Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 11.07.2023, RV/6100118/2023

Zurückweisung eines Wiedereinsetzungsantrages, weil der den Fristlauf auslösende Bescheid nicht zugestellt ist

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf-Adr***, vertreten durch ***Vertreter***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Wiedereinsetzung § 308 BAO / Sonstige 2022 Steuernummer ***BFStNr*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO abgewiesen.

Der Spruch des angefochtenen Bescheides wird dahingehend abgeändert, dass der Antrag vom auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen wird.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Bescheid vom war ***Bf*** (nachstehend mit "Bf" bezeichnet) als einer der ehemaligen Geschäftsführer der ***GmbH*** in Liquidation als Haftungspflichtiger für aushaftende Abgabenschuldigkeiten in Anspruch genommen worden. Er hatte ***Vertreter*** bevollmächtigt, Beschwerde gegen diesen Haftungsbescheid einzubringen, und wurde der Bescheid vom Bundesfinanzgericht in der Folge auch aufgehoben.

Das Finanzamt hat daraufhin am einen neuen Haftungsbescheid erlassen und darin den oa Vertreter als Empfänger bezeichnet. Der Bf hat ***Vertreter*** neuerlich mit seiner Vertretung beauftragt und hat dieser am unter Hinweis auf die ihm erteilte Vollmacht Beschwerde gegen den Bescheid erhoben. Die Beschwerde wurde vorab via Fax an die Nummer 050 233 5958901 übermittelt und soll am selben Tag auch per Post aufgegeben worden sein, wobei ein Einschreiben laut Bf nicht möglich gewesen sei, weil das Finanzamt Österreich über eine Postfachadresse verfüge.
Die genannten Fax-Nummer ist allerdings nicht jene des Finanzamtes Österreich, sondern gehört dem Prüfdienst für Lohnabgaben und Beiträge. Dieser hat das Fax am nächsten Arbeitstag an das zuständige Finanzamt Österreich weitergeleitet.
Das Original der Beschwerde ist laut Poststempel am Kuvert am aufgegeben worden.
Zunächst hat das Finanzamt die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet abgewiesen, in weiterer Folge hat das Bundesfinanzgericht die Beschwerde vom gegen den Haftungsbescheid vom mit Beschluss vom , GZ RV/6100380/2022, als verspätet zurückgewiesen. Diese Entscheidung ist inzwischen rechtskräftig.

Gegen die Versäumung der Beschwerdefrist hat der Bf durch seinen Vertreter am beantragt, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 308 BAO zu bewilligen.
Diesen Antrag hat das Finanzamt mit Bescheid vom im Wesentlichen mit folgender Begründung abgewiesen:

"Insbesondere ist ein minderer Grad des Versehens auszuschließen. Die Fristwahrung zum letzten Tag der Frist, gerade wenn die Postaufgabe an diesem Tag nicht mehr zeitgerecht möglich ist (das Fax wurde um 16.43 Uhr versendet), verpflichtet zu einer besonders genauen Überwachung des fernschriftlichen Verkehrs. Irgendeine im Zusammenhang mit dem BMF stehende Faxnummer als Empfangsstelle einzugeben, welche im gesamten Haftungsverfahren noch nicht einmal erwähnt wurde, in der unkonkreten Erwartung, dass die Übermittlung dem Bescheid erlassenden Finanzamt Österreich schon rechtzeitig zukommen würde, kann bei einem berufsmäßigen Parteienvertreter keinesfalls mehr als leichte Fahrlässigkeit beurteilt werden."

Eine gegen die Abweisung des Antrages beim Finanzamt am erhobene Beschwerde, in der ua auch die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt wird, hatte keinen Erfolg und ist mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet abgewiesen worden.

Am hat der Bf beantragt, das Bundesfinanzgericht möge über die Beschwerde vom entscheiden (Vorlageantrag). Da dem Bf keine schuldhafte Pflichtverletzung vorzuwerfen sei, wäre die Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages nicht rechtmäßig erfolgt und auch der Haftungsbescheid selbst sei unrichtig. Sowohl das Finanzamt als auch das Bundesfinanzgericht seien hinsichtlich der Rechtzeitigkeit der Beschwerde gegen den Haftungsbescheid einem Rechtsirrtum unterlegen.

In der Folge hat das Bundesfinanzgericht ergänzende Ermittlungen hinsichtlich Art und Umfang der ursprünglich an den Vertreter erteilten Vollmacht, insbesondere auch der Zustellungsvollmacht gemäß § 9 Zustellgesetz, durchgeführt.
Diese Ermittlungen haben ergeben, dass keine schriftliche Vollmachtsurkunde vorliegt, der Vertreter vom Bf ursprünglich jedoch nur bevollmächtigt worden war, Beschwerde gegen den Haftungsbescheid vom einzubringen. Es war keine allgemeine, sondern lediglich eine eingeschränkte Vollmacht erteilt worden. Dementsprechend war in der Beschwerde vom auch darauf hingewiesen worden, dass der Bf dem Anwalt "in der außen bezeichneten Finanzsache", also der Beschwerde gegen den Haftungsbescheid vom , Vollmacht erteilt hat.
Für die Vertretung in steuerlichen Angelegenheiten war die ***Steuerberatung*** zuständig.

Mit Schreiben vom hat der Bf den Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung zurückgenommen.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Mit Zweckerreichung (Aufhebung des Haftungsbescheides vom durch das Bundesfinanzgericht) ist die ursprüngliche Vollmacht von ***Vertreter*** zur Vertretung im Beschwerdeverfahren erloschen.
Erst nach Zustellung des Haftungsbescheides vom an ***Vertreter***, der zu diesem Zeitpunkt gar nicht mehr Zustellungsbevollmächtigter des Bf gewesen ist, ist eine neue Vollmacht an den Vertreter erteilt worden und hat dieser zunächst Beschwerde erhoben und sodann einen Antrag auf Wiedereinsetzung gestellt.

Das Original des Haftungsbescheides vom ist laut Auskunft des Vertreters bei ihm verblieben und dem Bf tatsächlich nicht zugekommen. Der Zustellmangel ist also nicht saniert worden.

Daraus folgt jedoch, dass die Beschwerdefrist nicht versäumt ist, weil das den Fristlauf auslösende Schriftstück - der Haftungsbescheid vom - laut den nun vorliegenden Ermittlungsergebnissen nicht zugestellt ist (vgl ). Eine Wiedereinsetzung ist daher nicht möglich (, 0052; , 97/17/0117).
Der dennoch eingereichte Wiedereinsetzungsantrag wäre zurückzuweisen gewesen (zB ; , 96/16/0072; , 2006/13/0010; , 2007/13/0126).

In seiner Stellungnahme vom verweist das Finanzamt auf den Beschluss des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/6100380/2022, und meint, diese Entscheidung habe für das weitere Verfahren Bindungswirkung.
Die Bindung trifft allerdings nicht das Verwaltungsgericht, sondern nur die Abgabenbehörden (vgl zB Marchgraber, UFSjournal 2013, 281; Unger in Althuber/Tanzer/Unger, BAO-HB, § 279, 782; Fischerlehner, in Fischerlehner/Brennsteiner, Abgabenverfahren I3 § 279 Rz 9).

Außer in den Fällen des § 278 hat das Verwaltungsgericht gemäß § 279 Abs 1 BAO immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.
Sachentscheidungen dürfen dabei nach ständiger Rechtsprechung eine Abweisung eines Antrages in eine Zurückweisung abändern (zB ).

Aus den genannten Gründen war der Spruch des angefochtenen Bescheides, mit dem der Wiedereinsetzungsantrag vom abgewiesen worden ist, entsprechend abzuändern.

Zur Unzulässigkeit der Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Diese Voraussetzungen sind - insbesondere im Hinblick auf die zitierte Rechtsprechung - nicht erfüllt.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 9 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982
§ 308 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.6100118.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at