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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 02.08.2023, RV/7200005/2023

Einfuhrabgaben bei Entziehung aus der zollamtlichen Überwachung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch die Richterin Mag. Maria Daniel in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Zollamtes Österreich vom (GZ ***1***) betreffend Einfuhrabgaben (Einfuhrumsatzsteuer) iHv 215,34 Euro zu Recht:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Bescheid vom (GZ ***1***) wurde für den nunmehrigen Beschwerdeführer Herrn ***Bf*** gem Art 79 Abs 1 Buchst a UZK iVm Art 79 Abs 3 Buchst a UZK wegen Nichterfüllung einer der in den zollrechtlichen Vorschriften festgelegten Verpflichtungen in Bezug auf das Verbringen von Nicht-Unionswaren in das Zollgebiet der Union, eine Eingangsabgabenschuld (Einfuhrumsatzsteuer) für 30 Stück Autoinjektoren "GENOTROPIN GOQUICK 12 mg/ml" iHv 215,34 Euro festgesetzt.

Begründend führt das Zollamt an, dass Herr ***Bf*** am im Zuge seiner Einreise nach Österreich aus der Türkei nach Durchschreiten des Grünkanals zu einer Zollkontrolle gebeten wurde. Die Einfuhrzollschuld sei im Zuge dieser Zollkontrolle durch Herrn ***Bf*** für (zunächst beschlagnahmte und anschließend) "widerrechtlich entwendete" einfuhrabgabepflichtige Nicht-Unionswaren gem Art 79 Abs 1 Buchst a UZK entstanden.

In der rechtzeitig eingebrachten Beschwerde führt der Parteienvertreter aus, dass es gänzlich unwahrscheinlich sei, dass der Beschwerdeführer beschlagnahmte, in einer Box verpackte und "wohl versiegelte" Medikamente in einer videoüberwachten Zone an sich gebracht hätte. Zudem sei der Beschwerdeführer ein unbescholtener Geschäftsmann.

Es sei vielmehr davon auszugehen, dass sich die Zollbeamten verzählt hätten und sämtliche Medikamente beim Zoll verblieben wären.

Sollte jedoch davon auszugehen sein, dass der Beschwerdeführer Medikamente in die EU eingebracht habe, werde auf Art 16 des slowenischen Arzneimittelgesetzes verwiesen, wonach die Einfuhr von Medikamenten für den persönlichen Gebrauch für chronische Krankheiten (bzw Zustände) im Ausmaß eines Bedarfes für 12 Monate erlaubt sei, sofern man sich im Zielstaat 12 Monate aufhalte.

Der Beschwerdeführer sei slowenischer Staatsbürger und halte sich in Slowenien ständig auf. Er hätte für seine beiden Töchter einen Vorrat für nicht mehr als 12 Monate nach Slowenien mitnehmen wollen. Auch in Österreich sei die Einfuhr für den persönlichen Gebrauch abgabenfrei möglich.

Die Beschwerde wurde mit Beschwerdevorentscheidung vom (GZ ***2***) als unbegründet abgewiesen. Es wird dabei auf die Stellungnahme des Parteienvertreters vom verwiesen, wonach der Beschwerdeführer bestätige, 30 Stück des verfahrensgegenständlichen Medikaments entwendet und zum Teil bereits, durch Verabreichung an seine Töchter, verbraucht zu haben.

Die Einfuhr der gegenständlichen Nicht-Unionswaren sei gem § 3 Abs 1 AWEG 2010 nur mittels Einfuhrbescheinigung zulässig. Die Ausnahme nach § 11 Abs 1 Z 6 AWEG 2010 greife nicht, wenn die mitgeführte Menge drei für die Abgabe an Privatpersonen vorgesehene Handelspackungen einer Arzneispezialität übersteige.

Daher seien die Eingangsabgaben gem Art 79 Abs 1 Buchst a UZK iVm Art 79 Abs 3 UZK iHv 215,34 Euro für 30 Stück Autoinjektoren "GENOTROPIN GOQUICK 12mg/ml" entstanden.

Im Vorlageantrag vom verweist der Beschwerdeführer im Wesentlichen auf die bereits in der Beschwerde vorgebrachten Argumente, wonach die Einfuhr von Medikamenten für den persönlichen Gebrauch für chronische Krankheiten bzw Zustände in einer Menge für 12 Monate nach slowenischen Bestimmungen erlaubt sei, wenn man sich im Zielstaat für 12 Monate aufhalte.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Sachverhalt

Der slowenische Staatsbürger Herr ***Bf*** reiste am aus der Türkei kommend mit dem Flug PC 901 über den Flughafen Wien in das Zollgebiet der Union ein. Am Flughafen benutzte er den grünen Ausgang "nothing to declare", den sog "Grünkanal".

Im Zuge einer durchgeführten Zollkontrolle wurden bei ihm 170 Stück Fertigpens "Genotropin Goquick 12 mg/ml" durch das Zollamt beschlagnahmt. Dabei handelt es sich um ein gentechnologisch hergestelltes, menschliches Wachstumshormon, welches bei kleinwüchsigen Kindern bzw Jugendlichen mit ungenügender körpereigener Wachstumshormonausschüttung eingesetzt wird.

In einem unbeobachteten Moment entwendete der Beschwerdeführer 30 Stück der zuvor beschlagnahmten Waren aus einem nicht versiegelten Karton. Die fehlende Menge wurde am darauffolgenden Tag durch die Abgabensicherung Zoll festgestellt.

Beweiswürdigung

Die Beweiserhebung des Bundesfinanzgerichts erfolgte durch Einsichtnahme in die vom Zollamt elektronisch vorgelegten Verwaltungsakte, insbesondere unter Bedachtnahme auf folgende Beweismittel: Beschlagnahmeanordnung vom , Fotos der beschlagnahmten 170 Stück "Genotropin", E-Mail des Parteienvertreters vom in englischer Sprache in welchem der Beschwerdeführer zugibt 30 Stück "Genotropin" entwendet und zum Teil bereits verbraucht zu haben, Aktenvermerk zur Tatbeschreibung vom betreffend Verstrickungsbruch.

Daraus ergibt sich der oben dargestellte Sachverhalt und der geschilderte Verfahrensgang.

Rechtlich ergibt sich daraus

Artikel 79 Abs 1 UZK bestimmt:

"(1) Für einfuhrabgabenpflichtige Waren entsteht eine Einfuhrzollschuld, wenn Folgendes nicht erfüllt ist:

a) eine der in den zollrechtlichen Vorschriften festgelegten Verpflichtungen in Bezug auf das Verbringen von Nicht-Unionswaren in das Zollgebiet der Union, auf das Entziehen dieser Waren aus der zollamtlichen Überwachung oder auf die Beförderung, Veredelung, Lagerung, vorübergehende Verwahrung, vorübergehende Verwendung oder Verwertung dieser Waren in diesem Gebiet,

b) eine der in den zollrechtlichen Vorschriften festgelegten Verpflichtungen in Bezug auf die Endverwendung von Waren innerhalb des Zollgebiets der Union,

c) eine Voraussetzung für die Überführung von Nicht-Unionswaren in ein Zollverfahren oder für die Gewährung der vollständigen oder teilweisen Befreiung von den Einfuhrabgaben aufgrund der Endverwendung der Ware."

Artikel 134 Abs 1 UZK bestimmt:

"Waren, die in das Zollgebiet der Union verbracht werden, unterliegen ab dem Zeitpunkt ihres Eingangs der zollamtlichen Überwachung und können Zollkontrollen unterzogen werden. Sie unterliegen gegebenenfalls Verboten und Beschränkungen, die unter anderem aus folgenden Gründen gerechtfertigt sein können: Aufrechterhaltung der öffentlichen Sittlichkeit, Ordnung oder Sicherheit, Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen, Tieren oder Pflanzen, Schutz der Umwelt, Schutz des nationalen Kulturguts von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert, Schutz des gewerblichen Eigentums - wozu auch Kontrollen in Bezug auf Drogenausgangsstoffe, Waren, die bestimmte Rechte des geistigen Eigentums verletzen, und Bargeld gehören - sowie Durchführung von Maßnahmen zur Erhaltung und Bewirtschaftung der Fischereiressourcen oder von handelspolitischen Maßnahmen. Sie bleiben so lange unter zollamtlicher Überwachung, wie dies für die Ermittlung ihres zollrechtlichen Status erforderlich ist, und sie dürfen daraus nicht ohne Erlaubnis der Zollbehörden entfernt werden. Unbeschadet des Artikels 254 unterliegen Unionswaren nicht mehr der zollamtlichen Überwachung, sobald ihr zollrechtlicher Status festgestellt ist. Nicht-Unionswaren bleiben unter zollamtlicher Überwachung, bis sich ihr zollrechtlicher Status ändert oder sie aus dem Zollgebiet der Union verbracht oder zerstört werden."

Gem Art 134 Abs 1 UZK können Waren, die in das Zollgebiet der Union verbracht werden gegebenenfalls Verboten und Beschränkungen unterliegen.

Arzneimittel unterliegen als Gefahrenquelle bei grenzüberschreitenden Warenbewegungen zum Zwecke des Schutzes der Gesundheit und des Lebens von Menschen besonderen Kontrollen.

Gem § 3 Abs 1 AWEG 2010 ist die Einfuhr oder das Verbringen von Arzneiwaren dosiert oder in Aufmachung für den Kleinverkauf nur zulässig, wenn im Fall der Einfuhr eine Einfuhrbescheinigung ausgestellt wurde oder im Falle des Verbringens eine Meldung erfolgt ist.

Zur Antragstellung auf Ausstellung einer Einfuhrbescheinigung und zur Meldung sind gem § 4 Abs 1 AWEG 2010 berechtigt: öffentliche Apotheken, Anstaltsapotheken und Unternehmen, die in einer Vertragspartei des EWR zum Vertrieb von Arzneiwaren berechtigt sind.

Gem § 11 Abs 1 Z 6 AWEG 2010 gelten die §§ 3 bis 10 nicht für Arzneispezialitäten, die in einer dem üblichen persönlichen Bedarf des Reisenden oder dem Bedarf eines mitreisenden Tieres entsprechenden Menge bei der Einreise eingeführt oder verbracht werden.

Die übrigen taxativ aufgezählten Ausnahmen des § 11 AWEG 2010 sind im vorliegenden Sachverhalt nicht einschlägig.

Nach § 11 Abs 2 AWEG 2010 gilt die Ausnahme gem Abs 1 Z 6 nicht für in einem anderen Staat erworbene Arzneispezialitäten, die durch Reisende mit gewöhnlichem Wohnsitz (§ 4 Abs 1 Z 8 ZollR-DG) im Inland in das Bundesgebiet eingeführt oder verbracht werden, wenn die mitgeführte Menge drei für die Abgabe an Privatpersonen vorgesehene Handelspackungen einer Arzneispezialität übersteigt.

Arzneimittel dürfen nach den Bestimmungen des AWEG 2010 grundsätzlich nur durch Apotheken und Unternehmen, die zum Vertrieb von Arzneiwaren berechtigt sind, nach Österreich importiert werden.

Reisende mit Wohnsitz im Ausland dürfen nach § 11 Abs 1 Z 6 AWEG 2010 lediglich jene Arzneimittel mitführen, die sie während der Reise für ihren persönlichen Bedarf oder den Bedarf eines mitreisenden Tieres benötigen.

Die Ausnahmebestimmung des § 11 Abs 1 Z 6 AWEG 2010 greift, abgesehen im Fall der Mitreise eines Tieres, nur für den (eigenen) persönlichen Bedarf des Reisenden.

Der Beschwerdeführer hat 170 Stück "Genotropin Goquick 12 mg/ml" nicht für seinen persönlichen Bedarf, sondern für den Bedarf seiner (nicht mitreisenden) Töchter mitgeführt. Darüber hinaus handelt es sich bei 170 Stück nicht um einen "üblichen" Bedarf.

Herr ***Bf*** hat in der Folge 30 Stück der zuvor durch die Zollbehörde beschlagnahmten Waren entwendet und diese damit der zollamtlichen Überwachung entzogen und dadurch den Tatbestand des Art 79 Abs 1 Buchst a UZK verwirklicht.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zur Unzulässigkeit einer Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da sich das Erkenntnis auf klare unionsrechtliche Vorgaben stützt und zudem keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung vorliegen, ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Zoll
betroffene Normen
Art. 79 Abs. 1 Buchstabe a UZK, VO 952/2013, ABl. Nr. L 269 vom S. 1
§ 11 Abs. 1 Z 6 AWEG 2010, Arzneiwareneinfuhrgesetz 2010, BGBl. I Nr. 79/2010
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7200005.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at