs ist aber der Fortbestand der Rechtssubjektivität einer wegen Vermögenslosigkeit von Amts wegen gelöschten GmbH zu bejahen, solange noch ein Abwicklungsbedarf besteht (nochmals , mwA).

Im gegenständlichen Fall ist daher zu prüfen ob ein solcher Abwicklungsbedarf besteht, insbes., ob sich auf Grund des Rechtsstreits nachträglich ein abwickelbares Vermögen ergeben könnte.

Folgende Abgabennachforderungen haben sich im Beschwerdeverfahren nach der Außenprüfung ergeben:
Körperschaftsteuerbescheide vom (BFG-Akt OZ 4-9):
Körperschaftsteuer 2012: 1.750,00 Euro - Nachforderung: 0,00 Euro,
Körperschaftsteuer 2013: 1.125,00 Euro - Gutschrift: 625,00 Euro,
Körperschaftsteuer 2014: 1.437,00 Euro - Gutschrift: 313,00 Euro,
Körperschaftsteuer 2015: 1.749,00 Euro - Gutschrift: 1,00 Euro,
Körperschaftsteuer 2016: 1.749,00 Euro - Gutschrift: 1,00 Euro
Körperschaftsteuer 2017: 1.750,00 Euro - Nachforderung: 0,00 Euro,
Gutschrift gesamt: 940,00 Euro.
Umsatzsteuerbescheide vom (BFG Akt OZ 11-24):
Umsatzsteuer 2012: -81.621,00 Euro - Nachforderung: 6.218,81 Euro,
Umsatzsteuer 2013: -67.874,00 Euro - Nachforderung: 4.417,99 Euro,
Umsatzsteuer 2014: 0,00 Euro - Nachforderung: 2.321,88 Euro,
Umsatzsteuer 2015: 0,00 Euro - Nachforderung: 3.332,03 Euro,
Umsatzsteuer 2016: 0,00 Euro - Nachforderung: 4.524,02 Euro,
Umsatzsteuer 2017: 0,00 Euro - Nachforderung: 2.280,50 Euro,
Festsetzung der Umsatzsteuer 1/2018: 0,00 Euro - Nachforderung: 280,66 Euro,
Festsetzung der Umsatzsteuer 2/2018: -28.905,00 Euro - Nachforderung: 148,33 Euro,
Festsetzung der Umsatzsteuer 3/2018: -170.228,00 Euro - Nachforderung: 1.823,68 Euro,
Festsetzung der Umsatzsteuer 4/2018: -176.588,20 Euro - Nachforderung: 925,38 Euro,
Festsetzung der Umsatzsteuer 5/2018: -47.871,00 Euro - Nachforderung: 1.368,33 Euro,
Festsetzung der Umsatzsteuer 6/2018: -53.707,20 Euro - Nachforderung: 396,21 Euro,
Festsetzung der Umsatzsteuer 7/2018: 0,00 Euro - Nachforderung: 363,81 Euro,
Festsetzung der Umsatzsteuer 8/2018: 0,00 Euro - Nachforderung: 378,17,
Nachforderung gesamt: 28.779,80 Euro.
Dieser Betrag wurde antragsgemäß mit Bescheid vom gem. § 212a BAO ausgesetzt (BFG Akt OZ 244). Eine Zahlung auf die strittige Abgabenschuld erfolgte nicht.
Neben der Umsatzsteuer wurden auch erste Säumniszuschläge für 2013, 2015 und 2016 iHv. gesamt 245,48 Euro vorgeschrieben und in Folge ebenfalls ausgesetzt (BFG-Akt OZ 245). Eine Zahlung auf die strittige Abgabenschuld erfolgte nicht.

Aufgrund der abändernden (verbösernden) Beschwerdevorentscheidungen vom wurden bzgl. Umsatzsteuer die Abgabennachforderungen erhöht (BFG-Akt OZ 26, S. 20 - 23):
Umsatzsteuer 2012: Nachforderung 88.350,49 Euro,
Umsatzsteuer 2013: Nachforderung 71.670,48 Euro,
Umsatzsteuer 2014: Nachforderung 2.283,40 Euro,
Umsatzsteuer 2015: Nachforderung 4.366,61 Euro,
Umsatzsteuer 2016: Nachforderung 3.775,74 Euro,
Umsatzsteuer 2017: Nachforderung 2.464,61 Euro,
Festsetzung der Umsatzsteuer 2/2018: Nachforderung 28.905,00 Euro,
Festsetzung der Umsatzsteuer 3/2018: Nachforderung 170.228,00 Euro,
Festsetzung der Umsatzsteuer 4/2018: Nachforderung 176.588,20 Euro,
Festsetzung der Umsatzsteuer 5/2018: Nachforderung 47.871,00 Euro,
Festsetzung der Umsatzsteuer 6/2018: Nachforderung 53.707,20 Euro,
Nachforderung gesamt: 648.992,24 Euro.
Dieser Betrag wurde antragsgemäß mit Bescheid vom gem. § 212a BAO ausgesetzt (BFG Akt OZ 246). Eine Zahlung auf die strittige Abgabenschuld erfolgte nicht.
Neben der Umsatzsteuer wurden auch erste Säumniszuschläge für 2013, 2014 und 2018 iHv. gesamt 12.535,88 Euro vorgeschrieben und in Folge ebenfalls ausgesetzt (BFG-Akt OZ 247). Eine Zahlung auf die strittige Abgabenschuld erfolgte nicht.

Die Körperschaftsteuer wurde für die Jahre 2012 bis 2017 wie in den Bescheiden vom
festgesetzt (Mindestkörperschaftsteuer), allerdings wurden die Einkünfte aus Gewerbebetrieb mit 0,00 Euro angesetzt.

Neben diesen Abgabenbeträgen waren noch folgende Beträge btr. eines weiteren offenen Rechtsmittelverfahrens vor dem Bundesfinanzgericht zu RV/7101181/2012 ausgesetzt:
Umsatzsteuer 10/2010 bis 03/2011 iHv. gesamt: 109.848,56 Euro (ausgesetzt durch Bescheid vom ). Säumniszuschläge btr. Umsatzsteuer 2010 bis 2011 iHv. gesamt 2.196,36 Euro (ausgesetzt durch Bescheid vom ).

Wie sich aus dem Antrag auf Aussetzung im Vorlageantrag (BFG-Akt OZ 27), den Bescheiden der belangten Behörde über die Bewilligung einer Aussetzung der Einhebung vom
und (BFG-Akt OZ 246 und 247), sowie aus Abfragen im Abgabeninformationssystem der Finanzverwaltung und über Daten des Steuerkontos der Bf. in FinanzOnline ergibt (BFG-Akt OZ 243), wurde zur Umsatzsteuer 2012 bis 2017 und 02/2018 bis 06/2018 für den Betrag iHv. 648.992,24 Euro gem. § 212a BAO die Einhebung ausgesetzt. Weiters wurde ein Betrag iHv. 12.781,36 Euro für die sich aus diesen Abgabenschulden ergebenden Säumniszuschläge ausgesetzt. Gesamt wurde für den Beschwerdezeitraum somit ein Betrag iHv. 661.528,12 Euro ausgesetzt:.
Mit den ausgesetzten Beträgen für die Umsatzsteuer 10/2010 bis 03/2011 iHv. 109.848,56 Euro und den diesbezüglichen Säumniszuschlägen iHv. 2.196,36 Euro wurde ein Gesamtbetrag iHv. 773.818,52 Euro ausgesetzt. Dieser ausgesetzte Betrag verringerte sich nach dem Beschluss des Bundesfinanzgerichts vom zu RV/7101181/2012 btr. Umsatzsteuer 01-03/2011 um 13.660,00 Euro.

Das Abgabenkonto der Bf. stellt sich mit Stichtag wie folgt dar (BFG-Akt OZ 243):
Rückstand 16.681,69 Euro,
Aussetzung § 212a: 760.158,52 Euro; davon das gegenständliche Beschwerdeverfahren betreffend: 661.528,12 Euro.

Gemäß § 212a Abs. 1 BAO ist die Einhebung einer Abgabe, deren Höhe unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung einer Bescheidbeschwerde abhängt, auf Antrag des Abgabepflichtigen von der Abgabenbehörde insoweit auszusetzen, als eine Nachforderung unmittelbar oder mittelbar auf einen Bescheid, der von einem Anbringen abweicht, oder auf einen Bescheid, dem kein Anbringen zugrunde liegt, zurückzuführen ist, höchstens jedoch im Ausmaß der sich bei einer dem Begehren des Abgabepflichtigen Rechnung tragenden Beschwerdeerledigung ergebenden Herabsetzung der Abgabenschuld. Dies gilt sinngemäß, wenn mit einer Bescheidbeschwerde die Inanspruchnahme für eine Abgabe angefochten wird.

§ 212a BAO regelt die Aussetzung der Einhebung einer Abgabe, deren Höhe unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung einer Bescheidbeschwerde abhängt. Gemäß § 212a Abs. 5 BAO besteht die Wirkung einer Aussetzung der Einhebung in einem Zahlungsaufschub.

Im konkreten Fall bestünde ein Abwicklungsbedarf sohin nur dann, wenn die für die Löschung gemäß § 40 FBG erforderliche Voraussetzung der Vermögenslosigkeit nicht erfüllt wäre oder die Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes in der verfahrensgegenständlichen Beschwerdesache direkt oder indirekt ein abwickelbares Aktivvermögen der gelöschten Gesellschaft betreffe. Beides trifft im Beschwerdefall Fall nicht zu. Der Abgabenrückstand per beträgt 16.681,69 Euro und ist ein Betrag iHv. 760.158,52 Euro nach § 212a ausgesetzt.
Da die streitgegenständlichen Abgabennachforderungen Umsatzsteuer 2012 bis 2017 und 02/2018 bis 06/2018 iHv. gesamt 648.992,24 Euro bislang ebenso nicht entrichtet wurden wie die entsprechenden Säumniszuschläge iHv. 12.781,36 Euro, sondern gemäß § 212a BAO ausgesetzt wurden, würde selbst eine vollinhaltliche Stattgabe der Beschwerde zu keinem Aktivvermögen der gelöschten GmbH führen.
Das Vorliegen eines anderweitigen Vermögens und eines sich daraus ergebenden Abwicklungsbedarfes kann im Hinblick auf die Firmenbuch-Löschung wegen Vermögenslosigkeit ausgeschlossen werden.

Indem die Rechtspersönlichkeit der Bf. durch die Löschung im Firmenbuch aufgelöst und beendet worden ist und mangels Abwicklungsbedarfs auch über die Löschung hinausgehend kein Fortbestand der Rechtssubjektivität gegeben war, liegt eine Vollbeendigung der gelöschten GmbH im Sinn der höchstgerichtlichen Judikatur vor (vgl. ).

Hinsichtlich der noch in den EDV-Datenbanken der Finanzverwaltung angemerkte Zustellvollmacht des ehemaligen steuerlichen Vertreters ist auszuführen:
Nach § 83 Abs. 1 BAO können sich Parteien durch natürliche oder juristische Personen vertreten lassen.
Gemäß § 83 Abs. 2 BAO richten sich Inhalt und Umfang der Vertretungsbefugnis des Bevollmächtigten nach der Vollmacht für welche die Vorschriften des bürgerlichen Rechtes zu beachten sind.
Laut § 1022 Satz 1 ABGB wird in der Regel die Vollmacht sowohl durch den Tod des Gewaltgebers als des Gewalthabers aufgehoben. § 1022 Satz 2 Fall 2 ABGB bestimmt aber, dass - so sich die Vollmacht selbst auf den Sterbefall des Gewaltgebers erstreckt - der Gewalthaber das Recht und die Pflicht hat, das Geschäft zu vollenden.
Zufolge § 1023 ABGB werden von einem Körper (Gemeinschaft) ausgestellten und übernommenen Vollmachten durch die Erlöschung der Gemeinschaft aufgehoben.
Nach Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs sind Vollmachten und Zustellungsbevollmächtigungen grundsätzlich so lange zu beachten, als der Behörde nicht der Widerruf, die Kündigung (vgl. ; ) bzw. die einvernehmliche Aufhebung (vgl. Raschauer/Riesz in Frauenberger-Pfeiler/Raschauer/Sander/Wessely, Österreichisches Zustellrecht2, § 9 Rz 6a) bekannt wird.
Das Erlöschen der Bevollmächtigung durch Tod oder Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§§ 1022 bis 1024 ABGB) wirkt aber auch der Abgabenbehörde gegenüber, selbst wenn sie hiervon nichts erfährt (vgl. Ritz/Koran, BAO7, ZustG, § 9 Rz 22).
Die Vollbeendigung einer juristischen Person hat in Bezug auf Vollmacht und Auftrag dieselbe Wirkung wie der Tod einer natürlichen Person (Apathy/Burtscher in Schwimann/Kodek, ABGB Praxiskommentar Band 652021, § 1023 Rz 1). Dies ergibt sich aus § 1023 ABGB, da bei Untergang einer juristischen Person deren Rechtsbeziehungen wegen Wegfalls des Zurechnungssubjekts zwangsläufig erlöschen (vgl. Rubin in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.03, § 1023 Rz 1). Dieses Erlöschen des Vollmachtsverhältnisses (einschließlich einer Zustellvollmacht) wirkt, wie bereits ausgeführt, gegenüber der Behörde unabhängig vom Kenntnisstand (Ritz/Koran, a.a.O., § 83 Rz 24).
Mit der Vollbeendigung der juristischen Person endet die Vertretungsbefugnis ihrer Organe, also der statutarischen Vertreter, aber auch der sonst bestellten Vertreter (vgl. Strasser in Rummel, ABGB3, § 1026 Rz. 29).
Selbst im Fall, dass nach der Vollmachtsurkunde die Vollmacht über den Tod hinaus gelten sollte, ist im Beschwerdefall das Vollmachtsverhältnis aus folgendem Grund erloschen:
§ 1022 ABGB Satz 1 stellt dispositives Recht dar (vgl. Hartlieb/Zollner in Rummel/Lukas/Geroldinger, ABGB4, § 1022 Rz 1). Daher kann eine Vollmacht auch so gestaltet werden, dass sie über den Tod des Vollmachtgebers hinaus fortdauert (Ritz/Koran, a.a.O., § 83 Rz 21).
Da § 1023 ABGB vom historischen Gesetzgeber als Parallelnorm zu § 1022 ABGB, der Regelung für den Tod natürlicher Personen, gedacht war, wird die analoge Anwendung von § 1022 Satz 2 ABGB (Fortbestand von Auftrag/Vollmacht) auf juristische Personen bejaht. Dies setzt jedoch Gesamtrechtsnachfolge voraus, etwa durch Verschmelzung, Spaltung, Einbringung, oder Anwachsung gem. § 142 UGB (vgl. mit Verweis auf Rubin, a.a.O., Rz 3 und P. Bydlinski in Koziol/Bydlinski/Bollenberger, Kurzkommentar zum ABGB6,
§ 1023 ABGB Rz 1; ebenso Hartlieb/Zollner, a.a.O., § 1023 Rz 9).
Im gegenständlichen Beschwerdefall liegt eine Gesamtrechtsnachfolge nicht vor, und ist durch die Vollbeendigung der ehemaligen Bf. infolge Löschung im Firmenbuch auch das Vollmachtsverhältnis (einschließlich der Zustellvollmacht) zwangsläufig erloschen.

Da das Verfahren nach dem "Wegfall der Rechtspersönlichkeit" der Bf. nicht fortgeführt werden kann, ist es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs () in sinngemäßer Anwendung des § 33 Abs. 1 VwGG wegen Gegenstandslosigkeit der Beschwerde mit Beschluss (278 BAO) einzustellen.

Zur beantragten Senatsentscheidung und der mündliche Verhandlung ist auszuführen:
Gemäß § 272 Abs. 2 Z 1 lit. b BAO obliegt die Entscheidung dem Senat, wenn dies im Vorlageantrag beantragt wird.
Obliegt die Entscheidung über Beschwerden dem Senat, so können gemäß § 272 Abs. 4 BAO die dem Verwaltungsgericht gemäß § 269 eingeräumten Rechte zunächst vom Berichterstatter ausgeübt werden. Diesem obliegen auch zunächst die Erlassung von Mängelbehebungsaufträgen (§ 85 Abs. 2) und von Aufträgen gemäß § 86a Abs. 1 sowie Zurückweisungen (§ 260), Zurücknahmeerklärungen (§ 85 Abs. 2, § 86a Abs. 1), Gegenstandsloserklärungen (§ 256 Abs. 3, § 261), Verfügungen der Aussetzung der Entscheidung (§ 271 Abs. 1) und Beschlüsse gemäß § 300 Abs. 1 lit. b.

Nach § 274 Abs. 1 Z 1 lit. b BAO hat über die Beschwerde eine mündliche Verhandlung stattzufinden, wenn es im Vorlageantrag beantragt wird.
Gemäß § 274 Abs. 3 Z 1 und 2 BAO kann ungeachtet eines Antrages von einer mündlichen Verhandlung absehen werden, wenn die Beschwerde als unzulässig oder nicht rechtzeitig eingebracht zurückzuweisen ist (§ 260) bzw. als zurückgenommen (§ 85 Abs 2, § 86a Abs 1) oder als gegenstandslos (§ 256 Abs 3, § 261) zu erklären ist.
Obliegt die Entscheidung über die Beschwerde dem Einzelrichter und hat nach Abs. 1 eine mündliche Verhandlung stattzufinden, so ist Abs. 3 sinngemäß anzuwenden (vgl. § 274 Abs. 5 BAO).
Zur beantragten mündlichen Verhandlung bleibt festzuhalten, dass deren Durchführung mangels vertretungsbefugter Personen der gelöschten Gesellschaft nicht denkbar ist und weder die Wahrung des Parteiengehörs noch andere Gründe eine solche Verhandlung notwendig machten. Im Übrigen hätte durch das Absehen von der beantragten mündlichen Verhandlung die ehemalige Bf. nicht in ihren Interessen beeinträchtigt sein können, weil die Bf. die strittige Abgabenschuld endgültig nicht entrichtet hat und somit kein Beschwer vorliegt. Ein Absehen von der mündlichen Verhandlung in Fällen einer Formalerledigung, in der die Sach- und Rechtslage klar ist, entspricht bereits aus Kostengründen den öffentlichen Interessen (Zweckmäßigkeit).

Da im Beschwerdefall eine Gegenstandsloserklärung auszusprechen war, obliegt diese gemäß
§ 272 Abs. 4 BAO dem Berichterstatter und war gemäß § 274 Abs. 3 Z 2 iVm Abs. 5 BAO von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abzusehen.

Eine Zustellung dieses Beschlusses an die Bf. hat im Hinblick auf den Wegfall der Rechtspersönlichkeit der Bf. zu unterbleiben. Zur Bestellung eines Kurators gemäß § 82 Abs. 2 BAO besteht in einem solchen Fall kein Anlass (). Auch eine Zustellung etwa an den früheren Geschäftsführer wäre unwirksam (vgl. ).

Die Einstellung erfolgt daher mit an die Amtspartei zu richtendem und zuzustellendem Beschluss (vgl. Ritz/Koran, BAO7, § 278, Rz 1a).

Zulässigkeit einer Revision

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Da die im vorliegenden Beschwerdefall relevanten Rechtsfragen, wann vom Vorliegen der Vollbeendigung einer amtswegig gelöschten GmbH auszugehen ist und ob bei Wegfall der Rechtspersönlichkeit einer juristischen Person ein anhängiges Verfahren fortgeführt werden kann durch die zitierte Rechtsprechung geklärt ist (vgl. insbes. ), war auszusprechen, dass die (ordentliche) Revision nicht zulässig ist.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 83 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 83 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 212a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 272 Abs. 2 Z 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 274 Abs. 1 Z 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 274 Abs. 3 Z 1 und 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 40 Abs. 1 FBG, Firmenbuchgesetz, BGBl. Nr. 10/1991
§ 1022 Satz 1 ABGB, Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch, JGS Nr. 946/1811
§ 1023 ABGB, Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch, JGS Nr. 946/1811
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7103606.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at