Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 09.08.2023, RV/3100571/2022

Werbungskosten einer Orchestermusikerin

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch ***1***, ***2***, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des ***FA*** vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2019 und 2020, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

  • Die angefochtenen Bescheide werden abgeändert.


  • Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgaben sind den als Beilage angeschlossenen Berechnungsblättern zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

1. Die Beschwerdeführerin (BF) wurde mit Bescheiden vom amtswegig zur Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für die Jahre 2019 und 2020 veranlagt, weil in den strittigen Veranlagungsjahren mehrere Dienstverhältnisse vorlagen, aber keine Erklärung abgegeben worden war.

2. Gegen diese Bescheide brachte die BF am über FinanzOnline Beschwerde ein und beantragte diverse Werbungskosten sowie Krankheitskosten.

3. Zur Überprüfung der Werbungskosten wurde der BF mit ein Vorhalt zugesendet (Frist zur Beantwortung: ), in welchem sie aufgefordert wurde die Werbungskosten mittels Aufstellung und Belegen nachzuweisen.

4. Da die Frist nicht eingehalten wurde, wurde den Beschwerden mit Beschwerdevorentscheidungen vom für 2019 und 2020 teilweise stattgegeben und Pendlerpauschale, Pendlereuro, Gewerkschaftsbeiträge sowie die Krankheitskosten berücksichtigt. Alle anderen Werbungskosten (Arbeitsmittel, Fachliteratur, sonstige Werbungskosten) konnten mangels Belege nicht berücksichtigt werden.

5. Die Belege wurden von der Beschwerdeführerin verspätet eingebracht und langten am , somit erst nach Erlassung der Beschwerdevorentscheidungen vom bei der Abgabenbehörde ein.

6. Der steuerliche Vertreter beantragte am über FinanzOnline die Vorlage der Beschwerden für 2019 und 2020 zur Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht.
Dem Vorlageantrag beigelegt waren Belege und eine Aufstellung der Werbungskosten.

7. Über Ergänzungsersuchen der belangten Behörde vom nahm die BF über ihren steuerlichen Vertreter mit Schreiben vom Stellung zur rechtlichen Beurteilung der als Werbungskosten geltend gemachten Aufwendungen.
Die betriebliche Nutzung der Instrumente läge aufgrund ihrer Tätigkeit beim Orchester und bei der Musikschule bei 100%. Ein Privatanteil sei nicht anzusetzen.
Die Tätigkeit als Musikschullehrerin finde tatsächlich nicht im Arbeitszimmer statt, sondern erfolgt an jenem Ort, an dem die Vermittlung von Wissen stattfindet. In Bezug auf die Haupttätigkeit als Orchestermusikerin sei der Mittelpunkt der Tätigkeit aber in ihrem Musikzimmer, in dem sie regelmäßig übt.
Bezüglich des Notenmaterials und der Fachliteratur liege eine berufliche Notwendigkeit vor. Die Zurordnung zur Sphäre als Berufsmusikerin sei eindeutig nachgewiesen worden.

8. Am legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht vor und nahm wie folgt Stellung:
Aufwendungen, die in gleicher Weise mit der Einkunftserzielung wie mit der privaten Lebensführung zusammenhängen können, bei denen die Behörde aber nicht in der Lage ist zu prüfen, ob die Aufwendungen durch die Einkunftserzielung oder durch die private Lebensführung veranlasst worden sind, darf die Behörde nicht schon deshalb als Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten anerkennen, weil die im konkreten Fall gegebene Veranlassung nicht feststellbar ist.
Bei den gegenständlichen Instrumenten handelt es sich zweifelsfrei um Wirtschaftsgüter, die auch eine private Veranlassung nahelegen. Es ist daher Ihre Aufgabe, das Ausmaß der betrieblichen Nutzung konkret nachzuweisen.
Die Abgabenbehörde schätzt den Privatanteil der Musikinstrumente auf 30 %.

Bezüglich des im Wohnungsverband gelegenen Arbeitszimmers wird die Auffassung vertreten, dass es zwar nachvollziehbar und glaubhaft sei, dass die BF Ihr Instrument für Übungszwecke auch daheim bespielt, doch werde der Ort, an dem diese Übungen erfolgen, nicht zu dem Ort, an dem die Vermittlung des technischen Könnens und Wissens selbst erfolgt, nämlich den Auftritten vor Publikum bzw. der Vermittlung des Wissens an der Musikschule. Es sei daher augenscheinlich, dass die gesamte berufliche Tätigkeit außerhalb des Wohnungsverbandes ausgeübt wird, weshalb die Abzugsfähigkeit eines häuslichen Arbeitszimmers verneint wird.
Bezüglich des Notenmaterials vertritt die belangte Behörde die Auffassung, dass derartige Aufwendungen vom Abzugsverbot des § 20 Abs. 1 Z 2 lit a EStG umfasst seien.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin ist hauptberuflich Orchestermusikerin am ***Orchester1*** und jeweils in Teilbeschäftigung Lehrende an der Landesmusikschule ***Ort1*** sowie am ***Konservatorium*** und spielt bzw. lehrt das Instrument Fagott.
Folgende Werbungskosten werden geltend gemacht:


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2019
2020
Arbeitsmittel, KZ 719
8.075,44
9.278,44
Noten, Fachliteratur, KZ 720
405,18
466,95
Sonstige Werbungskosten, KZ 724
434,80
434,80
Arbeitszimmer, KZ 159
533,38
495,61
Summe
9.448,80
10.675,80

2. Beweiswürdigung

Die getätigten Aufwendungen wurden belegmäßig nachgewiesen und sind unstrittig.
Strittig ist die rechtliche Beurteilung bzw. die steuerliche Abzugsfähigkeit der getätigten Aufwendungen.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. Abänderung)

3.1.1. Musikinstrumente

Die BF machte Aufwendungen für Arbeitsmittel geltend. Dabei handelt es sich um die AfA für ihre Musikinstrumente (Fagott), Reparaturen und Hilfsmittel.

Gemäß § 16 Abs 1 EStG 1988 sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen.
Aufwendungen und Ausgaben für den Erwerb oder Wertminderungen von Wirtschaftsgütern sind nur insoweit als Werbungskosten abzugsfähig, als dies im Folgenden ausdrücklich zugelassen ist. Werbungskosten sind bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind.
Werbungskosten sind auch Ausgaben für Arbeitsmittel.

Gemäß § 20 Abs 1 Z 2 lit. a EStG 1988 dürfen bei den einzelnen Einkünften nicht abgezogen: werden:
"Aufwendungen oder Ausgaben für die Lebensführung, selbst wenn sie die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt und sie zur Förderung des Berufes oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen."

In Fällen von Aufwendungen, die ihrer Art nach eine private Veranlassung nahelegen, darf die Veranlassung durch die Einkunftserzielung nur dann angenommen werden, wenn sich die Aufwendungen als für die berufliche Tätigkeit notwendig erweisen. Dem Abgrenzungskriterium der Notwendigkeit eines Aufwandes ist nur dann keine entscheidende Bedeutung beizumessen, wenn ein Aufwand seiner Art nach nur eine berufliche Veranlassung erkennen lässt (vgl. ).

Musikinstrumente sind grundsätzlich als Aufwendungen der privaten Lebensführung nicht abzugsfähig.
Die Abzugsfähigkeit derartiger Aufwendungen hängt davon ab, ob im Einzelfall eine (nahezu) ausschließliche berufliche Verwendung unterstellt werden kann oder nicht (ebenso ).
Als Werbungskosten geltend gemachte Aufwendungen sind über Verlangen der Abgabenbehörde nach Art und Umfang nachzuweisen oder, wenn dies nicht möglich ist, wenigstens glaubhaft zu machen (vgl. ; , 96/14/0154).

Im gegenständlichen Fall lässt der Aufwand seiner Art nach die berufliche Veranlassung klar erkennen.
Die BF hat bewiesen, dass sie hauptberuflich als Orchestermusikerin tätig ist und dafür die gegenständlichen Musikinstrumente als Arbeitsmittel unabdinglich sind.

Fraglich ist, ob die Instrumente auch ihrer außerberuflichen Bedürfnisbefriedigung dienen und dementsprechend ein Privatanteil anzusetzen ist.

Die Judikatur des VwGH und BFG, wonach das Üben zur Erhaltung der eigenen Fertigkeit nicht der beruflichen Verwendung dient, ist nicht zu Berufsmusikern, sondern zu Musikschullehrern ergangen ().
Auch die Erkenntnisse, die bei einem Instrument auch eine außerbetriebliche Bedürfnisbefriedigung annehmen, sind nicht zu hauptberuflichen Orchestermusikern ergangen (z.B. ; ).

Die Tätigkeit einer hauptberuflichen Orchestermusikerin erfordert ein regelmäßiges und dauerhaft ausgeübtes Spielen des Instrumentes, um die künstlerischen Fertigkeiten zu erhalten und zu steigern.
Die Instrumente werden nach dem glaubhaften Vorbringen der BF ausschließlich beruflich verwendet. Auch wird der BF Glauben geschenkt, dass sie neben dem Fagott über anderweitige Interessen verfügt und ihre Privatzeit anders zu nutzen versteht, als Fagott zu spielen.
Das Fagott ist nach Erfahrung des Bundesfinanzgerichts auch kein Instrument, das außerhalb eines Orchesters bei privaten Anlässen häufig gespielt wird. Ein Privatanteil ist nach der Judikatur des Bundesfinanzgerichts zwar bei Musikschullehrern angebracht (z.B. ), nicht aber bei Berufsmusikern in Hinblick auf ihr Spezialinstrument, bei denen eine private Nutzung derart in den Hintergrund tritt, dass sie vernachlässigbar ist.

3.1.2. Häusliches Arbeitszimmer

Gemäß § 20 Abs. 1 Z 2 lit. d EStG 1988 dürfen bei den einzelnen Einkünften Aufwendungen oder Ausgaben für ein im Wohnungsverband gelegenes Arbeitszimmer und dessen Einrichtung sowie die Einrichtungsgegenstände der Wohnung nicht abgezogen werden.

Bildet ein im Wohnungsverband gelegenes Arbeitszimmer allerdings den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen, sind die darauf entfallenden Aufwendungen und Ausgaben einschließlich der Kosten seiner Einrichtung abzugsfähig.

Der Verwaltungsgerichtshof judiziert, dass der Mittelpunkt der Tätigkeit von Orchestermusikern nach der Verkehrsauffassung an dem Ort anzunehmen ist, an dem die Musiker die überwiegende Zeit an ihrem Instrument verbringen.
Die Tätigkeit des Übens und Probens eines Künstlers erschöpfe sich nämlich nicht im Einstudieren eines bestimmten Stückes oder Programmes für ein konkretes Konzert, sondern erfordere ein regelmäßiges und dauerhaft ausgeübtes Spielen des Instrumentes, um die künstlerischen Fertigkeiten zu erhalten und zu steigern (siehe betreffend einen Klarinettisten und betreffend eine Konzertpianistin).

Im gegenständlichen Fall hat die BF glaubhaft vorgebracht, dass sie das Zimmer im Ausmaß von 6,5m² ausschließlich zum Üben für Konzerte und für das aufwendige Herstellen von Rohrblättern für ihre Instrumente verwendet.
Die Zeit im Musikzimmer überwiegt dabei weitaus die Zeit, in der mit dem Orchester geprobt und aufgetreten wird.
Das Zimmer stellt daher den Mittelpunkt ihrer beruflichen Tätigkeit als Orchestermusikerin dar (vgl. zu einer Oboespielerin).

Das Merkmal des Mittelpunkts der "gesamten" beruflichen Tätigkeit ist aus der Sicht der jeweiligen Einkunftsquelle zu beurteilen (; ).
Demnach ist die Haupttätigkeit als Orchestermusikerin getrennt von der Tätigkeit als Musikschullehrerin zu beurteilen. Bei einer Lehrtätigkeit liegt der Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit unstrittig an dem Ort, an dem die Vermittlung von Wissen und technischem Können selbst erfolgt und somit außerhalb des häuslichen Arbeitszimmers.
Dies schadet aber nicht einer Anerkennung des häuslichen Arbeitszimmers bezüglich der Einkünfte als Orchestermusikerin.

Die geltend gemachten Aufwendungen iHv. 533,38 Euro für 2019 und iHv. 495,61 Euro für 2020 sind daher als Werbungskosten anzuerkennen.

3.1.3. Fachliteratur und Notenmaterial

Die BF hat für das Jahr 2019 € 405,18 und für 2020 € 466,95 an Ausgaben für Fachliteratur und Notenmaterial als Werbungskosten geltend gemacht.
Die Anteilnahme am Kulturleben ist grundsätzlich dem Bereich der privaten Lebensführung zuzuordnen und führt zur Nichtabzugsfähigkeit derartiger Aufwendungen.
Dies kann allerdings nicht für den Fall einer Orchestermusikerin gelten, deren Einkunftsquelle gerade im Bereich des Kulturlebens angesiedelt ist.
Das angeschaffte Notenmaterial kann schon nach den Titeln der Stücke der beruflichen Sphäre als Orchestermusikerin zugeordnet werden. Die BF verwendet das Material, um sich instrumental fit zu halten, sie dienen also der Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen als Orchestermusikerin.
Die pädagogische Fachliteratur ist eindeutig der Tätigkeit als Musikschullehrerin zuzuordnen und beruflich bedingt, eine etwaige private Verwendung erscheint dem Bundesfinanzgericht vernachlässigbar.
Die Ausgaben wurden belegmäßig nachgewiesen, eine private Veranlassung liegt nicht nahe.
Der Beschwerde war daher stattzugeben.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im gegenständlichen Fall wird -soweit Rechtsfragen zu klären waren- der zitierten, einheitlichen Judikatur des Verwaltungsgerichts gefolgt.
Im Übrigen wurden Fragen der Beweiswürdigung im Einzelfall behandelt, die einer ordentlichen Revision nicht zugänglich sind.

Innsbruck, am

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Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at